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Aristokraten. Sie suchte in die Tiefe und Breite zu wirken, ins Soziale, ins Volkstümliche. Luther war kein Wissenschaftler; er ist der geborene Volksmann. Die Volksschulen im eigentlichen Sinne begannen zu leben.

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Auch die Bewegung der Reformation sollte im Intellektualismus endigen. Die berühmten protestantischen Schulen des 16. Jahrhunderts und nicht minder ihre Rivalen, die katholischen Schulen der Jesuiten, sind Produkte eines pädagogischen Intellektualismus. Die artes discendi, die schon aus der Scholastik bekannten formalen Disziplinen treten an die Stelle eines lebensvollen Inhalts. Die Imitatio, die bloße Nachahmung, wird zum wichtigsten Erziehungsmittel. Die freie Persönlichkeit geht unter im Zwang einer Schablonen dressur und einer alles umspannenden Organisation.

Die neuen Ideen des 17. Jahrhunderts, die Reaktion des Pietismus gegen die lutherische Orthodoxie, die Kraft der durch Luther geschaffenen neuhochdeutschen Sprache und die Ergebnisse der Forschung brachten

mathematisch-naturwissenschaftlichen

einen neuen voluntaristischen Strom, der auch der Pädagogik neue Wege und Ziele ermöglichte. Das Leben brauchte andre Menschen. Das Diesseits verlangte Berücksichtigung im Erziehungsgeschäft. Das weltmännische Bildungsideal eines Montaigne und eines John Locke machte sich geltend. Der Autoritätsglaube, der Kadavergehorsam werden verworfen. Die Selbsttätigkeit des Individuums kommt zur Geltung. Auf die Sache kommt es an, nicht auf die Form. Es gibt keine fertigen Begriffe; die Erfahrung ist die Quelle des Wissens.

Aus dem vollebendigen Erfassen der neuen Errungenschaften auf dem Gebiete des Geisteslebens entwickelte sich die Sucht, sie intellektualistisch zu durchdringen: Die Aufklärungspädagogik nahm das Interesse in Anspruch. Rousseaus Pädagogik war noch voluntaristisch. Sein Sensualismus, sein Antirationalismus, sein Autoritätshaß, sein Drang zur Natur bewahrten ihn vor einem intellektualistischen Versanden. In Deutschland jedoch nahm die Aufklärungspädagogik intellektualistischen Charakter an. Der Verstand wurde überschätzt. Er galt als das Fundament für Tugend und Glückseligkeit. Die Methode wurde überschätzt; Tabellen und Begriffe vertraten wieder die Stelle der lebendigen Natur.

Das verflossene Jahrhundert läßt den Wechsel zwischen Voluntarismus und Intellektualismus neuerdings erkennen. Auf dem

Gebiete der Mittel- und Hochschulen wirft zuerst der Neuhumanismus seine starke Woge in die pädagogische Welt. Deutsche Dichter sind es vor allem neben den Pädagogen, welche die neue Richtung anbahnen und ausbauen helfen: Klopstock, Winckelmann, Herder, Goethe. Ein hellenisch - deutscher Humanismus löst den römischen ab. Nicht mehr die Imitation, sondern das lebensvolle Ringen mit den griechischen Vorbildern um den Kranz der Schönheit, die Geltendmachung des eignen Volkstums, der eigenen Kraft wird gefordert. In Fr. Aug. Wolf, in Wilh. v. Humboldt, in Männern, die der rationalistisch-mechanischen Weltauffassung der Aufklärungszeit eine organische entgegenstellen, findet die neue Welle ihren Höhepunkt. Welt, Natur, natürliche Anlage, Griechentum, das sind die neuen Schlagworte, bis auch diese Strömung wieder durch und durch intellektualistisch werden sollte.

Erst mit Friedrich Nietzsche, dem leidenschaftlichsten Kritiker der sogenannten formalen klassischen Bildung, setzt die jüngste voluntaristische Gegenbewegung wieder machtvoll ein. Sie ist heute noch nicht zum Abschluß gelangt.

Auf dem Gebiete des Volksschulwesens sind es im letzten Jahrhundert vor allem zwei Ideenströme gewesen, welche die Pädagogik befruchteten: die Lehren Pestalozzis und die Lehren Herbarts: Voluntarismus und Intellektualismus. Pestalozzis Gefühlspädagogik stellt sich zugleich in Gegensatz zu dem Rationalismus, der sich unter Kantschem Einfluß in Niemeyer u. a. äußerte. Es ist bezeichnend für Herbart, daß er Niemeyers Werke geradezu klassisch findet und ihnen autoritativen Wert zumißt. Der verwandte Geist freut sich zustimmen zu dürfen.

Mit Pestalozzi kam der neue voluntaristische Strom- nicht nur mit seiner Lehre, sondern mehr noch mit seinem Leben selbst, mit seinem Lehrerleben.

Pestalozzi ist dadurch das große Lehrervorbild geworden. Die Innerlichkeit kann sich wieder frei entfalten. Die Natur fordert ihre Rechte gegenüber der Mode, der Vielwisserei, gegenüber allem äußern Formelkram, gegenüber allem hohlen Prunk der Kultur. Es ist die an Christus erinnernde Liebe für alles Arme, Kranke und Verlassene, was an diesem selbst rührend unbeholfenen Manne so erwärmend und herzerquickend wirkt: die Liebe zum Kinde, der Zug zur Familie, der soziale Drang. Der junge Herder, Hamann, Jean Paul, Fichte haben zum Teil ähnlichen Gefühlen und

Stimmungen gehorcht, als sie ihre pädagogischen Theorien der Welt verkündeten.

Als eine voluntaristisch-intellektualistische Grenzfigur könnte Schleiermacher gelten, neben Herbart der einzige systematische Pädagoge jener nachkantischen Zeit.

Mit Herbart selbst und seiner Schule kommt der Intellektualismus zur Herrschaft. Die Vorstellung wird Grundfunktion des Seelenlebens, der Intellekt Hauptgebiet aller Bildungsversuche. Herbart stellt sich in Gegensatz zu Pestalozzi und doch hat er zugleich ein Recht, sich für den Ergänzer der Pädagogik des Schweizers zu halten. Er ergänzt den Gefühlspädagogen, wie jedes voluntaristische Streben erst mit der intellektualistischen Stellungnahme seinen Abschluß erfährt. Herbart ist vor allem der wissenschaftliche Pädagog. Die Pädagogik selbst wird erst durch ihn zur Wissenschaft und Ethik und Psychologie zu pädagogischen Grundwissenschaften. Es fehlt nicht an ethizistischen und intellektualistischen Einseitigkeiten: die Unterordnung des Unterrichts unter das Tugendziel, die Bildung des Charakters durch die Kultur des Gedankenkreises; aber im großen und ganzen ist der Philosophen-Pädagog doch der Meister, den vor allem sein künstlerisches Gefühl vor dem Verflachen im Intellektualistischen bewahrte.

Die Herbartsche Schule übernahm den Ausbau der Herbartschen Theorie zum pädagogischen System: den Ausbau, nicht die Weiterentwicklung. Dieser Ausbau brachte u. a. eine stärkere Sozialisierung Waitz ein tieferes Studium der Kindesseele Strümpell eine Vermischung wissenschaftlicher und theologischer Grundlagen Stoy und Ziller einen Ausbau der Unterrichtsgestaltung und der allgemeinen Pädagogik

Dörpfeld

gleichzeitig aber auch

und Rein. Alles wird klar, durchsichtig, wohl anwendbar, erlernbar, selbst wieder Schule bildend intellektualistischer, lebensärmer.

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Da setzte vor etwa anderthalb Jahrzehnten die neue voluntaristische Strömung ein, die moderne künstlerisch-pädagogische Bewegung. Der erste Sturm und Drang ist bereits vorbei. Die trüben Fluten beginnen sich zu klären, zu verebben; aber die Wellen spülen uns noch immer um die Brust. Wir stehen noch mitten in der Strömung, aber wir spüren bereits Grund unter den Füßen; wir schwimmen nicht mehr. Da scheint es mir nun für jeden einzelnen, der selbsttätig die neue Richtung einschlug oder sich mitreißen ließ, geraten, sich klar zu werden über das

Wesen der ganzen Bewegung, sich zu besinnen über die neuen Fragen und Ergebnisse und aus den analogen Fällen der pädagogischen Geschichte auf das Schicksal der gegenwärtigen Bewegung zu schließen.

Die moderne künstlerisch-pädagogische Richtung trug bisher voluntaristischen Charakter. Sie war die Antithese zu der intellektualistischen Epoche, die schon Nietzsche in seinen „,Unzeitgemäßen Betrachtungen" mit aller Leidenschaft bekämpfte. Es war der Krieg gegen die Stillosigkeit, gegen den Erkenntnistrieb, gegen die Luxuskunst und gegen die Gelehrtenreligion. Die abstrakte Bildung, die ganze intellektualistische Methode forderten zum Widerspruch heraus. Kunst, Leben, Wirklichkeit, Anschauung beanspruchten Geltung gegenüber dem bloß Verstandesmäßigen, dem Formalen, dem Wissenschaftlichen, dem Kunstlosen, dem abstrakt Intellektualistischen. Dies war der Grund der neuen Bewegung, und diesem Beweggrund entsprechend zeigte sie ein Gepräge antiintellektualistischer, antirationalistischer Art.

Sie veranlaßte zunächst eine Prüfung des Bestehenden und die Verwerfung dessen, was dem neuen Geist widerstrebte. Auf dem Gebiete der künstlerischen Unterrichtsmittel verurteilte die junge Kritik die tendenziöse Jugendschrift und das aus didaktischen Beweggründen heraus kombinierte Anschauungsbild. Nur das Beste war gut genug für unsere Jugend. Das Beste aber auf dem Gebiet der Kunst war das wirkliche Kunstwerk, nicht die intellektualistische Mache. Die übermäßige Betonung des Grammatischen und Orthographischen erfuhr ihren verdienten Tadel. Der Zeichenunterricht wurde reformiert. Der ganze Unterrichtsbetrieb drängte zum Konkreten, zum wirklichen Erlebnis. Das Systematische sank in der Schätzung oder erfuhr seine völlige Verwerfung.

Gleichzeitig proklamierte man die Rechte des Kindes. Die modernen Schriftsteller erzählten in Romanen und Dramen empörende Geschichten von Schülern, die das pädagogische System zu Tode quälte. Sie zeigten so viel des Komischen und Tragischen aus dem Leben gewisser Lehrerindividuen, daß die gebildete Welt den Kopf schüttelte über all die pädagogischen Vogelscheuchen, die in Romanen und Dramen und leider auch in der wirklichen Welt herumliefen. Alles rief nach Reform auch auf dem Gebiete der Lehrerbildung, die Außenstehenden und nicht zuletzt die Pädagogen selbst. Der Gedanke: So kann's nimmer weiter gehen, es muß anders werden dieser Gedanke beseelte alle, und man

fing an zu reformieren. Wer nicht mittat, galt für einen eingerosteten Pedanten.

Seit eineinhalb Jahrzehnten wird nun schon reformiert. Vieles ist anders, vieles ist auch besser geworden. Der erste Sturm ist, wie bereits bemerkt, vorüber, und die pädagogische Welt steht wieder vor dem Stadium, da man anfängt, sich über sich selbst zu besinnen. Dieses Besinnen ist eine naturnotwendige Stufenfolge in der Entwicklung einer Richtung; aber dieses Besinnen bringt, wie ein Blick in die Geschichte zeigt, auch manche Gefahr mit sich. Es fehlt denn auch nicht an Einzelbewegungen innerhalb des gesamten pädagogischen Fortschritts, die nach allen Regeln der Methode bereits einem neuen Intellektualismus zutreiben, die, indem sie das neue Leben unterrichtlich zu behandeln streben, bereits übersehen haben, daß sie durch ihre methodische Art das Leben selbst in abstrakten Flaschen abzogen und Formen statt wirklichen Lebens bieten.

Diese Erfahrung, die jeder, der das pädagogische Leben unserer Tage verfolgt, jeden Tag machen kann, ist es, was mich veranlaßt, den vorliegenden Artikel zu schreiben. Ich möchte damit die verehrten Leser und mich selbst zum Nachdenken darüber veranlassen, ob man dem in Aussicht stehenden Intellektualisierungsprozeß erfolgreich begegnen kann oder ob man ihn als etwas Naturgemäßes, als ein in der Entwicklung liegendes Prinzip hinnehmen, gewähren lassen und mitmachen muß.

(Schluß folgt.)

Schwebende Fragen auf dem Gebiete des Fortbildungsschulwesens.

Von Direktor E. Haumann in Berlin.

Der Streit, ob Schulzwang oder freiwilliger Schulbesuch, ist endgültig zugunsten des Schulzwangs entschieden. Neue Schulen werden nur mit Pflichtbesuch eingerichtet. Ältere Schulen mit wahlfreiem Besuch gehen ein oder werden in Pflichtschulen umgewandelt. In Preußen haben nach Angaben des Handelsministeriums 1505 gewerbliche Schulen Pflichtbesuch, nur 74 nicht. Es erübrigt sich deshalb, die Gründe und Gegengründe für den Schulzwang noch zu erörtern. Der Schulzwang gehört nicht mehr zu den schwebenden Fragen; er ist eine gelöste Frage. Im Prinzip noch lange aber nicht in der Praxis. Daran ist die gesetzliche Grundlage schuld, die immer noch eine schwebende Frage ist, und zwar Z. Z. die wichtigste. An ihrer Lösung mit Ernst und Erfolg zu arbeiten, ist eine dringende Aufgabe der Gesetzgeber. Eifrig mitzuhelfen, ist Auf

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