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Meister Jakob Russ aus Ravensburg,

der

Verfertiger der Holzschnitzerei im Rathaussaale zu Überlingen.

Von

Christian Roder.

Die ehemalige Reichsstadt Überlingen besitzt ausser ihrem schönen, allerdings der Wiederherstellung und des Ausbaues bedürftigen Münster1) in dem grossen Rathaussale wegen seiner Holzschnitzarbeit ein hervorragendes, nur zu wenig bekanntes Denkmal mittelalterlicher gotischer Kunst, wie sich eines solchen keine Stadt, wenigstens in Süddeutschland, erfreuen darf. Leider ist der Saal anfangs der 1860r Jahre, übrigens ohne Schuld der Stadtgemeinde, an einigen schad

1) Es mag hier nebenbei bemerkt werden, dass in den neuen Beschreibungen des Münsters, auch in der gehaltvollen, überaus fleissigen von F. X. Ullersberger (Beiträge zur Gesch. der Pfarrei und des Münsters in Überlingen. Lindau, Stettner 1879), als erster Baumeister immer noch ein Eberhard Raben figuriert. Dieser Name steht aber in der Steininschrift an der rechten Aussenseite des Münsters in der Accusativform (anno dom. 1353... positus est primus lapis ad hunc chorum ... per magistrum Eberhardum Raben, lapicidam de Franken); der Mann hiess also Eberhard Rab. - Bei dieser Gelegenheit kann ich auch, in Übereinstimmung mit noch vielen, den Ausdruck des Bedauerns nicht verschweigen, dass in Überlingen, abgesehen von der Beseitigung fast aller, zumteil eigenartigen alten Stadttürme und Thore vor gerade 30 Jahren auch das Spitalkirchlein auf dem jetzigen Landungsplatz der leidigen modernen Verschönerungswut hat zum Opfer fallen müssen. Nur ein vor etlichen

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haften Teilen (Fussboden, Vertäfelung, Fenster) in einer wenig Verständnis bekundenden Weise restauriert" worden. Das ganze Werk, dessen Grundgedanke die Darstellung der unter dem Schutze der Gottheit stehenden Stände und Glieder des alten Deutschen Reichs mit seinen Kurfürsten, Mark-, Burg-, Land- und sog. einfältigen Grafen, Edlen, Städten und Bauern ist, das Tiefsinnige der Erfindung - stille Majestät neben schalkhaftem Humor die Lebendigkeit im Ausdruck und die Tadellosigkeit in der Gewandung der vielen (50) Statuetten mit ihren buntfarbigen Wappen, die Strenge und Feinheit der übrigen Ausführung in den zierlichen Baldachinen und Konsolen, in den mit Krabben und Blumen geschmückten Bogenverbindungen an den vier Wänden und in den Balkendurchzügen an der Decke mit ihren reichen Füllungen lassen zum voraus auf einen Meister von sehr hoher Begabung und vollendeter Technik schliessen. Man dachte daher bald an einen angeblich von Ravensburg stammenden, damals als Bildhauer blühenden Friedrich Schramm1), bald an einen der beiden Ulmer Jörg Syrlin2), hatte aber weder einen urkundlichen, noch aus dem Kunstwerke selbst sich ergebenden, greifbaren Anhaltspunkt hiefür.

Nachdem ich vor zwei Jahren im Auftrage der bad. histor. Kommission das städtische und das spitälische Archiv in Überlingen geordnet und repertorisiert, ohne aber irgendwo eine diesbezügliche sichere Angabe zu treffen, fiel mir während eines mehrtägigen Aufenthalts daselbst im letztvergangenen August bei Sichtung und Verzeichnung eines für das Stadtarchiv bestimmten Restes alter Akten aus der dortigen Leop.

Jahren gefertigtes Gipsmodell in der dortigen städtischen Altertumssammlung, das die allgemeinen Umrisse des niedlichen, wohl aus dem Eude des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts stammenden, in der Mitte von einer einzigen Säule getragenen Baues darstellt, erinnert noch an dieses verschwundene Kleinod gotischer Kunst der besten Zeit, von dem Jos. Bader in seinen „Fahrten und Wanderungen“ (i. J. 1842) S. 189 schreibt: Würde dieser kleine Tempel wieder geräumt und entsprechend hergestellt, so müsste er eines der schönsten alten Baudenkmale des Landes bilden."

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1) Siehe über ihn die Anmerkung weiter unten. 2) Beschreibung des Saales von Dr. C. L. Müller in der Bad. Landeszeitung 1854 No. 179 -180, auf welcher die folgenden, meist wörtlich gleichlautenden von Dr. J. N. Müller, Staiger und zumteil die von Allgeyer (1886) beruhen,

Sophienbibliothek auch ein Papierblatt in die Hände, aus dem wir nun den wirklichen Schöpfer unseres Kunstwerkes kennen lernen, es ist Meister Jakob Russ. Das auch sonst kulturgeschichtlich interessante Schriftstück folgt hier im Wortlaut:

[Zwischen 1490 Anfang Juni und 1491 Mai 23.]
[Überlingen.]

Vertrag des Jacob Russ mit dem Rate der Stadt Überlingen bezüglich der von ihm übernommenen Ausführung der Holzschnitzarbeit in der Stube des neuen Rathauses daselbst.

Ich Jacob Ruß bekenn mitt disem brieffe, als dann die fúrsichtigen, ersamen, wysen min herren burgermeister Peter Tettnang, junckher Hannß Betz, alt burgermeister, junckher Clemens Richlin, Bernhart Kupferschmid vnd Hann Menishofen des rauts zů Vberlingen mich zu der statt arbeyt1) der stuben in irm núwen rauthuß, die zů machen in der form vnd gestalt, wie hernach begriffen ist, bestelt haben: Vnd also sol vnd wil ich die stuben machen nach der visierung) vnd besser, souerr min herren das ansehen. Was och daran gemacht sölt werden, sol ich doch vorhin daran ein visierung machen vnd die minen herren fúrhalten; wie sy dann die annemend, also sol ich die machen. Item zů sommer ziten sol ich an morgen vmb die vierden stund anfahen zů arbeyten, vnd zů winterziten an morgen zu der fünfften stund anfahen arbeyten, vnd zů sommer vnd winterziten am aubend zů der sybenden stund vfhören arbeyten; item zů gewonlichem morgenbrot ein halb stund, zů dem ymbis3) ein stund, zů dem vnderbrot) ein halb stund vnd zum nachtmal ein stund, vnd doch zů winterzite das vnderbrot zů nemen, wie dann ander wercklút vff der hitten) des pflegend. Item ich sol keinen knecht) anstellen, er sige dann minen herren gevällig; vnd wölcher knecht minen herren nit geuällig wêr, den sol ich an der arbeyt lenger nit enthalten. Wär ouch sach, das ich mich eynicher wyse tät bewysen, damit ich minen herren an sölicher arbeyt nit mer füglich wer, so mögen min herren mir vrlob geben vnd mich vmb minen ergangen wochenlon gûtlich vs

1) Korrigiert statt: ir arbeyt. 2) Riss, Plan. 3) Mittagsmahl. 4) Abendbrot. 5) Die städtische Bauhütte. 6) Sonst auch „Kunstdiener" genannt, so in der Bestallung des Steinmetzen Konrad Würfel von Milbach als Werkmeister für den Münsterbau i. J. 1508.

richten. Vnd wie ich also von minen herren komen wird, so sol vnd wil ich dehains wegs das geriert1) werck minen herren verlegen noch mit2) yemand daran verhindern, sonnder, das3) min herren damit gegen andern werckmeistern fryen weg haben. Item ob ich einicher wise mit minen herren spennig wúrde, oder an sy ald an ir burgere anfordrung hette, sol vnd wil ich min herren vnd ir gemain statt nach ir loblich frihait sag vnd ire burger vor irm stattgericht by recht beliben lassen vnd mit frömden gerichten nit bekúmern noch anlangen dehains wegs.) Item min herren söllen mir geben behusung5), fúr vnd liecht, die wil ich sölich arbeyt vnder handen hab; dagegen sol das abholtz minr herren sin, damit ich kain gerechtigkeyt daran hab. So lang ich och an sölicher arbeyt bin, sol ich stúr, wacht, raissens") vnd dienens fry sin. Item min herren söllen mir alle tag XV crútzer geben für spis vnd lon vnd einem yeden miner knecht ouch für spis vnd lon X crútzer des tags.) Ich sol vnd wil och von sölichem werck mich nit abwenden vnd mich dehains ander wercks vnderziechen on miner herren verwilgungs.)

Vmb das alles hab ich den gedachten minen herren zů rechten geweren vnd tröstere") gesetzt Vlrichen Mul, den dräyer, vnd Hansen Grimmen, slosser, mitt dem vnderschaid: Wa ich den obgeschriben stucken, puncten vnd artickeln allen vnd ir yedem in sonnder nit lebte vnd nachkem, so dann mögen min herren die gemelten gewern darum mit recht ersuchen vnd anlangen, souil bis von mir volstreckt vnd gehalten wurde lut diser verschribung, mit sampt ablegung miner herren empfangen costens vnd schadens.

Papierblatt in folio.

1) In der Arbeit begriffen.

3) Insbesondere, damit.

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2) Wohl Schreibversehen statt: nit. 4) Dieses wurde von der Stadt bei allen Bestallungen ausbedungen. 5) In andern Bestallungsbriefen dieser Zeit heisst es: „Behusung oder dafür 2 Pfd. Pfg.“ etwa 21/2 Gulden. 6) Ausziehens in den Krieg. 7) In einem Vertrag mit dem Werkmeister Ludwig Staffler von 1500 wird der Jahressold auf 10 Pfd. Pfennig (= etwa 15 Gulden), in einem solchen von 1502 mit dem Zimmermann Hans Hellmayer auf 6 Pfd. Pfennig (= etwa 7 Gulden 30 Kreuzer), der Wochenlohn auf 12 Schillg. Pfennig (etwa 48 Kreuzer) festgesetzt. 8) Diese Bestimmung findet sich auch bei andern Bestallungen von Werkmeistern in Überlingen. 9) Bürgen.

In dem Schriftstück haben wir nicht das Original, sondern das Konzept des Vertrags, denn es fehlt ihm Datierung und Besiegelung, auch zeigt es verschiedene kleine Textkorrekturen. Allein das ist bei noch vielen anderen Bestallungsbriefen im Überlinger Archiv der Fall. Bekanntlich hat man damals gar wenig Sorgfalt auf die Erhaltung solcher Urkunden verwandt, die nicht dauernde Rechtskraft besassen, deren Vorhandensein für uns aber jetzt oft von hohem Werte wäre; sonst würde es um die Kenntnis der Baugeschichte unserer Domkirchen und anderer Monumente besser stehen. Und hier mochte die Aufbewahrung nach Jahrzehnten deswegen als nicht notwendig erscheinen, weil mit der Vollendung der Arbeit und ihrer Bezahlung das Geschäft der beiden Kontrahenten für immer erledigt war und ein Rechtsstreit der Gemeinde. daraus nicht mehr erwachsen konnte.

Meister Jacob Russ ist kein Unbekannter. Wir wissen, dass er der Verfertiger des geschnitzten Hochaltars in dem Dom zu Chur ist, den R. Rahn) in seiner Beschreibung und Charakterisierung dieses Werkes „den bedeutendsten (Schnitzaltar) und wohl eines der hervorragendsten Werke dieser Art überhaupt" nennt, und von dem Lübke sagt2), er sei eins der kostbarsten, vollständigsten und entwickeltsten Werke dieser Art, das von der Passion bis zur Krönung der Jungfrau den ganzen Cyklus der heiligen Geschichten in sinniger Weise umfasst und zur Verherrlichung der Madonna verbindet". Vielleicht rührt auch der St. Luciusaltar in der Stiftskirche zu Churwalden von ihm her.) Über den Namen des Künstlers und die Zeitangabe der Entstehung des ersteren Altars teilt Kind) das Regest einer Urkunde des bischöflichen Archivs in Chur vom 22. Januar 1491 mit, nach welchem Bischof Ortlieb von Brandis in einem Streit zwischen dem Domkapitel von Chur und dem Meister Jacob Russ, „bildhower", wegen Bezahlung der Altartafel im Münsterchor daselbst als von den Parteien erkorener Schiedsrichter mit den beiden Bürgermeistern Hans Yter und Wilhelm Bernegger dahin

1) Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz S. 741 und 742. 2) Grundriss der Kunstgeschichte Bd. 2 S. 265; in den älteren Auflagen heisst der Künstler noch unrichtig Jac. Rösch. - 3) C. Kind im Anzeiger für Schweizerische Geschichte Jahrg. 1875 S. 171. 4) A. a. O.

S. 170.

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