صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

halten, zumeist für Kaufleute, die jedesmal in großer Zahl anwesend, bekunden, daß ihr Geschäftssinn in ihnen den Geist für das Höchste nicht erdrückt hat. Der City Temple gehört einer Gemeinde der Congregationalisten, d. h. einer von der Staatskirche abgetrennten, in vielen selbständigen Gemeinden existierenden großen Glaubensgenossenschaft, die sich ursprünglich auf dem Grund des kalvinischen Glaubensbekenntnisses auferbaut hat. Die Gemeinde des City Temple hat bisher darauf gehalten, daß ihre Prediger auf dem Boden des alten Glaubensbekenntnisses stehen. Um so größer war das Erstaunen, als am 17. Januar d. J. einer der berühmtesten Londoner Prediger, Rev. J. Campbell, vor etwa 2500 Zuhörern eine Predigt über Matth. 5, 17 hielt, die offen und klar verkündete, daß der Prediger in Bezug auf die Autorität der Bibel und die Person Jesu durchaus die Anschauungen der modernen Theologen teilt, die für ihre Glaubensvorstellungen das volle Recht freier Forschung in Anspruch nehmen.

Wir geben hier nur einige Gedanken der Predigt wieder.* Jesus stand der jüdischen Theologie, wie sie ihren Ausdruck im alten Testament_gefunden hat, als durchaus freier Mann gegenüber. Er ging von der landläufigen Auffassung des alten Testamentes zurück auf den ursprünglichen Sinn und die fundamentale Tendenz seiner Worte. Er erfüllte die Schrift, indem er alles Volk wieder auf die Ideale hinwies, die den Frommen Israels vor der Seele gestanden hatten. Woher nahm er sich aber sein Recht, mit solcher Freiheit dem alten Testament gegenüber zu stehen? Nicht auf eine besondere Würde berief er sich dabei, sondern auf sein eigenes Innerstes. Der Gedanke an's Gottesreich erfüllte seine ganze Seele und wurde ihm zum Prinzip in der Beurteilung aller Dinge, auch der jüdischen Frömmigkeit und Sittlichkeit.

In Bezug auf die Bibel urteilt Campbell: sie ist nicht schlechthin das vollkommene Buch, dem das endgültige, einzig richtige Urteil über alle Dinge zukommt. In ihren Schriften reden Menschen, welche die Rätsel des Lebens mit den ihnen damals geläufigen Anschauungen, Fähigkeiten und Vorstellungen lösten. Die Zeiten aber ändern sich und die Menschen mit ihnen. Gott redet zu jedem Geschlecht in besonderer Weise und darum müssen wir auch eine freie Stellung zur Bibel haben. Vieles in ihr ist uns nur noch verständlich als Ausdruck der Denkweise, die einst die Menschen anderer Zeiten beseelte, uns aber fremd gegenüber steht. Wir haben also das Recht, mit den Augen moderner Menschen zu schauen, zu prüfen und in der wechselnden Form den ewigen Wahrheitskern zu suchen.

Das wird viele erschrecken und sie werden sagen, wenn es so steht, dann bestimmt ja der Einzelne ganz aus frei persönlichem Erfahren und Ermessen heraus, was Wahrheit sei, und eine stehende, allgemein bindende Wahrheit giebt es nicht. Man fürchte sich nicht, sagt Campbell, auch Jesus und die Reformatoren waren im Suchen nach Wahrheit auf den Entscheid ihres innerften Wesens gestellt. Eine Wahrheit, die für alle Menschen und für alle Zeiten bindend und überzeugend gewesen wäre, hat es nie gegeben. Der wahre Glaube ruht auf des Menschen persönlichem Denken und Erleben.

So haben wir denn ein Recht, als freie Menschen an die Bibel heranzutreten. Sie ist bestimmt, uns zu helfen und nicht uns zu fesseln! Die biblischen Schriftsteller haben in guten Treuen die Wahrheit gelehrt, wie sie ihnen Erlebnis und Erleuchtung geworden war, aber sie haben darum keinen

*

Eine ausführliche Darstellung findet sich in der „Christl. Welt“ von 1907, Nr. 12.

"

Anspruch auf Unfehlbarkeit. Alle richteten das Auge auf das ewige Licht. Wir wollen es auch tun in unserer Weise. Wir schreiben ein jeder heutzutage auch eine Bibel, die Menschenaugen wohl nie lesen mögen, von der aber jedes Wort im Himmel gelesen wird. Jede tapfere und selbstlose Tat ist ein Strahl der ewigen Wahrheit. Ich bitte euch alle im Namen Gottes, daß ihr euer Leben machet zu einer lebendigen Schrift vor euern Mitmenschen.

So der tapfere Reverend Campbell. Wir freuen uns dieser Predigt von ganzem Herzen, auch wenn sie vorläufig mehr ein Beitrag an die Aufklärung der Geister, als an die Vertiefung und Fruchtbarmachung der Religion war. Bei uns wäre eine solche Predigt, zumal von der Kanzel eines modernen Theologen oder eines Reformers kein Ereignis gewesen. Im City Temple war sie ein Ereignis und eine Tat.

Es ist doch etwas Großes um Männer, die mit der Wahrheit, zu der sie sich durchgerungen und in der sie das Leben gefunden haben, herausrücken, unter Geringschäßung der Stürme, die sie entfachen und von denen sie selber geschüttelt werden können. Solche Männer verabscheuen es, eine besondere Religion für sich und eine andere Religion für das Volk zu haben, dem sie predigen. Sie denken viel zu groß vom Volt, als daß sie ihm etwas vorenthalten könnten, was ihnen selbst das Heiligste geworden ist. Sie vertuschen und verschleiern nichts. Sie geben immer ganz sich selbst. Sie sind nicht nur für die Aufklärung, sondern überhaupt für die Wahrheit, sofern sie das Leben schaffen hilft, das Jesus das ewige Leben genannt hat. Sie haben noch etwas vom großen Oster- und Pfingstgeist derer, die unter den Drohungen weltlicher Gerichte gesprochen haben:

„Wir können es nicht lassen, zu reden von dem, was wir gesehen und gehört haben!"

[blocks in formation]

„Die Gemeinde Pratteln hat leztes Jahr mit Rücksicht auf die von Pfarrer Sartorius geübte Wohltätigkeit in der Gemeinde die Steuerfreiheit des Pfarrers proklamiert. Die Gegner dieses Privilegs haben nun einen Wortführer gefunden, der in der Gemeindeversammlung vom leßten Sonntag den Antrag auf Kassation jenes Entlastungsbeschlusses stellte und zwar mit Erfolg. Es wurde wenigstens beschlossen, es sei die Steuerfreiheit des Pfarrers vom Vermögen und vom Einkommen aufzuheben unter der Bedingung, daß die am nächsten Sonntag zusammentretende Kirchgemeindeversammlung eine Gemeindezulage von Fr. 800 auf Fr. 3200 Gesamtbesoldung bewillige."

Wir finden es sehr am Plaz, daß die Gemeinde Pratteln bei Basel ihren frühern Beschluß, daß der Pfarrer steuerfrei sein soll, wieder aufgehoben hat. Denn wenn ein Pfarrer reich ist, so soll man ihn nicht anders behandeln als andere reiche Leute in der Gemeinde. Sein Reichtum ist ja tein sittliches Verdienst, denn er hat ihn entweder von seinen Eltern geerbt oder eine reiche Frau bekommen. Wenn er von den Zinsen, die er unmöglich selber essen kann, jährlich ein paar Tausende an Arme spendiert, so ist auch dabei nichts besonders Rühmliches, denn er tut ja nur, was er in seinen Predigten andern empfiehlt. Das viele Almosengeben pflegt für die Gemeinde auch nicht von wohltätiger Wirkung zu sein, weil es die Leute, so wie sie im Allgemeinen

nun einmal sind, gar zu leicht daran gewöhnt, wenn sie Geld brauchen, zum Herrn Pfarrer“ zu gehen. Es kann sogar sehr korrumpieren, und macht es einem Nachfolger, der keine Million hat, eher schwer.

Eine Tat.

A.

Die in St. Gallen stattgehabte Parteiversammlung der schweizerischen Sozialdemokraten hat den sehr erfreulichen Beschluß gefaßt, auf eine obligatorische und staatliche Mobiliarversicherung hinzuarbeiten. Wenn diese, wie wir erwarten dürfen, zu stande kommt, ist dann zu hoffen, daß auch der viel größere Plan einer Kranken- und Unfallversicherung endlich zur Ausführung gelangt. Und die Krone dieser beiden sozialen Werke wäre dann das, was unseres Wissens vor vielen Jahren Herr Alt-Bundesrat Oberst Frey als Postulat aufgestellt hat, nämlich eine eidgenössische Lebensversicherung, durch welche dem traurigen Zustand abgeholfen würde, daß in der Arbeit ergraute Männer im Alter noch ihre Hand nach Almosen ausstrecken. Wenn die Sozialdemokraten solche Werke schaffen helfen, werden sehr viele, die nicht ihrer Partei angehören, zugeben, daß sie in der Tat die schweizerische Fortschrittspartei heißen darf.

Am Ostertag.

Karfreitag war es in meinem Herzen,

Ich fühlte mich schwer und peinlich bedrängt.
Wenn Lebenssorgen den Himmel schwärzen,
Ist er wie von Trauerflören verhängt.

Allein stolz regt der Geist das Gefieder
Und schwingt sich entschlossen und mutig auf;
Er weckt den Gottesglauben auch wieder,
Der mächtig herannaht im Siegeslauf.

Nun, Kummer, ist es um dich geschehen,
Vor seinen Blicken hältst du nicht stand;
Er winkt dir mit Zornesgeberde zu gehen
Und ruft mir: Nun stehst du in Gottes Hand.

Da wird so ruhig die Welt hier innen,

Und Lerchen wirbeln froh in die Luft

Still wonniglich wird mir allmählich zusinnen

Bei Morgenröte und Blumendust.

Jest, Herz, jest laß dich nur nicht mehr betören

Von deiner grübelnden Zweifelsucht!

Lausch' du vertrauend den Jubelchören

Und schlag' auch die Weisheit der Welt in die Flucht!

Dort steigt rotgolden die Frühlingssonne

Auf unter Finken- und Amselschlag :

Lab' dankbar dich heute in kindlicher Wonne

Am wunderherrlichen Ostertag!

Druck und Expedition von J. Frehner, Steinentorstraße 2, Basel.

A.

Dreißigster Jahrgang.

No 14.

Samstag, 6. April 1907.

Schweizerisches Proteftantenblatt.

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr in Basel, Pfr. H. Andres in Bern, Pfr. H. Baur in Basel, Pfr. Dr. W. Bion in Zürich, Pfr. J. G. Birnstiel in Basel,

Pfr. Johs. Diem in Zürich-Unterstraß.

Wir sollen nur nicht in den Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden sei an
Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere Person. In Christo
allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolompad au Futher.

Erscheint auf jeden Samstag. Man abonniert auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes.
Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. für die Schweiz, nebst Postzuschlag für das Ausland.
Arme können das Blatt auf der Erpedition, Steinentorstraße 2, abholen.

Die

Inhalt: Dr. W. Bion: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt! A. Knellwolf: Durch Wahrheit frei! A. Altherr: Tatiana Leontieff. Installation zu St. Leonhard. sibende Kommunion in der Brüdergemeinde. Unitarier-Kongreß.

[ocr errors]

Inserate.

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!

Wir können es wissen, daß Christus nicht gestorben ist, durch seinen unter der Menschheit fortlebenden und fortwirkenden Geist, in welchem er seiner Verheißung gemäß alle Tage bei uns ist. Ich weiß, daß mein Erlöser lebt! Sollten wir auch nicht mehr glauben können, daß er in leiblicher Gestalt aus dem Grabe hervorgegangen und gen Himmel gefahren ist, was hat dies zu sagen? Wir wissen Besseres und Größeres! Wir sehen und erfahren die Werke und Kräfte seines unter uns fortlebenden Geistes. Wir hören seine Stimme. Mächtig spricht sie, Worte des ewigen Lebens redend, zu uns aus seinem Evangelium, das unter uns verkündigt wird. Nicht mehr vernehmen fie bloß einige Jünger aus Galiläa und Jerusalem, sondern ihr Schall dringt bis an die Enden der Erde. Wunder und Zeichen, Taten und Werke verrichtet dieser Geist des Herrn unter uns, die an Großartigkeit und Segen alles das weit übertreffen, was uns die evangelische Geschichte erzählt. Ganzen Völkerschaften öffnet er das lang verschlossene Auge und führt sie aus der Nacht geistiger Blindheit zum Schauen seines wunderbaren Lichtes. Tausende, die von den Schlägen schwerer Schicksale getroffen, an Geist und Gemüt gelähmt, kraft- und mutlos darniederliegen, richtet er wieder auf und gibt Trost, Hoffnung und Zuversicht in ihre Herzen, so daß sie neue Kraft bekommen und auffahren mit Flügeln wie Adler. Wo immer sein Evangelium verkündet wird, da schwindet auch immer mehr und mehr die geistige Lahmheit von den Naturen, erwachen sie zum Bewußtsein ihrer Menschenwürde und machen Gebrauch von ihr im Abschütteln unwürdiger Fesseln, in Beseitigung von sie quälenden verderblichen Uebeln. Zahllose Seelen, die am Aussaß der Sünde tranten, macht er gesund durch die von ihm ausströmende rettende und reinigende Gotteskraft, und wo immer das sittliche Verderben erkannt und schmerzlich empfunden wird, wo wir Anstrengungen zu geistiger und sittlicher Erhebung des Volkes und Erfolge dieser edlen Tätigkeit wahrnehmen, da ist solches auf den unter uns fortlebenden und fortwirkenden Geist Christi zurückzuführen.

[ocr errors]

Immer noch erschließen sich taube Ohren und vernehmen die mächtige und liebliche Stimme des Auferstandenen und Lebendigen. Die Völker der Heidenwelt horchen auf beim wunderbaren Klange seines Evangeliums, und der Wächterruf von den Zinnen unserer protestantischen Kirche, der die Völker zur Freiheit, zur Liebe und zum Frieden weckt, findet stets eifrigere Hörer. Wo der Odem des Geistes Christi weht, öffnen sich die Gräber und tritt ein neues, frisches Leben an die Stelle des Abgelebten und Abgestorbenen. Neue Gedanken, neue Liebe, ein neues Suchen nach der Wahrheit, eine reinere und geistige Erkenntnis und Verehrung Gottes, eine edlere Auffassung des häuslichen und bürgerlichen Lebens, der Rechte und Pflichten der Menschen, mit einem Worte, ein neuer Himmel und eine neue Erde kommen mit dem Geiste Christi. Und den Ärmen bringt er überall die frohe Botschaft von Gottes Barmherzigkeit, Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe, so daß, wo die ewigen Rechte der Menschen in jedem, auch dem Aermsten und Niedrigsten, erkannt und geehrt werden, wir es ihm zu verdanken haben. Also lebt und wirkt Jesus Christus unter der Menschheit mit seinem Geiste fort. Haben wir deshalb, auch wenn wir nicht mehr an die leibliche Auferstehung Christi glauben könnten, nicht dennoch ein Recht zu sagen: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt?" und doch, damit wir mit ganzer und tiefer Ueberzeugung so sprechen können, ist notwendig, daß wir den Erlöser nicht bloß außer uns im Leben der Menschheit wirken sehen, sondern ihn auch als den Lebendigen in uns selbst fühlen und erkennen. Erst wenn Christus in uns lebt, durch die Kraft des Glaubens an ihn, wenn wir seinen Geist in uns spüren in der Gerechtigkeit, der Liebe, dem Frieden, womit er unser Herz erfüllt, erst dann können wir, dann aber mit zweifelloser Gewißheit sagen: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, ich weiß es; denn ich habe und empfinde täglich, ja jeden Augenblick seine heiligende Lebenskraft und beseligende Lebensnähe in den Tiefen meines eigenen Geistes und Herzens. Auch unter uns gibt es solche, welche aus eigener Lebenserfahrung sagen können: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. Ihr vielen, die ihr den tröstenden, stäckenden und heiligenden Geist, die wunderbar beseligende und erquickende geistige Nähe des Erlösers schon selbst, selbst in der Stunde der Trübsal und der Schmerzen, auf euern Krankenbetten und an dem Sterbelager der Eurigen, in Zeiten der Anfechtung und Versuchung erfahren habt, nicht wahr, ihr wisset, daß euer Erlöser lebt? Jhr verlangt nach keinen weitern Beweisen und ehrwürdigen Büchern und bedürfet keiner Wunder. Selbst wenn die Toten aus ihren Gräbern aufstünden und vor euch hinträten, wenn der leblose Staub noch einmal von feurigem Leben durchströmt würde und die Seelen alter Propheten und Apostel sich um euch herumdrängten und euch mit wunderbarer Rede sagten, daß der Erlöser lebt, so könnte euch dies nicht gewisser machen, sondern ihr müßtet sagen: Warum vergeudet ihr eure himmlischen Worte? Ich weiß, daß mein Erlöser lebt? Wie trostvoll und ermutigend muß endlich für diejenigen, welche für ihr Arbeiten und Wirken auf Erden in banger Sorge sind und verzagt und kleinmütig meinen: „Es ist vergeblich, daß wir für das Gute, Wahre, Edle uns abmühen, kämpfen, dulden und Opfer bringen", und deshalb in Gefahr stehen, lässig zu werden in Erfüllung ihrer Aufgaben und Pflichten die Wahrheit sein: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. Wenn seine Feinde ihn mit Schmach und Spott bedeckten, ihn ans Kreuz schlugen und über den Untergang seines Werkes triumphierten - er lebt dennoch und sein Werk mit ihm. Er ist auferstanden und wandelt als der Lebendige durch alle Zeiten und

« السابقةمتابعة »