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die Mädchenbildung durch Aufnahme des Unterrichts in den alten, toten Sprachen zu verzerren.

Ferner bin ich der Ansicht, daß man diese Gleichstellung der höheren Mädchenschulen mit den höheren Knabenschulen auch erreichen kann, ohne daß man die tüchtigen Mittelschullehrer von den Oberlehrerstellen ausschließt. Ich behalte mir vor, gelegentlich in zwei besonderen Artikeln die Oberlehrer- und die Mittelschulprüfung miteinander zu vergleichen und auf die Wichtigkeit des Rektoratsexamens für alle Schulleiter, also auch für diejenigen, welche die Oberlehrerprüfung bestanden haben, hinzuweisen; hier will ich mich darauf beschränken, zu erwähnen, daß der Lehrerberuf durchaus praktisch ist, daß ein himmelweiter Unterschied zwischen einem forschenden und dozierenden Gelehrten und einem unterrichtenden Lehrer besteht, und daß deshalb nach meiner Ansicht ein Mann, der die nicht leichte! Mittelschulprüfung bestanden hat, durch Tüchtigkeit im Lehramt das Quantum an theoretischer Vorbildung, das ein Akademiker vor ihm voraus hat, ersetzen kann. Ich bin, selbst Akademiker, daher sogar dafür, daß tüchtige Mittelschullehrer das Recht haben sollten, an allen Schulen zu Oberlehrern ernannt zu werden; ich bin fest davon überzeugt, daß sie sich auch an höheren Knabenschulen durchaus bewähren würden. Denn in letzter Linie kommt es überall im Leben nicht auf die Zeugnisse, sondern auf die Leistungen an.

Auf eine Frage möchte ich noch kurz eingehen: Soll der Unterbau, die höhere Mädchenschule, neunjährig und der Auf- und Ausbau, das Seminar und die Studienanstalt, vierjährig oder der erstere zehnjährig und der letztere dreijährig sein? Ich bin für eine neunjährige höhere Mädchenschule in neun aufsteigenden einjährigen Klassen, wenn Kombinationen nur ausnahmsweise und nur in den. Nebenfächern gestattet sind, und für einen vierjährigen Aufbau und zwar aus folgendem Grunde: Vom sechsten bis etwa zum fünfzehnten Jahre ist das Mädchen zunächst entschieden geweckter als der Knabe und in den letzten Jahren geistig wenigstens ebenso regsam wie dieser; von da ab aber beginnt bei den Mädchen eine Zeit der Erschlaffung. Daher kann man in den ersten neun Jahren bei geringerer Stundenzahl mit Mädchen ebensoviel leisten wie in derselben Zeit mit Knaben bei größerer Stundenzahl, wie ich früher schon nachgewiesen habe, das heißt, eine Reife, welche derjenigen für die Obersekunda entspricht, läßt sich mit Mädchen auch in neun Jahren erreichen; die neunjährigen und neunklassigen höheren

Mädchenschulen brauchen nicht erst,,höhere" Schulen zu werden; sie sind es schon. Von jetzt ab aber können die Mädchen mit den Knaben nicht mehr gleichen Schritt halten, und je länger, um so mehr ändert sich das Verhältnis zugunsten des männlichen Geschlechts. Daher verwende man mit Mädchen auf die Erledigung der Pensen der Obersekunda, Unter- und Oberprima vier Jahre. Man lasse also die höhere Mädchenschule neunjährig und mache die Studienanstalt und das Seminar vierjährig. Wenn in den großen Städten in den Klassen zu viele Schülerinnen vorhanden sind, so daß dieselben nicht genug gefördert werden können, so mag man mindestens in den beiden obersten Klassen schon bei weniger als vierzig Kindern Parallelklassen einrichten, um ähnlich günstige Unterrichtsbedingungen zu schaffen, wie die kleinen Städte sie schon jetzt haben.

Zur Charakteristik Adolf Diesterwegs.*)

Von A. Rebhuhn.

Diesterweg war eine scharf ausgeprägte Persönlichkeit. Ein geschlossenes Bild ergeben die einzelnen Züge seines Wesens, die man erhält, wenn man sein öffentliches und sein privates Leben verfolgt, und wenn man seine zahlreichen Schriften und Briefe liest. Dieses abgerundete Bild seiner Persönlichkeit möchte ich in kurzen Strichen entwerfen. Das Problem ist: den Kern seines Wesens bloßzulegen und alle Äußerungen seines geistigen Lebens als Ausstrahlungen dieses Kerns nachzuweisen. Diesterweg war nicht, was man eine komplizierte Natur nennt; die Fäden seines Seelengespinstes verlaufen im ganzen klar, und nur hie und da ist ein kleiner Knoten zu lösen. Trotzdem möchte ich meine Arbeit nur als einen Versuch angesehen wissen, Anregungen liefernd für eine berufenere Feder.

Entgegen der naheliegenden Gepflogenheit, das Wie erst dem Was folgen zu lassen, erscheint es mir im vorliegenden Falle vorteilhafter, zunächst einen Blick auf die formale Seite von Diesterwegs Charakter zu werfen. Diese zeigt sich im wesentlichen im Temperament. Wollen wir ihn in eine der vier bekannten Gruppen einreihen, so müssen wir ihn als Choleriker bezeichnen. Dem Choleriker ist große Reizempfänglichkeit eigen. In den brausenden Strom des Lebens gestellt, sieht er die Wellen nicht teilnahmlos heran-, vorbei- oder über sich hinwegstürzen. Ihre Bewegung empfindet er lebhaft; ihr Brausen dringt ihm ins Herz. Aber die Beschäftigung mit den empfangenen Reizen ist nicht wesentlich theoretischer Natur. Sie besteht nicht darin, die Eindrücke daheim im stillen Kämmerlein gedanklich zu verarbeiten. Der Choleriker ist nicht der stille Sinnierer, der kühle Weltbetrachter, kurz: er ist nicht Philosoph. Nein, ,,der Zentrifugalkraft vergleichbar, will er in energischer Tätigkeit aus sich hinausstreben und wollend und handelnd in den Gang des Lebens eingreifen". Er wird zum eifrigen

*) Nach einem Vortrage in der Jahresversammlung der Berliner DiesterwegStiftung.

Beförderer der als richtig und gut empfundenen Sache, ja, er wird zum Führer, zum Agitator. Und ist er Zeuge von Ereignissen, die seinem Gesamtempfinden nicht entsprechen, so greift er beherzt zu. Rücksichtslos rennt er gegen den Feind an, gegen den wirklichen oder eingebildeten.,,Biegen oder brechen" steht auf seinem Panier. Oft überschätzt er seine Kraft, oder er unterschätzt den Gegner und muß zerschellen. Aber auch dann, wenn ihm das richtige Augenmaß eignet für seine Kraft im Verhältnis zu den vorhandenen Widerständen, kann er den Drang nicht zügeln, die Streitaxt zu schwingen und wenn sie auf ihn selbst zurückprallen sollte.

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Wer diese kurze Analyse des cholerischen Temperaments liest, der könnte fast glauben, ich hätte die einzelnen Merkmale eigens aus Diesterwegs Lebensbilde zusammen gelesen, bloß um ihm das Etikett Choleriker" aufkleben zu können. Aber wer weiß, wie die verschiedenen Temperamente gewöhnlich geschildert werden, wird erkennen, daß hier keine willkürliche Konstruktion des Begriffs vorliegt. Diesterweg ist wirklich ein schier reiner Typus des Cholerikers.

Einen Vergleich muß ich andeuten, der sich mir aufgedrängt hat. Es ist nämlich schwer, bei dieser Schilderung des cholerischen Temperaments nicht an Ulrich von Hutten zu denken.,,Leben heißt ein Kämpfer sein“ anders verstand er's nicht. Und als ihm nach Konr. Ferd. Meyer sein Gastfreund auf Ufnau zuredete:

-

,,In dieser Bucht erstirbt der Sturm der Zeit.
Vergesset, Hutten, daß Ihr Hutten seid!"

da antwortete er:

,,Freund, was du mir verschreibst, ist wundervoll:
Nicht leben soll ich, wenn ich leben soll."

Es ist genugsam bekannt, daß Diesterweg ähnlich antwortete, als man an ihn das Ansinnen stellte, sich nicht mehr um die Fragen der Zeit zu kümmern, oder wenigstens seine Gedanken darüber für sich zu behalten.

Aus Diesterwegs Temperament erklärt sich seine umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit und die Art, wie er sich in seinen Schriften und Aufsätzen gab. Die Reaktion auf die empfangenen Eindrücke war bei ihm so lebhaft, daß er sich seine Gedanken darüber vom Herzen herunter reden und schreiben mußte, und bei seiner großen Reizempfänglichkeit fehlte es ihm nie an Stoff. Was auch nur entfernt pädagogische Gesichtspunkte bot, das setzte seine

Feder in Bewegung. Auch die umfassende Lektüre, von der Zitate in seinen Schriften und Briefen Kenntnis geben, führte ihm reiches Gedankenmaterial zu und löste bei ihm neue Gedankenreihen aus. Die Wißbegierde ist ein hervorstechender Charakterzug Diesterwegs. Wie hoch er das Sammeln von Tatsachenmaterial für die Ausbildung des Menschen anschlug, das beweist der auch sonst bemerkenswerte Brief an seinen Sohn Julius.*) Wißbegierde war es, wenn der selbst wortkarge Meister die ihn besuchenden Freunde und ehemaligen Schüler unermüdlich zum Reden nötigte. „Erzählen S'" klang es immer wieder aus seinem Munde, wie mir mehrere seiner nunmehr längst heimgegangenen Schüler des öfteren versicherten. Und einer seiner Enkel ging, wie er mir mitteilte, gar nicht gerne zu seinem Großvater, weil dieser immer gar zu viel von ihm wissen wollte, namentlich über seine Fortschritte in der Schule.

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Ein Ausfluß seines Temperaments war auch seine Begeisterungsfähigkeit. Selbst wer seine Schriften nur oberflächlich kennt, oder wer die Briefe liest, die er aus Anlaß von Peter Heusers Jubiläum und aus Anlaß von Wilbergs, Fröbels und Middendorfs Tode schrieb, der kann leicht von einem jugendlichen Überschwang der Gefühle bei ihm reden von jugendlichem Überschwang bei einem Manne von 55, 60 und mehr Jahren. Sein Herz blieb jung bis zu seinem Lebensende. Von einem Teil seiner Aufsätze gewinnt man den Eindruck, daß sie mehr geeignet sind zu begeistern als zu überzeugen, daß sie sich mehr an das Gefühl des Lesers als an seinen Verstand wenden. Sie entsprangen mehr seinem Herzen als seinem Kopfe. Und wenn er ihm wichtig scheinende Gedanken wiederholte, was öfter vorkam, so tat er es meist mit neuen Wendungen - ein Zeichen dafür, daß sie in ihm lebten, ihm nicht bloß äußerlich angeflogen waren.

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Eine bestimmte Art zu schreiben auch erklärlich aus seinem Temperament ist geradezu typisch für ihn. Seine Aufsätze sind. keine Muster wissenschaftlicher Konzeption, schon weil sie die Absicht vermissen lassen, den Gegenstand einigermaßen zu erschöpfen. Er,,behandelt“ eine Frage nicht, er äußert sich nur zu ihr. Was in ihm war, mußte heraus, frisch, wie es in ihm lebte, ohne peinliche Sorge um äußere Glätte, um künstlerische Ab

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Nr. 2 in Briefe Adolf Diesterwegs, im Auftrage des Vorstands des deutschen Schulmuseums herausgegeben von A. Rebhuhn." Leipzig, Quelle & Meyer.

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