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den menschlichen freien Willen erwähnt die Chronik mit folgenden wenn auch nicht besonders lobenden Worten: 'Cassianus compertas in Aegypto vitas patrum doctrinasque et regulas, libris ad plurimos datis exponit. Cassian lebte in Marseille; diese Stadt nebst dem Kloster Lérins auf der nahe liegenden Insel war lange der Hauptsitz des Semipelagianismus, von hier aus verbreitete er sich weiter über Gallien, namentlich dadurch, dass häufig Mönche von Lérins auf die südgallischen Bischofsstühle erhoben wurden. Wenn nun unser Chronist mehrfach Bischöfe von Marseille und solche von anderen Städten, welche von Lérins ausgegangen waren, erwähnt, so deutet das zugleich auf seine theologische Richtung und seine Heimath, beides bedingt sich theilweise gegenseitig. Dergleichen Notizen zu a. XV. Honorii: Proculus Massiliensis episcopus clarus habetur; quo annuente magna de suspecto adulterio Remedii episcopi quaestio agitatur.' So löblich spricht der Chronist von Proculus, sagt dagegen von einem andern gleichzeitigen Bischof: 'Patroclus Arelatensis episcopus infami mercatu sacerdotia venditare ausus.' Nun wissen wir aus den Briefen des Papstes Zosimus, dass Proculus und Patroclus die bittersten Feinde waren: Proculus hatte sich durch eine Synode zu Turin') die Metropolitangewalt in der provincia Narbonensis secunda zudecretiren lassen 2) und kam darüber mit Patroclus in Conflict, der seinerseits auf die Metropolitangewalt in den Provinzen Viennensis, Narbonensis prima und secunda Anspruch hatte. Papst Zosimus entschied zu Gunsten des Letzteren3) und liess Proculus wegen seiner Usurpation hart an. Man sieht: unser Chronist nimmt für den Bischof von Marseille Partei. An einer andern Stelle sagt er: 'Honoratus, Minervius, Castor, Jovianus singulorum monasteriorum patres in Galliis florent.' Der erstgenannte Honoratus 4) begründete das Kloster auf Lérins und leitete es, wenn man den Ausdruck für ihn schon gebrauchen darf, als Abt, bis er auf den Bischofsstuhl von Arles erhoben wurde. Ihm und Eucherius, dem späteren Bischof von Lyon, widmete Joannes Cassianus sieben Bücher seiner 'Collationes patrum in Thebaide constitutorum' 5). Castor, welchen der Chronist nennt, soll ein Kloster in Nimes gegründet und geleitet haben), er wurde nachher Bischof von Apt, auf seinen Antrieb schrieb 7) und ihm widmete Joannes Cassianus seine Schrift 'De insti

1) Im Jahre 397, Mansi, Conc. III, 859 ss. 2) Hist. lit. de la France II, 91 f. 3) Zosimi papae epp. 1, 5, 6, 7 bei Migne, Patrol. 20. 4) Cf. Tillemont, Mém. eccl. XV, 43; Hist. lit. de la France II, 156 ff. 5) Joa. Cassiani opera omnia (Lipsiae 1733 fol.) p. 394. 6) Tillemont, Mém. eccl. XIV. p. 175 ff. 7) Joa. Cass. opp. p. 1. Daselbst der Brief Castors an Cassian.

Neues Archiv etc. I.

tutis coenobiorum,' auch die ersten 10 Bücher der Collationes hat er noch auf Antrieb Castors verfasst. Diese Schriften meint offenbar der Chronist in der oben angeführten Notiz über Cassian. Endlich Minervius und Jovianus waren einsiedlerische Mönche auf den Stöchaden ) (heute Isles d'Hyères) an der provençalischen Küste. Ihnen nebst zweien ihrer Mitmönche Leontius und Theodorus sind die letzten sieben Bücher der Collationes Cassians gewidmet. Also alle diese Männer gehören dem semipelagianischen Kreise der Massilianer an, sie stehen alle mit Joannes Cassianus in enger Verbindung, ebenso die beiden Bischöfe, deren Tod der Chronist zum Jahr 2) 449 meldet: 'Eucherius Lugdunensis episcopus et Hilarius Arelatensis egregiam vitam morte consummant.' Diesem Eucherius widmete Cassian, wie wir schon sagten, sieben Bücher seiner Collationes, er ist wahrscheinlich auch Mönch in Lérins 3) gewesen. Auch Hilarius, von Honoratus, dem Bischof von Arles zu einem frommen Lebenswandel bekehrt, wurde Mönch in Lérins, bis er im Jahre 428 oder 429 seinem Lehrer auf den Bischofsstuhl in Arles nachfolgte. Ihn nennt Prosper4) in seinem Briefe an den h. Augustin als einen Gegner von dessen Lehre über die göttliche Gnade. Sonst erwähnt der Chronist von gallischen Bischöfen nur Martinus von Tours und Germanus von Auxerre, das sind aber die beiden hervorragendsten Heiligen der gallischen Kirche, welche schon im fünften Jahrhundert allgemeine Verehrung genossen. Man hat also Grund anzunehmen, einmal dass der Chronist in den Gebieten der unteren Rhone, möglicherweise in Marseille selbst lebte, zweitens dass er der semipelagianischen Lehre huldigte, welche im fünften Jahrhundert im südlichen Gallien viele Anhänger zählte. Für letzteren Punkt ist noch eine von den Theologen viel besprochene Stelle der Chronik herbeizuziehen, nämlich die oben schon einmal angeführte Notiz: 'Praedestinatorum haeresis, quae ab Augustino accepisse dicitur initium, his temporibus serpere exorsa. Es hat nämlich eine eigentliche haeresis Praedestinatiana niemals gegeben; zwar hat der Jesuit Sirmond 5) deren Existenz behauptet, aber man warf den Jesuiten im 17. Jahrhundert selbst semipelagianische Richtung vor, so dass ihr Urtheil in dieser Sache befangen war. Man kann nur einen Umstand anführen, welcher den Ausdruck des Chronisten allenfalls motiviren

1) Tillemont, Mém. eccl. XIV, 180. S. Jerôme relève beaucoup la vertu de Minerve moine des Gaules, à qui il adressa quelques écrits vers l'an 406. 2) a. XXVI. Theod. II. et Valent. III.: Ronc. I, 755/6. 3) Tillemont, Mém. eccl. XV, 44. 4) Opp. c. 8. (Parisiis 1711 fol.) 5) In seiner Historia Praedestinatiana: opp. II, 404–432.

könnte. Im Jahr 475 wurde die Doctrin eines gallischen Presbyters Lucidus, welcher aus der augustinischen Prädestinationstheorie die äussersten Consequenzen gezogen hatte und diese vertheidigte1) von den Synoden zu Arles und Lyon auf Antrieb des semipelagianischen Bischofs Faustus von Riez verworfen und Lucidus zum Widerruf bewogen 2), er war aber niemals aus der Kirche ausgeschlossen worden. Wenn der Chronist nun schon zum Jahr 417 die Existenz einer prädestinatianischen Häresie meldet, so verräth es auf das entschiedenste semipelagianische Auffassung, nur ein Semipelagianer kann die Vertheidiger der augustinischen Doctrin als Häretiker bezeichnen, es müssen hier gerade Marius Mercator, Prosper und andere Vertreter dieser Richtung gemeint sein.

Noch eine andere Folgerung möchte ich aus dieser Stelle ziehen: Der Chronist ist wol kein Geistlicher gewesen, gerade als solcher hätte er die Vertheidiger der augustinischen Doctrin nicht als Häretiker bezeichnen können, er musste dann wissen, dass sowol diese, als ihre semipelagianischen Gegner stets in der Kirchengemeinschaft geblieben waren und dass sie sich in ihren Schriften gegenseitig niemals häretische Meinungen vorwarfen. Hat doch Papst Leo, dessen eifriger Diener Prosper war, Joannes Cassianus veranlasst, gegen Nestorius zu schreiben. Auch wenn der Chronist die Priscillianisten ungenau als Manichäer bezeichnet, wenn er die Entstehung der eutychianischen Häresie mit den Worten bemerkt: 'Haeresis nefaria a quodam archimandrita commota', als ob er des Namens sich nicht erinnerte, so scheint das zu beweisen, dass er von den theologischen Dingen keine genaue Kenntniss hatte, wie sie der geistliche Beruf erfordert hätte. Dass aber ein Laie überhaupt die kirchlichen Verhältnisse so viel berück sichtigt, als es in der Chronik geschehen ist, kann in dieser Zeit nicht auffallen, in der alle Welt sich an den dogmatischen Streitigkeiten betheiligte, sogar die grosse Volksmenge Partei für und wider nahm. Der Chronist Marcellinus war ein Laie und sein Werk weist zum mindesten das gleiche Interesse für die kirchlichen Dinge, als das Chron. imp., auf; Prosper, auch ein Laie, aber theologisch gebildet und im Dienst der Kirche stehend, giebt, so oft er eine Häresie erwähnt, auch die von der Orthodoxie abweichende Lehrmeinung an; das Chron. imp. kennt nur die Namen und die äusseren Vorgänge derselben. Wir müssen und wollen es indess dahin gestellt sein lassen, was unser Chronist war, gewiss war er in keiner

1) Hagenbach, Dogmengeschichte 5. Aufl. S. 251 f. 2) Sirmond, Conc. Gall. (ed II. Parisiis 1789 fol.) I, 631 ss., id., Hist. Praedest. II. 415 ss.

Hinsicht ein hervorragender Mann. Fragen wir nach der Abfassungszeit der Chronik, so giebt sie selbst dafür eine äusserste Grenze an in den Worten1): 'Karthago a Wandalis capta. .... Ex hoc quippe a Wandalis possidetur', sie ist also vor dem Jahre 533 geschrieben. Man hat aber die Abfassung möglichst nahe dieser äussersten Grenze setzen wollen) wegen der grossen Zahl von chronologischen Irrthümern, welche sich der Chronist zu Schulden kommen lässt. Doch lassen sich dagegen gegründete Bedenken erheben: es wurde oben schon bemerkt, dass hier die Schreibart lebendiger ist, als sie in andern gleichzeitigen Chroniken zu sein pflegt, so dass es scheint, als schreibe der Chronist noch als Zeitgenosse und in Erinnerung der Ereignisse; man kann gerade die chronologischen Irrthümer daher erklären, dass er sich wenig schriftlicher Quellen bediente, sondern mehr nach eigener Erinnerung die Dinge aufzeichnete. Namentlich folgende Bemerkung zum Jahre 451 scheint zu beweisen, dass der Autor dem Schlussjahr seiner Chronik zeitlich nicht gar ferne stand: 'Hac tempestate valde miserabilis reipublicae status apparuit, cum ne una quidem sit absque barbaro cultore provincia et infanda Arrianorum haeresis, quae se nationibus barbaris miscuit, Catholicae nomen fidei toto orbe praesumat.'3) Nimmt man des Chronisten Worte 'nicht eine Provinz sei ohne bar

barischen Anbauer' genau, so würde man daraus schliessen dürfen, dass der Chronist nicht früher, als unter Odovachars Herrschaft in Italien geschrieben habe, denn damals erst waren sämmtliche Provinzen des Westreichs in den Händen der Germanen, aber auch vorher befanden sich ja so viele germanische Söldnerschaaren in Italien, dass sie unter Ricimer zeitweise die Halbinsel factisch beherrschten. In Odovachars Zeit würde man auch die Abfassung der Chronik etwa versetzen müssen, wenn man annähme, dass er durch die Verdammung des Presbyters Lucidus auf den Synoden von Arles und Lyon im J. 475 veranlasst wurde, eine prädestinatianische Häresie zu statuiren. Mit einiger Sicherheit wird man die Abfassungszeit jedoch nicht genauer, als auf die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts fixiren können, etwa mit der Beschränkung, dass sie vor der Erhebung der fränkischen Macht einer- und vor der Einwanderung der Ostgothen in Italien andererseits geschrieben wäre, denn nach den Ausdrücken des Chronisten, welcher den eingedrungenen Germanen gegenüber sehr be

1) Das ist selbstverständlich schon längst bemerkt. 2) Z. B. Cas. Oudin., comm. II, 482. 3) Diese allgemein charakterisirende Notiz, in welcher der Chronist plötzlich Zustände seiner eigenen Zeit angiebt, macht der Aunahme geneigt, dass hier ehemals die Chronik geendigt habe, wie oben bemerkt ist.

stimmt den römischen Standpunkt vertritt, sollte man meinen, dass zu seiner Zeit die 'Respublica' im Abendlande wenigstens dem Namen nach noch bestand und man dürfte erwarten, in seinem Werke schon etwas von den Franken und Ostgothen zu lesen, wenn er sie schon als die beiden vorwaltenden Völker im Abendlande gekannt hätte. An sich möglich ist es sogar, dass die Chronik schon in den 50er Jahren des Jahrhunderts abgefasst ist.

Wir hatten schon mehrfach Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Chronologie die schwächste Seite unserer Chronik ist, die sich deshalb keiner besonderen Schätzung erfreut. Noris sagt mit Bezugnahme auf den dem Chronisten untergeschobenen Namen1): Non Tyro, sed puer in Chronologia apparet, totus in historia hospes, ac omnium, quae literis prodidit imperitissimus . . . Mallem Augiae stabulum expurgare, quam Tironis hujus errores ex indice recitare'. In der That ist seine Gesammtrechnung fehlerhaft. Die Ansetzungen für die Regierungszeit der einzelnen Kaiser sind folgende, vom Jahre 379 an gerechnet:

Gratianus

Theodosius I.

Arcadius und Honorius

Theodosius II.

Valentinian III. und Marcian

6 Jahre,

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Die Jahrsumme beträgt 81 statt nur 77, ist also um vier Jahre zu hoch und zwar liegt der Fehler in der Angabe der Regierungszeit der Kaiser Arcadius und Honorius auf 32 statt 28 Jahre, die anderen Angaben sind dann richtig. Die Regierungszeit jener Beiden wird vom Tode ihres Vaters Theodosius I. im Jahre 395 an gerechnet; ihr erstes Regierungsjahr ist 396, bis zum Tode des Honorius im Jahre 423 sind dann nur 28 Jahre. Honorius wurde aber schon am 23. Januar 393 zum Kaiser erhoben und dieser Umstand scheint die Veranlassung zu dem Fehler geworden zu sein. Der Chronist wird einen Kaiserkatalog benutzt haben, welcher wie selbstverständlich die volle Regierungszeit des Honorius von 393 bis 423 angab, dem wird der Chronist sich angeschlossen und nicht beachtet haben, dass 3 Jahre der Regierung des Honorius noch mit der des Theodosius zusammenfallen. Freilich dürfte auch dann Honorius nur 31 und nicht 32 Jahre erhalten, wie die Chronik angiebt. Bei der Bestimmung eines Jahres derselben nach Honorius' Tode hat man diesen Fehler nicht weiter zu beachten und das erste Jahr Theodosius' II. gleich 424 zu setzen, es wird dann von hier an wenigstens die Ge

1) Hist. Pelag. II, 15.

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