Erst später, und nur bei außerordentlichen Feierlichkeiten, schienen sie auch zum Gesang mit den andern Instrumenten verwendet worden zu seyn (2 Chron. 5, 13.), um mit ihrer Tonfülle noch einen mächtigern Eindruck zu bewirken.*) Ob übrigens bei der Tempelmusik, die nach der Rückkehr aus der langen Gefangenschaft zu Babel in dem neuerbauten Tem- pel zu Jerusalem wieder ertönte, die alten Melodieen noch durchaus unverändert ertönten, dürfte zweifelhaft seyn, denn die Juden hatten sich mittlerweile in vielen Sitten und Aeußerlichkeiten den anderen Völkern genähert und später wirkte auch noch die griez chische Cultur so sehr auf sie ein, daß, wie die griechische Sprache unter ihnen sich einbürgerte und Herodes den Tempel im korinthischen Styl umbaute, so auch die ebräische Musik allmählich der griechischen Musik Einfluß auf sich eingeräumt haben wird. Und dieß um so mehr, als nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft sowohl innerhalb als außerhalb des jüdischen Landes zum Ersatz des Tempelgottesdienstes häufig Synagogen ent= standen und nach dem Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem für die größtentheils außerhalb Palästina sich aufhaltenden Juden, denen der Besuch des Tempels sehr erschwert oder gar unmöglich war, sich in immer größerer Zahl bildeten, so daß der gottesdienstliche Psalmengesang nun nicht mehr alleinige Sache der Levitenchöre war, sondern sich in die einzelnen Synagogen der verschiedenen Länder als Bestandtheil des Gottesdienstes neben dem Vorlesen des Gesezes und der Propheten verpflanzte und um so leichter von dem griechischen Geiste, der die betreffenden Lieder er= füllte, inficirt werden konnte. So ist es auch erklärlich, daß die ernsten altgriechischen Tonarten, mit vorzugsweiser Anwendung der dorischen Tonart, bei den Psalmmelodien Eingang gefunden haben können, indem z. B. Clemens von Alexandrien um's J. 217 п. Chr. berichtet, zu seiner Zeit die Psalmen in diesen Tonarten haben singen zu hören. tubae erat prostratio. Videmus, tubam nunquam se odei concentui conjunxisse." *) Ueber die Musik der Ebräer überhaupt vgl. Sal. v. Til. Digt Sang an Speelkonst soo der Duden als bysonders der Hebreen. Dortrecht. 1692, in deutscher Uebersezung. Francf. 1706. - Pfeifer, über die Musik der alten Ebräer. Erlangen 1779. - Forkel, allgemeine Geschichte der Musik. Bd. I. S. 99-184. - Saalschüz, Archäologie. Bd. 1. S. 272 ff. - Schneider, bibl. geschichtliche Darstellung der h. Musik. Bonn. 1834. Dr. Harnack, der christl. Gemeindegottesdienst im apost. Zeitalter, in der Zeitschrift für Protest. u. Kirche. Erlangen. 1853. Sept.-Peft. Ist uns aber auch der ursprüngliche Vortrag der Psalmmelodien nicht mehr erhalten geblieben, so haben wir doch die Psalmen selbst noch, die aus einem weitgedehnten Zeitraum vom J. 1450 v. Chr. an, in welchem die vierzig Wanderjahre Israels zu Ende giengen, bis weit über das Jahr 536 v. Chr. hinaus um die Zeit der zweiten Tempelweihe gesammelt den sogenannten „Psalter" bilden, das Gesangbuch des alten Bundesvolks, des sen sich dasselbe beim öffentlichen, wie beim Hausgottesdienst bez diente. Denn nicht nur die eigentlichen Tempel- oder Kirchenlieder, in denen ganz objektiv der gemeinsame Glaube des Bundesvolks ausgesprochen ist und die großen Thaten Gottes in den weiten Tempelhallen gepriesen wurden (z. B. Psalm 15. 24. 68. 81. 87. 132. 134. 135. 146-150., auch Ps. 66, 13. ff. und 118 förmliche Opfergesänge für die zum Heiligthum mit Opfern kommenden Israeliten -), bilden den Inhalt des Psalters, sondern auch Ergüsse des subjektiven frommen Gefühls, wie sich dieß in besondern Stimmungen und im Drang der verschiedensten Lebensereignisse allermeist bei einem David (Ps. 3. 18. 51. 52. 54. 56. 57. 59. 60. 63. 142.) und andern Gottesmännern in Liedern aussprach, die ihnen dann viele tausend glaubige Seelen in Israel zur Erbauung nachgesungen haben; deßgleichen eigent= liche geistliche Volkslieder, wie denn auch mit David, welcher ge= wisse volksthümliche Gesänge durch seine Sangmeister im Volke einz üben ließ (2 Sam. 1, 18.), der religiöse Gesang in alle Volkskreise eingedrungen war. Denn die Festkaravanen ließen auf ihren Reisen zu den hohen Festen nach Jerusalem in Wechselchören ihre geistlichen Gesänge und Wanderlieder ertönen (Psalm 121. 122. 125. ff.); die Gefangenen zu Babel sangen sich Trost zu in ihrem Elende (Ps. 126. 137.); die Familienglieder lobeten beim Passahmahl den Herrn (Ps. 114.) und erbauten sich sonst auch in häuslicher Andacht mit Psalnten und Lobgesängen (Psalm 127. 128, 133. f.). Es ist eine wundersame Wirksamkeit, die dieses Gesangbuch des alten Bundesvolks auf die neu entstehende christliche Gemeinschaft, auf das Volk des neuen Bundes ausgeübt hat. Mit vollem Rechte ist deßhalb auch seine Geschichte eine „glorreiche Segens- und Sieges-Geschichte" genannt und von ihr bezeugt worden: „Es giebt kein alttestamentliches Buch, welches sich so ganz und gar aus Herz und Mund Israels in Herz und Mund der christlichen Kirche übererbt hätte, wie dieses alttestamentliche Gez sangbuch ohne Gleichen."*) War ja doch überhaupt schon der ganze alte Bund die geschichtliche Grundlage des neuen, war ja doch der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs derselbe Gott, der, was er unter dem Volk Israel vorbereitet und verheißen hatte, für das Christenvolk durch die Sendung seines Sohnes, Christi des Herrn, vollendet und erfüllet hat, und wies ja doch das Psalm= buch selbst, gerade in seinen gehaltvollsten Kernliedern, ahnungs= voll auf Christum und sein königliches Friedensreich hin, wie dieß der Stifter des neuen Bundes selbst und seine Apostel andeuteten (P. 110. 22. 16. 40. 45.69.72. 2.) und vor Allem der Brief an die Hebräer zu veranschaulichen bemüht ist. Es ist wirklich beachtenswerth, wie dieses Urgesangbuch den geistlichen Liedern der Christen durch alle Jahrhunderte stets Sprache und Stoff gereicht und seine Gesänge so vielen und gerade den edelsten geistlichen Dichtern als Musterbild und Quelle dienten, daran sie lernten und sich erfrischten. Und diese unverwelkliche Segenskraft ist ihm bis heute auch verblieben. Verfolgen wir nun den Entwicklungsgang des christ lichen Kirchenlieds und Kirchengesangs von seinen ersten Anfängen an bis auf unsere Zeit. *) von Delitzsch in dem Artikel: „Psalmen" in Herzogs Real-Encycl. 12. Bd. 1860. S. 287. 13 Erste Periode. Das christliche Alterthum. Von der apostolischen Zeit bis zum Tode Karls des Großen. 841 nach Christo. 1) Das geistliche Lied unter den alten Christengemeinden der drei ersten Jahrhunderte bis zum Ende der Verfolgungen im I. 312.*) Christus selbst hatte, als er das h. Abendmahl einsekte, mit seinen Jüngern das große Hallel, die bei der Passahfeier gebräuchlichen Hallelujahpsalmen 113-118. angestimmt (Matth. 26, 30. Marc. 14, 26.) und so den Gebrauch des Gesangs, allermeist des Psalmengesangs, für die von ihm gegründete Kirche geheiligt. So sehen wir denn auch gleich in den ersten Zeiten der christ lichen Kirche vor allen die Psalmen des A. Testaments im Gebrauche. Des Psalmengesangs waren ohnedem die Judenchristen vom jüdischen Tempelcultus und Synagogendienst her gewöhnt. *) Quellen: H. Bonna, de div. psalmodia ejusque causis, mysteriis et disciplinis deque variis ritibus omnium ecclesiarum in psallendis div. officiis. Colon. 1677. Johann Georg Walch, de hymnis ecclesiae apostolicae. Jena 1737. Joh. Georg Walch, Miscellanea sacra. Amstel. 1744. Joh. Heinr. v. Seeler, de poësi christiana non a tertio p. Chr. n., sed a primo et secundo deducenda. Lubec. 1754. Mart. Gerbert (Abt in St. Blasien), de cantu et musica sacra a prima ecclesiae aetate usque ad praesens tempus. St. Blas. 1774. Dr. Dav. Buchegger, de origine sacrae christianae poëseos. Tüb. 1827. - Briefe über den Gottesdienst der morgenländ. Kirche von Dr. Eduard v. Muraltt. Leipz. 1838. Kir= chengesang der griech. Kirche bis zur Zeit des Chrysostomus, von Dr. Carl Buhl, Cand. Theol. in Straßburg, in Jlgens Zeitschrift für die histor. Theologie, fortgesekt von Niedner. 1848. Dr. Harnack, der christl. Gemeindegottesdienst im apostol. Zeitalter, in der Zeitschrift für Protest. u. Kirche. Erlangen. 1853. Sept.Heft. Fr. Armknecht, die h. Psalmodie. Gött. 1855. - Rudelba ch, hymnolog. Studien, in seiner Zeitschrift für die gesammte luth. Theologie und Kirche. 1855. 4. Heft. u. 1856. 1 Mit dem in den weit verbreiteten Synagogen einheimischen gottesdienstlichen Gebrauche des Vorlesens von Abschnitten aus der h. Schrift nebst angeschlossenen Vorträgen zur Erbauung und Anwen= dung des Vorgelesenen (Luc. 4, 16. ff.) nahmen sie auch den Psalmengesang in ihre gemeinsamen Andachten und Gebetszusammenkünfte auf. Auch zur Privatandacht und in Freud und Leid des gewöhnlichen Lebens pflegten sie Psalmen zu singen. Das zeigt die Ermahnung des Apostels Jakobus Cap. 5, 13. und das Psalmiren eines Paulus und Silas im Kerker zu Philippi (Ap.Gesch. 16, 25.). Auch die Heidenchristen nahmen diesen Gebrauch um so williger an, als sie in den Psalmen von Gott eingegebene Gesänge zu sehen und fast in jedem eine Hindeutung auf Christum zu finden gelernt hatten. Neben den eigentlichen Psalmen kamen aber bald auch im apostolischen Zeitalter verschiedene Lobgesänge oder Hymnen des A. Testaments in gottesdienstlichen Gebrauch, z. B. die beiden Lieder Mosis, sein Lobgesang nach dem Durchzug durch's rothe Meer 2 Mos. Cap. 15. und sein Schwanenlied 5 Mos. C. 32., fer= ner der Lobgesang der Hanna (1 Sam. 2, 1-10.), das Dreimalheilig (Trisagium) der Seraphinen (Jes. 6, 3. Sanctus), das Loblied des bekehrten Israels (Jes. Cap. 26.) und sein messianisches Danklied (Cap. 12.), der Lobpreis des wiedergenesenen Königs Hiskia (Jes. 38, 10-20.), das Dankgebet des Propheten Habakuk Cap. 3. und der Lobgesang der drei Männer im Feuerofen. Und weil der Brust derjenigen, die auf die Erlösung zu Jerusalem warteten und den Aufgang aus der Höhe begrüßen durften, der nun durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes die Welt besuchet hatte und erschienen war denen, die da saßen in Finsterniß und Schatten des Todes, Lobgesänge im alttestament= lichen Psalmenton auf die Erlösung durch Christum entquollen waren, so nahm die christliche Kirche um so bereitwilliger auch diese neutestamentlichen oder evangelischen Hymnen als Töne des lange zuvor von David in Aussicht gestellten „neuen Liedes" (PS. 33, 3. 96, 1. 149, 1.) unter ihre Gesänge auf den Lobgesang eines Zacharias (Luc. 1, 68-79. Benedictus), eines Simeon (Luc. 2, 29-32. Pacem) und den dem Moseslied (2 Mos. 15.) entsprechenden Lobgesang der Maria (Luc. 1, 46-55. Magnifi |