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sophischen Nachdenkens aufgefaßt und verstanden werden kann. Dieser Grund schien dem Herausgeber entscheidend die Arbeit des Weifen, der ihm dieselbe, anvertraut hatte, einige Jahre verschloffen ruhen zu lassen, bis er sie, unter Verhältnissen die einer philosophischen Untersuchung günstiger wåren, den Denkern deutscher Nation zur Prüfung vorlegen fónnte.

Eine solche günstigere Periode scheint durch meh rere Zeichen sich anzukündigen. Die Gelehrten, welche noch vor kurzem, von den Leidenschaften der Zeit ergriffen, sich in ein Feld wagten, wo sie ihrer Unabhängigkeit im Gebiete der Wissenschaften entfagten, und im Gewirre des politischen Treibens dienstbar wurden, find wieder in den friedlichen Kreis selbstftändiger Ausbildung des Geistes zurückgetreten, und weihen der Beschäftigung mit Geisteswerken ihre Kräfte, die sie in einem, fremdem Willen unterworfenen Gebiete, zu verschwenden Gefahr liefen. Der Heitere Horizont literärischer Thätigkeit hat sich wieder ausgeschieben von der dunkeln Atmosphäre auswärtiger Stürme. Die Denker, welche das ewig ruhige Fundament des menschlichen Geistes zum Ge= genstande ihrer Betrachtungen machen, können wieder Gehör finden, nachdem die Publizisten, die nur die bewegliche Oberfläche des Lebens auffassen, schweigen müssen, oder sich zum Schweigen entschlossen haben.

Darum glaubt der Herausgeber, daß die Zeit gekommen sey, das ihm anvertraute Pfand der gelehrten Welt zu übergeben; ja, eine in diesen Tagen beherzigenswerthe Rücksicht fordert vielleicht diese

Schrift nicht länger unbekannt ruhen zu lassen. Eine Philosophie der religiösen Ideen scheint das Bedürfniß einer Zeit zu seyn, wo der Unglaube so unwissender, als unmoralischer Menschen, zwar von der Weltbühne verjagt ist; wo aber, einer Seits Aberglaube und Heuchelen die Stelle der Religion, die nur im Geißte und in der Wahrheit wirken kann, einzunehmen suchen, und anderer Seits ein vielleicht ehrlich frömmelnder Myftizismus, in einer Sphäre Wolken sammelt, wo nur das Licht glänzen soll. Dieser Myftizismus ift in Deutschland wenigstens, eine Krankheit der Zeit, von welcher selbft berühmte Männer angesteckt sind; jener durch Betrug sich wiederherstellende Aberglaube ist ein Verbrechen, das dadurch nicht moralisch wird, wenn auch in einem Zeitalter, wo die ehedem lebendigen Wurzeln des Aberglaubens nun vertrocknet sind, das Verbrechen nicht vollständig vollbracht werden kann.

Der Krankheit, wie dem Verbrechen, entgegen zu wirken, scheint das nachfolgende Werk die wesentlichen Bedingungen in sich zu vereinen. Der Charakter seines Urhebers kann dafür Bürge seyn. Der Verfasser war ein Mann, den die Natur durch eine eigene Richtung des Geißtes zum Denker bestimmt, und den sie zugleich durch eine große Innigkeit des Gemüths, mit geselligen Banden an die ethische Welt geknüpft hatte. So war er durch seine natürlichen Gaben geschüßt gegen Schwärmerey und Aberglauben, wie gegen die Kälte jenes Unglaubens, der mehr in einer fehlerhaften Organisation des Herzens, als in Stärke des Geiftes seinen Grund hatte, und

der, wenn sich Herrschsucht mit ihm verbindet, nur zu leicht zu dem Beßtreben führt, durch Betrug die Menschen sich zu unterwerfen. Die Natur hatte den Verfasser von diesen Verirrungen entfernt gehalten. Er besaß überdem ein erworbenes geistiges Ver mögen. Durch ernftes, gründliches Studium der klassischen Literatur des Alterthums, hatte er frühe seinem Geifte diejenige Ausbildung gegeben, welche durch Klarheit und Fülle eine sichere Waffe wird gegen Träumereyen roher, ausschweifender Einbildungskraft. Nicht weniger war er vertraut mit der åfthetischen und philosophischen Literatur der neueren civilisirten Völker: mit der Schärfe und Tiefe in den Werken der schönsten und erhabensten Geister Englands; mit der Kühnheit und viel verkannten Gemüthlichkeit der älteren Franzosen, eines Montaigne, Charron, Pascal, La Mothe Le Vayer, Bayle, 2c.; und der Geißt der Italiener, welcher dadurch nicht an Stärke und Reinheit verlor, daß er seine Richtung vorzüglich gegen Kunst und Poesie nahm, lehrte den Verfasser, daß die sinnig und finnlich schöne Darstellung auch den höchften Ideen nicht fremde seyn dürfe. Daß endlich unser Ver fasser auch die Kenntniß der Vorzüge deutscher Literatur in seiner geistigen Erziehung aufgenommen hatte, bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung; die flüchtigste Ansicht seines Werkes liefert dafür den Beweiß.

Es schöpfte aber Immanuel Lindner nicht blos in Büchern aus der Quelle des geistigen Lebens: auf seinen Reisen hatte er die Welt aus unmittelbarer

Anschauung kennen gelernt und mit vielen ausge zeichneten Männern seines Zeitalters innige Verbin dungen geschlossen. Unter den Deutschen waren Hamann, Scheffner, Hüppel, Kant, Jerusalem, Leffing, Herder, Jacobi, 2c. seine Freunde. Nichts war ihm fremde geblieben, was geiftig sich in seiner Periode hervorgethan hatte.

Ein solcher von der Natur begabter, durch Stu. dium und Leben ausgebildeter Geift beschäftigte sich ein halbes Jahrhundert lang mit den religiósen Ideen; und in der höchsten Reife, in einem weit vorgerückten Alter, das ihm jedoch nichts von der Frische und Fülle einer ewig jugendlichen Seele ge. raubt hatte, schrieb er die Resultate seines Nachdenkens nieder.

So entstand dieses Werk.

Eine solche Erscheinung verdient die Aufmerksam. keit des denkenden Publikums; sie verdient sie vor. züglich in unsern Tagen, aus den oben angegebenen Gründen.

Der Herausgeber darf also hoffen, daß die Gabe werde freundlich aufgenommen werden.

Doch wird die Ansicht des Verfassers mancherley Widerspruch von den Gelehrten erfahren. Denn die deutsche Philosophie vorzüglich, hat in unsern Tagen eine Richtung genommen, die durch Anspruch auf eine ausschließende Schule, jeder selbstständigen Ansicht das Bürgerrecht versagt. Der Herausgeber ist daher weit entfernt, eine ungetheilte Zustimmung zu erwarten. Er sagt sich, auch aus allgemeinen, von den Zeitumständen unabhängigen Gründen, von

einer solchen Erwartung förmlich los. Die Beschäf tigung des Geistes mit den religiösen Ideen ist ein Versuch das Unendliche zu erfassen; dieser Versuch selbst muß unendlich seyn und in jedem Zeitalter immer wieder erneuert werden, damit der ewig neue Geißt nicht unter dem veralternden Buchstaben erLiege. Die Harmonie, die von dem Gemüthe gesucht und vernommen wird, kann zulegt nur aus mannigfaltigen, d. i. verschiedenen Tönen hervorgehen. Wie der Genius eines musikalischen Künstlers diefelben Tóne in eine ihm eigenthümliche Verbindung bringt, aus welcher die Symphonie besteht: so ist es auch mit demjenigen Künstler, der die religiósen Tóne in der Tiefe der Menschenbrust, nach Anleitung feines Genius, hervorruft, und ihre Verbindung und Folge ordnet. Wer nur Eine solche Symphonie als die allein schulgerechte geltend machen will, hat die Unendlichkeit jener Tóne nie vernommen, und ift weit entfernt, ihre Natur zu ahnen... Jeder soll nach seinem eigenen Geißte das Unaussprechliche auszusprechen, das anerkannte Recht haben. So entsteht in conzertirenden Tönen der würdigste Hymnus, der das Lob des Höchften singt.

Mit solcher erhabenen, mit der Unendlichkeit vertrauten Unpartheilichkeit, wünscht dieses Werk aufgenommen zu werden.

Geschrieben im April 1825.

D. Fr. Ludwig Lindner.

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