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nisse glücklich angeregt, gebot über eine Fülle poetischer Begabung, die unserer Zeit überall abhanden gekommen ist. Da lebten, schon vor Hartmann und Wolfram, hunderte von Volkssängern, die ohne sonderliche Mühe epische Lieder sangen, wie sie Lachmanns Kritik aus den roheren Kompilationen des 13 Jahrh. wieder hergestellt hat, und neben diesem urwüchsigen epischen Volksgesang stand eine gleichartige Lyrik, in deren Klängen die Regungen des Gemütes gleichsam von selbst ausströmten. Wenn nicht alle ältesten Minnelieder dieser Vorstellung entsprachen, so sah ich darin die Einwirkung einer durch die Formen einer fremden Mode beengten Gesellschaft, die den frischen Trieb, wie er im Volke selbst lebte, zu freier Entfaltung nicht kommen liefs; für die Lyrik eines Sängers wie Walther, glaubte ich, müsste alles das gelten, was Herder einst von der wahren Lyrik und dem Volksgesange verkündigt hatte. Ein lichtes, mit Liebe aufgenommenes und durch Zweifel wenig getrübtes Bild der Vorzeit lebte in meiner Phantasie und bestimmte

die Auffassung des Einzelnen. Aber auf die Dauer vermochte ich dieses Bild gegen den Ansturm widersprechender Thatsachen nicht zu retten; es verschwand allmählich wie das liebliche Traumbild eines goldenen Zeitalters, das die Sehnsucht nach idealer Vollendung gläubig in die Vergangenheit gezaubert hatte.

Das poetische Schaffen und Können des früheren Mittelalters erscheint mir jetzt sehr viel eingeschränkter. In langer V Arbeit wird erst allmählich der Born einer lebendig und reichlich fliefsenden Poesie erschlossen und wie alle geistige Bildung dringt auch die Kunst aus den oberen Schichten der Gesellschaft zur grofsen Masse des Volkes hinab. In dem ersten Abschnitt des Buches über Walthers Leben habe ich das Wachstum einiger Jahrhunderte in kurzen und allgemeinen Zügen darzustellen gesucht; darauf beruht die Beurteilung des Minnesanges und Walthers.

Die Einförmigkeit der Minnelieder hatte ich ehedem als den natürlichen Ausflufs des noch einförmigen Lebens angesehen. Die häufige Wiederkehr derselben Gedanken in

ganz ähnlichen Wendungen fafste ich so auf, dafs sie, im Leben selbst erzeugt, gewissermassen zu dem allgemeinen Sprachgut gehörten, dessen sich jeder ohne Anspruch und ohne Skrupel nach Bedürfnis bediente; der Minnedienst war allgemeine Sitte und die Sprache des Minneliedes nur die Sprache der Gesellschaft; kurz ich sah, um ein bekanntes Wort zu brauchen, in dem Minnesang mehr eine Welt- und Völkergabe, als das Privaterbteil einiger fein gebildeter Männer. Jetzt glaube ich nicht mehr Kunst und Leben in dieser Weise identifizieren zu dürfen. Der Minnesang war Arbeit und eine wirkliche Kunst, die im 12 Jahrh., mag auch vieles verloren sein, nur von verhältnismässig wenigen schöpferisch geübt wurde; die Übereinstimmung in ihren Leistungen ist nicht die unmittelbare Folge des gleichartigen Lebens, sondern beruht auf der Abhängigkeit der Dichter von einander und von ihren Mustern. Erst im Minnesang selbst wurden die Gedanken gewonnen und die' Formen ausgeprägt, und das Bedürfnis der Kunst führte zu ihrer weiteren Entwickelung. Während ich früher in zerstreuten Anmerkungen Parallelstellen angeführt hatte, um dadurch die allgemeine Gültigkeit der Phraseologie anzudeuten, ergab sich jetzt die Aufgabe, den Gedankenkreis des Minnesangs im Zusammenhang zu entwickeln und übersichtlich vorzulegen, wie ich es im dritten Teil des Lebens gethan habe. Auf keine andere Weise liefs es sich überzeugender darthun, dafs wir es hier in der That mit einer eingeschränkten, mühsam nach Freiheit ringenden Kunst zu thun haben.

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Früher hatte ich die Lieder Walthers als wirkliche Gelegenheitsgedichte angesehen, als ein fortlaufendes Bekenntnis der eigenen Herzenserfahrung, treuer selbst als die Bekenntnisse, die Goethe in seinen Dichtungen niedergelegt hat. Darauf beruhte die Anordnung der Gedichte, die mir bald nachher als willkürlich, zum Teil als unglaublich erschien ; darauf die Notwendigkeit, manche Lieder in einzelne Strophen zu zerpflücken und diese über weite Zeiträume zu zerstreuen. Jetzt erscheinen sie mir als Erzeugnisse einer künstlerischen

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nisse glücklich angeregt, gebot über eine Fülle poetischer Begabung, die unserer Zeit überall abhanden gekommen ist. Da lebten, schon vor Hartmann und Wolfram, hunderte von Volkssängern, die ohne sonderliche Mühe epische Lieder sangen, wie sie Lachmanns Kritik aus den roheren Kompilationen des 13 Jahrh. wieder hergestellt hat, und neben diesem urwüchsigen epischen Volksgesang stand eine gleichartige Lyrik, in deren Klängen die Regungen des Gemütes gleichsam von selbst ausströmten. Wenn nicht alle ältesten Minnelieder dieser Vorstellung entsprachen, so sah ich darin die Einwirkung einer durch die Formen einer fremden Mode beengten Gesellschaft, die den frischen Trieb, wie er im Volke selbst lebte, zu freier Entfaltung nicht kommen liefs; für die Lyrik eines Sängers wie Walther, glaubte ich, müfste alles das gelten, was Herder einst von der wahren Lyrik und dem Volksgesange verkündigt hatte. Ein lichtes, mit Liebe aufgenommenes und durch Zweifel wenig getrübtes Bild der Vorzeit lebte in meiner Phantasie und bestimmte

die Auffassung des Einzelnen. Aber auf die Dauer vermochte ich dieses Bild gegen den Ansturm widersprechender Thatsachen nicht zu retten; es verschwand allmählich wie das liebliche Traumbild eines goldenen Zeitalters, das die Sehnsucht nach idealer Vollendung gläubig in die Vergangenheit gezaubert hatte.

Das poetische Schaffen und Können des früheren Mittelalters erscheint mir jetzt sehr viel eingeschränkter. In langer V Arbeit wird erst allmählich der Born einer lebendig und

reichlich fliefsenden Poesie erschlossen und wie alle geistige Bildung dringt auch die Kunst aus den oberen Schichten der Gesellschaft zur grofsen Masse des Volkes hinab. In dem ersten Abschnitt des Buches über Walthers Leben habe ich das Wachstum einiger Jahrhunderte in kurzen und allgemeinen Zügen darzustellen gesucht; darauf beruht die Beurteilung des Minnesanges und Walthers.

Die Einförmigkeit der Minnelieder hatte ich ehedem als den natürlichen Ausflufs des noch einförmigen Lebens angesehen. Die häufige Wiederkehr derselben Gedanken in

Ausgabe erheblich entlastet, und der Raum für neue Anmerkungen, wie sie das erweiterte Interesse erheischte, frei. Als ich die erste Ausgabe veranstaltete, war meine Neigung noch vorzugsweise den Fragen der Kritik, dem Verhältnis der Handschriften und grammatischen und metrischen Detailuntersuchungen zugewandt, welche einigen Ertrag für die Textkritik versprachen. Auf diese Punkte beschränkte sich die Einleitung; anderes lehnte ich mit dem Bemerken ab, dafs sich das übrige dem Leser leicht von selbst ergeben werde. Jetzt bin ich mehr darauf ausgegangen, den Zusammenhang der Gedichte zu beleuchten und ihre künstlerische Darstellung zu würdigen. Dahin zielt ein grofser Teil der Anmerkungen und in der Einleitung das Kapitel über den Stil. In diesem letzteren habe ich mich nicht an die Systematik irgend einer Rhetorik angelehnt, sondern habe die Punkte hervorgekehrt, auf denen mir die Wirkung der Waltherschen Poesie hauptsächlich zu beruhen schien. In dieser Betrachtung der Kunstform fand ich auch das Mittel, 454 eine neue chronologische Gruppierung der Lieder Walthers zu versuchen. Dass ich aber diese Gruppierung nicht der Ausgabe zu Grunde gelegt habe, werden mir alle, die das Buch benutzen wollen, Dank wissen.

Indem ich so das Verhältnis der neuen Ausgabe zur älteren auseinander setzte, habe ich Zeugnis ablegen müssen für bedeutende Wandlungen, die ich in einem Jahrzehent durchgemacht habe. Teils die günstige Änderung in meiner amtlichen Stellung, teils die Fortschritte der Wissenschaft haben sie hervorgerufen. Doch kann es den Leser wenig interessieren, welchen Zusammenhang ich zwischen meiner eignen und der Entwickelung der Wissenschaft wahrzunehmen glaube. Ich will daher nur die beiden Arbeiten hervorheben, durch die ich seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe besonders und unmittelbar gefördert zu sein mir bewusst bin. Scherers Deutsche Studien wirkten positiv und negativ. Das vielseitige Interesse, das er den wenigen Liedern einiger älterer Minnesänger abzugewinnen wufste, zeigte mir die Einseitigkeit meiner Arbeit; die sorgfältige Beobachtung

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