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und Produktionsmethoden als Ausdruck eines raffinierten Verstandes veranlassen den Arbeiter zu unaufhörlicher Übung der Aufmerksamkeit und des Denkens. So entwickelt sich in den Massen ein unverkennbarer Rationalismus, ein kritischer Zug im Denken, der aber bei gleichzeitiger Gemütsverkümmerung und dem Mangel an ausreichender Schulung stark befangen und einseitig bleibt. Diese Art des Denkens ist zwar bald mit allen sittlichen und religiösen ,,Vorurteilen" fertig und hält sich für ,,frei“, ohne aber zu den Höhen der Geisteskultur aufsteigen zu können. Es entsteht eine sehr charakteristische Eigenart der proletarischen Logik, der Dogmatismus. Irgend ein klangvolles Schlagwort, wie Atheismus oder Darwinismus oder Klassenkampf, Antisemitismus oder Internationalismus oder soziale Revolution und dergl. wird die Begriffsfalle, die mit Sicherheit das Denken des Proletariers gefangen nimmt.

Die Unterdrückung der Persönlichkeit des Proletariers hat aber noch eine zweite, nicht minder bedeutsame psychische Eigenart geschaffen: an die Stelle des Selbstbewußtseins tritt das Massenbewußtsein. Der Einzelne ist nichts, die Masse ist alles! Hierin liegen die Keime der neuen Ethik, die sich im Proletariat entwickelt. Ist der Einzelne nicht mehr der Herr seiner Schicksale, so setzt er seine Hoffnungen auf die Macht der Masse, in deren Dienst er seine sozialen Tugenden betätigt, und in deren endlichem Sieg er die Erfüllung seiner unterdrückten Wünsche erwartet. So führt das soziale Interesse das intelligente Proletariat notwendigerweise zu einer lebhaften Beschäftigung mit der Politik, die natürlich den Charakter einer pietätlosen, radikalen Klassenpolitik haben muß. Die Sozialpsychologie ermöglicht von diesem Standpunkt aus ein tieferes Verständnis für die politisch-wirtschaftliche Bewegung des vierten Standes.

Ein wuchtiges Werk voll tiefernster Gedanken und packender Stimmung! Wenn das von Sombart entworfene Gemälde grau in grau erscheint, schwarze Schatten zeigt und der Lichter entbehrt, so liegt das nicht an der individuellen Neigung des Verfassers, sondern entspricht lediglich dem behandelten Stoffe, dem Leben des Proletariats. Die meisterhaft anschauliche, klare Abhandlung hat keine andere Tendenz als die, rückhaltlos die Wirklichkeit darzustellen und mit der Forscherruhe des Ethnologen die Wahrheit zu sagen, allerdings ohne den Ton des tiefen Mitgefühls zu unterdrücken, das jeden vollwertigen Menschen ergreift, wenn er seine Brüder darben sieht. Daß es bei dem Versuche, aus einer erdrückenden Mannigfaltigkeit von Erscheinungen das Wesentliche, Allgemeine zu abstrahieren, nicht ohne leichte Umbiegungen abgehen kann, bedeutet keinen Fehler, wenn man sich die Größe der Aufgabe vergegenwärtigt; stets ist sich Sombart der vielfachen Abwandlungen bewußt geblieben, die innerhalb des Proletariats nach verschiedenen Seiten hin vorhanden sind. Er weiß auch, daß im Einzelfalle das Leben des Proletariers nicht des Lichtes entbehrt; wo aber etwas im Leben erfreulich, anziehend, gut und schön ist, da gehört es dem Allgemein-Menschlichen an. Hier jedoch sollte die besondere Eigenart des Proletariats in seinen wesentlichen Unterschieden gegenüber den andern Gesellschaftsklassen dargestellt werden. Im Sinne seiner

Aufgabe konnte Sombart auch nicht die kompensierenden Einflüsse, deren Ursprung außerhalb der proletarischen Sphäre liegt, berücksichtigen; so erwähnt er die Schule mit keinem Wort.

Und doch hat diese Schrift eine gewaltige pädagogische Bedeutung. Hier finden wir eine zusammenhängende Darstellung der sozialpsychischen Mächte, die sich als Imponderabilien im Wirkungskreis der Schule geltend machen, indem sie gewöhnlich unsere Arbeit vereiteln, hemmen oder zerstören. Bevor wir Denken und Fühlen der jugendlichen Generation schulen und pflegen können, müssen wir uns über die gegebenen Vorbedingungen klar sein; daher muß die Individualpsychologie durch die Einsicht in die sozialen Abhängigkeitsbeziehungen der Individualpsyche ergänzt werden. Ist die Ethik die andere Grundlage der Pädagogik, so haben wir das größte Interesse daran, die Eigenart und die Quellen der neuen, aufkeimenden Ethik kennen zu lernen. Ziele und Aufgaben der Pädagogik sind stets von den zeitgeschichtlichen Interessen abhängig gewesen; im Vordergrunde unserer Geschichte steht die soziale Bewegung des Proletariats.

Darum sollte jeder Sozialpädagoge Sombarts Schrift im Zusammenhang mit der Beobachtung des wirklichen sozialen Lebens gründlich studieren.

Scherers Geschichte der Pädagogik.

Von Prof. Dr. Alfred Heubaum.

Vor einiger Zeit veröffentlichte Heinrich Scherer in diesen Blättern (1906, S. 679) den Plan einer Geschichte der Pädagogik, der meine Erwartungen auf das Werk selbst im höchsten Grade spannte. Die Geschichte der Pädagogik, hieß es darin, soll die Entwicklung der Pädagogik als Wissenschaft und Kunst im Zusammenhang mit dem Kultur- und Geistesleben der Zeit darstellen. Sie hat die Entstehung der pädagogischen Systeme, ihr Verhältnis zu den übrigen Gebieten der Wissenschaft und Kultur zu untersuchen. Kurz, es ist aufzuräumen mit der bisher so beliebten äußerlichen Aufeinanderfolge der Pädagogen und ihrer Meinungen in Hand- und Lehrbüchern, und an ihre Stelle hat eine historisch-genetische Darstellung zu treten, die die Entwicklung der pädagogischen Reformer und ihrer Überzeugungen aus dem Zusammenhange der gesamten kulturellen und wissenschaftlichen Verhältnisse heraus begreiflich zu machen versucht.

Die Forderungen waren zwar nicht ganz neu; sie gewannen aber dadurch erhöhtes Interesse, daß der Verfasser den Wünschen selbst in kurzem die Ausführung folgen zu lassen in Aussicht stellte. Ich sagte schon, ich war aufs höchste auf das Werk selbst gespannt. Das Werk liegt nun vollständig vor. Der Gesamttitel lautet: Die Pädagogik als Wissenschaft von Pestalozzi bis zur Gegenwart. Leipzig, Friedrich Brandstetter, 1907. Die Zeit vor Pestalozzi hat Scherer vor einigen Jahren in einem besonderen Bande behandelt. Das gegenwärtige Werk zerfällt in drei Abteilungen. Die erste behandelt die Entwicklung des Kultur- und Geisteslebens, die zweite die Entwicklung der wissenschaftlichen Pädagogik, die dritte die wichtigsten Darstellungen der empi. rischen Pädagogik.

Um meinen von der Lektüre empfangenen Eindruck gleich vorweg zu sagen: ich war gründlich enttäuscht. Die Ausführung entspricht dem voraufgeschickten Programm nicht; es ist keine historisch-genetische Darstellung der pädagogischen Gedankenbewegung seit Pestalozzi, was uns hier geboten wird.

Um meine ablehnende Kritik zu rechtfertigen, gebe ich zunächst einen Begriff vom Inhalt der drei Bände. Das Verzeichnis des ersten Bandes weist eine Einleitung mit 14 Kapiteln auf, in denen ein kurzer summarischer Überblick über die wichtigsten Bewegungen seit der Renaissance bis zum Schluß des 18. Jahrhunderts gegeben wird. Darauf folgt, in 133 Kapitel eingeteilt, eine Inhaltsangabe der im ersten Band behandelten Gegenstände. Eine bunte Zusammenstellung von Sachkategorien

und Namen ohne den Versuch einer übersichtlichen Zusammenfassung und Einteilung. Einige Proben daraus: 14. Darwin, Entwicklungslehre ; 15. Geographie; 16. Herder; 17. A. v. Humboldt; 18. Ritter; 19. Reisende; 20. Peschel; 21. Geographie als naturwissenschaftliche Disziplin; 33. Deutsche Sprache; 34. Gottsched; 35. Lessing; 36. Herder; 37. Goethe; 38. Schiller; 39. Adelung; 40. Romantische Schule; 41. W. v. Humboldt; 42. Grimm; 43. Becker; 44. Literaturgeschichte; 45. Anthropologie.

In dieser ungegliederten Art verläuft auch die sich über 400 Seiten erstreckende Darstellung. Was sie gibt, wird schon einigermaßen aus den angeführten Inhaltsproben ersichtlich: es sind kurze geschichtliche Überblicke über die mannigfaltigsten Wissenschafts- und Kunstgebiete. Eine Entwicklung des Kultur- und Geisteslebens, wie der Titel sagt, kann man doch diese äußerlich nebeneinander gereihten Übersichten alles möglichen Wissenswerten beim besten Willen nicht nennen. Soll eine Entwicklung aufgezeigt werden, so müssen hervorragende Tatsachen oder Persönlichkeiten in ihrer geschichtlichen Bedeutung herausgehoben werden, sie sind als der beherrschende Mittelpunkt der von ihnen ausgehenden und abhängigen Bewegungen zu erweisen. Ein solcher Mittelpunkt ist in vieler Hinsicht im 18. Jahrhundert Herder, dem eine zentrale Stellung zukäme und dessen vielseitig und gewaltig anregende Persönlichkeit zur Darstellung kommen müßte. Statt dessen wird er zerrissen und zerpflückt. Da erscheint ein Stück von ihm in der Rubrik Geographie, cin andres unter der Überschrift: Deutsche Sprache, wieder ein Fragment in der Theologie, dann eins unter Neuhumanismus, endlich ein andres in der Übersicht der literarischen Bewegung. Man sollte mindestens erwarten, daß die Gesamtheit der wissenschaftlichen und künstlerischen Tatsachen und Bewegungen je in einzelne Perioden zusammengefaßt und eine Reihe von Querdurchschnitten gegeben würde, in denen das ganze geistige und kulturelle Leben der einzelnen Zeitabschnitte zur Anschauung käme. Das wäre doch wenigstens der Versuch einer geschichtlichen Auffassung. Vom Nachweis einer Entwicklung brauchte dann immer noch nichts zu spüren sein. Aber nichts davon. Statt dessen enzyklopädische, äußerlich nebeneinanderstehende Übersichten, die je für sich ihren Gegenstand vom Schluß des 18. bis zum Schluß des 19. Jahrhunderts verfolgen. Auf das einzelne vermag ich nicht einzugehen, es ist zu vielerlei und erforderte eine Kenntnis auf den verschiedensten Gebieten, die ich nicht besitze. Die einzelnen Gegenstände sind jedenfalls nicht gleichmäßig bedacht. So ist die Mathematik mit wenigen Zeilen abgetan, während beispielsweise dem Überblick über die Geographie ein verhältnismäßig großer Umfang eingeräumt ist. Subjektive Vorliebe und Kenntnis tat wohl dabei das Ihre. Immerhin wird, wer es gern hat, eine Menge brauchbaren Wissens auf verhältnismäßig gedrängtem Raume beisammen zu finden, mit dem Buch auf seine Rechnung kommen; aber den Eindruck einer Entwicklung des deutschen Geistes- und Kulturlebens empfängt er daraus so wenig, als wenn er im Konversationslexikon die einzelnen Artikel über die Geschichte der Geographie, Astronomie, über Literaturgeschichte usw. hintereinander durchläse.

Von Pädagogik ist in dem ersten Bande gar nicht die Rede. Deren

Geschichte wird im zweiten und dritten behandelt, und zwar scheidet der Verfasser die Entwicklung der wissenschaftlichen von den Darstellungen der empirischen Pädagogik. Die Unterscheidung ist nicht verständlich. Wissenschaftlich und empirisch brauchen sich nicht auszuschließen. Auch eine auf empirischer Basis beruhende Pädagogik kann wissenschaftlichen Charakter haben. Leider erklärt Scherer, was er unter wissenschaftlicher Pädagogik versteht, gar nicht, und was er als empirische bezeichnet, so unklar, daß man daraus die Verschiedenheit nicht erkennen kann. Empirisch wären,,die Versuche der Fachmänner, ein System der Pädagogik aufzustellen und dieses in die engste Beziehung zur pädagogischen Praxis zu bringen“. „Bei ihnen bildet die Erfahrung die Grundlage; sie bietet den Stoff, die Philosophie gibt die Richtlinien für den Ausbau, die Form, weshalb man sie als Empiriker bezeichnen kann." Danach scheinen einerseits Systematiker gemeint zu sein, die die Erfahrung zum Ausgangspunkt nehmen, dann doch aber wieder Pädagogen, die als Fachmänner theoretische Erwägungen in die engste Beziehung zur pädagogischen Praxis bringen", also das treiben, was man wohl auch als angewandte oder praktische Pädagogik bezeichnet. Noch größer wird die Verwirrung, wenn man den Inhalt der beiden Bände überblickt. Pestalozzi unter den Vertretern der wissenschaftlichen Pädagogik, Fröbel unter den Empirikern, ebenso Ziller unter diesen, Stoy und Strümpell dagegen in der Reihe der wissenschaftlichen Pädagogen. Auch Herder, Goethe und Schiller begegnen wir hier. Die Scheidung der Geister ist auf keine Weise einzusehen. Hat je ein Pädagog fast in allen Beziehungen Ähnlichkeit mit Pestalozzi gehabt, so ist es Fröbel. Beide sind Zeit ihres Lebens ausübende Erzieher und Lehrer; beide gewinnen ihre pädagogischen Überzeugungen aus der Erfahrung, und ihre Überzeugungen sind so lebenswahr und wirksam, weil sie aus lebendiger Beobachtung erwachsen sind; beide sind aber auch bemüht, ihre Erfahrungen in Zusammenhang zu bringen, über ihr Wesen und ihre Bedeutung sich Rechenschaft abzulegen und sie wissenschaftlich zu begründen. Und auch das haben sie gemeinsam, daß es keinem von ihnen gelingt, zu einem abgeschlossenen System zu gelangen. Kurz, Pestalozzi ist ebenso Empiriker wie Fröbel und dieser im selben Grade ,,wissenschaftlicher“ Pädagog wie jener. Ebensowenig vermag ich der Trennung Zillers von Stoy und Strümpell zuzustimmen, denn alle drei sind ebensosehr praktisch wie theoretisch tätig gewesen. Und unsere großen Dichter nun vollends als Vertreter,,wissenschaftlicher" Pädagogik zu betrachten, geht doch, ohne den Sinn des Begriffs,,wissenschaftlich" völlig zu verdrehen, gar nicht an.

Läßt sich die Trennung der ,,wissenschaftlichen" von den „,empirischen" Pädagogen inhaltlich nicht rechtfertigen, so wirkt sie geradezu unheilvoll für den Zweck des vorliegenden Werks, das ja vor allem die Entwicklung in der Pädagogik des 19. Jahrhunderts aufzeigen will. Wie ist es aber möglich, geistige Zusammenhänge darzulegen, Abhängigkeiten und Beziehungen zu erweisen, wenn man, wie es in den beiden Bänden geschieht, fortwährend Zusammengehöriges auseinanderreißt, wenn, wie wir bereits gesehen haben, Ziller von Waitz, Stoy und Strümpell,

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