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die letzte Zeile bezeichnet in beiden Tönen durch eine eigentümliche Form den Abschlufs.

Es liegt nicht fern, die gröfsere Ungebundenheit in der Strophenform als etwas Altertümliches anzusehen; jedoch ist dies, wenigstens innerhalb der Kunstübung Walthers, nicht der Fall. Grade die Lieder, die wir für die ältesten halten müssen, haben sämmtlich dreiteilige Strophen; die abweichenden und freieren Bewegungen gehören der späteren Zeit an. Über den Leich

s. die Anm. zum Text.

c. Strophenzahl.

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Die Zahl der Strophen, die Walther nach demselben Schema gedichtet hat, ist sehr verschieden; für manches haben wir nur eine einzelne Strophe, in andern Tönen steigt die Strophenzahl auf 17, 18 und 19, und würde vermutlich noch höher kommen, wenn unsere Überlieferung vollständiger wäre. Diese häufige Wiederholung derselben Weise findet aber nur in Spruchtönen statt, von denen Walther nachweislich bei verschiedenen Gelegenheiten Gebrauch machte, um neue Gedichte nach bekannten Weisen vorzutragen. Dafs er in gleicher Weise auch auf ältere Liedertöne zurückgegriffen habe, läfst sich kaum beweisen, und in manchen Fällen, wo wir früher glaubten dies annehmen zu müssen, war die Annahme jedenfalls irrig. Freilich stehen zuweilen einzelne Strophen mit andern desselben Tones nicht in unmittelbarem, engeren Zusammenhang, aber sie können doch zugleich mit diesen entstanden und vorgetragen sein. Der Fall, dafs zwei selbständige in sich abgeschlossene Lieder nach derselben Weise gehen, begegnet nur einmal: 63, 8 und 112, 17, vorausgesetzt, dafs das zweite echt ist.1

Die Liedertöne Walthers erreichen höchstens die Zahl von sieben Strophen (im Tagelied 88, 9 und im Kreuzlied 14, 38), gewöhnlich halten sie sich in dem Umfang von 3-5 Strophen.

1) Das Umgekehrte, dafs Strophen, die durch ihren Inhalt eng zusammenhängen, in ihrer Form verschieden sind, kommt bei Walther nicht vor; er hat die ältere Art, Strophen von verschiedener Länge und Form zu einem Liede zu verbinden, oder mit andern Worten dieselbe Weise im Zusammenhang eines Liedes nach Bedürfnis zu variieren, aufgegeben; denn die kunstvolle Wiederholung des Abgesanges in der Str. 74, 10 ist etwas wesentlich anderes.

Wo sechs Strophen derselben Weise folgen, gruppieren sie sich in zwei Abteilungen (58, 21. 51, 13), oder einzelne stellen sich als Anhänge dar (56, 14. 54, 37. 87, 1). Die Dreizahl kehrt auch in der Spruchpoesie öfters wieder; die Töne 8, 4. 101, 23. 103, 13. 105, 13 bieten je drei durch ihren Inhalt zusammengehörige, wenn gleich in einem Falle wenigstens nicht gleichzeitige Sprüche; der Ton 11, 6 besteht aus zweimal drei zusammengehörigen Sprüchen. Dagegen ist die Fünfzahl in den Tönen 16, 36 und 18, 29 ĥur Zufall oder höchstens das Werk der Sammler.

5. Reim und Reimkünste.

Den Reim behandelt Walther mit grofser Sorgfalt. Wenn wir an einigen wenigen Stellen Wortformen im Reime finden, welche von der Richtschnur streng grammatischer Sprachentwickelung abweichen, so dürfen diese nicht als Ungenauigkeiten in der Reimbildung angesehen werden. Der Gleichklang ist überall vollkommen, höchstens leise Nuancen in der Qualität oder Quantität einiger Laute darf zugegeben werden (oben S. 42 f.).

Die Reime sind entweder stumpf oder klingend; zweisilbige Wörter mit kurzer Stammsilbe gelten als stumpfe Reime, aber nicht dreisilbige mit kurzer Stammsilbe als klingende, ausgenommen der Binnenreim gebenne : lebenne 93, 20 (s. S. 25); Wörter, deren metrischer Wert irgendwie zweifelhaft sein konnte, sind vom Reim ausgeschlossen.

Rührende Reime gestattet sich Walther wie andere gute Dichter mit der Einschränkung, dafs die Reimwörter durch ihre Bedeutung oder durch Vorsilben geschieden sind: tæte (3 P. Sg.): tate (Dat.) 30, 10. wint (Acc. Sg.): erwint (Imp.) 10, 11. entwert: gewert 20, 28. leit: herzeleit 24, 15; alles in Sprüchen.1

Sich suchende Silben statt des Reimes hat er einmal im Binnenreime iedoch frô: hienoch sô 98, 6.

1) Einen fehlerhaften rührenden Reim nimmt Paul (PBb. 2, 551) in der Strophe 55, 35 an: Frô Sælde teilet umbe sich und kêret mir den rücke zuo. ja enkan si niht erbarmen sich. Das Schwanken der Überlieferung ist allerdings verdächtig, und der Einfall, sich im ersten Verse als Imperativ von sehen zu nehmen (vgl. 37, 24), empfiehlt sich wenig.

1

Doppelreim ist einmal angewandt: heizet diu sô swachet : reizet unde machet 47, 5,1 Schlagreime 2 in der darauf folgenden Strophe 47, 16, der künstlichsten, die der Dichter gebildet hat. Pausen, 3 d. h. Reimbindung zwischen dem ersten und letzten Wort eines oder mehrerer Verse, finden sich in den Tönen 62, 6. 66, 21 (s. Lachm. zu 111, 32); Körner d. h. Reimbindung zwischen Versen verschiedener Strophen in den Liedern 110, 13 und 119, 17; zwei Verse als Kehrreim 110, 18, ein blofser schallnachahmender Refrain 39, 11.4

Stil.

Nicht weniger als durch die Mannigfaltigkeit des Stoffes zeichnet Walthers Kunst sich durch einen erfrischenden Wechsel der Stimmung aus. Freude und Schmerz, ruhiger Ernst, treffender Spott, sittliche Entrüstung, streitbare Kampflust, kecker Übermut, heiterer Scherz, frohes Behagen, Sehnsucht, Unwillen, Wehmut und Humor: alle Stimmen des menschlichen Herzens klingen uns aus seinem Liede entgegen, und so rein und lieblich, so kräftig und ergreifend, dass man ihnen gern lauscht. Der Reichtum des Stoffes und die Mannigfaltigkeit der Auffassung beides zusammen kann man als den Inhalt des Kunstwerkes ansehen verbinden sich bei unserem Dichter mit einer Kunst der Darstellung, welche ihm, obschon er nicht überall auf derselben Höhe steht, unter allen Dichtern des Mittelalters den ersten Platz sichert.

Die Aufgabe des vortragenden Künstlers, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu fesseln und zu befriedigen, ist für den Sänger schwerer zu lösen, als für den Erzähler. Jedes einzelne Moment einer zusammenhangenden Begebenheit trägt den Keim der weiteren Entwickelung in sich und hält dadurch die Zuhörer in Spannung. Dieser natürlichen Hülfe entbehrt die lyrische Kunst, zumal die eng umgrenzte Lyrik der ritterlichen Sänger. Die Verbindung verschiedener Lieder zu einem Cyklus, der den Verlauf eines Liebesverhältnisses darstellt (Leb. S. 257 f.), ist etwas der

1) Andere Reimerweiterungen mögen zufällig sein; s. W. Grimm, über Frid. S. 378 f.

2) Bartsch, Germ. 12, 175 f.

3) Bartsch, Germ. 4, 185.

4) Eine solche jûwezunge (Wackernagel, Altfrz. Lieder und Leiche S. 203) hat von den älteren Minnesängern nur Dietmar von Aist 38, 32. Kehrreim: Friedrich von Hausen 49, 37. Heinrich von Veldeke 60, 13. Albrecht von Johansdorf 90, 17. H. v. Rugge 101, 15. H. v. Morungen 143, 29 (130, 31).

epischen Handlung Ähnliches; aber die Entwickelung wird in die Empfindung gelegt, und die sinnliche Welt des Epos bleibt ausgeschlossen. Das balladenartige Lied zeigt sich erst in seinen Anfängen; nur in wenigen Stücken erzählt Walther;1 selbst die Schilderung des sinnlich wahrnehmbaren nimmt nur einen kleinen Raum in seiner Poesie ein.2 Und doch verfehlt seine Kunst nicht die Wirkung, sie ist lebendig für die Empfindung, klar für den Verstand, anschaulich für die Phantasie; sie erfreut im Einzelnen und im Ganzen.

1. Lebendigkeit und Unmittelbarkeit.
A. Anrede.3

Der frische Eindruck von Walthers Liedern beruht zum grofsen Teil auf dem persönlichen Verhältnis des Dichters zu seinen Zuhörern. Das Bewusstsein, dafs sie für den Vortrag vor der Gesellschaft bestimmt seien, blieb ihm auch bei seiner Arbeit lebendig, und gab ihr den wirksamen Schein der Unmittelbarkeit. Vor andern liebt er es seine Zuhörer anzureden, sei es dafs er sich an sie im allgemeinen wendet, sei es dafs er sie mit grösserem Nachdruck specialisiert (a), einzelne Kategorien (b) oder auch einzelne Personen anredet. Der Kollektivbegriff der Gesellschaft selbst wird ihm zur Person, die er mit dem umfassenden Wort werlt anredet (tumbiu werlt Jugend 37, 24. S. unten.). a. Ir reinen wip, ir werden man 68, 21; ir werden man, ir reiniu wip

81, 15.

=

b. hêrren unde vriunt 74, 10. nû râte ein ieglich friunt 27, 13. daran gedenket ritter 125, 1. hüetet iuwer, guoten wîp 102, 5. edeliu wîp, gedenkent 48, 35. Er redet ferner die Fürsten an 29, 15; die herren 83, 28. 32. die Ritter 125, 1. die Bischöfe und Pfaffen 33, 1; die jungen Leute 22, 32. 87, 1. 91, 17. 27.

1) Im Tagelied 88, 9; in dem Liede Under der linden 39, 11; in dem Tanzliede Nemt frouwe disen kranz 74, 20; in dem Gedicht Dô der sumer komen was 94, 11; in dem Spruche Mir hat hêr Gêrhart Atze etc. 104, 7. Dô gotes sun hie en erde gie 11, 18. Ich sach mit mînen ouyen 9, 16. 2) Ein Lied zur Feier des Frühlings 51, 13 vgl. 45, 37. 39, 1; eine Winterklage 75, 25. Magdeburger Weihnachtsfest 19, 5. Aufzug einer vornehmen Dame 46, 10. Kirchgang zweier Frauen 111, 17. Leibliche Schönheit der Frau 53, 25. Verstummen und Verwirrung vor der Geliebten 115, 22. 121, 24. Liebende Vereinigung 185, 11. Er schildert sich, wie er gedankenvoll auf einem Felsen sitzt 8, 4, am Rande des Baches etc. Die Gemälde sind meist wenig ausgeführt und halten sich in allgemeinen Zügen, aber die Züge sind gut gewählt und das Bild wird lebendig trotz seiner Allgemeinheit. Vgl. auch die allegorischen Darstellungen 26, 31. 31, 3. 37, 24. 103, 13.

3) S. Burdach s. v. Anrede.

Aus der Anrede darf man nicht immer auf die Gegenwart der betreffenden Personen schliefsen. Der Dichter redet den Papst an (11, 6) und die Kardinäle (33, 9), die Vöglein (111, 5), den verstorbenen Reinmar (82, 24), die personifizierten Begriffe der Minne, State, Unmâze, der weltlichen Lust, selbst den Opferstock (34, 14). Die Anrede ist eben ein rhetorisches Mittel, um dem Vortrag Farbe und Leben zu geben; und so darf man sie auch in den Minneliedern als künstlerische Form auffassen.1 Umgekehrt schliefst der Gebrauch der dritten Person nicht die Möglichkeit aus, dafs das Gedicht vor dem Bezeichneten gesungen sei, z. B. 105, 13 vor dem Kaiser,. 83, 27 vor hohen Herren.

Gewöhnlich drückt die Anrede der Zuhörer nur die Erwartung sympathischer Teilnahme aus, oder sie ist eine Mahnung, 'die Gedanken zu sammeln (s. unten S. 69), zuweilen aber enthält sie die Aufforderung direkter thätiger Teilnahme. Publikum soll prüfen und bestätigen, richten und entscheiden; s. Leb. 174; und vgl. ferner 92, 27 nû jehent, waz danne bezzer sî? 49, 2 diu merke disen sanc und kiese denne.

B. Beteuerung.

Das

Auf demselben Boden der Wechselwirkung zwischen dem Dichter und den Zuhörern entspringt auch die Beteuerung, die Versicherung, dafs eine Aussage wahr, zuverlässig, der Überzeugung gemäss sei.

Beispiele: dêswâr 20, 6. 32, 12. 83, 1. 105, 2. daz ist wâr 23, 12. dêst also 14, 7. dêst leider sô 90, 32. dêst ein ende 44, 28. 73, 13. dêst ein ende; ez ist alsô 74, 11. daz muoz eht alsô sîn, nû sî alsô 64, 37. ez muoz geschehen 59, 7.

ich weiz wol 92, 21. doch weiz ich wol 101, 35. daz weiz ich wol 73, 7. daz hab ich befunden wol 97, 25. ich enkan sîn anders niht verstân 57, 10. als ichz meine 61, 15. als ich mich verwæne 86, 4.

daz geloubet mir 112, 32. daz sol si vil wol gelouben mir 112, 22. sît gewis 28, 13. so wis gewis 23, 1. sicherlichen 113, 5. daz wizzet sicherlichen 13, 12. dêst sicher sunder wân 77, 11. sunder strît 96, 4. daz ist âne lougen 115, 37. al sunder lougen 101, 10.

1) Die zweite Person braucht Walther 42, 23. 49, 25. 50, 19. 51, 37. 70, 1. 96, 29. 112, 35 (Botenlied) und natürlich in den Dialogen. Viel häufiger die dritte Person: 54, 37. 59, 10. 61, 8. 63, 32. 64, 13. 65, 33. 71, 19. 35. 72, 31. 73, 23. 93, 20. 97, 34. 99, 6. 100, 3. 109, 1. 110, 13. 111, 12. 112, 3. 112, 17. 114, 23. 115, 6. 115, 30. 117, 8. 118, 12. 24. 119, 17. 120, 16. 25. Wechsel in der Anrede: 13, 33. 62, 6. 63, 8. 69, 15. (74, 20); auch in dem Dialog 70, 22 (vgl. Wackern. Vorr. S. XX).

Wilmanns, Walther v. d. Vogelweide.

116, 33.

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