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einzigartig schönen Farbenschmucke des amerikanischen Herbstes, des,,Indian summer", strahlte. Der stille Friede, der über dieses kleine Paradies ausgegossen ist, in dem Hunderte von jungen Mädchen in freudiger Arbeit heranwachsen, bildet einen wunderbaren Gegensatz zu der Unrast, unter der das amerikanische Leben im allgemeinen so sehr leidet.

Glücklich die Jugend, der eine solche Stätte bereitet wurde! Die Art, in der das amerikanische Volk für die Bildung seiner weiblichen Jugend sorgt, ist zugleich charakteristisch für den Geist der neuen Welt, indem sie einem jeden Kinde des Volkes, und auch den Mädchen, den Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen sucht, die ihnen von Vorteil sein können, und durchdrungen ist von dem Gedanken, auch die Angehörigen des weiblichen Geschlechts so früh als möglich zur Selbständigkeit und Erwerbsfähigkeit zu führen.

Zur Psychologie des Proletariats.*)

Von Richard Schauer in Berlin.

Werner Sombart, der Geschichtsschreiber des Kapitalismus, hat als erster den Versuch unternommen, die besondere psychische Eigenart des modernen Proletariats zu schildern, indem er die spezifische Geistesverfassung, die sich mit innerer Notwendigkeit aus den proletarischen Lebensverhältnissen ergibt, nach einheitlichen Gesichtspunkten betrachtet und in ihren wesentlichen Grundzügen festlegt. Die Kinder dieses Proletariats für das Leben tüchtig zu machen, ist die große Kulturaufgabe, die uns Volksschullehrern zugefallen ist, eine Aufgabe, die wir nur durch eine möglichst genaue psychologische Einsicht in die gegebenen Tatsachen der Lösung annähern können. Deshalb sollte in erster Reihe jeder Volksschullehrer, weiterhin aber auch jeder andere Soziologe und Kulturphilosoph die Bilder und Studien zur Sozialpsychologie des Proletariats, die Sombart in allgemein-verständlicher, interessanter Behandlung darbietet, kennen lernen und ernstlich auf sein Denken einwirken lassen. „Wir, die wir in satter Selbstgefälligkeit auf der Sonnenseite des Lebens dahinwandeln," so schreibt der Verfasser (S. 36),,,wissen ja so blutwenig von den großen Leiden und kleinen Freuden derer, die im Dunkeln schreiten; wir kennen die Lebensgewohnheiten der großen wimmelnden Masse unserer Mitbürger viel schlechter als die der Wahehe oder der Singhalesen, die uns von geschäftigen Reisenden beschrieben und von reisenden Geschäftsleuten in den zoologischen Gärten sogar gezeigt werden.

Die Gesellschaftsklasse der Proletarier, d. h. der besitzlosen Lohnarbeiter, ist eine Schöpfung und Begleiterscheinung des Kapitalismus, nämlich jenes der modernen Geschichte angehörenden Wirtschaftssystems, dessen Eigenart darin besteht, daß in ihm alle wirtschaftlichen Vorgänge dem obersten Zwecke,. eine Geldsumme (das Kapital) zu vermehren, untergeordnet sind. In dem Maße, wie sich das kapitalistische Wirtschaftssystem ausdehnt, vermehrt sich auch die Zahl der proletarischen Existenzen; sie umfaßt nach der Gewerbestatistik wie auch der Einkommensteuerschätzung bereits mehr als zwei Drittel der deutschen Reichsbevölkerung, und in den andern kapitalistischen Ländern liegen die Verhältnisse ganz ähnlich, so daß die Sorge um das Anwachsen der prole

*) Das Proletariat. Bilder und Studien von Werner Sombart. Band I der Gesellschaft", Sammlung sozialpsychologischer Monographien, herausgegeben von Martin Buber. Frankfurt a. M., Rütten u. Loening. Oktav, 88 S.. 1,50 M.

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tarischen Massen mit der ,,sozialen Frage", diesem größten Problem unserer Zeitgeschichte, fast zusammenfällt.

Welches ist nun der besondere Lebensinhalt der proletarischen Existenzen? Eine endlose Variation des Themas: „,Entbehren sollst du, sollst entbehren!" Was muß der Proletarier an Nötigem entbehren? Was ist ihm durch Herausbildung der gerade ihm eigenen Lebensbedingungen allmählich verloren gegangen? In erster Linie als ungeheure Tatsache: die Beziehungen, sowohl äußere wie innere, zur Natur, damit aber auch die bodenständige Heimatsliebe,,,die starken Wurzeln seiner Kraft". Zwar hat der Proletarier eine Behausung, aber in den seltensten Fällen ein ausreichendes, wirkliches Heim, sondern nur eine dürftige Wohngelegenheit, die leicht und oft gewechselt wird. Das Wohnungselend läßt kein Heimatsgefühl aufkommen. Und wie die Wohnung, so das „Vaterland"; unaufhörlich ergießt eine gewaltige Völkerwanderung die Proletarier der verschiedensten Länder über alle zivilisierten Gebiete der Erde und vermengt die Nationalitäten, wobei sie ihre besondere Eigenart bald einbüßen. Erleichtert wird der Wechsel des Heims und der Heimat durch den Mangel an individuellem Besitz, an dem das Herz hängen könnte. Darum sind auch die weichen, irrationellen, sentimentalen Züge der begüterten, seßhaften Bevölkerungsklassen dem Gemüt des echten Proletariers allmählich fremd geworden.

Aus dem häufigen Wohnungswechsel folgt aber weiterhin die Lockerung aller Abhängigkeits- und Autoritätsbeziehungen, die jeden einzelnen mit der Verwandtschaft und der Heimatsgemeinde verbinden und sein Fühlen und Handeln nachhaltig bestimmen. Aber noch viel wichtiger, von überragender Bedeutung wird schließlich die Lockerung des individuellen Familienverbandes. In mehrtausendjähriger Kultur hat sich die Familie zu einer Ernährungs-, Wohn-, Erziehungs- und Lebensgemeinschaft entwickelt. Der Kapitalismus nun zerstört allmählich die dreifachen Bande, welche die Glieder einer Proletarierfamilie vereinigen, und vernichtet damit die natürlichen Quellen der zartesten und heiligsten Gefühle und Erinnerungen, die Grundlagen aller Lebenstüchtigkeit. Bodenwucher und gewissenlose Häuserspekulation haben das Wohnungselend des Großstadtproletariers geschaffen, worüber Sombart auf Grund der Statistik und polizeilich beglaubigter Angaben wahrhaft erschütternde Tatsachen mitteilt.,,Es ist nicht schön und auch nicht sittlich, wenn in demselben Zimmer und oft genug auch gleichzeitig geboren, gestorben, gekocht, gewaschen, gegessen und gearbeitet wird." Was für Menschen müssen aus solchen,,Heimen" hervorgehen, die nichts Anheimelndes, keine Heimlichkeit bieten! Der Mangel einer traulichen Wohnung hat in moralischer Hinsicht niederschmetternde Wirkungen. Die Flucht der Männer in die dunstigen Kneipen, die platte, sinnlichrohe Vergnügungssucht der Jugend, der Alkoholismus der Massen, das sind wesentlich die abstoßenden Wirkungen jener „Heime“, vor denen selbst die Gefängnisse und Irrenhäuser ihre Schrecken verloren haben. Das enge Zusammenhausen in den Mietskasernen erstickt das sexuelle Schamgefühl, und die hohe Sterblichkeit in ihnen verscheucht die Ehrfurcht vor der Majestät und den Geheimnissen des Todes; so verkümmern

gerade die Gefühle, die der sittlichen Entwicklung wertvolles Material liefern. Fehlt die Behaglichkeit im Hause, so erlischt auch bald die häusliche Pflege des Kunstsinns, und somit verarmt endlich die Proletarierpsyche auch an ästhetischen Gefühlen.

Aber neben dem Mangel an einer rechten Häuslichkeit sind es die durch den Kapitalismus geschaffenen Erwerbsbedingungen, die das Familienleben zerstören. Da ist zunächst das Nomadenleben des Wanderarbeiters zu erwähnen, das die Familienglieder wochen- oder nonatelang voneinander trennt, dann die Nachtarbeit, diese moderne Erfindung, wodurch die Grundverhältnisse der Familienordnung umgestürzt werden, endlich die überlange Arbeitszeit, welche die Männer abstumpft und ihnen kaum Gelegenheit läßt, sich ihrer Familie zu widmen. Um so höher steigt die Bedeutung der Frau, der Mutter in der Familie. Doch über den Weg der industriellen Heimarbeit hinweg hat es der Kapitalismus verstanden, die Mütter in stetig wachsendem Maße ihrem häuslichen Wirkungskreise zu entziehen und sie als billige Arbeitskräfte, als Ergänzung von Maschinenverrichtungen ins Joch der Fabrikarbeit zu spannen. „Die Mutter in der Fabrik! In der Frühe hinaus, kaum über Mittag heim, erst gegen Abend zurück! Also kein Herdfeuer mehr! Höchstens ein glimmender Aschenhaufen noch, in dem der Grudetopf schmort, oder wenn auch der wegfällt, die Kochkiste, die heute ein wichtiges Requisit der bürgerlichen Sozialreform bildet. Und die Kinder? Ein Glück, wenn die Kleinsten in einem gut verwalteten Kinderhort oder in einer Krippe Aufnahme finden (wohlwollende Arbeitgeber interessieren sich mit Vorliebe für die Errichtung solcher Horte und Krippen, die es den Müttern,,erleichtern, keine Mütter zu sein); sonst müssen sie bei der Nachbarin die Zeit verbringen". An die Stelle der Familienerziehung tritt bei den älteren Kindern die Einwirkung der Straße; jetzt erst wird sich das Schicksal des Proletariers vollenden. „,Erst das Straßenkind ist der legitime Stammhalter aller künftigen Geschlechter dieses heimatlosen Volkes. Das Straßenkind abermals eine Blüte der Kultur, die erst in unserer Zeit zur vollen Entfaltung gelangt ist. Ein in seiner Zusammensetzung ewig wechselnder Haufe fremder Kinder, deren Eltern sich nicht kennen, deren jedes von den Eltern der andern nicht gekannt wird. Eine formlose Masse, in der nun die stärkeren, aber auch die schlechteren, gemeineren Elemente, ohne daß irgend jemand ihre unheilvolle Wirksamkeit beobachtete oder aufzuhalten versuchte, die ganze Schar beherrschen. Eine Rotte, deren physisches und moralisches Schicksal dem Zufall preisgegeben ist.“

Aber die kapitalistische Wirtschaftsform hat sich auch der Kinder als industrieller Lohnarbeiter bemächtigt, und wenngleich neuerdings wegen der unerhörten physischen und moralischen Entartung, welche die Kinderarbeit notwendig herbeiführt, staatlicherseits dagegen eingeschritten wird, so ist der Mißstand damit noch lange nicht beseitigt. Die jugendlichen Erwerbstätigen werden heutzutage sehr zeitig wirtschaftlich und damit ethisch von ihren Eltern unabhängig (wie auch die Frau vom Manne). Der Gelderwerb in der Fabrik lockert die Bande der Familie; die Not des Proletariats ist dazu die Wurzel, die Frucht davon

aber der Geist des autoritätsfeindlichen, pietätlosen Individualismus.

In knappen Umrissen behandelt nun Sombart die Beziehungen, welche im Lauf der Wirtschaftsgeschichte die Glieder der einzelnen Arbeitsgemeinschaften vereinigt haben; er zeigt, wie die Arbeit in der Gemeinschaft auf das persönliche Leben des Arbeiters wirkte. Der moderne Kapitalismus hat jede Interessen- und Arbeitsgemeinschaft zwischen dem Unternehmer und den Lohnarbeitern aufgelöst; nichts als der Arbeitsvertrag und die Barzahlung verknüpft noch beide Parteien. Das bedeutet aber für den Arbeiter ideell und materiell seine Vereinzelung, seine Vereinsamung, da er seinem Arbeitgeber gegenüber keine weiteren ethischen Verpflichtungen hat, und dieser kein persönliches, fürsorgliches Wohlwollen für ihn hegt. Der Arbeiter ist jeden Augenblick der Gefahr ausgesetzt, entlassen zu werden. Aber ohne Arbeit kein Lohn; ohne Lohn kein Brot, kein Leben! An zwei typischen Beispielen zeigt der Verfasser die Schicksale eines Arbeiterhausstandes, hoffnungsvoll begonnen, sorgenvoll beendet.

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Das furchtbarste Los des modernen Arbeiters ist die früher nie gekannte Massenerscheinung der Arbeitslosigkeit, die Hunderttausende von arbeitswilligen, arbeitsfähigen Männern nebst ihren Familien dem Hunger und der Not preisgibt, wenn der Rhythmus der kapitalistischen Produktion gerade bei einer Krisis angelangt ist. Die bange Sorge um die unbestimmte Zukunft ist daher ein konstanter Faktor in der Proletarierpsyche.

Der Auflösungsprozeß innerhalb der kapitalistischen Arbeitssphäre hat schließlich auch die inneren Beziehungen ergriffen, die den Einzelnen mit der Ausübung seines Berufs verbinden. Hierher gehört der häufige Berufswechsel des modernen Arbeiters, ferner die stetigen Veränderungen in der Technik, die ein fortgesetztes Umlernen nötig machen, weiterhin der automatische Betrieb und eine weitgehende Arbeitsteilung, wodurch das persönliche Interesse an der Arbeit bei dem, der sie ausübt, bald abstumpfen muß; eigentlich ist es ja auch nicht sein,,Beruf", sondern der des Unternehmers, für den er arbeitet. So hat die kapitalistische Produktionsweise die Arbeitsfreudigkeit arg herabgestimmt.

Die Gesamtheit der kapitalistischen Wirtschaftsformen hat dahin geführt, daß das Leben des Proletariers verarmt ist. Die natürlichen Quellen der Lebensfrische und Lebensfreudigkeit sind abgegraben; eine geistige Dürre und Verödung hat das Gemüt der Massen ergriffen, gleichbedeutend mit Stumpfheit oder Roheit. Alle Wertungsgefühle sind gelähmt, religiöse Hoffnungen begraben. Entsetzliche Einförmigkeit voll Mühe und Entbehrung, ohne Rhythmus und Freude, ohne Hoffnung und Ziel, das ist das Leben des typischen Proletariers, wie es sich auch in seinen geistigen Äußerungen widerspiegelt.

Eine einzige psychische Funktion aber entwickelt sich stärker in der Proletarierpsyche, nämlich der Intellekt. Es ist das eine Anpassungserscheinung, die sich im Kampf ums Dasein als besonders zweckmäßig ausgebildet hat. Denn die Not des Lebens erfordert täglich neue Kalkulationen für alle Fälle"; die Unstetigkeit aller Beziehungen zwingt zu beständigem Urteilen und Vergleichen; die kapitalistischen Organisations

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