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Beobachtungen und Bemerkungen

über die Koedukation in amerikanischen Schulen.*)

Von Direktor Dr. Pabst in Leipzig.

Vor einer Reihe von Jahren besuchte ich auf einer pädagogischen Studienreise das Seminar in Küsnacht bei Zürich und sah dort zum ersten Male, wie sich die Koedukation in der Praxis, und zwar in einem Seminar, ausnimmt. Ich glaube nicht, daß ich dieser Frage kritischer gegenüber gestanden habe als viele andere deutsche Schulmänner, aber immerhin war ich kritisch und stellte mit einem gewissen Mißtrauen einige Fragen an die betreffenden Lehrer über ihre Erfahrungen mit der Koedukation. Ich erhielt durchaus beruhigende Antworten und konnte mich auch durch eigene Beobachtung überzeugen, daß sich das Zusammensein der beiden Geschlechter im Unterrichte ganz naturgemäß, ohne Zwang und ohne Störung vollzog. Eine Geometriestunde z. B., die im Freien abgehalten und zur Ausmessung eines Grundstücks verwendet wurde, verlief in so vortrefflicher Weise, daß auch der schärfste Beurteiler keinen Anlaß zu Ausstellungen gefunden hätte. Der Lehrer gab seinen Schülerinnen im allgemeinen das Zeugnis, daß ihre Leistungen hinter denen der Schüler kaum zurückständen, und daß sie an Eifer diesen jedenfalls überlegen wären.

Später lernte ich die Koedukation namentlich in Schottland näher kennen, und auch da hörte ich von den Lehrern nur günstige Urteile über dieselbe. Ein Schuldirektor in Glasgow z. B. erklärte mir geradezu, daß sie auf dieses System unter keinen Umständen verzichten könnten, da das Beisammensein mit den Mädchen ihre wilden Knaben bändige und sie zur Sittsamkeit erziehe. Man muß, um dieses Urteil richtig zu verstehen, das ungestüme, leidenschaftliche Temperament der Schotten in Betracht ziehen, das als eine

Man vergleiche auch die Aufsätze in der Deutschen Schule 1905 No. 1 und 1907 No. 5 und No. 10, sowie des Verfassers Schrift: Die Knaben handarbeit in der heutigen Erziehung». Leipzig, B. G. Teubner, 1907, Seite 91 ff.

Folge ihrer keltischen Blutmischung anzusehen ist und auch mit ihrer durchschnittlich sehr guten Begabung zusammenhängt.

Von andern Ländern, in denen die Koedukation mehr oder weniger umfangreich durchgeführt wird, interessiert uns jetzt hauptsächlich Nordamerika. Man kann sagen, daß die Amerikaner mit der Durchführung der Koedukation ein Experiment von ungeheurer Tragweite gemacht haben, und daß dieses Experiment im großen und ganzen vortrefflich gelungen ist. Auf den unteren Schulstufen ist die Koedukation fast allgemein durchgeführt, auf den höheren in der weitaus überwiegenden Mehrzahl. Auf dem Lande ist der Unterricht ohne Ausnahme für beide Geschlechter gemeinsam; in den Städten stellt sich das Verhältnis so, daß von 628 Städten 587 den gemeinsamen Unterricht in sämtlichen öffentlichen Schulen durchgeführt haben, und daß unter den übrigen nur 13 sind, die Knaben und Mädchen in allen Schulklassen trennen. Es sind dies Städte im Osten, in denen die Anschauungen über die Frage der Koedukation zweifellos von Europa her beeinflußt werden. In den Privatschulen des Landes verschieben sich die Verhältnisse etwas zugunsten des getrennten Unterrichts, so daß im allgemeinen solche Eltern, die diesem System den Vorzug geben, ihre Kinder den Privatschulen zuführen.

Die Koedukation hat sich in den Vereinigten Staaten etwa im Laufe eines halben Jahrhunderts entwickelt, und zwar im Zusammenhange mit der gesamten eigenartigen Kultur des Volkes, insbesondere mit der Entwicklung der Frauenfrage. Der gemeinsame Unterricht wurde zunächst auf den unteren Schulstufen durchgeführt, von wo aus er allmählich auch die oberen Stufen eroberte. Im Westen hat er sich ungleich schneller ausgebreitet als im Osten, und wenn diese Ausbreitung auch durch praktische Gründe, vor allem durch die Ersparnis an Schullasten, gefördert wurde, so handelt es sich doch im letzten Grunde um den Sieg eines Prinzips. Während im Jahre 1870 nur etwa 30 % der höheren Schulen der Koedukation geöffnet waren, waren es im Jahre 1898 schon 70 % und seitdem hat sich das Verhältnis weiterhin zugunsten der Koedukation verschoben, so daß es heutzutage zweifellos von der Mehrheit des Volkes als ein Rückschritt betrachtet werden würde, wenn man zu einer Trennung der Geschlechter zurückkehrte. Dabei bleibt man sich dessen wohl bewußt, daß die geistigen und körperlichen Kräfte der Knaben und Mädchen verschieden sind, und daß deren Entwicklung verschiedene Endziele hat. Aber das amerikanische

Schulsystem gestattet sehr viel Freiheit in der Wahl der einzelnen Unterrichtsfächer, so daß schon dadurch eine Gewähr für eine den Geschlechtern angepaßte Gestaltung des Unterrichts gegeben ist. Manche Fächer werden überhaupt schon derart in den Lehrplan eingefügt, daß sie nur für das eine Geschlecht berechnet sind, z. B. das Nähen und Kochen für die Mädchen und das Manual Training (der Handfertigkeitsunterricht) für die Knaben. Man findet aber auch Schulen, in denen Knaben nach freier Wahl am Kochunterricht teilnehmen und andererseits Mädchen sich an dem Unterricht an der Hobelbank beteiligen, und zwar in beiden Fällen zur augenscheinlichen und ausgesprochenen Zufriedenheit ihrer Lehrer oder Lehrerinnen.

Es ist bekannt, daß der Lehrer in amerikanischen Schulen im allgemeinen ein Femininum ist und daß man wohl in keinem Lande so viele weibliche Lehrkräfte antrifft, wie in den Vereinigten Staaten. Der europäische Beobachter sieht dies zunächst mit Erstaunen, welches sich steigert, wenn er auch auf der Stufe der Mittelschule in den verschiedensten Lehrgegenständen, wie Geometrie, Rechnen und sogar Manual Training (Modellieren, Pappund Holzarbeit) Lehrerinnen vorfindet. Noch größer aber wird das Erstaunen, wenn man den Ernst und Eifer der männlichen Jugend beobachtet, mit dem sie dem Unterricht der Lehrerin folgt, und die Unterordnung unter die Weisung der letzteren. Unsere Tageszeitungen berichten über amerikanische Schulverhältnisse zuweilen in einer anekdotenhaften Weise, die den wirklichen Verhältnissen sehr wenig entspricht. Überhaupt gehört vieles, was bei uns über amerikanische Schulen geschrieben wird, in das Bereich der ethnographischen Märchenerzählung. Diese wird ja bekanntlich in allen Ländern gepflegt; in Frankreich z. B. schreibt man darüber, daß jeder Deutsche sich hauptsächlich von Sauerkraut nähre, und unsere Zeitungen tischen uns oft amerikanische Schulgeschichten auf, die genau auf derselben Höhe der Unzuverlässigkeit stehen.

Tatsache ist, daß nicht nur das weibliche Geschlecht in Amerika vorzügliche Lehrereigenschaften aufzuweisen hat, sondern daß auch fast ausnahmslos ein auffälliges Wohlverhalten selbst der älteren Schüler gegen weibliche Lehrkräfte zu beobachten ist. Ich habe dies an verschiedenen Orten und in Schulen verschiedener Art fast ohne Ausnahme bestätigt gefunden: in Kindergärten z. B., wo junge Lehrerinnen unter einer Schar von Kindern von fast aus

Deutsche Schule. XII. 1.

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schließlich italienischer Herkunft stehen, in Volksschulen in Neuyork und Boston, wo ein buntes Völkergemisch zusammenkommt, in St. Louis und in anderen Orten, wo eine starke Negerbevölkerung in besonderen Schulen vereinigt ist, in Seminaren, wo Hunderte von Zöglingen beider Geschlechter gemeinsam unterrichtet werden, in Fortbildungsschulen, wo sich eine Menge von Lehrlingen und Arbeitsmädchen des Abends zusammenfinden, um Rechnen, Buchführung, Maschinenschreiben, Literatur, Latein oder irgend eine moderne Sprache zu erlernen, in vornehmen Privatschulen, die nur von den Kindern der besten Kreise besucht werden usw. überall hatte ich im wesentlichen dieselben Eindrücke. Der hochgewachsene, selbstsichere Zögling einer High-School-Klasse ließ sich von der Lehrerin ebenso zurechtweisen, wie der zerlumpte Negerjunge einer Volksschule, den sie zur Strafe für irgend ein Vergehen am Schluß der Stunde mit dem Gesichte gegen die Wand stellte, während die übrigen Kinder die Klasse verließen. In diesen Erscheinungen liegt zweifellos ein gemeinsamer Zug, und man geht wohl nicht fehl, wenn man damit auch den guten Ton in Zusammenhang bringt, den der Amerikaner bei allen Gelegenheiten, auf der Straße und in öffentlichen Lokalen, der Frauenwelt gegenüber an den Tag legt.

Selbstverständlich hat das System der Koedukation wie die zunehmende Verwendung weiblicher Lehrkräfte auch unter den Amerikanern seine Gegner. Manche prophezeien geradezu eine fortschreitende Verweiblichung des Volkscharakters, die für das Land eine Gefahr werden würde, und auch die Abnahme der Ehen und Geburtsziffern bringt man mit dem Koedukationssystem in Verbindung. Es mag dahingestellt bleiben, ob diesen Befürchtungen jede Begründung fehlt, oder ob sie doch in etwas berechtigt sind. Jedenfalls aber geben auch die Gegner des Koedukationssystems zu, daß in der frühen Gewöhnung der jungen Leute an kameradschaftliches Beisammensein keine Gefahr für die Sittlichkeit liegt, daß sich vielmehr die Sitten der Knaben durch das Beisammensein mit den Mädchen verfeinern, und daß sich ihr Fleiß durch den gegenseitigen Wetteifer und das gute Beispiel hebt, während die Mädchen durch das Zusammenarbeiten mit den Knaben zur Energie erzogen werden. Die Freunde der Koedukation wissen noch ganz andere Vorteile für dieselbe anzuführen; sie heben vor allem hervor, daß die Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus der Frau auf den Kulturfortschritt der ganzen Nation von großem Einfluß sein müsse,

und daß sogar der industrielle und kommerzielle Fortschritt der Vereinigten Staaten damit im Zusammenhange stehe. Die euro

päischen Völker würden die amerikanische Konkurrenz erst dann mit Erfolg bestehen können, wenn sie an die Stelle der bisherigen Mädchenerziehung eine andere setzten, die auf der Koedukation

basiere.

Zweifellos entwickelt sich die amerikanische Jugend unter dem dort herrschenden Erziehungssystem ganz außerordentlich günstig. Das ist der Eindruck, den jeder europäische Besucher in amerikanischen Schulen haben wird, wo er auf Schritt und Tritt durch den Anblick der blühenden, frischen Mädchengestalten und der kräftigen, schlankaufgewachsenen Knaben und Jünglinge aufs freudigste überrascht wird. Bleichsüchtige und kümmerliche Gestalten, wie man sie auf unsern Schulhöfen so häufig sieht, gehören dort zu den seltenen Ausnahmen, und wenn nicht eine verhältnismäßig große Anzahl von Knaben und auch Mädchen Augengläser trügen, so möchte man meinen, daß sie sich mit Büchern überhaupt nicht beschäftigten. Der häufige Gebrauch der Augengläser ist jedenfalls auffallend und hängt offenbar mit dem übertriebenen Leseeifer, der förmlichen Lesewut zusammen, die das gesamte amerikanische Volk beherrscht. Abgesehen hiervon aber ist der körperliche Zustand der Jugend ganz vortrefflich, und die Schule tut auch das ihre, um ihn in jeder Beziehung zu heben. Fast alle Schulen sind mit großen Spielplätzen ausgestattet, auf die man nicht verzichtet, selbst wenn man sie in der Höhe des vierten oder fünften Stockwerkes oben auf den Dächern anlegen muß. Schwimmbäder und Turnhallen sind auf das glänzendste eingerichtet und werden. von beiden Geschlechtern ausgiebig benutzt. So zeigt die amerikanische Erziehung ein glänzendes Beispiel hervorragender Körperkultur, und daß ihr auch die feineren Züge poetischer und geradezu idealer Einrichtungen nicht fehlen, zeigen am deutlichsten die berühmten Colleges, die entweder für männliche und weibliche Studierende gemeinsam oder auch nur für solche eines Geschlechts bestimmt sind. Ich habe in Anstalten beider Art viel Schönes und für uns Deutsche Vorbildliches gesehen; das schönste im WellesleyCollege bei Boston, einer glänzend ausgestatteten Studienanstalt für junge Mädchen, in der ich einen Tag verlebte, der mit seinem sonnenhellen Glanze mir unvergeßlich bleiben wird.

Die zahlreichen prächtigen Gebäude, die zu diesem College gehören, liegen zerstreut in einem herrlichen Parke, der damals im

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