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seine Gerechtigkeit und Heiligkeit unseres Gewissens, um dasselbe zu läutern und zu heiligen, und seine Liebe sehnt sich darnach, ihren Einzug in unsern Herzen zu halten. Zuerst kann die Gemeinschaft eines Menschen mit Gott sehr klein und schwach sein, aber sie vergrößert und verstärkt sich, wenn er will. Wir können sie aber auch vermindern; denn es ist ebensomöglich, unserm Geiste Gott vorzuenthalten, wie dem Leibe seine Nahrung zu versagen. Doch wehe dem Menschen, der dies tut! sein ganzes Dasein wird dadurch eitel, glück und friedlos. Wollen wir nicht, daß wir mit all' unserm Leben und Wirken, mit all' unsern Gütern und Genüssen dahinschwinden, wie ein Strom und gleich sein, wie ein Schlaf, dem Grase gleich, das am Morgen blüht und des Abends welk wird, so lasset uns die Gemeinschaft mit dem ewigen und vollkommenen Gott suchen und pflegen. Zu ihm, der unsere Zuflucht ist für und für, wollen wir uns flüchten und retten mit unserm Leben und dem Leben der Unsrigen, mit unsern Heiligtümern und teuersten Gütern, zu ihm, der allein fest stehet und bleibet im Strom der irdischen Dinge.

Lasset uns aber nicht vergessen, daß wir in diese Gottesgemeinschaft nicht in einem zukünftigen Leben eintreten können und werden, wenn wir sie nicht schon jest suchen und pflegen. Wir können und sollen jezt schon so leben, daß unser ganzes tägliches Leben eine beständige Annäherung, ein fortwährendes Aufsteigen zu Gott ist. Einem frommen und demütigen Menschen wird sein gesamtes inneres und äußeres Leben zuleht zum Bande, das ihn mit Gott verbindet. Denn bei den Demütigen wohnest du, o Herr, einfach und ohne Ruhm, und in dem frommen Herzen schlägst Du auf dein Heiligtum!

Der Stern von_Bubenberg.*)

Oberst Wendschaß oder eigentlich Hans Rudolf May von Rued, Schloßherr von Hünigen bei Stalden-Konolfingen, war im Bauernkrieg Kommandant der Festung Lenzburg. Er hatte sein einziges Kind, den kleinen Töldi, den ihm seine unvergeßliche, jung verstorbene Frau geschenkt hatte, mitgenommen. Wäre er nicht durch ein frommes Gemüt voll heiliger Ehrfurcht gegen alles Ueberirdische gewesen, er hätte manchmal in wehmütigen Stunden gegen Gott gemurrt, der ihm den einzigen Menschen, mit dem er ein Herz und eine Seele gewesen, so bald wieder weggenommen hatte.

Ob auch im Dienste der Berner Regierung stehend, konnte Oberst Wendschatz die Härte seiner Oberen gegen die Bauern nicht billigen; denn er hatte eingesehen, daß die Bauern etwas schmerze, das nicht nur auf Einbildung beruhe, und daß nur derjenige das Vertrauen des Volkes wieder gewinnen könne, der im ftande sei, die Ursache seiner Leiden zu beseitigen. Je mehr ihm die Verwünschungen der flüchtigen Bauern in den Ohren widerhallten, desto mehr schien es ihm, als müßte er hinter den verwünschten Schloßmauern für die armen Leute einstehen. Darum hatte er auch seine Zustimmung zu der von der Berner Regierung nachher mißbilligten Kapitulation und der Huldigung der Bauern von Wohlenschwyl gegeben, und als die Gefängnisse des Schlosses von Lenzburg sich füllten und die Folter die schweigsamen Bauern zum Reden zwang, wurde er seiner Stelle als Schloßkommandant mehr und

*) Siehe Seite 367: Vom Büchertisch.

mehr überdrüssig und sehnte sich aufs stille Grab seiner lieben Frau und in sein trautes Heim im Schlosse Hünigen.

Nachdem der Galgen sein Werk getan hatte, wurde es allmählich wieder stille im Land. Der Herbst kam, die Besaßung des Schlosses wurde entlassen, und auch Oberst Wendschaß durfte die Heimreise antreten. Aber, als er zu Hause anlangte und in den Saal des Schlosses eintrat, füllten sich seine Augen mit Tränen. Das Herz im Schlosse schlug nicht mehr, und es drückte ihn der Gedanke: Ach, heimkommen, und doch nicht daheim sein!

Sein erster Ausgang galt dem Besuche des Grabes seiner Frau und des Pfarrers Gryph zu Diesbach, dem er sein Herz ausschüttete und über die traurige Lage im Lande klagte, wie sehr es ihn bemühe, daß da nichts zu machen sei. Der Pfarrer hatte zwar einiges Verständnis für die Not der Zeit, aber im allgemeinen kannte die Geistlichkeit damals keinen Trost besser als den: „Seid untertan der Obrigkeit." Die Pfarrer waren die Trabanten der Regierung. Des Obersten. Grundfaß aber hieß: Salus populi supremi lex esto. Er meinte: Das Volk will nicht nur das Gesicht nnd die Hände der Regierung sehen, es hat ein Recht darauf, ihr Herz für sich schlagen zu hören; die Regenten und Führer sollten ihm ihre Liebe zu fühlen geben. Das hätten eben die Bubenberg verstanden. Das sei der Stern von Bubenberg, der wieder aufgehen müsse und dem er folgen wolle.

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Konnte auch der Oberst, weil er seiner Zeit um Jahrhunderte vorausging, die Dinge im Großen nicht ändern, so wollte er doch im Kleinen Haud anlegen und gegenüber seiner Umgebung und seinen Untertanen von Hünigen Liebe üben und Vertrauen wecken. Aber es war ihm kein leichtes, die Herzen der mißtrauischen Bauern wieder zu gewinnen, und vor allem fehlte ihm dazu eine Gattin, die ihn in seinen Bestrebungen unterstüßt hätte. Doch endlich fand er eine solche in der überaus schönen, jugendlich lebhaften Patrizierstochter Kätheli Willading in Bern, die er schon im Schloß in Lenzburg kennen gelernt hatte und deren Herz und Hand er jezt bei Anlaß eines Festes des äußeren Standes in Bern gewann. Die Trauung fand in der großen Kirche (Münster) statt, aber auch die Leute zu Hünigen sollten nicht leer ausgehen. Der Oberst veranstaltete ihnen im Schloß eine schöne Nachfeier, bei der er ihnen im Anschluß an die Schriftworte: Freut euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden", eine herzerhebende Ansprache hielt und sie einlud, auf das Wohl seiner Frau anzustoßen. Die Schloßherrin hat es verstanden, alles in und um das Schloß mit ihrer Schönheit in beste Harmonie zu bringen, und da sie noch in jugendlichem Alter stand, war sie dem Vergnügen nicht abhold; aber auch in der Freude wußte sie ihre Würde zu wahren. An kleinen MißHelligkeiten fehlte es zwar im Hause nicht, und aus Liebe zu seiner Frau machte sich der Oberst mehr daraus als nötig war. Am allermeisten betrübte es ihn, daß die Leute seiner Umgebung troß seiner Bemühungen das Mißtrauen gegen das Schloß nicht fahren lassen wollten. Bei allen seinen Bestrebungen war es ihm vorab um das Glück seiner lieben Frau zu tun, und diese Sorge brachte es mit sich, daß er alles schwer nahm. Im Grunde gingen die beiden Ehegatten in ihren Ansichten nicht weit auseinander. Der Unterschied war einzig der, daß Kätheli von der Vorausseßung ausging, das Wohlergehen der Herrschaft Hünigen bedeute das Glück ihrer Untertaneu, während der Oberst das Glück aller, die seiner herrschaftlichen Fürsorge anvertraut waren, als sein Glück betrachtete. Zwischen seinem Streben und seiner Liebe entstand ein Konflikt, der ihm sagte, daß er seiner schönen Frau geopfert, was er eigentlich

den andern versprochen, und damit habe er das Zutrauen aller derjenigen verloren, die er dem Vaterland wieder habe zuführen wollen. Jezt sei der Schaden da und kein Mensch glaube ihm, daß er es mit dem Stern von Bubenberg ernst gemeint habe. Doch wie ihm über solchen Gedanken die Frau Kätheli entgegenkam, schloß sie der herrliche Mann so herzlich in seine Arme, wie noch nie.

Am Horizonte tauchten jezt schwere Wetterwolfen auf. Unter den Eidgenossen drohte um des Glaubens willen ein Bürgerkrieg auszubrechen. Kurz vor Weihnachten erschien ein Ratsweibel aus Bern in Hünigen und brachte dem Obersten den Marschbefehl nach Lenzburg. Am Tage nach Weihnachten, es war ein schöner, kalter Morgen, brach er mit seinen freiwilligen Musketieren, die er im Schießen instruiert hatte, auf. Der Abschied von Frau und Kind war schwer. Düstere Ahnungen drückten auf ihre Seelen, und die Tränen find reichlich geflossen. Der Pfarrer Gryph las den scheidenden Kriegern einige passende Bibelstellen vor und mahnte sie zu treuem Ausharren im Kampfe. Und der Oberst ergriff die Fahne und ließ die jungen Krieger über derselben schwören: treu zum Glauben, zum Vaterland und zur Freiheit zu stehen. Mitte Januar kam es zu Vilmergen zum Kampfe, wobei die Berner unterlagen. Auch Oberst Wendschat befand sich unter den Verwundeten auf dem Schlachtfeld, und ohne die Hilfe der braven, reinen Müllerstochter von Othmarsingen, die einst, als ihr Vater noch Müller in Hünigen war, im Schlosse daselbst treu gedient hatte und seither für den Herrn große Verehrung im Herzen trug, wäre der Schwerverwundete im Schnee erfroren. Kätheli ging, von banger Ahnung getrieben, nach dem Schlachtfeld, um sich nach dem Befinden des Obersten zu erkundigen. Endlich fand sie ihn, von seinem treuen Hunde bewacht, mitten unter Verwundeten und Toten. Mit Hilfe eines Knechtes rettete sie ihn in ein Haus, pflegte ihn und begleitete ihn am folgenden Tag auf einem Schlitten nach Lenzburg. Der sterbende Kriegsmann wurde bei seiner Ankunft mit Ehren überhäuft; der General von Erlach legte ihm seine goldene Kette auf die Brust. Aber mehr als alles das freute den Obersten die Tatsache, daß er für seine Ideen auf dem Schlachtfeld hatte bluten und denjenigen das Vertrauen wiedergeben können, die im Glauben an ihn wankend geworden waren. Dem General von Erlach aber sagte er: „Danken Sie Gott für die Niederlage. Ein Sieg wäre für unser Vaterland jezt zum Verderben geworden. Ohne Demütigung kein Aufschwung, ohne Nacht kein Morgen! Das ist mein Trost. Und es ist meine leßte Freude in diesem Leben, daß ich das vor Ihnen allen mit meinem Herzblut habe besiegeln dürfen." Unter solchen Gedanken wurde es dem Obersten friedlich und heiter im Gemüt. Er begehrte jezt nach Hause, und für alle Fälle legte er Frau und Kind und Retterin einem guten Freunde warm ans Herz.

Von seinen freiwilligen Hünigern und einigen Freunden begleitet, wurde der Oberst vom Müller von Othmarsingen, des tapferen Käthelis Vater, auf einem Schlitten nach Hause geführt. In Burgdorf erhielt er die fröhliche Botschaft von der glücklichen Geburt eines Sohnes, dem er den Namen Bernhard Christoph gab. Sein Wunsch war: möge der Sohn seiner Mutter durch die Trübsale hindurch tragen und in der Kraft Gottes einmal auch dem teuren Vaterland durch alles Leid hindurchhelfen.

Einige Begleiter ritten jezt voraus, um die Nachricht von der Ankunst des Obersten zu überbringen. Aber leider war es diesem nicht vergönnt, seine Lieben hienieden wiederzusehen; denn fast an der Schwelle seines Hauses an

gelangt, hauchte er seine edle Seele aus. Von allen Seiten waren die Bekannten herbeigeeilt, um den tapferen Kriegsmann zu begrüßen; aber wie sie den Toten erblickten, brachen sie in Tränen aus. Der Pfarrer Gryph von Diesbach breitete die Hände über ihn aus und sprach: Hinweggerissen bist du aus dem Lande der Lebendigen. Du hast dein Leben zum Opfer gegeben für dein Volk. Der Herr aber hat dir Samen erweckt, und sein Vornehmen wird durch deine Hand fortgehen. Amen." Langsam wurde die Fahrt fortgesezt, und stillen, heiligen Frieden atmete alles, auch unter heißen Tränen die Brust der Frau Kätheli, als man ihr den lezten Friedens- und Scheidegruß ihres treuen, tapferen Mannes überbrachte. Mit versöhntem Herzen standen zwei Tage später die Bauern auf dem Friedhof zu Diesbach an der stillen Gruft ihres Schloßherrn.

Einseitigkeit.

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Der Münsterpfarrer W. Hadorn in Bern gibt eine „Kirchengeschichte der reformierten Schweiz" heraus (Zürich, Schultheß & Cie.), deren Schluß als 3. und 4. Lieferung jezt vorliegt und bis auf 1907 herabgeht. Es ist natürlich sehr schwierig, die allerjüngste Gegenwart schon jetzt in eine Kirchengeschichte" zu bringen; die Urteile gehen zu weit auseinander, und Herr Hadorn ist selber auch Partei. Im ganzen und großen, das gestehe ich gern, gibt er sich Mühe, ein milder Richter zu sein, und sagt die schroffsten Urteile nicht selber, sondern läßt sie andere fällen. Ein gutes Wort und sehr richtig ist der Sat: „Wenn wir die Ursprünge der Reformrichtung ins Auge fassen, so müssen ihre Gegner wie ihre Freunde heute zugeben, daß sie nicht aus Zufälligkeiten, sondern aus einer innern durch die Entwicklung der Theologie begründeten Notwendigkeit entstanden ist."

Aber die Arbeit leidet doch an direkten Unrichtigkeiten und Einseitigkeit, die ich keineswegs aus bösem Willen, sondern daraus erkläre, daß ihr Verfasser in mancher Partie ganz unzulänglich unterrichtet ist und im Drang vieler Amtsgeschäfte wohl allzu eilig geschrieben hat.

Ein paar nebensächliche Unrichtigkeiten: Diakon Hirzel in Zürich ist nicht schon 1875", sondern am 19. April 1871 gestorben. In Basel sind nicht zwei Kandidaten, Rumpf und Hörler, aus dem geistlichen Stand ausgeschlossen worden, sondern nur Herrn Rumpf ist es passiert. „Hörler wurde Redaktor" ist auch falsch. Er war von Anfang an Lehrer an der Töchterschule und hat in dieser Eigenschaft den kirchlichen Kampf begonnen u. s. w.

Wir wollen es dem Verfasser in Bern nicht zu hoch anrechnen, daß er die Berner Reformbewegung sehr viel ausführlicher behandelt als die in Zürich und vollends die in Basel; aber hier in Basel wird jeder Leser sich wundern, daß von Zw. Wirth, dem mächtigen Verkündiger und Verteidiger des freien Christentums in Wort und Schrift, kein Wort zu finden ist. So ist unter den theologischen Forschern wohl Friß Barth in Bern, aber weder P. Christ in Zürich, noch Overbeck, noch Rud. Stähelin und P. Wernle in Basel genannt. Die Diakonissenhäuser in Riehen u. s. w. sind stark herausgehoben, aber das Schwesternhaus zum Roten Kreuz in Zürich und Pfarrer W. Bion sind übergangen. „Endlich ist noch der kirchlichen und religiösen Presse zu gedenken“, sagt Hadorn; dann nennt er von den „ältesten und gediegensten" den „Christlichen Volksboten“, das „Appenzeller Sonntagsblatt“, den „Christlichen Volks

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freund", das „Evangelische Wochenblatt"; den „Säemann“, Grüeß Gott", „Fürs Heim“, „Für Alle“. Hingegen existieren für ihn weder die Schweiz. Reformblätter", noch das „Religiöse Volksblatt", noch das „Schweiz. Protestantenblatt", die doch 30 Jahre und darüber existieren und wohl bekannt sind.

Herr Hadorn soll ja nicht glauben, daß wir ihm darob zürnen, aber er beweist doch, daß seine Arbeit, so wacker sie im großen und ganzen ist, an starker Einseitigkeit leidet, die seiner „lieben Gemeinde zum Münster in Bern", welcher er sein Werk widmet, gewiß nicht weh tut, aber die „Kirchengeschichte“ wäre besser ohne sie.

Vom Büchertisch.

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Alkoholismus und Gottesherrschaft. Von Pfarrer Hans Bader in Degersheim. (Bei Helbing & Lichtenhahn, Basel, 26 Seiten). Ein Wort an die Pfarrer und an alle, welche religiösem Denken nahestehn" nennt der Autor seine Broschüre, die, wie er eingangs bemerkt, durch die Kontroverse Fahrner-Liechti in der theologischen Zeitschrift veranlaßt wurde. Er faßt die Frage von einer hohen Warte. Er stellt den Alkohol als den Zudiener all der Mächte hin, die widergöttlich das Kommen des Reiches der Liebe hindern, und verlangt von uns gebieterisch, daß wir uns entscheiden, ob wir für oder wider Gott uns stellen wollen. Er hat die beste Absicht, das ist kein Zweifel. Er redet nicht im Stil der Abstinenzblätter, die uns wegen der Vertei= digung des verdächtigten Freundes mit dem Vorwurf der niedrigsten Motive antworten, und die der an sich guten Sache mit solch lächerlichem Fanatismus aufs Gröbste schaden. Jhm, der sich nicht hinter dem Hollunderstrauch der Anonymität versteckt, antworten wir daher gern und gestehen offen ein, daß schließlich nur auf diesem Boden die Frage endgültig entschieden werden kann. Alle andern Gründe gelten uns nicht so viel als die aus dem Evangelium geholten. Ihnen fügen wir uns ohne Zaudern.

Aber nur ihnen. Und es ist uns nun sehr fraglich, ob nicht auch dem Verfasser ganz unbewußt wieder andere Gründe als rein evangelische maßgebend geworden sind. Wir hätten es sehr leicht, darauf hinzuweisen, daß auch Jesus ein Trinkerelend vor Augen sah und dennoch vom Gewächs des Weinstocks trank. Daß er so unvorsichtig war, seine Rede beständig mit Gleichnissen aus diesem Gebiet zu schmücken. Aber wir wissen gut genug, daß das nur wieder ein sich Berufen auf eine Aeußerlichkeit bei dem wäre, der nicht nachgeäfft, sondern neu erlebt werden will.

Aber mehr als eine Aeußerlichkeit ist es, wenn Jesus sich bewußt dem Asketen Johannes gegenüberstellt, der nicht trank und deswegen als verrückt hingestellt wurde, während er nun den Vorwurf der Trunksucht und Völlerei auf sich nehmen müsse. Das scheint mir ein Schlaglicht zu sein, das ein viel zu wenig beachtetes Gebiet in Jesu Entwicklung erhellt. Der Bacchuskult drang damals in alle Provinzen und Stände des Reichs. Evoerufe erschütterten die Luft. Es war die Zeit der Triclinien und der lukullischen Mähler, und die vornehmen Häuser der Oberzöllner, in die er sich zu Gaste laden ließ, ahmten römische Sitte nach. Vielleicht daß Paolo Veronese mit seiner Darstellung des üppigen Festmahls, das man ihm gern als Anachronismus vorwirft, doch nicht so ganz neben das Ziel schoß. Warum trat Jesus in diese Kreise nicht in der Rolle des Asketen mitten hinein? Warum aß er mit ihnen und trank er mit ihnen ? Mir scheint, weil ihm jede Pose widerlich war. Weil er jeden Anlaß peinlich mied, vor den Leuten scheinen zu wollen. Weil er nicht von vornherein zwischen denen, die er zu retten kam, und sich eine Schranke aufrichten wollte. — Das ist ihm schwer verübelt worden. Die Frommen und Gerechten wandten sich von ihm ab, der so wenig wußte, was sich

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