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Völker. Die Saat der Wahrheit, die er in den Acker der Menschheit gestreut hat, ist nicht verloren gegangen, sondern zur herrlichen Frucht erwacht. Wohl gibt es Zeiten, in denen der Geist Jesu in äußern Formen und toten Satzungen wie erstorben zu sein scheint, oder wo Gottlosigkeit und Feinde frech ihr Haupt erheben und spottend und verachtend den Nazarener und sein Evangelium zur Seite stellen. Aber aus allen solchen zeitweiligen Verdunkelungen und Anfechtungen bricht der Geist Christi immer wieder leuchtend und siegreich hervor. Der Wille Gottes offenbart sich in den Gefahren des geistigen und sittlichen Lebens mit derselben unwiderstehlichen Gewalt und Macht, wie in den Naturgesehen. Wer will das junge Grün und die Blüten zurückhalten, wenn sie im Frühling aus allen Poren dringen und aus allen Knospen hervorbrechen? Wer will die Sonne verhängen, wenn es tagen soll? Darum können wir ruhig hinausschauen in den Sturm und Kampf der Zeiten, denn in ihm wird am Ende doch das Göttliche sein. Ob die Kämpfer für das Gute und Wahre siegen werden, das wissen wir freilich nicht, wohl aber, daß die Sache siegen wird, für welche sie kämpfen und dulden. So ist es denn ein fröhlicher Kampf, den wir streiten, der Kampf für das Reich Gottes, für Wahrheit und Gerechtigkeit. Denn es stehen jezt noch wie vor Jahrhunderten dieselben Geister uns helfend zur Seite, welche die Propheten stärkten, wenn sie ermatten wollten, die unsern Erlöser trösteten in Gethsemane und auf Golgatha und die Heiligen Gottes emportrugen über Not und Tod. Wissen wir aber, daß unser Erlöser lebt, so lasset ihn uns nicht suchen bei den Toten, nicht in toten Namen, Formen, Sazungen und Gebräuchen, sondern im Leben der Gegenwart, im frischen, freudigen Leben des Geistes, das er in der Menschheit erweckt hat und fort und fort in ihr erhält und aufs neue hervorbringt.

Durch Wahrheit frei!

Joh. 8, 32.

Abschiedswort an die Konfirmanden.

Ich wollte, ich wäre wieder jung und dürfte mit euch, liebe Konfirmanden, aus dem Garten der Kindheit ausziehen, ins Jugendland der Freiheit! Ich kenne die Ungeduld, mit der ihr erwartet, daß der Vorhang sich hebe, der voin Schauspiele des Lebens euch noch trennt. Ich teile euern Drang nach Erlösung der Kraft von dem Stillesißen in Haus und Schule. Ich weiß, wie es braust im jungen Blut und spüre selber den Lenztrieb durch die Seele wehen, der die Wanderlust weckt. Ja, es ist mir: ich könnte und möchte vor allem die Schwingen regen und mit der gleichen Begeisterung, wie einst an meinem eigenen Konfirmationstage mit euch auffliegen zu den Höhen froher Zukunftshoffnungen. Und doch weiß ich heute, daß diese unerreichbar sind auch für noch so hohen und heißen Drang nach dem ewigen Ideal. Mit allem Eifer um die Wahrheit kommen wir nicht in ihren Vollbesig und troz aller Anstrengung werden wir von Irrtum und Vorurteil, Fehlern und Leidenschaften nicht frei. Aber dennoch sag ich es noch einmal: ich würde gerne von vorn anfangen und ließe mir das Lernen in der Schule des Lebens nicht verdrießen, obwohl dieser Unterricht weder unentgeltlich ist noch so bequem gemacht wird, wie der, aus dem ihr nun entlassen seid. Erfahrungen und Enttäuschungen bitterer Art sind das Lehrgeld, das wir zahlen für die praktische

Lebensweisheit. Durch Schaden wird man klug, und durch den Irrtum müssen wir zur Wahrheit reisen.

Aber die Verheißung: „ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen!" steht doch über der Pforte, die euch sich nun auftut nach außen, und selig ist, wer eine Verheißung über sich und die ganze Zukunft vor sich hat, wer etwas glauben und hoffen und lieben kann mit dem vollen Feuer der Jugend. Dieses Feuer ist's, um das wir Alternden euch beneiden. Wir hatten es auch, und manche behalten es bis ins Greisenalter. Aber abgekühlt ward es doch. Unser Herz ist nicht verkohlt zuvor hoffentlich, aber — ernüchtert durch allerlei betrübende, wenn auch heilsame Prüfung. Nicht die Ernüchterung und die Betrübnis ist der Zweck der Prüfung. Weh' dem, der sich durch Undank und Mißerfolg so sehr verstimmen läßt, daß ihm ganz verloren geht die Lust und Liebe zum Weiterschaffen am Werke der Weltbefreiung! Wer entmutigt durch die scheinbare Mühe des Forschens den Trieb nach Erkenntnis erlahmen läßt, der hat ihn nie ernstlich empfunden. Glauben müßt ihr daran: ihr werdet die Wahrheit erkennen!" auf daß ihr immer rastlos vorwärts strebet. Das höchste Ziel, die Vollkommenheit, muß euern Ehrgeiz reizen, damit ihr es zu etwas Rechtem bringet. Eine Jugend ohne Durst nach Wahrheit und Gerechtigkeit wird die Welt nicht näher bringen dem Gottesreich auf Erden. Weil euern Eifer genugsam dämpfen wird die Not, der Neid, der Spott, das Leid im Leben, soll er in euern Herzen heute wie eine Feuerlohe glühen!

„Ihr werdet die Wahrheit erkennen!" Darf ich den Ton auf das „ihr“ legen? Ich wag' es! Wir andern nämlich, die Alternden, erkennen und bekennen: wir haben sie noch nicht erkannt, die ganze Wahrheit. Die volle Herrlichkeit des Gottesreiches ist noch nicht erschienen. Aber auch wir haben daran geglaubt, darauf gehofft, dafür gelitten und gestritten. Soll das umsonst gewesen sein? Wir bauen auf euch, daß ihr fortfahret, wo wir aufhören mußten. Was hätte der großartige Aufschwung des erfinderischen Menschengeistes, all das Ringen und Gelingen heldenhafter Willenskräfte für einen Zweck, wenn nicht die Jungen immer wieder auf die Schultern der Alten stünden, um noch höher zu steigen? Also ja: ihr werdet fortseßen und weiterbringen unser Werk und näher kommen der Wahrheit, die immer mehr den Geist befreit vom trägen Stoff.

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Euch frei machen wird die Wahrheit! Frei zu sein, das ist, nicht wahr, euer sehnlichstes Verlangen? Endlich einmal tun können, was man will, des Herzens innerste und innigste Wünsche befriedigen und dem eigenen Drange folgen, anstatt fremder, ob auch väterlicher Leitung! Ich begreife wiederum ganz wohl dieses unbändige Kraftgefühl, das sich ausleben möchte und muß. Und es wäre wahrlich schlimm bestellt um den Fortschritt in der Welt, wenn diese Flamme jugendheißer Fortschrittsliebe erlöschen würde. Aber wer ist frei? Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten!" warnt ein Dichterwort. Frei werden soll der Geist, der Wille, von allen Fesseln seiner Kraft, von allem, was die Klarheit des Denkens und die Reinheit des Herzens trübt und verdunkelt, was die innere Einheit stört oder aufhebt. Darum kann nur die Wahrheit frei machen, die Erkenntnis unserer göttlichen Bestimmung. Wie gerne treten Eltern und Lehrer ins zweite Glied zurück, zu eurer Unterstüßung im Notfall stets bereit. Aber so übernehmet denn auch die Leitung eures Ichs und macht die Seele frei von aller Tyrannei der nie

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dern und gemeinen Triebe, befreit den Geist von der Gewohnheitssklaverei, in allem eurem Tun und Lassen eines guten Zweckes euch bewußt!

Durch Wahrheit frei! das war das Feldgeschrei der Väter unserer freien christlichen Gemeinschaft. Nur aus der Wahrheit wird ein starkes Geschlecht erwachsen, das den größten Feind aller Freiheit besiegen kann: die Selbstsucht. Denn erst in der allgemeinen Freiheit, im ewigen Frieden als dem Zustande göttlicher Gerechtigkeit auf Erden wird eure Freiheit ein Segen. Ihr seid unterrichtet worden im Geiste der Wahrheit, die gesucht sein will mit ehrlichem und unermüdlichem Willen, das herauszufinden, was für alle zum Wohle gereicht, und im Geiste der Freiheit, die nicht die Rücksicht auf den Nächsten niederreißt. Wir leben in einer Volksgemeinschaft, die durch möglichst gründliche Volksbildung den Gebrauch der Freiheit erzielen will, der allen Völkern auf Erden beweisen soll: die Freiheit, die aus der Wahrheit stammt, führt zum Glück und Frieden aller! Diese Gemeinschaft der Freien empfängt und begrüßt euch als frische Bundes- und Kampfgenossen. Am Palmsonntag zieht mit verheißungsvollem Jubel in den vollen ZukunftFrühling ein, aber bewähret auch dann in der Karwoche, den Prüfungszeiten eures Lebens, euch als treue Streiter Christi, die für Wahrheit und Freiheit um der Liebe Gottes willen leiden können!

„Reichet uns die Hand zum Bunde,
Tretet ein in unsern Kreis!

Aus des Herzens tiefstem Grunde
Bringt ein jeder treu und heiß
Dir, du jugendliche Schar,
Freudiges Willkommen dar.

Strebet aufwärts zu der Tugend,
Ist auch rauh und steil die Bahn,
Mit der frischen Kraft der Jugend
Dringt zum schönen Ziel hinan.
Haltet euch in Freud und Schmerz
Frei den Geist und rein das Herz!"

Tatiana Leontieff.

Natürlich mußte sie bestraft werden. Wenn es erlaubt wäre, diejenigen niederzuknallen, die man für Bedrücker und Quäler seines Volkes hält, so müßten sich sehr bald höchst sonderbare Zustände ergeben, denn in den Augen sehr vieler Leute sind ihre Vorgesezten schädliche Subjekte; es wären eine Menge Fabrikanten, Regierungsräte, Bundesräte, Obersten und Lehrer keinen Augenblick ihres Lebens mehr sicher. Wie ein sicheres Haus Stein und Eisen und Balken und Klammern braucht, so bedarf die Gesellschaft der Geseze, auch wenn diese Geseze weit entfernt nicht immer einer idealen Gerechtigkeit entsprechen. Dura lex, sed lex. Es wird darum kaum jemand sich daran stoßen, daß die Mörderin von den Geschworenen in Thun zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Viele von uns werden sogar erleichtert aufgeatmet haben, als sie das Urteil lasen, weil sie viel schlimmeres befürchtet hatten.

Und warum aufgeatmet? Weil das russische Mädchen nicht aus ge= meinen, sondern sehr idealen Motiven zur Mörderin, und unglücklicher

weise zur Mörderin eines Unschuldigen, wurde. Es wird kaum jemand sein, in dessen Brust mit dem Grauen über ihre Tat sich nicht ein inniges Mitgefühl mischte. Sie ist von vornehmer Herkunft und fühlt doch so außerordentlich innig und heiß mit dem geknechteten russischen Volk. Sie hat seit dem Tag, an dem der Priester Gapon den Arbeiterzug vor den Zaren führen wollte, unsägliche Greuel an ihrem Volke verüben sehen, Greuel, deren hundertster Teil hinreichen würde, aus mancher gerecht und heiß fühlenden Schweizerfran eine Tatiana zu machen. Sie hat selber Kerkerstrafe ausgestanden, die sie dem Wahnsinn nahe brachte. Sie ist überzeugt von der Wahrheit und Notwendigkeit des Sozialismus; in der Verstaatlichung aller Produktionsmittel, des Bodens und seiner Erzeugnisse erblickt sie das Heil. In allen, die diese Entwicklung zurückhalten, mit brutaler Gewalt verunmöglichen wollen, erblickt sie Verbrecher, deren schlimmster Durnowo ist. Das Volk muß, um frei und glücklich zu werden, von diesem Ungeheuer“, das er in ihren Augen ist, befreit werden. Wer wagt es? Sie will es wagen. Sie macht damit zwar ihre Eltern, ihre ganze Familie unglücklich. Aber sie folgert, sehr wahrscheinlich aus dem Evangelium Jesu, daß man unter Umständen Vater und Mutter verlassen muß, um eine Pflicht höherer Art zu erfüllen. Sie weiß auch, daß fie, zur Waffe greifend und die Bluttat an Durnowo vollziehend, ihr eigenes Leben verwirkt; Zuchthausstrafe ist die geringste, der sie ganz sicher verfällt. Dennoch. Sie will ein Opfer bringen. Sie glaubt ein Gottesgericht zu vollziehen, ganz vergessend, daß nur Gott es vollziehen dürfte. Wie eine Opfernde, die zum Gottesdienst geht, schmückt sie sich mit festlichem Gewand, echt weiblich. Und schießt dann. Leider Gottes auf einen harmlosen, alten Mann, der nicht Durnowo ist.

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Weil die Sache mit Tatiana Leontieff so stand, darum werden wohl tausende in unserm Volk und Millionen in allen Völkern aufgeatmet haben, als die Strafe, dank der großen Rede ihres Verteidigers und dank wohl auch des Mitgefühls in der Brust der schweizerisch fühlenden Richter, so unerwartet milde ausfiel. Unsere Freude darüber wäre noch größer gewesen, wenn die fanatisch für die Freiheit ihres Volkes schwärmende Tatiana in ihrer schlichten Verteidigung ein Wort nicht gesprochen hätte: wenn sie aufrichtige und innige Reue darüber gezeigt hätte, daß ein ganz unschuldiger Mensch als Opfer ihres Irrtums fallen mußte. Diese Reue empfand sie nicht, denn da der gefallene Herr Müller ein Vertreter des Kapitalismus" gewesen, so könne sie das Geschehene nicht sehr bedauern. Das war ein böses Wort. Es zeigt den vollendeten Fanatismus, dem Recht und Unrecht in einander verschwimmen. Aber da es einmal so stand in ihrer Seele, so liegt ein gewisser heroischer Zug auch darin, daß sie zu ihrer Ueberzeugung stand, obwohl sie wissen konnte, daß selbst entschieden sozialistisch Denkende über das böse Wort mehr Schrecken als Freude empfinden. Man muß sich doch ernstlich fragen, wohin wir kommen, wenn der Kampf gegen den Kapitalismus" sogar in zarter Jungfrauenseele solche Formen annimmt. Wie ein Bliz in dunkler Nacht beleuchtet es den ganzen Ernst kommender Tage. Wir gehen ihnen aber mit der vollen, festen Zuversicht entgegen, daß die Menschheit schon öfter solche Krisen durchmachte und daß sie durch höhere Leitung menschlicher Dinge nie zum Tod, sondern immer zum Leben waren. Confusione hominum et providentia dei Helvetia regitur.

Die sihende Kommunion in der Brüdergemeinde.

Wer sich über die Herrnhuter und das Leben der Brüdergemeinde, wie es vor hundert Jahren war und in der Hauptsache wohl noch jezt ist, genau unterrichten will, dem bietet das Buch von E. R. Meyer über Schleiermachers und C. G. von Brinkmanns Gang durch die Brüdergemeinde" (Leipzig, Jansa 1905) alles nur Wünschbare. In außerordentlich reicher Fülle erfährt man da, wie es zur Zeit, als S. und G. in den Anstalten der Brüdergemeinde lebten, zu und her ging. Die Darstellung ist im allgemeinen für die merkwürdige Brüdergemeinde durchaus sympathisch, wie diese es verdient, aber in der entschiedensten Weise erklärt sie doch, daß der Austritt aus der Brüdergemeinde für so freigerichtete und hochstrebende Persönlichkeiten wie Schleiermacher und Brinkmann es waren, vollkommen gerechtfertigt war. Zur ganz intimen Kenntnis des genialen Schleiermacher leistet das Buch einen ganz hervorragenden Beitrag. Er zeichnet aber auch die Brüdergemeinde von einer so außerordentlich interessanten Seite, daß einem begreiflich wird, wie der freie, große Schleiermacher auch nach seinem Abscheiden aus der Gemeinde doch nichts anderes zu sein wünschte, als ein Herrnhuter höherer Ordnung. Unter den vielen, gründlichen Ueberraschungen, die mir das Buch von Meyer bereitete, ist eine auch die, daß die Brüdergemeinde schon vor 130 Jahren die sißende Kommunion besaß, denn Seite 34 heißt es: Die Kommunikanten bleiben auf ihren Bänken sißen; unter beständigem Singen der Gemeinde ziehen die Austeilenden von Bank zu Bank, ein erstes Mal mit dem Brot, nach dessen Genuß mit dem Wein. So findet teine Unruhe statt, teine Störung des andächtigen Gemütes durch äußere Dinge. Beigefügt sei noch, daß dem spätern Schleiermacher diese Form als schlechthin vorbildlich erschien.

Justallation zu St. Leonhard.

Nächsten Sonntag, den 7. April, morgens 9 Uhr, wird Herr Pfarrer Hermann Schachenmann seine Antrittspredigt zu St. Leonhard halten. Der freisinnige Gemeindeverein von St. Leonhard hat bei diesem Anlaß die Amtswohnung des neuen Pfarrers, sowie auch Vorhalle und Kanzel der uralten Leonhardskirche einfach, aber sinnig geschmückt.

Ueber der Pfarrhaustür steht das Wort:

„Das ist ein glückseliger Mann, er sei ein König oder ein Geringer, dem in seinem Hause wohl bereitet ist durch die Liebe."

Ueber dem Kirchenportal steht das Wort aus der Apostelgeschichte 10, 33: Du hast wohl getan, daß du kommen bist. Wir sind nun hier gegenwärtig vor Gott, zu hören, was dir von Gott befohlen ist.“

Die Mitglieder des Kirchenrats, des Kirchenvorstands von St. Leonhard und der Kommission des Gemeindevereins versammeln sich um 9 Uhr bei dem neuen Pfarrer, um ihn in die Kirche zu begleiten. Abends 71⁄2 Uhr sodann

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