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Nr. 4). Aber der Hauptteil der Naturschilderung gilt dem Kampf des heraufziehenden Tages mit den aus dem Thale bald aufsteigenden, bald Leise sinkenden und sich hinab schwingenden Nebelstreifen (Gegensatz zur Schilderung in der Euphrosyne). Sie schließen den Dichter in einsame Dämmerung und fließen mit den Wolken zusammen, auf deren flammender Glut das „göttliche Weib“ einhergetragen wird. Der Glanz, der ihrer Erscheinung voraufgeht, ist überirdisch; denn der luftige Kampf war lange nicht vollendet"; aber er geht unmerklich in den Sonnenglanz des siegreichen Tages über (Str. 11 und 12), ganz wie Allegorie und Wirklichkeit sich fast ungeschieden mischen. Vgl. zu dieser ganzen Schilderung die Poesie der Wolken in den Ged. A, III, 1 oben S. 313 und die verwandten und doch so verschiedenen Schilderungen in d. Euphr. und Hans Sachs' p. Sendung.

II. Die Handlung. Die Erscheinung der Göttin der Dichtkunst und die durch sie an dem Dichter vollzogene Dichterweihe. 1. Vorbereitung; Erregung der Erwartung und einer weihevollen Stimmung. Str. 1 und 2. 2. die Erscheinung selbst (Vision). Str. 3 und 4.3. Dialog zwischen der Göttin und dem Dichter mit folgenden Gliedern: a. Wiedererkennung (ȧvayvásqiis). Erinnerung an den früher geschlossenen Bund und Gewißheit seiner ewigen Dauer. Str. 5-7. b. Läuterung des Dichters zur Selbsterkenntnis und dadurch Genesung; Erneuerung des Bundes; alles zur Vorbereitung auf die folgende Weihe. Str. 8-10. — c. die Weihe selbst; Höhe der Handlung Str. 11-13. d. Ausblick auf die Wirksamkeit des geweihten Dichters.

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Ausführung und Einzelnes. Str. 1-3: 3eit (Morgen", „der junge Tag erhob sich mit Entzücken"), Landschaft (f. oben), Stimmungswelt (Erquickung der frischen Seele durch die erquickte Natur) in einheitlicher Wechselwirkung. Str. 4: Nur wenige Züge in der äußern Erscheinung („ein göttlich Weib“, „kein schöner Bild sah ich in meinem Leben“, „das hohe Wesen“), aber zahlreiche Züge in ihren Handlungen: „sie sah mich an“ (Str. 4, 8) „mit einem Blick mitleid'ger Nachsicht“ (Str. 10, 1) „sie lächelte" (Str. 8, 1 und 10, 5); „sie reckte die Hand aus in die Streifen der leichten Wolken und des Dufts umher“ (Str. 11, 1 ff); sie spricht mit einem Munde, dem aller Lieb' und Treue Ton entfloß" (Str. 5, 1), so mild, daß ich sie „ewig höre sprechen“ (Str. 12, 3). Str. 5: Wiederholte Hervorhebung der άvayvágiois: Kennst du mich nicht?" „Du kennst mich wohl" (Str. 5). Verhältnis des Dichters zur Poesie, wie dasjenige zu einer Geliebten (s. oben S. 311). Str. 7-9: Rückblick auf seine poetische Vergangenheit mit manchen Irrungen (Sturm- und Drangperiode), auch Leerheiten (gesellschaftliche und höfische Poesie) und vielen Hemmnissen (Entwürfe ohne Vollendung); ein Selbstzeugnis, daß schon jezt (vor der italienischen Reise) höhere, reinere, vollkommenere Ideale seine Brust erfüllen, die ihn von den Genossen der kleinen Dichter und Dichterlinge trennen, mit denen er seinem Geschlecht voraufeilte, einsam mit sich selbst das Glück genießend, das ihm die Erkenntnis des Wesens der vollendeten Poesie in ihrer ganzen priesterlichen Hoheit gewährt. Diese Erkenntnis trat bald darauf in den vollendeten Schöpfungen Jphigenie, Tasso, Hermann und Dorothea heraus, deren Bedeutung von den

Zeitgenossen noch nicht genügend verstanden und erst von der Nachwelt ganz gewürdigt wurde. Und doch mußte diese Erfahrung, daß dem gereiften Dichter jezt als unvollkommen gilt, was früher ihm selbst und seinen Zeitgenossen schon als Höhe des Dichterruhms erschienen war, ihn belehren, wie nur unausgeseßtes Ringen und nie rastendes Streben nach Vervollkommnung zur Vollendung führt, und wie rechte Selbsterkenntnis am sichersten auch die Dichtergröße verbürgt. Auch hat der Dichter für diese Mahnung alles Verständnis, fühlt selbst das Versucherische, das in dem Vollgefühl, ein „Übermensch" zu sein, liegt; aber er ist sich auch des vollen Wertes der vom Genius ihm verliehenen Gaben bewußt und der mit diesen ihm gewordenen Aufgabe, für andere dieses „edle Gut" nußbar zu machen, den schöpferischen Drang und das Schaffungsvermögen nicht nur zur Gestaltung von Dichtungen zu benußen, sondern durch sie auch schöpferisch neue Bahnen zu eröffnen und den Brüdern zu zeigen (f. oben Mahomets Gesang S. 322 ff.); dies auch die rechte Abklärung seines früheren Prometheischen Be. wußtseins (s. oben S. 332). Str. 10: Nach solchem Bekenntnis und solcher Bezeugung rechter Selbsterkenntnis ist er nunmehr geschickt, die Dichterweihe im Sinne einer Weihe zum höchsten Schaffen zu empfangen. Es wird der ,,ewige Bund" erneut; der Muse Gnadenblick macht den Dichter genesen, erhebt seinen Geist zu neuer Freude und begründet in ihm ein neues Verhältnis unbegrenzten, innigen Vertrauens zur Göttin. Str. 11-13: Die Dichterweihe selbst, eine Scene von höchster Poesie in der Vereinigung von Natur- und Geistesleben, göttlicher und menschlicher, äußerer und innerer Handlung, Allegorie und Wirklichkeit, die denkbar schönste, thatsächliche Erläuterung dessen, was in der Allegorie als das Wesen der Poesie bezeichnet wird.

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Aus Morgendust gewebt und Sonnenklarheit

Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.

Umschreibung des Wesens der Ideale als der durch die Phantasie (s. oben S. 337 Nr. 2) zur Wahrheit erhobenen, geläuterten und verklärten Wirklichkeit. Die idealen Gebilde sind, weil unwirklich, „Schein“ („der Dichtung Schleier“ Umhüllung, Gewebe), aber Sonnenklarheit, d. h. mehr als Wirklichkeit, erhöhter Zustand derselben, die Wahrheit. „Das Ideal der Poesie ist wahrer Lebensgehalt in den reinen Äther der Schönheit erhoben“ (Zimmermann). Das Schauen der Ideale und das schöpferische Drängen, ihnen Gestalt zu geben, ist Gnadengabe aus einer höheren Welt an das Genie und will mit stiller Seele von dort empfangen werden; so wird es am genialsten zu wirken vermögen, beglückend für das Dichtergenie selbst, aber durch ihn und seine Schöpfungen auch befruchtend und erhebend für andere (,,die Freunde" Str. 14), endlich Unsterblichkeit des Dichters begründend und andern verleihend. „Das Gedicht ist ein Widmungsgedicht mit einem Januskopf, dessen schönes Antlitz der Zukunft zugekehrt ist" (Viehoff).

Empfindungs- und Stimmungsleben. Naturgefühl und Kunstgefühl; das lettere als gehaltenes Vollgefühl eines großen Dichtergenius; innere Gewißheit bahnbrechenden Wirkens und der dichterischen Unsterblichfeit. Weihevolle Stimmung.

Verwandte Stoffe: Horaz c. II, 20. III, 30. Klopstock, „An Freund und Feind“ s. oben S. 296.

Form. Die Sprache überall, und nach den wechselnden Aufgaben in verschiedener Weise, von vollendeter Anschaulichkeit und Plastik, von unnachahmlicher Milde und Weichheit und von höchstem musikalischem Wohllaut (viel Allitteration). -Metrum: die achtzeilige Reimstrophe; Ottaverime.

Gesamturteil: „Wir glauben nicht, daß es in irgend einer Sprache etwas giebt, das an Vollendung, Zartheit, Fülle und Einfachheit diesem Gedichte gleich käme" (L. F. Huber).

Anhangsweise

mag hingewiesen werden auf Nr. 35 der venetianischen Epigramme: Auf Herzog Karl August von Weimar: „Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine“ u. s. w. Der Abschluß der ganzen Betrachtung G.s ist nicht an dieser Stelle, sondern nach der Behandlung der Dramen und sonstigen etwaigen Stoffe zu machen.*)

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*) Nachträglich sei bemerkt, daß wir in der chronologischen Bestimmung der

Gedichte stets den Angaben v. Loepers gefolgt sind.

Friedrich von Schillers

Gedankenlyrik.

für die Oberklassen höherer Lehranstalten behandelt.

Benußte Hilfsmittel: Heinrich Kurz, Schillers Werke (Leipzig, Bibliographisches Institut). Dr. Viktor Kellner, Schillers Gedichte für Schule und Haus (Berlin, Reuther & Reichard). Dr. K. L. Leimbach, Ausgewählte Dichtungen Friedrich von Schillers. 3. Aufl. (Cassel, Theod. Kay). — Prof. Dr. A. Richter, Fr. v. Schillers ausgewählte Dichtungen, namentlich philosophischen Inhalts, für die Oberstufe höherer Lehranstalten (Leipzig, Theodor Hofmann. „Aus deutschen Lesebüchern" IV. 1. Aufl.). Prof. Dr. H. Viehoff, Schillers Gedichte erläutert und auf ihre Quellen zurückgeführt (Stuttgart, C. Conradi). Die Erläuterungswerke von Gözinger, Dünßer, Hoffmeister u. a. Borberger, Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe (Stuttgart, Union). Herm. Marggraff, Schillers Briefwechsel mit Körner (Leipzig, Beit & Comp.). Briefwechsel zwischen Schiller und Wilh. von Humboldt (Stuttgart). Thikötter, Ideal und Leben nach Schiller und Kant (Bremen, Heinsius). Dr. Fr. Lampadius, Geburtsstätte des Liedes an die Freude (Leipzig, Weber). K. Goedete, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen. Bd. V (Dresden, L. Ehlermann). Die Litteraturgeschichten von Vilmar und Scherer.

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I. Schillers nationale Bedeutung.

Ohne Begeisterung ist nichts Großes, noch weniger etwas Gutes in der Welt vollbracht worden. Wer hohe Ziele klar zu zeigen und die Begeisterung dafür nachhaltig zu schüren weiß, der gehört zu den Erziehern seines Volkes und zu den Wohlthätern der Menschheit. Zu diesen Erziehern und Wohlthätern unseres Volkes, ja der Menschheit gehört in erster Linie Friedrich von Schiller. Begeistert singt er das höchste, was Menschengeist erstrebt, und begeisternd fallen seine Gedanken und Worte in die Herzen und Geister seines Volkes. „Danken Sie dem Himmel für das beste Geschenk, das er Ihnen verleihen konnte, für dies glückliche Talent zur Begeisterung!" schrieb Schiller an Körner.

Schiller ist der Dichter der idealen Weltanschauung, wie sie als Sehnsucht in den Seelen der Besten lebte und immer leben wird. Mit flarem Blicke erfaßte er die bunten Bilder der Wirklichkeit in ihren wechselvollen Erscheinungen. Mit scharfer und tiefer Einsicht ging er dem Grunde der Erscheinungen nach, erkannte ihre treibenden Kräfte und legte

ihre Gedankenunterlage bloß. Mit idealem Hochblick schaute er über dem Wirrwarr des Gemeinen das Vollkommene in idealer Ausgestaltung. Mit wunderbarer Kunst der Sprache wußte er das Geschaute und Empfundene zu gestalten und flammend in die Seelen zu werfen. Und all sein Denken und Dichten, sein Reden und Thun vollzog sich in einer reinen, sittlichen Lebensluft. Denn:

„Hinter ihm in wesenlosem Scheine

Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine!"

konnte Goethe dem heimgegangenen Freunde nachrufen.

Schiller war zugleich Realist in der Anschauung, Philosoph in der Begründung, Jdealist in der Gesinnung, Künstler in der Gestaltung und sittliches Vorbild in der Einheit seines Denkens, Dichtens und Lebens.

Eine solche geistige, künstlerische und sittliche Größe muß den tiefgreifendsten und nachhaltigsten Erziehungseinfluß auf ihr Volk und sonderlich auf die bildungsfrohe und begeisterungsfähige Jugend ausüben und eine stete lebendige Quelle der Begeisterung und der nationalen Erziehung sein und bleiben.

Die Jugend soll die Kunst des rechten Lebens lernen! Diese besteht darin, die Dinge des Lebens recht zu sehen und zu erfassen, sie in ihrer Begründung und Verbindung zu begreifen, sich thätig und leidend in sie zu schicken, an eine vollkommenere Gestaltung zu glauben und hingebend an deren Verwirklichung zu arbeiten.

In wie hohem Maße Schiller als Lieblingsdichter seiner Nation diese Aufgabe der Volkserziehung erfüllt hatte, das zeigte am 10. November 1859 die allgemeine, begeisterte Feier seines hundertjährigen Geburtstages in allen Schichten seines Volkes, ja in der ganzen gebildeten Welt.

That und Wahrheit war geworden, was Schiller in den Tagen seiner Bedrängnis an seine mütterliche Freundin, Frau von Wolzogen, ahnend geschrieben hatte, als der Körnersche Kreis in Leipzig ihn durch begeisterte Briefe und sinnige Gaben erfreut hatte: „Wenn ich denke, daß mehr solche Leser sind, die mich unbekannt lieben und sich freuen, mich zu kennen, daß vielleicht in hundert und mehr Jahren, wenn auch mein Staub schon lange verweht ist, man mein Andenken segnet und mir noch im Grabe Thränen und Bewunderung zollt, dann freue ich mich meines Dichterberufes und versöhne mich mit Gott und meinem oft harten Verhängnis."

Kein anderer Dichter hat die deutsche Eigenart in ihrer praktischen Tüchtigkeit, in ihrer Gedankenregsamkeit, in ihrer sinnigen Gemütlichkeit, in ihrem Wahrheits- und Freiheitsdrange, in ihrem idealen Zuge und Fluge und in ihrem sittlichen Streben so tief erfaßt und so kräftig zum Ausdruck gebracht wie Schiller. In ihm und seinen Werken finden wir uns selbst in unserem besten Sein und Streben. Er ist der edelste und treueste Dolmetscher der deutschen Volksart und darum mit Recht der Lieblingsdichter der Nation, ein Volkserzieher von Gottes Gnaden.

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