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Solange die Menschheit besteht, sucht und ringt sie allerorten nach Religion, - nach Schöpfung, Fortbildung, Erhöhung ihres religiösen Besitzes. Die Entwicklungsgeschichte der Menschheit ist zugleich Entwicklungsgeschichte der Religionen, von niederen zu höheren Formen hinauf, aber auch in der niedrigsten glüht schon der göttliche Funke, der in der höchsten, zur hellen Flamme entfacht, leuchtet und wärmt und die Herzen mit seliger Freude erfüllt. Ja, die Religion ist in der Menschheitsentwicklung der mächtigste Faktor, der, nur teilweise im Laufe der Zeit durch andre Faktoren ersetzt, seine spezifische Bedeutung und seine zentrale Macht immer wieder zur Geltung bringt.

Es ist allerdings in neuerer Zeit, insbesondere von dem Engländer Sir John Lubbock, die Behauptung aufgestellt worden, dass die Religion keineswegs von so universaler Bedeutung sei, dass es vielmehr eine ganz beträchtliche Anzahl von Völkern gebe, die keine Spur einer Religion besässen, oder die sich doch bei ihrem ersten Zusammentreffen mit den europäischen Beobachtern in einem absolut religionslosen Zustande befunden hätten. Allein diese Behauptung hat einer wissenschaftlichen Prüfung in keiner Weise stand gehalten, eine solche zeigt vielmehr mit unzweifelhafter Deutlichkeit, dass das Beiträge zur Weiterentwicklung der Religion.

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gesamte dafür angeführte Beweismaterial in Wahrheit gar nichts beweist, ja durch und durch haltlos und trügerisch ist. Es ist zwar oft genug von Reisenden oder auch von Missionären behauptet worden, dieses oder jenes wilde Volk sei ohne jegliche Religion, allein eine gründliche Untersuchung hat in allen solchen Fällen die totale Unrichtigkeit der Behauptung erwiesen. Oberflächlichkeit in der Beobachtung oder auch mancherlei Vorurteil und Unklarheit verleiteten ihre Urheber zu diesen oft recht leichtfertig aufgestellten Sätzen. Nicht selten wird die Grundlosigkeit derselben schon durch anderweitige Mitteilungen eben derselben Beobachter unmittelbar deutlich sie widerlegen sich selbst, ohne es zu bemerken, während in anderen Fällen erst eine nachfolgende gründlichere Forschung den Gegenbeweis geliefert hat. In überzeugendster Weise haben Männer wie G. Roskoff, Edward B. Tylor und A. de Quatrefages. die völlige Unhaltbarkeit von Sir John Lubbocks Ansicht erwiesen. Peschel hat darum recht, wenn er in seiner,,Völkerkunde" sagt, dass die Frage, ob irgendwo auf Erden ein Volksstamm ohne religiöse Vorstellungen jemals angetroffen worden sei, entschieden verneint werden müsse, und der Holländer Tiele hat recht, wenn er die Religion ein,,Universalphänomen der Menschheit" nennt.

Was aber ist, was heisst Religion? und aus welchen Wurzeln ist sie entsprossen? Diese Fragen drängen sich uns auf und fordern eine Beantwortung.

Es ist gewiss keine leichte und einfache Aufgabe, das Wesen der Religion in einer allgemein befriedigenden und überzeugenden Weise zu bestimmen. Das ergiebt sich schon aus der bunten Mannigfaltigkeit und auffallenden Verschiedenheit der vielen bisherigen, von Theologen, Philosophen, Sprachgelehrten und Ethnologen gegebenen Definitionen. Und der Mut, eine solche Bestimmung zu wagen, wird uns noch mehr sinken, wenn wir einen der hervorragendsten theologischen Denker der Gegenwart, wenn wir Adolf Harnack daran zweifeln sehen, ob es überhaupt einen allgemeinen Begriff „Religion" gebe. „Wir wissen heute," sagt dieser grosse Gelehrte in seinem Wesen des Christentums,,,dass Leben sich nicht durch Allgemeinbegriffe umspannen lässt, und dass es keinen Religionsbegriff gibt, zu welchem sich die wirklichen Religionen einfach wie die Spezies

verhalten." Dennoch findet auch Harnack, dass es in allen Religionen,,im Tiefsten etwas Gemeinsames gibt, was sich aus der Zerspaltung und der Dumpfheit im Laufe der Geschichte zur Einheit und Klarheit emporgerungen hat". Und auch er kann nicht umhin, am Schluss des genannten Werkes eine Bestimmung der Religion zu geben, indem er sie als „,Gottesliebe und Nächstenliebe" definiert, - eine Bestimmung, die wir freilich auch nicht für ausreichend halten können, weil sie sich nur auf gewisse höchste Formen der Religion anwenden lässt.

Was wir suchen und brauchen, ist eine allgemeine Bestimmung der Religion, die auf alle bekannten Religionen der Gegenwart wie der Vergangenheit passt. Es fällt aber bei einem Ueberblick über die bisherigen Definitionen der Religion sofort in die Augen, 1. dass die meisten derselben auf die niederen Formen der Religion nicht anwendbar sind, und 2. dass sie fast alle den Buddhismus, also eine der bekanntesten und bedeutendsten Religionen, ausschliessen. Wo die eine oder die andre dieser Klippen vermieden ist oder vermieden scheint, da begegnen wir einer so vagen Bestimmung, dass dieselbe sich eben darum bald als unzulänglich erweist.

Die Definitionen der Theologen und vielfach auch die der Philosophen setzen meist den Glauben an einen Gott voraus und betrachten ihn als selbstverständlichen Kern der Religion. Damit sind aber die unzähligen niederen Religionen, in denen eine Menge von Göttern und Geistern geglaubt wird, ebenso ausgeschlossen wie der Buddhismus, in welchem der Gottglaube überhaupt keine Rolle spielt. Das gilt von der alten, wohlbekannten theologischen Definition, nach welcher die Religion ein modus cognoscendi et colendi Deum wäre. Es gilt aber ebenso auch von der oben angeführten Harnackschen Bestimmung. Wenn dagegen Georg Runze in seinem „Katechismus der Religionsphilosophie" die Religion als „Sammlung des Gemütes" bezeichnet, so liegt es auf der Hand, dass diese Bestimmung viel zu vag ist und keineswegs die Religion allein in sich begreifen würde.

Ein hervorragend wichtiges Moment hat Schleiermacher betont, wenn er die Religion als ein ,,schlechthiniges Abhängigkeitsgefühl" bezeichnet, - wenn er sagt, Religion bestehe darin, dass wir uns schlechthin abhängig fühlen von etwas, das uns

bestimmt und das wir unserseits nicht bestimmen können. Will er indessen dies Etwas näher bezeichnen, so bringt er doch wieder Gott in die Definition hinein und schliesst damit den Buddhismus und die primitiven Religionsformen aus. Aber freilich verlangen wir auch dringend darnach, jenes Etwas, von dem sich die Menschen in der Religion schlechthin abhängig fühlen, näher bestimmt zu sehen, und nach dieser Richtung bedarf jene Definition unbedingt einer bedeutsamen Ergänzung.

Kant erklärte die Religion für die Erkenntnis aller unsrer Pflichten als göttlicher Gebote, was polytheistische Religionsformen nicht ausschliesst, wohl aber den Buddhismus. Nach Tolstoi besteht die Religion darin, dass wir ganz und durchaus nur den Willen Gottes tun, welch letzterer übrigens von ihm entschieden unpersönlich gedacht wird. Ganz ähnlich erklärt der Engländer Caird die Religion als ein „,Aufgehen des endlichen Willens in dem unendlichen" oder als ,,die absolute Identifizierung unseres Willens mit dem Willen Gottes". Diese Auffassung ist ebenso berechtigt wie die Schleiermachersche, steht aber auch nicht eigentlich im Widerspruch zu ihr. Das Abhängigkeitsgefühl ist unbestreitbar charakteristisch für die Religion. Wenn aber der Mensch seinen Willen mit dem Willen Gottes in Einklang setzt, dann verwandelt sich das Gefühl der Abhängigkeit in das einer Freiheit höherer Art. So wertvoll diese Bestimmungen auch sind, sie operieren stets mit dem Begriff,,Gott" und lassen sich daher weder auf die primitiven Religionen, noch auf den Buddhismus anwenden.

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Wesentlich anders fasst die moderne Ethnologie das Problem an. Sie verliert naturgemäss niemals den Blick über die Gesamtheit der verschiedenen Religionsformen, und gerade die niedrigsten stehen gewissermassen ihrem Herzen am nächsten. Der grosse Ethnologe Edward B. Tylor kommt zu dem Schluss, Religion sei,,der Glaube an geistige Wesen". Das stimmt für fast alle Religionen, denn fast allen ist der Glaube an ausser und über der Sphäre des Menschen waltende Geistwesen Götter, Dämonen, Seelen charakteristisch, mag man dieselben sich nun in der Mehrzahl oder auch in der Einzahl denken. Aber doch ist die Bestimmung nicht präzise genug. Auch der Spiritismus wäre ja sonst eine Religion, da er im Glauben an geistige Wesen besteht. Und doch wird er mit

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Recht von niemand für eine solche gehalten, offenbar aus dem Grunde, weil für die Religion das mächtige Abhängigkeitsgefühl ein unbedingt notwendiges Charakteristikum ist, wie Schleiermacher richtig erkannt hat, - ebenso aber auch das Bedürfnis, sich mit jenem Etwas, von dem man sich abhängig fühlt, in Einklang zu setzen. Man könnte daher geneigt sein, die Religion zu definieren als den Glauben an geistige Wesen in der Einzahl oder in der Mehrzahl gedacht, von denen man sich abhängig fühlt und mit deren Willen man sich in Einklang zu setzen sucht. Allein, dann hätten wir nicht das Recht, auch den Buddhismus eine Religion zu nennen. Zwar finden wir auch im Buddhismus den Glauben an geistige Wesen aller Art Seelen, Gespenster, Dämonen, Götter in grosser Zahl. Buddha selbst glaubte an ihre Existenz, es fiel ihm nicht ein, sie zu leugnen oder gar seinen Anhängern solchen Glauben zu verbieten. Aber er fühlte sich nicht abhängig von diesen Göttern und Geistern, das ist das Wesentliche weder er noch seine Anhänger - und eben darum mangelt diesem seinem Glauben das Charakteristikum des Religiösen. Er fürchtet sie nicht, er erwartet nichts von ihnen, er verehrt sie nicht, er dient ihnen nicht. Er richtet sich nach einem höheren Prinzip, dem auch Götter und Geister untertan sind. Abhängig fühlte sich freilich auch Buddha, fühlen sich seine Anhänger alle, abhängig aber nur von der moralischen Weltordnung, an welche hier so fest und unerschütterlich geglaubt wird, wie in wenigen anderen Religionen. Ohne diesen grossen und tiefgegründeten Glauben hätte der Buddhismus wohl auch nie und nimmer die Weltreligion werden können, die er tatsächlich geworden ist. Und mit dieser gewaltigen geistigen Macht, der moralischen Weltordnung, ist der Buddhist eifrig bemüht, sich in Einklang zu setzen. Er könnte sonst nimmer das Heil, die Erlösung zu erreichen hoffen. Woher sie stammt, diese Macht, das weiss man nicht, darnach fragt man auch nicht, so wenig wie nach dem Ursprung Gottes in theistischen Religionen. Sie ist da und sie wird geglaubt, unerschütterlich fest geglaubt. Es ist eine unpersönliche Macht, daher verehrt man sie nicht, weiht ihr keinen Kult. Aber man fühlt sich abhängig von ihr und sucht sich mit ihr in Einklang zu setzen, wie der Gottgläubige mit dem Willen Gottes. Und es ist eine geistige Macht, wenn

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