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sein soll, so liegt darin schon auch, dass er nie zum Ziele kommen kann, dass also jene Idee, welche das Denken sich vorhält und welcher es gleichsam immerfort nachjagt, die Idee eines wirklich letzten Bedingenden, das selber nicht weiter bedingt wäre, und einer wirklich letzten und höchsten Einheit, die selber nicht wieder einer höheren untergeordnet wäre, nie wirklich erreicht wird und in den Bereich des erkennenden Wissens treten kann; kurz: das Unendliche ist für die theoretische Vernunft immer nur die Unendlichkeit der Perspektive ihres Fortschreitens, die Unendlichkeit der Aufgabe ihres Suchens, das endlos zum Weiterstreben reizende, aber auch endlos sich immer wieder entziehende, ewig unerreichbare Ideal.

Was nun aber der theoretischen Vernunft versagt ist, das soll, so vertröstet uns Kant, der praktischen dafür wieder überschwänglich hereinkommen. Während nehmlich der Mensch als erkennender stets gebunden ist an den von aussen zu erhaltenden Stoff, so ist dagegen, lehrt Kant, der Mensch als wollender (die praktische Vernunft) nicht durch's Objekt gebunden und bedingt, sondern vielmehr seinerseits die bedingende und bestimmende Macht über die Aussenwelt. Die Unbedingtheit kommt also dem Menschen als wollendem oder der praktischen Vernunft als wesentliche Eigenschaft zu; aber freilich in Wirklichkeit kommt sie ihm doch nur eigentlich dann zu, wenn er wirklich auch vernünftig, als Vernunftwesen will und handelt, somit auf eine Weise, dass jeder andere vernünftige Mensch dasselbe hätte wollen und thun können. Eine solche Handlungsweise also, welche jeder Vernünftige zu der seinigen machen könnte, ist das Vernunftmässige, das von der Vernunft Geforderte und somit das unbedingt Nothwendige d. h. das Gesetz für das Handeln. Wir begreifen nun, warum Kant dem Sittengesetz Unbedingtheit zuspricht und in ihm den Punkt sieht, wo der Mensch die Welt des Bedingten, Endlichen, Natürlichen durchbreche und am Uebersinnlichen und Unendlichen Theil habe: das Sittengesetz ist ja nichts anders als die Vernünftigkeit selbst, oder näher: es ist die psychologische Form, unter welcher die allgemeine und in Allen gleiche Vernunft sich selbst in jedem Einzelnen als das unbedingt zu realisirende postulirt. Wir begreifen nun auch die Wichtigkeit, welche für Kant die Au

tonomie der praktischen Vernunft hat: ist das Sittengesetz das eigenste Wesen der Vernunft, so kann es freilich auch nur in ihr seinen (unmittelbaren!) Grund haben und jedes andere, äusserlich dazukommende, fremdartige Motiv würde die Reinheit des Sittlichen nur trüben. Die Vernunft kann nur sich selbst Gesetz sein, denn sie ist selber das Unbedingte und Allgemeine, das nur in jedem einzelnen Vernunftwesen sich selbst, ihre Realisirung unbedingt fordert, und nichts anders fordern kann, aber auch keine andere Forderung von irgendwoher anerkennen kann. Aber wenn gleich die Vernunft als solche schlechthin autonom, frei in sich selbst ist, so ist es doch nicht auch das einzelne Vernunftwesen, sondern dieses hat eben als Einzelwesen die allgemeine Vernunft über sich als bindendes Gesetz, als fordernde Autorität; die Vernunft fällt also keineswegs zusammen mit dem partikulären Einzelwollen, dem Belieben des Individuums, also auch nicht mit der Summa aller dieser partikulären Einzelwillen, da die qualitative Unterschiedenheit, die hier stattfindet, sich auch durch keine noch so grosse Summirung aufhebt. Wenn nun aber die autonome Vernunft weder die des Einzelnen noch die der Gesammtheit der Einzelnen, der Gattung, ist: was ist sie dann? Diese Frage hätte dazu führen können, die menschheitliche Vernunft aus einem höheren Princip, einer göttlichen Urvernunft abzuleiten und so die Autonomie des Menschen mit der Theonomie, seine Freiheit mit seiner Abhängigkeit von Gott zu verbinden.

Allein Kant hat jene Frage gar nicht aufgeworfen; er blieb stehen bei der Unbedingtheit der praktischen Vernunft, beziehungsweise des Sittengesetzes, als einer letzten, schlechthin nicht weiter zu begründenden oder zu erklärenden Thatsache. Um so mehr musste sich ihm aber die Frage aufdrängen, worin denn die Ursache jener Disharmonie liege, welche faktisch stattfindet zwischen dem einzelnen menschlichen Vernunftwesen und der Vernunft als solcher oder zwischen dem wirklichen Wollen des Menschen und dem reinen Vernunft willen, wie er im Sittengesetz seinen Ausdruck findet? Die Antwort hierauf ist: der Mensch ist eben nicht bloss Vernunftwesen, sondern ist auch Sinnenwesen; und wie seine theoretische Vernunft allen Stoff ihres Erkennens von

der Sinnenwelt aus empfangen muss, so ist auch seine praktische trotz ihrer von vorn herein so schroff postulirten Unbedingtheit schliesslich im konkreten Wollen und Handeln eben doch wieder an die sinnliche Seite der menschlichen Natur gebunden. Denn das Sittengesetz als solches rein für sich enthält ja nur eine Form des Handelns (die Allgemeingültigkeit der Maxime); soll es also zum wirklichen Handeln kommen, so muss der Stoff von aussen gegeben sein, also von der Sinnenwelt, zunächst von den sinnlichen Naturtrieben. Jene Realisirung der allgemeinen Vernunft, welche sich dem Einzelnen als Postulat im Sittengesetz ankündigt, ist also in concreto doch immer an Bedingungen geknüpft, welche nicht in der Vernunft selbst liegen sondern derselben direkt entgegenstehen, an die Sinnlichkeit. Indem diese der Realisirung der reinen Vernunft zum unentbehrlichen Material und Substrat dient, wird sie ebendamit zugleich auch zur ewigen Hemmung, die das Ziel nie absolut erreichen lässt. Wie in der Physik die Reibung, der Widerstand der Materie zum unentbehrlichen Substrat für die Bewegung dient und zugleich doch auch die Bewegung nie zur vollkommenen, zur völlig zeitlosen Geschwindigkeit werden lässt: ebenso ist auch in der Kant'schen Moral die Sinnlichkeit für die Vernunft zugleich nothwendiges Mittel und unüberwindliches Hinderniss ihrer unbedingten Realisirung. Sonach ist die Unbedingtheit der Vernunft nie eine vollendete Wirklichkeit, sondern immer nur Ideal, Aufgabe, Postulat, dessen Verwirklichung in einem unendlichen Prozess ebenso eine ewig werdende als nie seiende ist; es verhält sich auf praktischer Seite doch schliesslich wieder ebenso wie auf theoretischer: wie dort das Unendliche nie wirklich gewusster Gegenstand, sondern immer nur regulatives Prinzip, endlos angestrebtes aber ewig unerreichbares Ideal des Erkennens ist, so ist hier das Unbedingte gleichfalls immer nur Aufgabe, Ideal für das Handeln. Es läge nahe, hieraus den Schluss zu ziehen, dass sonach überhaupt das Unendliche und Unbedingte nichts Seiendes, keine Realität sei, sondern nur ein Werdendes oder noch besser auch nicht einmal ein Werdendes sondern das Werden, Streben selber, die reine Spontaneität. Wir werden sehen, wie Fichte diesen Schluss zog. Kant aber gieng noch nicht so weit; er

machte vielmehr das eben besprochene Verhältniss von Vernunft und Sinnlichkeit zum Ausgangspunkt für die Deduktion des moralischen Glaubens an Gott und Unsterblichkeit (der Glaube an die Freiheit gehört nicht in dieselbe Reihe, denn die Freiheit im Sinn von Unabhängigkeit der praktischen Vernunft von Naturursachen ist nicht ein zu deducirendes Postulat sondern eine unmittelbare innere Thatsache, wie das Sittengesetz, das ihr Ausdruck ist). Da der Mensch — so argumentirt Kant - schlechthin sittlich sein, resp. - sofern er es von Anfang noch nicht ist schlechthin sittlich werden soll, dieses aber nur in endlosem Fortschritt wirklich werden kann, so folgt, dass er unendliche persönliche Fortdauer haben Fürs Andere: da die Sinnlichkeit des Menschen doch eben auch zu seiner Natur gehört, so hat auch sie ein Recht auf Anerkennung und Befriedigung; der Mensch hat ein Recht auf Glückseligkeit d. h. Befriedigung seiner Naturtriebe; aber diess doch nur in dem Mass, als er sich derselben würdig macht durch Unterwerfung seines Willens unter das Sittengesetz d. h. durch Tugendhaftigkeit. Nun besteht aber zwischen Glückseligkeit und Glückwürdigkeit oder Tugend in der diesseitigen Naturordnung durchaus keine Uebereinstimmung und es steht auch nicht in des Menschen Macht, diese Uebereinstimmung von sich aus herbeizuführen, denn die Natur folgt nun einmal durchaus ihren eigenen Gesetzen, die mit dem Sittengesetz in keinem inneren Zusammenhang stehen, also auch durch Sittlichkeit sich nicht beeinflussen lassen. Da nun aber jene Uebereinstimmung doch ein Postulat ist, ohne dessen Verwirklichung die Vollendung des Menschen nach seinen beiden Seiten, Vernunft und Sinnlichkeit, unmöglich bliebe, so muss es eine übernatürliche Causalität geben, die ebensowohl im Stande ist, die Glückwürdigkeit zu beurtheilen, als ihr gemäss eine Naturordnung herzustellen, bei welcher der Würdige glücklich sein kann; ein Wesen also muss diese Causalität sein, welches ebensosehr sittlicher Geist als Macht über die Natur ist d. h. aber nichts anderes als Gott, Was von diesen beiden Beweisen zu halten sei, davon wird betreffenden Orts erst die Rede sein; hier handelt sichs nur darum, was damit für den Religionsbegriff gewonnen ist.

Es lässt sich nicht leugnen, dass mit diesen beiden Postulaten, Gott und Unsterblichkeit, eine Perspektive sich eröffnet auf eine endliche Versöhnung des schroffen Dualismus, der in der Kant'schen Moral zwischen Vernunft und Sinnlichkeit statuirt ist; und schon darin liegt gewiss eine Concession der schroffen Moral nach der religiösen Seite hin. Noch mehr liegt eine solche in der Anerkennung, dass das sittliche Subjekt für sich allein nicht im Stande sei, sein letztes Ziel, das höchste Gut, zu erreichen, dass es dazu einer übernatürlichen Macht bedürfe. Sonach ist der moralische Wille wenigstens nach einer Seite, nach der endlichen Erreichung seines Zwecks, nicht mehr der schlechthin unbedingte, sondern abhängig von einem höheren, dem göttlichen Willen. Und dazu kommt noch ein Weiteres: nicht nur am Ende des sittlichen Prozesses findet sich eine Schranke der Freiheit, sie muss auch schon am Anfang desselben anerkannt werden. Obwohl nehmlich die Sittengebote ihren Grund nur haben sollen in der eigensten Natur des Menschen, so sieht sich Kant doch veranlasst, ihren empirischen Ursprung von einer äussern geschichlichen Ursache abzuleiten, von der göttlichen Offenbarung. Denn sosehr auch die Vernunft von Anfang in sich fertig und vollkommen sein soll, so ist doch diese an sich immer vollkommene Vernunft in ihrem Verhältniss zur Sinnlichkeit nicht auch von Anfang schon herrschend gewesen. Zwar ist's durchaus unbegreiflich, wie eine so von Anfang in sich vollkommene Vernunft überhaupt je dazu kommen konnte, sich der Sinnlichkeit unterwürfig zu machen, gleichwohl ist aber diess faktisch der anfängliche Zustand der Menschheit im Ganzen und jedes einzelnen Individuums. War nun aber hienach Anfangs die Vernunft von der Sinnlichkeit überwältigt, so konnte sie sich nicht in ihrer Reinheit geltend machen also auch ihr Sittengesetz nicht zur Anerkennung bringen und daher bedurfte es eines Eingreifens Gottes, der durch übernatürliche Offenbarung das Sittengesetz promulgirte und zugleich zur Sicherung seiner Befolgung ein sittliches Gemeinwesen stiftete. Diess der Ursprung der positiven Religion, des Christenthums insbesondere. Ist sonach die menschliche Sittlichkeit am Anfang und am Ende, durch die göttliche Promulgation des Sittengesetzes dort, hier durch die

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