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der Natur, das Bild der Geschichte, das Bild des Menschen selbst, und nicht nur die Ansichten haben sich gewandelt, das Leben selbst ist bis in sein innerstes Gewebe hinein mit seinen Zielen und seinen Kräften ein anderes geworden. Soll nun inmitten so gewaltiger Wandlungen die Religion genau den Stand festhalten, in dem sie sich seit Jahrtausenden oder doch seit Jahrhunderten befindet, so wird ein innerer Zwiespalt unvermeidlich, der jedweder Seite schadet und das Ganze des Lebens tief herabdrückt. Die Kultur gerät bei aller Betriebsamkeit ins Flache und Leere, wenn sie die alten ewigen Fragen von sich weist, mit denen die Religion zu tun hat, die Religion aber gerät ins Starre und Enge, wenn sie sich aller Bewegung widersetzt und sich immer mehr vom übrigen Leben absondert. Und wenn nun gar die Autorität von Staat, Kirche, Gesellschaft dafür aufgeboten wird, die Menschen möglichst bei diesem inneren Zwiespalt festzuhalten, wenn vielen zu glauben geboten wird, was sie nicht mehr glauben und gewissenhafterweise nicht mehr glauben können, so entsteht augenscheinlich ein sittlicher Notstand, den nur der leicht nehmen mag, wer es mit dem Heiligen nicht ernst nimmt und sich über die Frage der Wahrhaftigkeit des Lebens rasch hinwegsetzt. Denn durch die künstliche oder gewohnheitsmässige Aufrechterhaltung dessen, was innerlich seine Geltung verlor, wird die Wahrhaftigkeit gefährdet, werden die Geister verwirrt und die Gewissen bedrängt. Hier muss und wird eine Wandlung erfolgen, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so ist ihre Herbeiführung an erster Stelle dem deutschen Volke, dem Volke der Reformation, anvertraut.

Es gab eine Zeit, wo man glaubte diese Fragen in kleineren, auserlesenen Kreisen behandeln und lösen zu können. Aber diese Zeiten sind längst vorbei, mehr und mehr sind die Probleme in alle Kreise gedrungen; so wollen sie auch in einer Weise behandelt sein, die allen zugänglich ist. Solche Verständlichkeit ist ein Hauptanliegen des vorliegenden Buches. Es konnte aber in das Ganze der Bestrebungen zur Weiterentwicklung der Religion nicht genügend einführen, ohne mannigfache Kräfte zur Aufgabe zu verbinden. Denn die heutige Teilung der Arbeit macht es unmöglich, dass ein Einzelner die verschiedenen Seiten und Beziehungen der Religion, ihre Quel

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len wie ihre Wirkungen, mit gleicher Tüchtigkeit behandle; dass verschiedene Männer sich in das Werk teilten, hat den grossen Vorzug, dass auf jedem einzelnen Gebiete vollauf Sachkundige zu Wort kommen, und dass dem Leser der heutige Stand der Dinge in zuverlässigster Weise dargeboten wird. Und wenn sich nun zeigen sollte, dass auf jedem einzelnen Gebiete grosse Bewegungen im Gange sind, die nun und nimmer die Willkür Einzelner erzeugen konnte, wenn sich weiter zeigen sollte, dass diese Bewegungen bei unvermeidlichem Auseinandergehen an einzelnen Punkten in der Hauptsache eine gemeinsame Richtung verfolgen, dass sie miteinander eine weltgeschichtliche Wendung zum Ausdruck bringen, wenn sich endlich zeigen sollte, dass hinter dem Nein, das zunächst mehr ins Auge fallen mag, ein kräftiges und freudiges Ja steht, ja dann könnte das Buch das Verlangen nach einem Christentum stärken, in dem sich Tiefe und Freiheit nicht mehr widerstreiten, sondern gegenseitig steigern, dann könnte es an seinem Teile jenem inneren Verfall des Lebens entgegenwirken. Wir hoffen, dass das geschehen möge, und wir vertrauen dafür auf die Teilnahme aller derer, denen über der Hast der Tagesarbeit nicht die Sorge um Seele und Geist verloren ging, und die zugleich zu der Ueberzeugung stehen, dass in den Wirren und Mühen des Lebens dem Menschen nichts notwendiger ist als die innere Wahrhaftigkeit, die unsere heutige Kulturwelt schmerzlich vermissen lässt.

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