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gehen. Es liegt mir nur daran, zu zeigen, wie eine voluntaristische Forderung das Kind selbsttätig teilnehmen zu lassen am Unterrichtsverlauf — - umkippen kann in einen metaphysischen Intellektualismus. Ich erblicke darin den Gipfelpunkt modernpädagogischen Denkens aber nicht im guten Sinn.

Ich habe bereits angedeutet, wie ich mir die Lösung des Zwiespalts, den jeder in sich trägt, eigentlich denke: Ausgang von einem voluntaristischen Erleben aus und Überleitung in eine intellektualistische Betrachtungsweise je nach dem Grade der Schülerentwicklung. Alle pädagogischen Forderungen, die der Selbsttätigkeit des Schülers und der Künstlerschaft des Pädagogen, die der psychologischen Methode und andere, liegen in dieser Forderung eingeschlossen. Der große Blutkreislauf der Geschichte wird zum Blutkreislauf des pädagogischen Einzelmenschen, zum Lebens- und Berufsprinzip des Individuums. Indem der Einzelne in sich selbst zusammenfaßt und zur Darstellung bringt, was die pädagogische Entwicklung in langen Zeiträumen durchlief, überwindet er zugleich die Gefahren der historischen Entwicklung, jene Gefahren, die jeder großen geistigen Bewegung immanent sind. Auch die gegenwärtige Strömung wird den gewohnten Lauf nehmen, folgend ihren inneren Gesetzen. Der einzelne Pädagoge kann für sich nicht heraustreten aus dem Bannkreis seiner Zeit; aber er kann in seinem eigenen Lebenskreis vollebendig bleiben und damit für seine Person verhindern, daß er den Einseitigkeiten und Gefahren der Bewegung selbst zum Opfer fällt.

Das Oberziel aller wahren Menschenbildung soll die Durchgeistigung der menschlichen Persönlichkeit sein. Der Mensch soll frei werden von allen Banden der Natur. Er soll zum sittlichen Beherrscher des Naturartigen in seinem Wesen werden. Die freie Persönlichkeit, das ist das Bildungsideal der neuen Zeit. Die Schule will diesen Prozeß der Durchgeistigung anbahnen helfen. Dabei muß sie sich stets bewußt bleiben, daß auch jeder Durchgeistigungsprozeß seinen Ausgang im Voluntaristischen, im Naturartigen nehmen muß, wenn er nicht in bloßen Formalismus oder öden, unfruchtbaren Intellektualismus ausarten will.

Dem ewigen Mutterschoße der Natur entquillt auch alles höhere Geistesleben. Ohne gesundes Fühlen und Drängen, ohne blindes Triebleben und körperhaftes Wollen kann ich mir auch kein rechtes Durchgeistigen denken; denn was durch

geistigt werden soll, das ist ja gerade jenes geheimnisvolle Etwas, jenes Dunkle, Unbewußte, das im Menschen lebt und drängt und treibt und seiner selbst bewußt werden möchte. Jeder gesunde Intellektualismus setzt diesen Voluntarismus voraus. Die beiden bedingen sich geradezu gegenseitig, wie die Folge den Grund, die Wirkung die Ursache. Jede geistige Entwicklung muß dem Unbewußten entkeimen; alle Begriffe, alle Ideen, alle genialen Einfälle haben ihren Nährboden in dem Bloßgefühlsmäßigen. So wird das Gefühl wie Wundt es nennt geradezu zum „Pionier der Er

kenntnis".

Intellektualismus und Voluntarismus

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schließen sie sich allerdings auch wieder aus. Rationales und Irrationales sind Gegensätze nicht nur im Bereich des Denkens, sondern auch im Reiche des wirklichne Lebens. Solange unsre Sinne durch die Natur, durch die Wirklichkeit, stark angezogen werden, sind wir selbst nicht aufgelegt zum abstrakten Denken. Wir sind zu subjektiv beteiligt, um objektiv und kühl verstandesmäßig reagieren zu können. Wir müssen uns erst in uns selbst zurückziehen, wir müssen von dem Gegenstande außer uns, nachdem er seinen Zweck die voluntaristische Erregung unseres Innenlebens erfüllte, wieder abrücken. Die Sache muß wieder von uns entfernt werden, wenn wir objektiv und sachlich darüber denken sollen.

Aber die Sache darf nicht entfernt bleiben. Sind wir uns klar darüber, dann kann nur ein erneutes Untertauchen in den voluntaristischen Strom, womöglich ein Ringen mit der Natur unter dem Leitgedanken einer mittlerweile gewonnenen Idee, neue Lebenskraft und - neuen Stoff für die denkende Betrachtung gewinnen lassen.

beide schließen sich aus

Voluntarismus und Intellektualismus und beide ergänzen sich zugleich. Was auf der niederen Stufe des Unbewußten verharren, was nicht nach Durchgeistigung streben würde, das hätte keinen höheren Bildungswert. Was umgekehrt bloß gewußt bliebe, was nicht danach drängte, sich in Tat, in Schaffen und Handeln umzusetzen, das ist Wissenskram, aber kein lebendiger Bildungsstoff. Wo das Denken nicht den wirksamsten Impuls aus der Anschauung erfährt und wo nicht auf der andren Seite die intellektuelle Einsicht zu neuer voluntaristischer Betätigung drängt, da fehlt der große Treibriemen, der die Kraft umwandelt in Arbeit, da laufen sich die Achsen heiß ohne höheren Zweck. Erleben

--

Denken
Synthese; jedes
Handeln ein neues Erleben, das zu neuem Denken anregt. Wo ein
Glied fehlt, da stockt das eigentliche pädagogische Leben.

Antithese
Handeln; These -

Es ist ein Zeichen der Zeit, daß sich gegenwärtig die Bücher mehren, welche sich klar zu werden suchen über die gegenseitigen Beziehungen und Werte der pädagogischen Mächte. Es sind Werke der „Besinnung". Sie beweisen, daß wir aus dem ersten voluntaristischen Sturm bereits herausgetreten sind und nun am Scheideweg der neuen Zeit uns klar zu werden suchen, wohin die Reise geht wohin sie gehen darf und soll. Ich rechne zu diesen Werken der Besinnung Kästners bereits zitiertes Buch; ich zähle dazu meine Ästhetik und vor allem das vor kurzem im Verlage von Brandstetter erschienene Werk Ernst Lindes,,Natur und Geist als Grundschema der Welterklärung". Der Berechtigungsstreit von drüben und von herüben findet seine Entscheidung.

Wie immer diese Entscheidung auch ausfallen möge, in jenem ewigen Herausschöpfen des Gedanklichen aus dem Born des Unbewußten und Lebensvollen, des Intellektualistischen aus dem Voluntaristischen, und in jenem Überleiten des klar Erfaßten und Begriffenen in neue Lebensschöpfung, in Arbeit und Produktion, in Handeln und Wirken in ihm wird das eigentliche Wesen jeder wahren Menschwerdung zu finden sein. In der Schöpfung dieses ewigen Wechsels besteht darum auch das Wesentliche aller pädagogischen Tätigkeit.

Wo ein Pädagoge es versteht, diesen Blutkreislauf in sich und seinen Schülern pulsieren zu lassen, da fehlt es nicht an der gesunden Lebenswärme, die Leben gedeihen läßt und seinem Tun und Treiben den rechten Lebenswert schenkt, beeinflußt aber nicht mit fortgerissen - von den großen geistigen Wogen, die da draußen kommen und vorüberrauschen im ewigen Strom der Geschichte.

Programm-Entwurf

für eine Kommission des Münchener Bezirkslehrervereins zur Erforschung der produktiven Kräfte der Schuljugend.

Von Leonh. Schretzenmayr.*)

Es ist vielleicht ein wenig viel gesagt, das Nachfolgende einen kompletten Programmentwurf zu nennen. Immerhin aber wird es ein Gedankengang sein, der zu dem gewünschten Programm hinführt und es in seinem Umfange begrenzt. Die eigentlichen Grundlinien werden ja leicht erkenntlich hervortreten. Der praktischen Durchführung werden zwar manche Schwierigkeiten im Wege stehen. Die Arbeit hat aber viel Anregendes für sich. Wir werden mit der Durchführung des angedeuteten Programms wenigstens im Arbeitsgebiete der Lehrervereinigungen Neuland betreten und vielleicht manch anderen Kreis zur Nachahmung anregen.

1. Gedankengang: Philosophische und empirische Pädagogik. Die Pädagogik, d. h. der theoretische Gedankenbau über Erziehertat und Bildungsarbeit ist wiederholt als wissenschaftlicher Gedankenkomplex abgelehnt worden. Wir selbst haben eben noch den Wortlaut der Gutachten frisch im Gedächtnis, den die bayerischen Landesuniversitäten über die Notwendigkeit der Pädagogik-Professuren abgegeben haben. Wir stehen gewiß im vollen Gegensatze zu allen Meinungen, die der Pädagogik den wissenschaftlichen Charakter nach Stoff und Methode absprechen. Aber in einem Punkte werden wir uns offenbar mit der Ansicht der bayerischen Universitätsprofessoren einverstanden erklären, nämlich: daß ein Professor, fußend auf philosophischen Prinzipien von oben her oder durch das bloße Studium der heute vorliegenden Literatur niemals wird eine Pädagogik dozieren können, die sich einigermaßen für die Praxis fruchtbar erweisen wird..

Soll die Pädagogik nicht bloße Theorie und philosophische Spekulation sein, so stellt sie gerade in ihrer wissenschaftlichen

*) Dargelegt im Bezirkslehrerverein München in der Sektion für Allgemeine Pädagogik. (Sitzung vom 2. Mai 1908.)

Form mehr als jede andere Wissenschaft ihrer Art die strenge Forderung nach einer Methode, die man die empirische nennt, oder die durch ein bei uns geläufiges Wort charakterisiert werden kann : ,,Aus der Praxis, für die Praxis." Ihre Kulturaufgabe erfüllt die wissenschaftliche Pädagogik nicht bloß durch einen philosophischen Charakter, sondern auch oder sogar in erster Linie durch ihre praktische Verwendbarkeit. Das unterscheidet sie deutlich von der Philosophie. Ein philosophisches System kann allein durch seine theoretische Klarheit und Ordnung in Prinzipienfragen Bedeutung erlangen. Die Brauchbarkeit fürs Leben wird ihr meist gerne erlassen oder spielt in der Beurteilung keine große Rolle. Das ist bei der Pädagogik nicht der Fall. Ihre Wissenschaftlichkeit ist ohne den Zufluß von Erfahrungswissen nicht erfüllt.

Darin liegt die Rechtfertigung der Überzeugung, daß weder ein Philosophieprofessor, noch aber ein Professor der Theologie aus sich allein und aus theoretischen Studien heraus für die heutigen Bedürfnisse eine wertvolle, brauchbare pädagogische Wissenschaft erzeugen kann. Alle jene Teile seiner Wissenschaft müssen voller Mängel und Unzulänglichkeiten bleiben, die sich auf den erzieherischen Akt, auf den Verkehr mit den Kindern und auf Methode im engeren Sinne erstrecken, und das sind für den Wissenschaft suchenden Lehrer die brennendsten Fragen.

Mit anderen Worten: In der Theorie der Erziehung ist heute das Wichtigste und Vordringlichste nicht von philosophischen Prinzipien aus, sondern von der pädagogischen Tat, dem Lehrer und dem Kinde aus zu entscheiden. Oder: Das Material einer brauchbaren pädagogischen Wissenschaft kann nicht bloß aus intuitivem Wissen und vernünftigen Gedanken bestehen, sondern muß aus der Erfahrung und in der dauernden, umsichtigen Beobachtung gesammelt werden, wobei Erfahrung und Beobachtung sogar als Prüfsteine genialer Gedanken gelten müssen.

Lassen wir die philosophische Fundierung der Pädagogik in Prinzipienfragen gelten, so kann uns aber doch ein bloß philosophischer Lehrstuhl für Pädagogik nie befriedigen. Ein Lehrstuhl für Pädagogik braucht unbedingt Verbindung mit der pädagogischen Praxis; ja im Sinne der empirischen Pädagogik kann er nur die Sammel- und Konzentrationsstelle wissenschaftlicher Erfahrungen sein, die außerhalb der Hochschule auf dem Felde der Jugenderziehung und -bildung gewonnen werden. Demnach

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