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dadurch den Millionen Unfrer guten Unterthanen die Ruhe ihres Lebens und ihr Trost auf dem Sterbebette nicht geraubt und sie also unglücklich gemacht werden.“

Demnach wurde verordnet, „daß hinfüro kein Geistlicher, Prediger oder Schullehrer, bei unausbleiblicher Cassation und nach Befinden noch härterer Strafe und Ahndung, sich der angezeigten Irrthümer schuldig machen soll, insofern er solche bei der Führung seines Amtes oder auf andere Weise öffentlich oder heimlich auszubreiten sich unterfange." Der Privatüberzeugung des Einzelnen wollte jedoch das Edict nicht zu nahe treten. Nur solle und dürfe die öffentliche Lehrnorm sich nicht nach dieser richten. Jeder, der sich dem geistlichen Berufe widme, müsse wissen, wie weit er den Lehrbegriff der Kirche zu verantworten im Stande sei. Auch wollte das Edict alle mögliche Schonung eintreten lassen gegen die, welche bereits im öffentlichen Amte stehen. Es sollte ihnen nicht zugemuthet werden, ihre Gesinnung plötzlich zu ändern; nur sollten sie nicht gegen den Lehrbegriff auftreten. Den geistlichen De partements der beiden protestantischen Confessionen und ihren Chefs wurde in dieser Beziehung die strengste Wachsamkeit empfohlen. Zur Handhabung und Ausführung des Edicts wurde 1791 eine eigene Examinationscommission niedergesetzt, bestehend aus dem von Breslau nach Berlin berufenen Prediger Hermes, den beiden Oberconsistorialräthen Woltersdorf und Silberschlag, und dem Geheimen Rath Hilmer. Eine Hauptbeschäftigung dieser Commission sollte laut der königlichen Instruction darin bestehen, nach und nach eine möglichst vollständige Kenntniß von den guten und schlechten Predigern und Schullehrern im ganzen Lande zu erhalten“. Es sollten darüber eigene Listen gefertigt werden. In der ersten Liste „werden alle guten Prediger und Schullehrer nach ihrer Rechtschaffenheit, Geschicklichkeit, Verdiensten und vornehmlich nach ihrer Orthodoxie und Anhänglichkeit an der alten reinen christlichen Glaubenslehre aufgeführt zu dem Endzwecke, daß aus dieser Liste diejenigen Subjecte gewählt werden, mit welchen wichtigere Lehrstellen in Kirchen und Schulen künftig zu beseßen sind.“. In die zweite Liste kommen vorzüglich alle Theologen und die ganze Rotte der sogenannten Aufklärer unter den Predigern und Schullehrern, desgleichen alle diejenigen, deren Lebenswandel anrüchig und nicht rechter Art ist, um auf die erstern ein wachsames Auge zu haben, daß sie ihre neologischen Irrthümer nicht weiter ausbreiten, die letztern aber in Absicht der Verdorbenheit ihrer Sitten nach den in der Consistorialordnung vorgeschriebenen gradibus admonitionis zu behandeln und bei nicht er

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folgter Besserung dem weltlichen Arm zu wohlverdienter Strafe und Cassation zu übergeben." Eben dieser Commission wurden nun auch die vorläufigen Candidatenprüfungen übertragen, so wie zwei Mitglieder derselben dem öffentlichen Examen beizuwohnen hatten, um demselben mehr Gewicht und Regelmäßigkeit zu geben“. Dabei wurde ihnen jedoch empfohlen, „mit den der Neologie ergebenen Candidaten Geduld zu haben und ihnen Termine zu seßen, in welchen sie zum zweiten, vielleicht zum dritten oder vierten Male wieder erscheinen sollen, auch ihnen mit väterlicher Güte Anweisung zum wahren Studiren und zweckmäßiger Zubereitung auf ein künftiges Lehramt zu geben.“

Betrachtet man dieses Edict unbefangen, so kann man die gute Absicht nicht verkennen, den eingerissenen Unordnungen, die sich unter dem Namen der Aufklärung in die Kirche eingedrungen hatten, zu steuern und den öffentlichen kirchlichen Unterricht wieder auf eine sichere Grundlage zurückzuführen. Nur war das Verfahren für den gegenwärtigen Augenblick zu rasch und unvorbereitet. Man bedachte nicht, daß sich der Glaube nicht gebieten, daß er sich nicht wie eine militärische Uniform von einem Tag auf den andern zuschneiden und verändern läßt, und daß gerade diejenigen, die zu einer solchen Aenderung ohne weiteres bereit sind, am allerwenigsten Garantien darbieten. Man seßte sich in den Fall, entweder eine Anzahl redlicher Männer, unter die vor allen der greise Spalding gehörte, der sich auch wirklich von da an zurückzog, außer Wirksamkeit zu setzen oder, was noch schlimmer war, Heuchler zu ziehn. Und das war es, was auch Viele damals schon gegen das Religionsedict einwandten. Hätte man sich darauf beschränkt, die ärgsten Auswüchse jener falschen Aufklärung abzuschneiden, dabei aber für eine tüchtige theologische Bildung der künftigen Generation zu sorgen, so wäre gründlicher geholfen worden. Doch sah das Edict im Ganzen gewaltthätiger aus, als es gehandhabt wurde. An einzelnen Kränkungen freilich fehlte es nicht. Die Prediger Reinbeck und Troschel an der Petrikirche erhielten scharfe Ermahnungen; ebenso Nösselt und Niemeyer in Halle, was große Sensation auf der dortigen Universität erregte. Der Debit „der deutschen Bibliothek“ wurde in den gesammten preußischen Staaten bei 50 Ducaten Strafe verboten. Die Absetzung eines neologischen Predigers in der Nähe von Berlin, des Predigers Schulz in Gielsdorf (1792), machte allein einiges Aufsehn. Dieser Schulz, welcher von dem Umstand, daß er, zuwider der geistlichen Tracht, gleich den Weltlichen einen Zopf trug, der „Zopfprediger“ hieß, hatte allerdings nicht nur durch diese Aeußerlichkeit, sondern durch die von ihm

vorgetragenen Lehren Anstoß gegeben, namentlich hatte er sich gegen die mosaischen Schriften sehr unbescheiden ausgesprochen. Er wurde darüber zur Rebe gestellt, aber das Consistorium, in welchem Teller die mächtigste Stimme hatte, stimmte in Betracht der sittlich guten Aufführung des Predigers und des guten Lobes, das ihm seine Gemeinde ertheilte, dennoch für seine Beibehaltung; er könne, hieß es, wenn auch nicht als lutherischer, doch als christlicher Prediger geduldet werden. Gleichwohl ward Schulz abgesetzt, und über den Propst Teller die Suspension ausgesprochen, aber nicht vollzogen. Ersterer erhielt eine Anstellung in der königlichen Porzellanfabrik in Berlin. Das ist alles, was das Religionsedict ausrichtete; eine Unzahl Schriften rief es hervor,*) wobei besonders merkwürdig ist, daß Semler von seinem Standpunkt aus, wonach er zwischen öffentlicher und Privatreligion unterschied, die Regierungsmaßnahmen billigte, während Bahrdt das Edict auf das bitterste verhöhnte. Er wurde deßhalb, wie wir früher gesehen, als Pasquillant gestraft. Mit Friedrich Wilhelm III. trat die Aufhebung des Edicts, aber zugleich auch der Zeitpunkt ein, wo für Preußen und für Berlin, ja für ganz Deutschland ein neuer Umschwung der religiösen Ideen herbeigeführt wurde, den zu betrachten nicht mehr in unsre jezige Aufgabe fällt. Wir müssen vielmehr, der Zeit nach, wieder um mehr als ein halbes Jahrhundert zurückgehen und einen Faden wieder aufnehmen, den wir schon vor längerer Zeit haben fallen lassen.

Wir haben die Geschichte des Pietismus, mit der wir die religiöse Entwicklungsgeschichte begonnen haben, seiner Zeit unterbrochen, um erst die ganze Entwicklung theils des Unglaubens, theils der verschiednen Zeitrichtungen in der Litteratur, in der Theologie, im Erziehungswesen, im kirchlichen Leben überhaupt kennen zu lernen. Das ist nun in einer Reihe von Vorlesungen geschehn. Jezt sind wir (sollte ich denken) auf dem Punkte, von wo aus wir die Bedeutung der Männer und der Vereine werden würdigen können, die, zum Theil aus dem Pietismus hervorgegangen, zum Theil an ihn sich anschließend und in näherer Berührung mit ihm, eine feste, entschieten gläubige, in starken Bildern ausgesprochene und von einer schönen Begeisterung getragene Gesinnung einer Welt gegenüber an den Tag gelegt haben, von der sie meist Spott ernteten, oder von der sie zum mindesten als hinter der Zeit zurück Gebliebene bedauert und bemitleidet wurden, die aber

*) Vgl. den 114. und 115. Band der allgemeinen deutschen Bibliothek. Einen besondern Abdruck veranstaltete Henke. Kiel 1793.

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doch mitten unter diesen Verkennungen und Verfolgungen, denen sie ausgesezt waren, einen frischen Lebenskeim bewahrten, aus dem sich, nachdem die Stürme sich gelegt, ein neues, kräftiges, christliches Be= wußtsein erzeugen sollte. Bengel und die ihm verwandten süddeutschen Originalien, Zinzendorf und die von ihm gestiftete Brüdergemeinde, Wesley und die Methodisten, Swedenborg und die Kirche des neuen Jerusalems, Jung-Stilling und Lavater diese sind es, die wir nun in eine große Gruppe zusammenfassen und in den folgenden Vorlesungen ausführlicher behandeln wollen.

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Siebenzehnte Vorlesung.

Positive Richtungen. Erneuerung des Pietismus.
Christoph Friedrich Detinger. Philipp M. Hahn.

Johann Albrecht Bengel.
Der Liederdichter Hiller.

Samuel Urlsperger und sein Sohn. Die deutsche Christenthumsgesellschaft. Ihr Sih in Basel.

Von

Son der gemäßigten Zone der norddeutschen Aufklärung aus, in der sich Jerusalem, Sack und Spalding bewegten, fanden wir uns in der letzten Vorlesung den kältern Polargegenden einer etwas frostigen Neologie noch näher gerückt, wie sie durch Teller und noch mehr durch diejenigen Prediger dargestellt wurde, gegen welche das Religionsedict vom Jahr 1788 zunächst gerichtet war. Jest treten wir dem südlichen Himmelsstriche näher, indem wir die Richtungen betrachten wollen, die eine reichere Gemüthskraft entwickelten und zugleich in ihrem Bekenntniß tiefer in den Grundanschauungen des Christenthums Wurzel gefaßt hatten, als jene. Es ist indessen schwer, diese Richtungen alle, wie ich sie noch am Schlusse der lezten Vorlesung namhaft gemacht habe, unter einen Namen zu bringen; denn so sehr sie auch im Ganzen eine Einheit bilden gegenüber sowohl der abgestorbnen alten Orthodoxie, als gegenüber der neologischen und rationalistischen Aufklärung des Jahrhunderts, so sehr giebt sich auch unter ihnen wieder eine nichts weniger als unerhebliche Verschiedenheit zu erkennen. So werden wir finden, daß Bengel und Zinzendorf, und ebenso wieder Zinzendorf und Wesley in den wesentlichsten Lehren und Grundsägen des Christenthums verschiecen von einander dachten, während Swedenborg, Stilling, Lavater, jeder von diesen wieder, gleichfalls seinen besonderen Weg ging. — Orthodox waren alle diese Männer keineswegs, wenn man unter Orthodoxie eine burchgängig correcte Uebereinstimmung mit den kirchlichen Lehrbestimmungen verstehen will; denn gegen mehrere dieser Bestimmungen verstießen

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