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den Tod, eine Verkapselung, in der doch das Leben bewahrt wird: Jugend, Mannesalter und Greisentum. Nicht alles in dieser Religion scheint uns, auch auf ihrer Höhe, gleichermassen vorbildlich immer wieder befremdet uns besonders die masslose Leidenschaft, die stark zur Intoleranz und zum Fanatismus neigt, und die doch die Kehrseite der Kraft des Glaubens ist. Wenig erquicklich erscheint uns das Bild der letzten Epoche, die aber doch die Güter der klassischen Zeit, wenn auch mit Minderwertigem vermischt, bewahrt. Um so deutlicher aber vernehmen wir auf den Höhen dieser Religion, besonders bei den Propheten, Gottes Stimme; und sein Walten gewahren wir in diesem ganzen Geschehen. Und noch haben wir den letzten Gipfel dieser Geschichte nur von ferne gesehen, das ist Jesus, unser Herr.

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Evangelium und Urchristentum.

(Das Neue Testament im Lichte der historischen Forschung.) Von Adolf Deissmann.

Zwischen dem Alten und dem Neuen liegt niemals ein unüberbrückter Abgrund. Die das Evangelium loslösen wollen vom Alten Testament und vom Judentum, schneiden den Weinstock über der Wurzel ab. Novum Testamentum in Vetere latet.*) Jesus ist so gross, dass er die Bemühungen derer entbehren kann, die ihn bloss auf Kosten seines Elternhauses verherrlichen.

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I.

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Einen grossen Besitz hatte das Elternhaus hineingerettet in das Zeitalter schwerster Römernot: sicher geborgen lag die Offenbarung des Ewigen gelobt sei sein Name in der Schatzkammer der heiligen Schriften, die Offenbarung aus der grossen Vorzeit, aber zugleich auch die Offenbarung für alle Zukunft, der Wille Gottes, das Gesetz und die Propheten. Gelesen und gehört in der sabbatlichen Versammlung von der frommen Gemeinde, buchstabiert von den Kleinen, die das Aleph, Beth und Gimel daran lernten, gedeutet von Theologen, Rechtskundigen und frommen Grüblern, von grauen Häuptern, vor deren milder und feiner Weisheit wir aufstehen. und von Advokaten des Buchstabens, deren Künstelei uns erkältet, von allen aber mit der trotzig sich aufbäumenden Leidenschaft der politisch Zertretenen gehütet als das Gut der Güter, als der nationale Schatz, gibt die Bibel Alten Testamentes der jüdischen Frömmigkeit im Zeitalter des römischen Druckes ihre charakteristische Signatur.

*) Das Neue Testament ist im Alten verhüllt.

Nach zwei Seiten hin. Wie sie selbst, ein Dokument nicht bloss des prophetischen Glaubens, sondern auch der gesetzlichen Gläubigkeit, ein Doppelgesicht trägt, so wirkte sie auch in der religiösen Geschichte des Judentums nach zwei Richtungen: hemmend und fördernd, knechtend und befreiend. Und damit legte sie dem Judentum das Zukunftsgeschick eines welthistorischen religiösen Konfliktes in die Wiege. Ein Gängelband ward sie den einen, Fittige lieh sie den anderen.

Denen, für die sie das Gängelband wurde, war Frömmigkeit Gesetzlichkeit, ein Wandeln in der fest vorgeschriebenen Bahn der Ueberlieferung. Solche Frömmigkeit hat etwas wesentlich rückwärts Gewandtes: die Offenbarung liegt in der Vergangenheit, und die Gegenwart hat die Hieroglyphen der Vorzeit immer aufs neue zu entziffern. Nach den grossen Entzifferern kommen die Interpreten der Entzifferer, und die nächsten Generationen schreiben die Kommentare zu den Interpreten der Entzifferer der Schriften. So bildet sich, so wächst an Macht der Stand der Schriftgelehrten. Die Theologie drängt sich vor, die Autoritäten vermitteln den Zugang zur Autorität, die Kasuistik wirft ihr Netz aus, der Einzelne ist ein Glied der geleiteten Masse, das Gebet wird Formel, der Dienst Gottes Gottesdienst.

Dieselbe Schrift, welche die Frömmigkeit mit der dogmatisch-gesetzlichen, der Buchreligion, das heisst mit der Vergangenheit vermählte, hatte aber auch Macht, die Menschen vor die freie Gnade zu stellen und hineinblicken zu lassen in die Zukunft des lebendigen Gottes. Von den Propheten und den Psalmisten wie auch von prophetischen Wahrsprüchen des Gesetzes her strömte unversiegbar lebendige Gotteserkenntnis zu den Gemütern. Kontakt mit den Propheten ist aber mittelbarer Kontakt mit Gott selbst. Ein Auffahren mit Flügeln wie die Adler durften viele erleben, und dies um so stärker, je elender die Zeit wurde. Von dem Vollbesitz prophetischer Gotteszuversicht wurde dabei die Gesetzlichkeit entweder als Feindin empfunden, oder sie trat dem lichttrunkenen Auge aus dem Gesichtskreis, oder ihre Satzungen wurden pietätsvoll als frommer Brauch geduldet. Aber in jedem Falle hebt sich die prophetische Zuversicht deutlich von der Gesetzlichkeit ab: sie blickt viel weniger zurück, als vorwärts; sie ist nicht

dogmatischer Vergangenheitsglaube, sondern inspirierter Gegenwarts- und vor allem Zukunftsglaube: das Beste kommt noch, das goldene Zeitalter liegt vor uns. Denn der Lebendige, der in der Vorzeit als Schöpfer der Welt und als Hirte seines Volkes gewaltig war in Zeichen und Wundern, er will das Grösste erst noch vollbringen: den neuen Himmel und die neue Erde wird er ins Dasein rufen, und dann kommt die Erlösung für sein Volk. In Erlebnis und Bekenntnis dem Schauen und Reden des Dichters nahe verwandt, wirkt sich die prophetische Zuversicht aus in Enthusiasmus, Gebetskampf, Offenbarung, Psalm. Wir nennen diese in der jüdischen Religion unter der scheinbar so ruhigen Oberfläche der Gesetzlichkeit glühende und arbeitende Zuversicht, die in der Erwartung eines gottgesalbten Erlösers gipfelt, eines Gesalbten, der das Reich Gottes bringt, die messianische Hoffnung. Nicht messianische Dogmatik oder Apokalyptik: diese und andere Schlagwörter werden der lodernden Zuversicht nicht gerecht, weil sie doktrinär versteinern, was Bewegung und Wachstum ist. Es fehlt der messianischen Hoffnung zwar nicht an uralten Traditionen und ihrer Literatur nicht am festgewordenen Ornament, Hörnern, Siegeln, Posaunen; aber die Einzelheiten volkstümlichen Sehnens und Harrens, die wir in den Dokumenten von drei Jahrhunderten messianischer Hoffnung finden, in ein System mit Paragraphen und Kapiteln bringen zu wollen, ist eine Trivialität. Nicht um ein festgefügtes Gedankengebäude handelt es sich, ersonnen und ausgebaut von der ruhigen Spekulation der Schulen, sondern um farbenreiche und farbenfrohe, meist stilverwandte Zukunftsgemälde unbekannter Meister der Volkskunst, deren Meinung ein einziger Blick erfasst, ohne langes Grübeln: in antiker, orientalischer, jüdischer Farbengebung, nicht selten mit starken Ausschreitungen ins Groteske, Mirakelhafte, Phantastische, Schaurige hinein, sagen diese Gemälde alle, was das Echteste jeder echten Frömmigkeit ist; sie bezeugen die Gewissheit: Gott ist gegenwärtig, Gott wirkt, Gott hilft, rettet, erlöst. Dabei hat diese Gewissheit einen stark zionistisch-patriotischen Einschlag: Hilfe, Rettung, Erlösung wird von dem Gesalbten Gottes und seinem Reiche erwartet für das geknechtete Gottesvolk. Die Stimmung dieser Zukunftserwartung kann eine sehr verschiedene sein: weiches bräutliches Sehnen

hier, trotziges Rütteln an den Eisengittern des Kerkers dort; Friedenspalmen malt sie dem einen vor die Seele und gibt ihm die Harfe in die Hand, dem anderen schärft sie ein Makkabäerschwert und spricht zu ihm von den Donnern des Gerichts.

Ein Neben- und Uebereinander, auch ein Ineinander beider Mächte ist durch die Bibel die jüdische Religion der letzten Zeit. Zypressen umgrünen den alten zerfallenen Riesenbau des steinernen Gottestempels, und an seinen mit heiligen Urworten bedeckten verwitternden Säulen rankt sich der höherstrebende Weinstock empor, das Spiel der Winde, der Jubel der Sonne, schwanke zähe Reben, frisches Laub, leuchtende Frucht. Geboren und gegängelt von der Thora, gibt die Gesetzlichkeit dem Judentum, zumal seiner oberen Schicht, das eigenartig Starre, doktrinär Fertige, Rückwärtsgewandte und ist Weissagung auf Gottesgelehrsamkeit und Kirchenrecht, auf eine pergamentene Bibliothek von Folianten. Erzeugt und beflügelt von den Propheten, verleiht die messianische Hoffnung dem Judentum, zumal seiner mittleren und unteren Schicht, die eigenartige Kraft, Unmittelbarkeit und Frische, die vorwärtsweisende Kühnheit und gibt dem Juden sein verlorenes Selbst wieder, die Religion und den Kampf. Und was sie weissagt, ist Gott und sein Reich, sind Menschen, Propheten, Märtyrer: Elias wird wiederkommen und nach ihm, auf dem von ihm bereiteten Wege, der Gesalbte des Herrn.

II.

Und Elias kam. Im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius hörte man in Jerusalem von dem Auftreten eines Priesterssohnes Johannes. In der Wüste Juda strömten ihm die Massen zu und lauschten seinem gewaltigen Auftrag: das Reich sei nahe! Gebannt von der Macht dieser Botschaft, beugte man sich willig auch unter die Forderung: ändert euere Gesinnung! Massenerweckungen fanden statt, unzählige bekannten ihre Sünden und liessen sich von Johannes im Jordan die Schuld abwaschen. Das ganze Land war in Bewegung. Seltsames erzählte man sich von der äusseren Erscheinung des Mannes; ernste, schneidend scharfe Worte des Täufers flogen von Mund zu Mund, Zeugnisse vom Messias und vom Gericht. Auch drüben über dem Jordan ist Johannes aufgetreten. Der Fürst des Landes befürchtet politische Unruhen; er lässt den Verwegenen, dessen

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