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D. v. Kuhn, D. Bukrigl, D. v. Himpel, D. Kober,
D. Linsenmann und D. Funk,

Professoren der kathol. Theologie an der K. Universität Tübingen.

Achtundfünfzigster Jahrgang.

Erstes Quartalheft.

Tübingen, 1876.

Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung.

Drud von H. La upp in Tübingen.

I.

Abhandlungen.

Period

1935

1.58 1876

1.

Ueber Pflichtencollision.

Bon Professor Dr. Linsenmann.

1. Das Problem.

Es weht uns die Luft vergangener Jahrhunderte an, wenn wir die neueste Literatur der katholischen Moraltheologie durchblättern. Wiederum ist der Streit entbrannt über die Systeme der Probabilität; wiederum werden auf dialektischer Waage die verschiedenen Grade der „Wahrscheinlichkeit“ gemessen; noch subtiler werden die alten Distinktionen fortgeführt, und noch immer ist die alte Klage, daß man einander nicht richtig verstehe.

Welchen Grad von Wahrscheinlichkeit muß eine Meinung haben, damit sie mit gutem Gewissen einer wahrscheinlicheren und sicherern vorgezogen werden könne? Und welches ist die richtige Auslegung der Theorie, welche hierüber der

heil. Alphons von Liguori aufgestellt hat? Ueber diese zwei Hauptfragen besteht die neueste Controverse zwischen den Alphonsianern und den Jesuiten, welch' lettere doch selbst auch nichts Anderes sein wollen als echte Alphonsianer, nur daß sie da und dort in untergeordneten Entscheidungen sich von der Meinung des Meisters entfernen zu dürfen glauben. Die Wortführer der ersteren sind einige Theologen aus der Congregation der Redemptoristen, welche in einer sehr umfangreichen und einläßlichen Vertheidigungsschrift 1) die strengere Lehre des heil. Alphons gegen eine laxere Ausdeutung derselben im vulgären Probabalismus in Schutz nehmen und aufrecht erhalten wollen; direkt ist ihr Angriff gerichtet gegen den gelehrten Jesuiten Ballerini, welcher das Compendium der Moraltheologie von P. Gury wiederholt neu aufgelegt und mit mehreren selbständigen Anmerkungen begleitet hat 2). Ballerini aber und die Anhänger des gemäßigten Probabalismus lassen

1) Vindiciae Alphonsianae seu Doctoris ecclesiae S. Alphonsi de Ligorio doctrina moralis vindicata a plurimis oppugnationibus Cl. P. Ant. Ballerini, soc. Jesu in Collegio Romano professoris, cura et studio quorundam theologorum e congregatione SS. Redemptoris. Tom. I-II. Ed. 2. Paris etc. 1874. Auch diese zweite Auflage ist bereits vergriffen.

2) Compendium Theologiae moralis P. J. P. Gury, S. J. Ab auctore regognitum et Antonii Ballerini ejusdem societatis in Collegio Romano professoris adnotationibus locupletatum. Ed. 3. Tom. I. Rom. 1874. Ueber verschiedene andere Ausgaben des Compendium von Gury, sowie über einschlägige Literatur berichtet der „Literarische Handweiser“, Jahrgang 1875 Nr. 6 und 7. Außerdem werde ich in der hier folgenden Abhandlung vornemlich noch Bezug nehmen auf die anonymen Artikel über „Probabilismus und probabilistische Systeme“ im „Katholik“ Jahrg. 1874. I. S. 45 ff., 143 ff., 283 ff., 543 ff., 682 ff.

sich das Recht nicht nehmen, auch nach der Erhebung des heil. Alphons zum Doktor der Kirche dessen Meinungen eben nur als Meinungen zu respektiren und nöthigenfalls ihnen auch eine bessere Meinung entgegenzustellen, sowie den gemäßigten Probabilismus als die naturgemäße und vernünftige Folgerung aus der Doktrin des Meisters zu behaupten.

Man greift sich unwillkührlich an die Stirne und fragt sich, ob es denn nicht endlich einmal des alten Streites genug wäre, und ob es denn nicht andere Aufgaben für die theologische Ethik gäbe, zumal in unserer Zeit, die ja wahrhaftig genug der eigenen Plage hat, daß man nicht noch einmal die Zankgeister einer vergangenen Zeit heraufbeschwören sollte.

Indessen gibt es eben in allen Wissenschaften Probleme, welche den Fachgelehrten nicht eher loslassen, als bis eine wirkliche Lösung gefunden ist. Vor einem solchen Problem stehen wir auch hier; was bisher in dem vierhundertjährigen Streit herausgearbeitet worden ist, ist höchstens einem Nothdach zu vergleichen; vollbefriedigt wird davon Niemand, dem es wirklich um vernünftige Erkenntniß zu thun ist. Daß auch Moralisten wie Martin, Probst, Simar die probalistische Lösung der Frage, trotz der heutigen opinio communis der lateinischen Casuisten, für bedenklich und höchstens wie ein Nothdach ansehen, habe ich schon anderwärts gezeigt 1) und ich erinnere hieran, damit es nicht scheine, ich stehe ganz allein, seitwärts von der ganzen Strömung der kirchlichen Doktrin, und darum zum voraus unberechtigt und unfähig, den wahren geheimen Gedanken,

1) Untersuchungen über die Lehre von Gesetz und Freiheit. 2. Art. Du.-Schrift 1871. S. 222 ff.

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