Kirche übergegangen, in der es dann Sitte wurde, dasselbe gewöhnlich sechsmal zu beten oder zu singen. Bei solcher Alleinherrschaft der römischen Liturgie im Mittelalter, in der streng bloß lateinische Gesänge für die Kirche vorgeschrieben waren, konnten auch keine andere Kirchenlieder aufkommen, als lateinische, und zwar zunächst nur für die Apostel und Heiligentage (hymni de sanctis) und für die Metten- und VesperGottesdienste (hymni de tempore). Bei dem Hauptgottesdienste der Messe waren keine eigentlichen Lieder mit regelmäßigem Strophenbau gestattet, sondern nur prosaische liturgische Gesangstücke, 3. B. Agnus Dei, Sanctus u. s. w. Auf die Herrschaft der römischen Liturgie ist also auch die Alleinherrschaft des lateinischen Kirchenlieds im Mittelalter gegründet. *) Im neunten Jahrhundert machen sich als lateinische Kirchenliederdichter bemerklich: Nhabanus Maurus, **) der erste Deutsche, welcher latei nische Kirchengesänge verfaßte, ein Schüler Alcuins und uns schon aus der vorigen Periode bekannt als Beförderer des von Carl dem Großen gepflegten gregorianischen Kirchengesangs (S. 84.). Er wurde um's J. 776 zu Mainz geboren, und stammte aus dem alten fränkischen Geschlecht der Magnentier. Der Vater Ruthard soll ein reicher Mann von bedeutendem Einfluß gewesen seyn und unter den fränkischen Königen im Krieg gedient haben. Seine fromme Mutter Adelgundis übte auf sein empfängliches Gemüth einen tiefen Einfluß. Nachdem er in der Benedictiner-Kloster= schule zu Fulda, in die er schon in seinem 9. Lebensjahr zur Erziehung gegeben worden war, in Sprachen und Wissenschaften schöne Kenntnisse sich gesammelt hatte, entschloß er sich zum Klosterleben und wurde 801 zum Diaconus geweiht, worauf ihn der Abt : *) Quellen - außer den bereits S. 40. namhaft gemachten: Textus sequentiarum cum optimo commento. Cöln. 1492. Hymni de tempore et de sanctis, von Jak. Keyen (Wimphelingus) Slestatinus. Augsb. 1513.. Daniel, Thesaurus hymnologicus. Tom. II. sequentiae, cantica, antiphona. Lips. 1844. Sequentiae ex Missalibus Germanicis, Anglicis, Gallicis aliisque medii aevi, recensuit Jo. M. Neale. Lond. 1852. **) Quellen: Fr. Kunstmann, historische Monographie über Hraba nus Magnentius Maurus. Mainz. 1841. : Retgar zu seiner weitern Ausbildung nach Tours zu Alcuin sandte. Dieserlernte ihn während eines einjährigen Aufenthalts um seis ner Begabung und Sittenreinheit willen so sehr schäßen und liez ben, daß er seinem Namen Rhaban noch den Namen Maurus, des einstigen Lieblingsschülers des h. Benedict, beifügte. Nach der Rückkehr aus Alcuins hoher Schule wurde Rhaban im I. 804 mit einem andern bei Alcuin gebildeten Mönch, Samuel, die Leitung der Klosterschule zu Fulda übertragen, in der unter dies sen beiden noch 12 Mönche Unterricht gaben in den theologischen Wissenschaften nicht bloß, sondern auch in den sogenannten freien Künsten und alten Sprachen. Nhaban sah die Wissenschaft als erwünschte Gehülsin christlicher Erkenntniß und Sitte an, und so wußte er denn auch diese Gelehrtenschule, in der nicht bloß künftige Geistliche, sondern auch solche, die einem weltlichen Beruf sich widmen wollten, unterrichtet wurden, zu solcher Blüthe zu erheben, daß sie bald der Mittelpunkt der gelehrten Bildung Deutschlands wurde und Schüler von allen Seiten zu ihr herbeiströmten. Na= mentlich pflegte Rhaban auch bei seinen Schülern, von denen er jeden nach seiner Eigenthümlichkeit anzufassen und zu behandeln wußte, die deutsche Muttersprache mit besonderem Eifer, damit sie auch dem Volke Nuken schaffen könnten. Einen erweiterten Wirkungskreis erhielt er, nachdem ihn die Mönche im J. 822 zum Abt erwählt hatten. Als solcher setzte er nicht nur den Jugendunterricht fort, woran Söhne der höchsten Familien und selbst Fürstensöhne Theil nahmen, sondern hielt auch häufig erbauliche Vorträge an das Volk, um dasselbe im Christenglauben zu befesti gen, und suchte die Feier des Gottesdienstes zu heben durch Sesang und Musik, sowie durch Ausschmückung der Kirchen, die er auf den Klostergütern bauen ließ, mit Werken der Malerei und Bildhauerkunst, die er eifrig pflegte. Besonders aber war er auch neben vielen gelehrten Schriften, die er über Kirchenrecht, Kirchenzucht, christliche Moral und zur Erklärung fast aller biblischen Bücher schrieb, darauf bedacht, die Klosterbibliothek, zu der schon Carl der Große den Grund gelegt hatte, zu solchem Umfang zu bringen, daß er von ihr rühmen konnte: „Alles, was Gott von h. Schrift durch fromme Worte von der Burg des Himmels auf den Erdkreis unter die Menschen gesandt und alles, was die Weis heit der Welt zu verschiedenen Zeiten zu Stand gebracht, ist hier zu finden." So erwarb er sich den ruhmwürdigen Namen: ,,primus germaniae praeceptor" und verbreitete Ströme gei stigen Lebens über die deutsche Christenheit. Im J. 842 legte er, nachdem König Lothar, dem er sich angeschlossen, weil sein 840 verstorbener Vater Ludwig ihm die Kaiserwürde bestimmt hatte, von seinen Brüdern in der Schlacht bei Fonteneille besiegt worden war, in Rücksicht auf die Sicherheit seines Klosters die zwanzig Jahre lang mit segensreichem Erfolg bekleidete Abtsstelle in die Hände seines Schülers Hatto nieder und zog sich in die Einsamkeit zurück. Anfangs verweilte er bei dem ihm befreundeten Bischof von Halberstadt, dann aber lebte er als Einsiedler auf dem nahe bei Fulda gelegenen Petersberge, wo er früher selbst eine Kirche erbaut hatte. Hier schrieb er seine berühmteste Schrift, 22 Bücher de universo oder über das Weltall, eine Art von Encyclopädie aller Wissenschaften und Künste. Da ward er noch als Greis von 70 Jahren durch den König Ludwig den Deutschen am 27. Juni 847 auf den erzbischöflichen Stuhl von Mainz erhoben, auf dem Bonifacius gesessen und die Würde eines Metropoliten der deutschen Kirche beruhte. Neun Jahre lang verwaltete er noch dieses hohe Amt unter mannigfachen Anfechtungen einer schweren Zeit in großartiger Berufsthätigkeit. Auf vier Kirchenversammlungen führte er den Vorsitz, auf deren einer er namentlich der deutschen Sprache größere Geltung beim Gottesdienst verschaffte. Im Hunger= jahr 850 hatte er Gelegenheit, seinen christlichen Liebessinn in umfassender Weise zu bethätigen. Täglich speiste er damals 300 Arme. Daneben sekte er aber auch seine schriftstellerische Thätigkeit fort bis an sein Ende. Er starb 4. Febr. 856 auf seinem Landgut zu Winkel am Fuß des Johannisberges im Rheingau, wohin er sich in den letzten Jahren seines Lebens zur Sammlung seines Gemüths öfters zurückgezogen hatte. Nhaban war zugleich einer der bedeutendsten lateinischen Dichter des karolingischen Zeitalters. Eine beträchtliche Anzahl seiner geistlichen und gemischten Gedichte in verschiedenen Versmaßen und Formen hat Chr. Brower gesammelt bei seiner Ausgabe des Fortunatus vom J. 1617, wo sie sich unter dem besondern Titel: ,,Hrabani Mauri poëmata de diversis" in drei Abtheilungen finden. Von diesen kamen als Hymnen in kirchlichen Gebrauch: ,,Carmina psallere voce lyra" de natali innocentium. دو Christe, sanctorum Deus angelorum" in festivitatibus angelorum. Festum nunc celebre magnaque gaudia"*) - in ascensione domini, ad matutinum. Verdeutschungen: „Kum hoch seierliche Zeit" - von Joh. v. Salzburg. 1390. „Christe, Gott dem Herren singen wir" in den Königsb. Festgez sängen. 1527. „Lobsinget Gott mit Freuden" - Wizel. 1541. Fest und hoch auf dem Thron" Leisentritt. 1562. „Mein Herz für Freud ausspringt" - Nic. Hermann. 1560. „Der Tag ist freudenvoll". „Jesus Christus ist erstanden". ,,Lumen clarum rite fulget" دو de natali domini. "" ,,Quod chorus vatum venerandus olim" - in purificatione Mariae. Verdeutscht: „Was uns etwa die heiligen Propheten" - Lobwasser. 1578. Walfried, genannt Strabo (der Schielende), ein Schüler des Rhabanus Maurus, wahrscheinlich gegen das Ende der Regierungszeit Carls des Gr. in Oberschwaben oder Allemannien geboren. Er erlernte die Wissenschaften zuerst in St. Gallen unter Grimwald und dann in der berühmten Klosterschule zu Fulda unter Rhabanus. Längere Zeit war er Decan des BenedictinerKlosters St. Gallen. Hier schrieber das Leben des h. Gallus und hier wußte er auch die geistliche Dichtkunst in einer Weise zu wecken, daß sie auf längere Zeit in diesem Kloster heimisch wurde. Im I. 842 wurde er Abt des Klosters Reichenau auf einer Insel des untern Bodensee's, wo er zuvor schon ein Lehramt bekleidet haben soll. Er starb noch im besten Mannesalter auf einer Reise an den Hof Kaiser Carls des Kahlen am 17. Juli 849. Neben mehreren größeren geschichtlichen Gedichten in lateinischer Sprache über Apostel und Märtyrer, sowie einem Lobgedicht auf seinen Garten (Hortulus)*) dichtete er lateinische Hymnen auf die christlichen Kirchenfeste, von welchen zu nennen sind: ,,Gloriam nato cecinere Christo" - in nativitate domini. ,,Lumen inclytum refulget". Notker, genannt Balbulus (der Stammelnde) oder auch zum Unterschied eines spätern St. Gallener Mönchs desselben Namens aus dem 11. Jahrh., „Notker der Aeltere" genannt. Er wurde um's I. 850 zu Heiligau bei St. Gallen geboren und stammte aus einem adelichen Geschlechte. Schon als Knabe wurde er der Klosterschule in St. Gallen übergeben, deren Vorstand er dann später auch auf lange Zeit geworden ist. Er war ausge= zeichnet durch seine wissenschaftliche Thätigkeit, sowie durch seine Frömmigkeit und edle Sittenzucht. So zart und schmächtig er dem Leibe nach war, so stark war er im Geist, besonders auch wo es galt, körperliche Leiden oder sonstige Anfechtungen zu er= tragen. Seine Klosterbrüder rühmten unter seltsamen Berichten und Gerüchten die Kühnheit des von Natur schüchternen Mannes im Kampfe gegen die Anläufe böser Geister. Er starb 6. April 912 und wurde durch Papst Julius II. im I. 1512 unter die Heiligen versest. 11 Er übte auf die geistliche Dichtung und Kirchenmusik einen bedeutenden Einfluß. Durch ihn hauptsächlich kam zunächst in *) Seine Gedichte sind gesammelt in Canisii lectiones antiquae. Tom. VI. |