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er.

Mit klarem Blick und ganzer Seele ergreift er die Gegenwart. Er belauscht und versteht alle Stimmungen der menschlichen Seele, alle Strömungen des öffentlichen Lebens. Sein eigenes Leben ist ein Spiegel des öffentlichen. Der Fremdländerei ist er gram, der deutschen Sitte hold. „Ein deutscher Mann jagt nicht dem Neuen und dem Fremden nach.“

Der Verfall deutscher Zucht und Ehre schmerzt ihn tief. Rührend klingt seine Klage, schneidig sein Tadel, eindringlich seine Mahnung. Er erinnert an den früheren Glanz, an die alte Macht und Ehre des Vaterlandes und mahnt, zu alter biderber Sitte und Sittlichkeit zurückzukehren.

Troz der zeitgemäßen Sitte des Ansingens und troß seiner Armut wahrte sich Walther einen würdigen Sinn und edle Selbständigkeit. Männlich mahnt er die Fürsten an ihre Pflichten, warnt sie, falschem Rate zu folgen und auf das verächtliche Volk der Heuchler und Schmeichler zu hören. „Ihre ungetreue Zunge müsse erlahmen.“ Vor hoher Stellung und Abkunft bückt er sich nicht servil zur Erde. Gesinnung gebe Adel, und Tugend sei Schönheit. Vorzüge der Geburt gälten nichts, denn vor Gott seien alle gleich.

Dem Bogner (Graf von Kayenellenbogen) sei er hold; der sei der schönste Ritter, „wenn man die innere Tugend nach außen kehre“.

Gegen ein Herabziehen seines Kunstideals verwahrt er sich mit Nachdruck. Bitter zieht er gegen die Verderber des Minnesangs, die „Unhöfelichen“, „Dörper“, „Bauernsänger" wie Neidhart zu Felde und nennt ihr Singen „Unfug".

Walthers Treue gegen Gott, Vaterland, Freunde, künstlerisches und sittliches Ideal macht seinen Charakter liebwert und nachahmungswürdig. 5. Humor und volkstümliche Sprache in Walthers Liedern. Wie Walther seines Volkes Seele kennt, so redet er meisterlich seine Sprache; bald klingt sie ernst erschütternd, bald süß vertraut, bald heiter und neckisch.

Einige Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten sind: Gut Mann ist guter Seiden wert. Gedanken sind frei. Hätt' er Glück, ich thät ihm gut. Wo sich's Mühlrad dröhnend dreht, wer dahin wohl harfen geht! Er ist nicht Fisch bis zur Gräte. Mögen sie den Esel und den Gauch (Kuckuck) nüchtern hören! (Nach dem Volksglauben mußten sie dann das ganze Jahr hungern.) — „An drei Fürstenhöfen ist mein Wein gelesen und meine Pfanne sauset." 2c.

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Humoristisch sind folgende Stellen: Die nasse Abfertigung im gastlichen Tegernsee S. 55. Einen wunderlichen Mann Namens Gerhard Aze macht er zur Zielscheibe seines Spottes und giebt ihn dem Gelächter der lustigen Hofgesellschaft in Eisenach preis. Gerhard hat ihm nämlich ein Pferd erschossen und soll es nun mit drei Mark büßen. Aber er weigert dies, weil einst ein Verwandter des erschossenen Rosses ihn in

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die Finger gebissen habe." Walthers Diener Dietrich soll nun den Aze als Roß reiten. Kaiser Ottos Milde soll nach der Länge gemessen werden. Im Vokalspiel S. 30 schilt er in komischem Zorn den Winter und will lieber Mönch in dem (reichen) Kloster Dobrylug werden als länger dies Leben ertragen. In drolligem Unwillen verwünscht er S. 31 die Krähe, welche sein Traumglück durch Schreien zerbricht. Über abergläubische Leute, die sich bei alten Weibern Träume und Zeichen deuten lassen, schüttet er in demselben Gedichte seinen Spott aus. — Den Namen seiner „Frau“ nennt er „Gnad“ und „Ungnad“ oder verbirgt ihn schelmisch im Anschluß an das Gedicht „Walther und Hildegunde“. Die neugierigen Frager nach dem Namen seiner Geliebten neckt und nasführt er öfter. -Das glückliche Orakel des Halmmessens nennt er ein Tröstelein, das ihn aus Zweifelsucht erlöset habe. Die Minne nennt er Meisterin der Diebe, da ihr kein Schloß je widerstand. - Weiter wirft er ihr scherzend vor, daß sie viel älter als der Dichter sei und sich nicht über ihn zu erheben brauche. Wen die Minne blendet, wie kann der noch sehen?" - Dem Glück, das ihm stets den Rücken wende, wünscht er, daß ihm die Augen im Nacken stünden, dann müsse es ihn wider Willen ansehen. - Den Hochmut vergleicht er mit der 6, die zur 7 strebe, die Zerstückelung des byzantinischen Reiches 1204 mit dem Bratenverschneiden. — Als ihn der Herzog von Österreich in den Wald verwünscht, da seufzt er schelmisch: „Laß mich nicht reuten, laß mich bei den Leuten." Ein andermal flagt er: „Die halbe Welt folgt meinem Rat, und ich selbst bin ratlos.“ Bitter klingt die Ironie bei der Teilung seines Gutes unter seine Feinde, S. 59, „daß keiner mehr verlange, als ich ihm zuerkannt!" - Im Abschied von der Welt" läßt er den Teufel hienieden ein lustig Wirtshaus halten und die Gäste von Frau Welt gar fröhlich bedienen. Walther kehrt dem Wirtshaus und der Wirtin den Rücken, weil die Seele als Zahlung gefordert würde.

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6. Etwas über die Kunstform in Walthers Gedichten. Die Gedichte Walthers tragen den Stempel der Meisterschaft besonders in dem Einklange von Inhalt und Form. Leztere ist die knappe, schöne Umgrenzung des Inhalts, und dieser füllt ganz die Form. Sie ist mannigfaltig wie die Gedankenentfaltung, aber nie gekünstelt und um ihrer selbst willen da. Der Inhalt muß die Form bestimmen, der Gedanke in seiner Entfaltung naturnotwendig sein Sprachkleid schaffen. Daß Walther ein Meister der Form ist, bezeugt das „Vokalspiel" S. 30, aber gewöhnlich verschmäht er solche Kunststücke. Doch unterscheidet man in seinen Gedichten einige achtzig Töne oder Dichtweisen. Sie steigen vom einfachsten Volksliede bis zur großartigen Königsweise. Zur Zeit, da der Minnesang schon in Formkünstelei ausartete, rühmt der Minnesinger Frauenlob (Heinrich von Meißen † 1318) in seinem Wettstreit mit dem Schmied Regenbogen, daß er durch seine schier zahllosen Töne oder Versfügungen ein Meisterkoch der Kunst und ein Vergolder des Gesanges Lyrische Dichtungen. 3. Aufl.

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sei, während Walther und andere Meister neben der kunstreichen Straße den schmalen Steig gefahren seien.

Der Form nach sind Walthers Dichtungen zu scheiden in Lieder, Sprüche und Leiche. Im Liede sind zu unterscheiden: a) Der Ton, d. h. der Vers- und Strophenbau, b) die Weise oder Melodie, denn der Dichter war auch Komponist, c) das Wort als Ausdruck des Gedankens.

Je mannigfaltiger die Töne waren, desto größer war die Kunst des Sängers. In der Regel mußte jedes Lied einen andern Ton, d. h. metrischen Aufbau, und eine andere Melodie oder Sangweise haben. Jedes Lied bestand in der Regel aus mehreren gleichartigen Gefäßen, Strophen. Die Sprüche sind kürzer, meist nur einstrophig, und eine Wiederholung desselben Tones ist in ihnen gestattet. Sie bildeten kleinere poetische Ganze, die bis zu drei häufig zu loser Kette zusammen. gereiht waren. Leiche, deren wir von Walther nur eins, S. 85, haben, waren längere Gedichte, aus ungleichartigen Strophen aufgebaut.

Als symmetrisches Gesez des Aufbaues galt für jede Strophe in Liedern und Sprüchen die Dreiteilung. Die beiden ersten gleichen Teile, Stollen genannt, bildeten den Aufgefang, der dritte ungleiche Teil den Abgesang. (Durch Einrücken der ersten Zeile sind die drei Glieder einer Strophe von S. 46 ab kenntlich gemacht.) Meistens stehen die beiden Stollen, welche den Aufgesang bilden, voran und enthalten in dem folgenden Abgesange den Abschluß. Doch kann die Folge auch verschoben sein, wie die Sprüche S. 46 und 47 mit dem Abgesang in der Mitte, den beiden Stollen am Anfange und Schluß zeigen. Manche Litterarhistoriker ordneten Walthers Gedichte überhaupt nach den Tönen, machten also die Kunstform zum unterscheidenden Einteilungsmaßstabe.

Fr. Polack.

Das Volkslied.

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Litteratur: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von Achim von Arnim und Clemens Brentano (Leipzig, Phil. Reclam). Deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts von Karl Goedete und Jul. Tittmann. I. Bd.: Liederbuch aus dem 16. Jahrhundert (Leipzig, F. A. Brockhaus). Bibliothek der deutschen Klassiker. Bd. II: Volkslitteratur der Reformationszeit (Hildburghausen, Bibliographisches Institut). Deutscher Liederhort von L. Erk (Berlin, Th. Chr. Fr. Enslin). Alte hoch und niederdeutsche Volkslieder von L. Uhland (Stuttgart, J. G. Cotta). Abhandlung und Anmerkungen dazu von Ludwig Uhland. Bd. III von Uhlands Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage (Stuttgart, J. G. Cotta). Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes von Vilmar (Marburg, Elwert). Deutsche Volkslieder aus Oberhessen, gesammelt und mit kulturhistorisch-ethnographischer Einleitung herausgegeben von Dr. Otto Böckel (Marburg, Elwert). Das deutsche Volkslied des 16. Jahrhunderts. Für die Freunde der alten Litteratur und zum Unterrichte eingeleitet und ausgewählt von Dr. K. Kinzel (Berlin, Neuenhahn). Litteraturgeschichte von Vilmar und Geschichte der deutschen Litteratur von Wilh. Scherer.

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I. Vorbereitung.

Walther von der Vogelweide war ein Kunstdichter, d. h. ein bewußter Dolmetscher des gebildeten Teiles seiner Zeitgenossen. Wenn er auch voll und ganz inmitten seines Volkes stand und mit ihm wahr und warm empfand, so erhob sich doch sein Geist in bewußter Überlegenheit über dasselbe. Unter Geltendmachung seiner dichterischen Persönlichkeit sprach er nach den Regeln der poetischen Kunst das aus, was ihn als Glied feines Standes und Volkes in tiefster Seele bewegte. Das ist das Wesen der lyrischen Kunstdichtung. Und lyrische Kunstdichter waren alle Minnesänger, wie groß auch ihre Zahl war und wie wenig oder wie sehr sie an einen Walther hinanreichen mochten. (Die Manessische Handschrift enthält allein gegen 140 Minnesinger mit vielen Bildnissen und etwa 7000 Liederstrophen derselben. Sie soll von Rüdiger Manesse in Zürich im Anfang des 14. Jahrhunderts angelegt worden sein, kam um 1600 nach Heidelberg, wurde während des 30jährigen Krieges geraubt und nach Paris entführt, wo sie 1726 Chr. v. Bartenstein entdeckte, und gelangte 1888 infolge Umtausches wieder nach Heidelberg.)

„Doch nicht an wenig stolze Namen ist die Liederkunst gebannt; ausgestreut ist der Samen über alles deutsche Land" (vergl. Bd. II, 604!). Die Poesie ist Gemeingut der Menschheit und die Sangeslust ein tiefes Bedürfnis des menschlichen Geistes, nicht ein Spiel der Willkür, wozu es die Meistersinger in ihren Handwerker Singschulen unter trockener Nachahmung des Minnesanges machen wollten. Die verborgenen Quellen der Poesie springen frisch und mit elementarer Gewalt zu Tage, wenn ein erhöhter Lebensdrang die Volksseele bewegt. „Das Übersprudeln des Lebens schafft das Lied" (Uhland). Stets, wenn das Volksleben frische, hohe Wellen schlug, erklang wie aus kräftigem Naturdrange heraus das Volkslied. Das Volk als ungeschiedene Einheit war der Sänger und sang, wie's ihm ums Herz war und wie ihm der Schnabel gewachsen war, ohne sich in die Fesseln einer zünftigen Kunst schlagen zu lassen. Seine Stimmführer die Volksdichter traten nicht mit irgendwelchem Anspruche auf dichterische Originalität aus der Gesamtheit heraus. Hatten sie schlicht und glücklich im Liede ausgesprochen, was alle bewegte, so war ihr Werk gethan. Ihr Lied lebte als Volkseigentum weiter, ihr Name aber ward in der Menge nicht mehr genannt. Das Volkslied ist der Atemzug der erregten und erschwingenden Volksseele und der poetische Niederschlag des bewegten Volkslebens.

Wie ein Volkslied entsteht, haben Freiligrath und Sallet poetisch darzustellen gesucht (vergleiche Bd. III, S. 72-78!) Freiligrath zeigt die Entstehung des historischen Volksliedes Prinz Eugen, der edle Ritter," Sallet den Ursprung eines Liebesliedes.

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und

Das Wesen des Volksliedes wird uns klar werden, wenn wir an der Hand jener Darstellung und jener Lieder: „Zelte, Posten, WerdaEin wandernder Geselle zieht munter durch den "die einzelnen Elemente aufdecken, die den Charakter des Volksliedes bestimmen.

Rufer

Wald

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1. Veranlassung. Ein Ereignis (wie die Eroberung Belgrads durch Prinz Eugen), das in aller Munde war, ein Gefühl (wie das Abschiedsweh im Rahmen der Frühlingsherrlichkeit), das alle stark und unmittelbar durchdrang, gab den Anstoß und drängte zu poetischem Ausklingen.

2. Verfaffer. „Einer, der dabei war," wurde zum Munde der Gesamtheit, dort der Trompeter, hier der Handwerksbursche. Doch keiner nannte seinen Namen oder erhob Anspruch auf die Autorschaft. Nicht als Dichter, sondern als Glieder einer Gemeinschaft fühlten sich die Urheber des ersten Wurfes. Und die Gemeinschaft ergriff sofort frisch und verständnisinnig diesen ersten Wurf eines Volksliedes und gestaltete ihn durch allerlei Veränderungen im unverkünstelten Volksgeschmack nach Wort und Weise als ein Eigenes. Nicht ein einzelner Dichter, sondern eine Volksgemeinschaft schuf also unsere Volkslieder.

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