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1. DER LEICH.

Inhalt und Form. Das Gesetz der strophischen Poesie, dafs die Strophenschlüsse mit Ruhepunkten in der Gedankenentwickelung zusammen fallen, gilt nicht für die Leiche. Wie in andern Gedichten dieser Art tritt vielmehr auch in dem Leiche Walthers mehrfach das Bestreben hervor, die Abschnitte des Sinnes nicht mit den metrischen Abschnitten, wie sie durch Reim und Vers als zusammengehörig bezeichnet werden, zusammenfallen zu lassen. So greifen die Sätze 3, 10-16. 17-22. 23-26. 4, 19-26. 6, 10-12. 20-23. 7, 3—10. 6-20 aus einem Abschnitt in den andern hinüber, und namentlich die kurzen Absätze des Schlusses sind in dieser Weise mit einander verbunden. Auch die Art, wie in v. 3, 28 f. und 7, 21 das Thema der folgenden Abschnitte dem Vorhergehenden angehängt ist, erzeugt eine ähnliche Wirkung. Die Grenzen, welche das Metrum zieht, werden gleichsam von dem ununterbrochenen Flufs der Gedanken überströmt; es kommt eine atemlose Bewegung in die Form, die besonders da, wo sie auf Tanzlieder angewandt wird, von bedeutender Wirkung ist.

Den Gedanken fehlt es trotzdem nicht an strenger Ordnung und Gliederung. Der Dichter beginnt mit dem Bekenntnis des dreieinigen Gottes (3,1-9); er bittet um seine starke Hilfe im Kampf gegen den Teufel und die Sünde (3, 10-27), und geht dann zum Preise der Maria über, der jungfräulichen Mutter, der Mutter des Erlösers, der Königin des Himmels. Sie möge für uns bitten und uns Trost vom Himmel senden (3, 285, 18). Nur die Reue kann das sündenwunde Herz heilen (6, 7-6, 16); Gott möge sie uns senden durch seinen heiligen Geist, der die wahre Reue giebt (6,17 — 27). Wir bedürfen des rechten Glaubens, aber auch der rechten Werke, zu beiden möge Gott uns verhelfen (6, 28 - 7, 20). Maria besänftige seinen Zorn; du gebenedeite bitte für uns, dass wir in wahrer Reue Vergebung der Sünden finden (7, 21 — 8, 3). Die Kernpunkte sind das Bewusstsein der Sündhaftigkeit und das Bedürfnis der Reue; an jenes knüpft sich der Preis der Maria, die sich gnädig des Sünders annimmt, an dieses die Bitte um den heiligen Geist. Die Einleitung bildet ein kurzes Bekenntnis der Trinität, den Schlufs ein Gebet zur Maria.

Die beiden Hauptteile entsprechen sich auch metrisch. Jeder besteht aus acht korrespondierenden Abschnitten, die zur leichtern Übersicht im Text mit Nummern bezeichnet sind. Völlig gleich sind die Abschnitte 2. 6. 8; bei den übrigen beschränkt sich die Übereinstimmung auf die Hauptsache sie zeigen Unterschiede in der Verszahl, Reimstellung oder innern Einteilung der Verse, ihre Verse aber sind gleich in der Zahl der Hebungen und im Reimgeschlecht. Man darf daraus auf eine Wiederkehr

:

der Melodie schliefsen. Die Einleitung und der Schlufs stehen von den Hauptteilen nicht ganz unabhängig. Die Verse der Einleitung wiederholen sich in Abschnitt 2, und im Schlufs 7, 28-32. 35-38; die Verse des Abschnittes 1 beginnen auch den Schlufs 7, 25-27; und die vier letzten Abschnitte des Ganzen 7, 33-8,3 wiederholen der Reihe nach die Metren der Abschnitte 1 - 4.

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Dafs zwei Abschnitte von gleichem Bau unmittelbar nacheinander wiederholt werden, wie es in den älteren lateinischen Sequenzen der Fall zu sein pflegt, und auch in den deutschen Leichen häufig genug vorkommt, findet sich in Walthers Gedicht nur in dem Abschnitt 6; der siebente Abschnitt besteht aus je drei Versikeln, ebenso 4a und 5a, während 4b und 5b nur aus je zweien bestehen; bei den andern ist eine weitere Gliederung nicht zu erkennen. In den Abschnitten 5 und 7 werden jetzt nach dem Vorgange von Bartsch allgemein innere Reime angenommen. Verse von mehr als vier Hebungen ohne Cäsur kommen nicht vor. In Lachmanns Ausg. sind sie unbezeichnet 4, 12. 34. 37. 6, 28-31. 8, 3. Über die Anlage des Leiches haben gehandelt Bartsch, Germ. 6, 187-193. O. Schade, Wissenschaftliche Monatsbl. 3, 29-32. Die Auffassung des letzteren haben wir aufgenommen, ohne jedoch alle seine Athetesen zu billigen. Wann Walther den Leich gedichtet hat, ist ungewifs; vgl. Leb. S. 116.

Got, dîner Trinitâte,

die ie beslozzen hâte
dîn fürgedanc mit râte,
der jehen wir, mit drîunge
5 diu drîe ist ein einunge,

1. Der Dichter beginnt mit einem
Bekenntnisse der Dreieinigkeit. Vgl.
Symbol. Athanas. 3 f.
Fides autem

catholica haec est, ut unum deum in
trinitate et trinitatem in unitate vene-
remur (Walther v. 4 f.). . Et in hac
trinitate nihil prius aut posterius,
nihil maius aut minus. Sed totae tres
personae coaeternae sibi sunt et coaequa-
ies (v. 2 f.) Ita ut per omnia, sicut iam
supra dictum est, et trinitas in uni-
tate et unitas in trinitate veneranda
sit. Notkers Katechismus (MSD2
S. 195, 71. 159): Daz ist diu allicha
gelouba daz uuir einen Gót êrêên an
trinitate unde trinitatem an unitate ..
Unde an dirro trinitate ne ist nehein
daz fórderôra, nehein daz hinderôra,
nehein daz mêra, nehein daz minnera;
núbe alle dri personae sint ébenêuuîg
unde ébenmaze. Sô daz in alle uuis,

S. 3.

so ouh fore geságét ist, ze êrênne sí drîsgheit in einigheite unde einigheit in drísgheite. Vgl. MSD 2 S. 200 z.40. (trínussida und einnus sida) S. 201 z. 85 (diu drisgheit in einnigheite). Über den Gebrauch der Bekenntnisformel in deutscher Dichtung s. MSD 2 Anm. zu XXXI, 28 v. 9 f. (S. 382). diner Trinitate, Dat. abhängig von jehen v. 4; das Objekt ist der Satz: mit driunge etc. Gott, von deiner Dreieinigkeit bekennen wir: die Drei ist mit der Dreiheit eine Einheit (Weseneinheit mit Personendreiheit). Lachmann vergleicht MSH. 2, 362 a der drien iemer ein êwic (einic) gotheit ist. 2. besliezen zusammenschliefsen (im mhd. nicht = consilium capere). 'welche dein Vorausdenken von Anbeginn (ie) weise vereinigt hatte.'

Ein got der hôhe hêre, (sîn ie selbwesende êre verendet niemer mêre)

der sende uns sîne lêre.

10 uns hât verleitet sêre

die sinne ûf mange sünde

der fürste ûz helle abgründe.

1. Sîn rât und boses fleisches gir die hânt geverret, hêrre, uns dir 15 sît disiu zwei dir sint ze balt und dû der beider hâst gewalt, sô tuo daz dînem namen ze lobe, und hilf uns daz wir mit dir obe geligen, und daz dîn kraft uns gebe

20 sô starke state widerstrebe,

25

2. Dâ von dîn name sî gêret
und ouch dîn lop gemêret.
dâ von wirt er geunêret,

der uns dâ sünde lêret

3. Und der uns ûf unkiusche jaget:
sîn kraft von dîner kraft verzaget.
des sî dir iemer lop gesaget,

6-8 scheinen gleichfalls eine Beziehung auf das Symb. Athanas. zu enthalten: sed patris et filii et spiritus sancti una est divinitas (ein got der hohe hêre), aequalis gloria (sin ie selbwesende ére), coaeterna maiestas (veren det niemer mêre). 7. ie selbwesende vgl. Bamberger Glaube MSD2 XCI z. 19. den gut.. ebenselbwesentan. Aber die Lesart ist metrisch anstöfsig. Einl. S. 35 A. 2. Fasching (Germ. 22, 436. 23, 34 f.) will êre speziell auf die zweite Person beziehen.

13. Der entsprechende Abschnitt im zweiten Teile besteht aus 10 Versen mit anderer Reimbindung. Haupt vergleicht Mai und Beaflor 22, 38 der tief und blædes vleisches gir. 14. die. Ein auf zwei Substantiva verschiedenen Geschlechtes

bezügliches Pronomen steht der Re-
gel nach im Neutrum Pluralis (7, 4),
doch gestatten sich die mhd. Dichter
nicht selten, von der Neutralform
abzuweichen: so hier, während es
im folgenden Verse regelrecht disiu
zwei heifst. Vgl. 39, 15 beide (: heide)
gebrochen bluomen unde gras. 75, 16
dâ sulen wir si brechen beide (er und
sie). Gr. 4, 281. 15. balt, trotzig
und aufsässig, wie 55, 34.
Bei seiner eignen Ehre wird Gott
beschworen, des Feindes Übermut
schädigt sein Ansehn. Diese natür-
liche Anschauung begegnet nicht
selten. Beispiele aus lat. Hymnen
s. Germ. 23, 35.

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17.

22. und ouch s. zu 15, 1. 25. Der entsprechende Abschnitt im zweiten Teil hat 7 Verse und andere Reimbindung. unkiusche,

5

und ouch der reinen süezen maget, von der uns ist der sun betaget, der ir ze kinde wol behaget.

4. Magt unde muoter, schouwe der christenheite nôt, dû blüende gert Ärônes,

ûf gender morgenrôt,

Ezechîêles porte,

diu nie wart ûf getân, dur die der künec hêrlîche

wart ûz und in gelân.

10 alsô diu sunne schînet

durch ganz geworhtez glas, alsô gebar diu reine Krist,

allgemein Zügellosigkeit und unreine Begierde. 28 f. Mit diesen Versen gewinnt der Dichter den Übergang zu dem weit ausgeführten | Lobe der heiligen Jungfrau. 29. betagen gebären begegnet öfters; vgl. das Licht der Welt erblicken.

2, 1. behaget, wohl nach Luc. 3,22 tu es filius meus dilectus, in te complacui mihi. Aber mit dem Begriff des Gefallens verbindet sich der des Angemessenseins und Zustehens. Gudrun 1222, 2 ob ez iu wol möhte von erbe her behagen, ir soltet landes vrouwen sîn mit grôzer êre.

2. Der entsprechende Abschnitt des zweiten Teiles hat nur vier Langverse und männliche Cäsuren. Die zahlreichen Bilder, unter denen die Jungfrau Maria und die Geburt Christi verherrlicht wurden, hat mit umfassender Belesenheit W. Grimm gesammelt; Einleitung zur goldnen Schmiede Konrads von Würzburg S. XVI f. Einige Stellen aus lat. Hymnen verzeichnet Fasching Germ. 23, 35 f. 4. gert Arômes nach 4. Mos. 17, 8. Arnsteiner Marienleich MSD. XXXVIII, 64 oug bezeichenede dich wilen de mandelen zwig, de vore gode bluode: daz was Árônes ruode. de sament bit den bluomen erouvede die mandelen. Melker

S. 4.

diu magt und muoter was.

Marienlied, MSD. XXXIX, 1 Iû in erde leite Aaron cine gerte diu gebar nüzze, mandalon also edile. die süezze hâst dû füre brâht, muoter âne mannes rât, Maria. Grimm a. O. XXXIII. 5. ûf gender morgenrôt (stm. wie abendrôt 30,15) nach Cant. cant. 6, 9 quae est ista, quae progreditur quasi aurora consurgens. Grimm S. XXXIX. 6. Ezechieles porte nach Ezechiel 44, 2 et dixit dominus ad me, Porta haec clausa erit: non aperietur et vir non transibit per eam; quoniam dominus Deus Israel ingressus est per eam, eritque clausa. Grimm S. XXXII. Arnst. Marl. v. 74. 10. HMS. 3, 4689 nû merket, wie diu sunne durchschine ganzez glas, als swanger wart diu muoter reine, diu Krist gebar und dannoch maget was; und ähnlich oft. Grimm S. XXXI. Werner, AfdA. 7, 58 f. Statt des Glases wird auch das Glas fenster genannt, an das man überhaupt am ersten denkt. So im Arnsteiner Marienleich MSD. XXXVIII, 29 und Anm. Das zu Fensterscheiben verarbeitete Glas meint auch Walthers Adj. geworhtez, das Adj. ganz besagt, dafs die Arbeit dem Licht keinen Spalt gelassen hat; die einzelnen Glasteile schliefsen sich fest an einander. 12. Mit

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den Worten maget und muoter kehrt der Schlufs dieses Abschnittes zum Anfang zurück.

13. Der entsprechende Abschnitt des zweiten Teiles besteht nur aus zwei Versikeln, welche, wie hier der dritte, weibliche Cäsuren haben. Während in dem vorhergehenden Abschnitt verschiedene Bilder kurz

angeführt wurden, verweilt der Dichter länger bei dem brennenden Busch und weist nachdrücklicher auf die jungfräuliche Geburt sowie auf den Segen der Erlösung. Die beiden Abschnitte 4, 13-31 sind eine reiche Ausführung des in den Versen 3, 28 -4, 1 ausgesprochenen Gedankens.

Der feurige Busch, nach 2. Mos.3, 2 Apparuitque ei (dem Moses) dominus in flamma ignis de medio rubi et videbat quod rubus arderet et non combureretur. Grimm S. XXXI f. Arnst. Marienl. v. 44—63. 16. breit ist im Mhd. überhaupt grofs. Man spricht von breiter werdekeit, breiter tugent, breiter gewalt u. s. w. Also 'ausgedehnt (weithin leuchtend) und unversehrt blieb sein Glanz.' Aber besser ist die Lesart der Hss. kl. grüene. breit scheint von jemand eingesetzt zu sein, der den glanz auf das Feuer bezog, während es

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Auch hier verdient wohl die Lesart in kl und unversch. den Vorzug, weil sie den Hiatus vermeidet (Einl. S. 21 A. 2); ebenso ist in v. 19.

23. ân aller manne mitewist (von mitewesen), Luc. 1, 34 quoniam virum non cognosco. In einer Weihnachtspredigt (Wackernagel Leseb. 4, 195 z. 25) diu âne mannes rât unde âne mannes mitewiste den wittin wuocher gebar. Heinrich von Krolewiz, Vaterunser 683 alsus diu reine maget klár âne aller manne mitewist gebar unsern herren crist (Mhd. Wb. 3, 771a). Pfeiffer vergleicht aus einem Melker Bruchstück: diu süeze muoter er meinet, diu uns dû bî bewiset ist, daz s' âne manne mitewist eines sunnes genas etc.

24. der Menschen

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