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Den 31ften friegten wir die schon längst gewünschten 100 Vorspannpferde zu Fortführung der Bagage, und gingen noch an demselben Tage mit der ganzen Suite aus Riga. Sie bestand aus unterschiedenen Cavalieren und Bedienten, unter welchen vornemlich waren der Cammerjunker Hecklau, der Hofprediger Remarius, der Lieutenant von Bassewik, (welcher erst einige Tage vor Ihro königl. Hoheit Abreise in Riga von Lübeck zu Wasser angekommen war,) der Hofmei= fter Duwal, der Secretair Schwing vom geheimen Rath Hespen, und ich, nebft einem Pagen, einem Cammerlaquais, und andere Bedienten mehr.

Junius.

Den 2ten gegen Abend kamen wir zu Pernau an, allwo wir alle gleich fren Quartier kriegten, und weil uns unterwegens einige Wagen zerbrochen waren, die Nacht da bleiben mußten. Wir wurden alsobald bey dem ältesten Burgermeister zum Abendessen invitiret, allwo wir uns auch allerseits einstelleten. Ich traff in seinem Hause die Pferde von Ihro Hoheit, und vom Herrn geheimen Rath, mit den beyden Knechten, welche mit an demselben Tag, als Ihro Hoheit aus Riga reiseten, weggingen. Sie hatten sich dorten schon über 8 bis 10 Tage aufges halten, weil sie das Unglück gehabt, daß ihnen unterweges eines von den Kutschs pferden (welches der Herr geheimte Rath erst den Tag, wie er von Riga rei: fete, getaufet,) frank geworden; und da sie allezeit in Hoffnung gelebet, es würde sich bessern, so sind sie so lange dorten liegen geblieben, welches aber vers gebens gewesen, indem selbiges Pferd an dem Tage, als wir ankamen, crepirte. Ich ließ es den andern Morgen frühe drauffen vor dem Thor öffnen, weil mich der Schmidt darum ersuchte, ich auch selbsten curieur war, zu wissen, was dem Pferde gefehlet habe ? weil der Schmidt mir nicht zu sagen wußte, woran es eigentlich crepiret sen? allein ich ward nicht flüger, nachdem das Pferd geoffnet und besichtiget war; indem der Schmidt sich gar schlecht auf Pferde verstand; endlich fand man auf der linken Seite beym Vorder- Bügel ein Loch, welches durchs Fleisch durch und durch gegangen war, ohne das allergeringste an der Haut zu sehen. Ich fragte den Kutscher, ob er vordem auf der Stelle nichts Aufgeschwollenes gesehen, noch gemerket? Worauf er mir antwortete, er håtte sonsten nichts gespüret, als daß das Pferd zuleßt sich allezeit nach der Seiz te umgesehen, gleich als wenn es klagen wollte, daß es ihm da wehe thåte; weil man aber nichts daran sehen können, so hätte man es nicht geachtet. Einige meyneten, es müßte jemand ein Schelmenstück an dem Pferde ausgeübet haben; andere sagten, es wäre durch einen Stoß geschehen, als mit der Ecke eines Schu' hes, oder Stiefels, oder sonsten mit etwas Eckigem; kurz, das Pferd war todt, und das viele Untersuchen seines Todes umsonst. Des Mittags speiseten wir wies

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der allerseits bey dem Bürgermeister, indem wir es ihm hatten müssen den voris gen Abend zusagen. Nach der Mahlzeit setzten wir uns wieder auf die Wagen, indem alles zur Reise fertig war, und begaben uns wieder auf dem Weg, vore her aber befahl ich den Stallknechten, daß sie uns langsam nach Reval folgen sollten. Da mir aber der Burgermeister sagte, daß die Stallknechte ein Paar liederliche Kerle wären, auch überdem sich gar nicht mit einander vertragen tönnten, so befürchtete ich, daß durch ihre Unachtsamkeit noch mehrere Pferde auf den Lauf gehen mögten, und ließ also den Schreiber Christian Pehl ben ihnen zurücke, welcher aber bald abgelöset ward, indem er schon auf der nächsten Postirung einen von des Herrn geheimen Raths von Bassewiß Laquaien antraff, welcher bloß nach Pernau gehen sollte, um die Pferde abzuholen.

Den sten des Morgens frühe kamen wir allesammt frisch und wohl zu Reval an. Wir hätten solche Reise in weit kürzerer Zeit ablegen fönnen, wenn die Vorspannpferde nicht wären so schrecklich mitgenommen worden durch die schwere Bagage vom zarischen Hofe, und von Hunger, den sie leiden mußten auf den Postirungen, indem dorten nicht zulängliche Weide war für ein Paar hundert Pferde, insonderheit da die Vorspannpferde schon ben sechs Wochen auf den Postirungen gelegen hatten, wie wir famen, welches den dem Lande und den armen Baus ren nothwendig sehr viel Schaden muß gethan haben. Es waren alle 3 Meilen auf allen Abwechselungen zwen Cavaliere vom lande verschrieben, um den Zar, die Zarin, und Ihro Hoheit zu empfangen, und zu bewirthen; welche denn auch Ordre erhalten, so lange auf ihren Posten zu bleiben, bis unsere sämmtliche Bar gage paßiret seyn würde. Sobald ich nun zu Reval angelanget war, begab ich mich zu dem Herrn geheimten Rath von Bassewik, von wannen gegen Mite tag nach Hofe ging, und Ihro Hoheit gottlob frisch und wohl disponiret fand. Nach der Betstunde seßten sie sich an die Tafel, und ich begab mich in ein Nes benzimmer, um mit rechter Attention die beyden Waldhornisten, welche Ihro Hoheit aus Wien mitgebracht hatten, zu hören, weil sie des Mittags allezeit über Haltung der Tafel blasen mußten, welches aber ben meiner Zeit noch nicht geschehen, indem der eine in Riga krank gewesen war. Mit wie viel Verwuns derung ich nun die beyden Leute anhörete, solches ist nicht zu beschreiben; ich glaube auch nicht, daß des premier gleichen in der Welt ist. Ee gestunden auch alle, die ihn hörten, daß sie niemalen seines gleichen auf dem Waldhorn gehöret, an Delicatesse und schönen Manieren. Er accompagniret alle Instru mente mit seinem Horn, und hålt bis 85 Tacte in einem Othem darauf aus, welches etwas unvergleichliches anzuhören ist. Sie gehen auch in keiner Mundirung, und ein jeder hat jährlich 100 Ducaten, ohne die Uccidencien zu rechnen, welche sie noch hier und da machen können. Es hat der premier, welcher Johann Leutenberger heißt, vor 7 Jahren bey dem Herrn geheimen Rath Bassewiß einige € 3

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Jahre in Diensten gestanden, welcher sehr viel von ihm gehalten, und ihn ungern fahren gelaffen. Nachdem der Herr geheime Rath Bassewitz nun im Jahr 1720 wieder mit Ihro Hoheit nach Wien gereiset, und vernommen, daß er sich daselbst aufhalte, hat er gemacht, daß er mit einem Cammeraden in Ihro königl. Hoheit Dienste gegangen. Denselbigen Nachmittag, als des Morgens zu Reval angelanget war, kamen Ihro Hoheit zum Herrn geheimen Rath von Bassewiß, und fingen felbigesmal dorten ein Collegium an, welches Tostcollegium genannt ward. So bald als alle zu demselben Eingeladene versammlet waren, fing der Herr Etatsrath Stamle als Archivarius an die Puncte vorzulesen, (welche der Herr geheime Rath Bassewitz gemacht, und von Ihro königl. Hoheit genehmiget waren, zu Einrichtung eines ordentlichen Toftcollegiums,) und wir mußten insgesammt über einen jeden Punct insonderheit votiren; also ward kein Punct festgesetzet, der nicht die meisten Stim men hatte. Ihro königl. Hoheit der Herzog als Pråses hatten drey Vora, die Herren Ordinarii zwen, und die Herren Extraordinarii eins. Ordinarii wurden diejenigen genannt, welche mit dem Pråses das ganze Jahr hindurch sollten umgehen laffen, des Abends einen um den andern von dem Toftcollegio ben sich zu haben, und waren selbige der Herr geheime Rath Bassewitz, der Herr geheime Rath Hes pen, der Herr Conferenzrath Ahlfeld, der Herr Generalmajor Stenflicht, der Herr /Brigadier Kanzau, und der Herr Envoyé Stamfe. Extraordinarii wurden genannt Diejenigen, die nur alle Quartal einmal das Collegium ben sich haben, welches aber auch bey ihnen vom Mittag angehen sollte. Es waren selbige der Herr Obrist Corch, der Herr Obristlieutenant von Saldern, der Cammerjunker Hecklau, der Herr Cammerrath Negelein, der Herr Assessor Surland, und ich. Es ward aber beschlossen mehrere einzusehen, wenn sie der Sereniffimus Dominus Praefes und das ganze Collegium approbirten. Es ward in dem Collegio alles ordentlich fixiret, und darf niemand die Gebote ohne schwere Strafe übertreten. Es fånget selbiges an um ̊5 Uhr des Nachmittags, und darf nicht länger währen als bis eilf Uhr. Bis Glocke neun, als um welche Zeit man an die Tafel gehet, hat man völlige Freyheit, Taback zu rauchen, zu spielen oder zu spazieren. Die Speisen auf der Tafel sind einmal nominiret worden, und dürfen selbige nicht geändert werden. Zum Trin= ten darf man niemand forciren, noch das Geringste an einen Fremden sagen, was über der Tafel gesprochen wird, oder was sonst paßiret im Collegio. Lieutenant Bassewiß, welcher zwar nicht mit zum Collegio gehöret, erhielt doch Erlaubniß, für diesesmal mit im Collegio zu bleiben, und mit uns zu speisen, weil er sich eben beym Herrn geheimen Rath befand, als selbiges anging.

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Den 6ten ward zum erstenmal das Tostcollegium ben Hespen gehalten, und wurde ich bey dem Staatsbuchhalter Bluhm einquartieret mit dem Lieutenant Bassewiß. Es ward mir von ihm selbsten bey meiner Ankunft gleich anvertrauet, daß er des Herrn Oberkammerherrn von Röpstorf Vater Schwester-Tochter zur Frau

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hätte. Welches ich anfänglich nicht glauben wollte, sondern meynte, daß selbiger solches nur so vorgebe, indem ich nicht begreifen konnte, wie sie hieher gekommen? nachdem ich mich aber ben andern erkundigte, erfuhr ich, daß es gewiß sen, und daß! ihr Vater lange in liefland gewesen, auch nicht weit von Reval in einer kleinen Stadt als Kaufmann gewohnet habé, und daselbst gestorben sey.

Am 7ten bat mich der Wirth, in sein Zimmer zu kommen, und pråsentirte mir seine Frau, welche eine stille, sanfte Frau war, und nicht übel aussahe. Er hatte zwen oder drey Kinder mit ihr, und erzählete mir so viele Umstände von des Herrn Oberkammerherrn Familie, daß ich gnugsam merkete, daß seine Frau eine wirkliche Röpstorfen, und des Herrn Oberkammerherrn seine rechte Bater Schwefter Tochter war. Er ersuchte mich sehr, ihn zu sagen, wenn der Herr Oberkam merherr nachläne, indem er ihn endlich gern sprechen wollte, da ich ihm aber versicherte, daß solches noch selbst nicht wüßte, so bat er mich, ihn doch einmal zu dem Herrn geheimen Rath von Bassewiß zu führen, und ihn demselben zu präsenti= ren, welches ich ihm denn auch versprach zu thun, wenn er wollte. Ich sagte sol= ches noch an demselben Tage dem Herrn geheimen Rath von Bassewiß, welcher mich bat, ihn nur mit dem ehesten zu ihm zu bringen, und zu versichern, daß wenn er ihm worinn dienen könnte, daß er solches herzlich gerne thun wolle. Des Abends speiseten wir bey dem Herrn Conferenzrach Ahlefeld, (als bey welchem felbigesmal das Toftcollegium war,) und ich hatte die Gnade mit an der Tafel zu sißen.

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Den 8ten des Morgens, als ich ausgehen wollte, fragte ich meinen Wirth, ob er mit mir zu dem Herrn geheimen Rath gehen wollte? Er bedankte sich sehr, und sagte, es wäre ihm leid, daß er heute nicht die Ehre haben könnte mir zu folgen, indem seine Frau erst vor einigen Stunden entbunden sey von einer jungen Tochter, worüber ich mich sehr wunderte, indem ich nichts davon am vorigen Tage gemerlet hatte, als ich sie gesprochen. Des Abends war die ordinaire Gesellschaft bey dem Herrn Generalmajor Stenflicht, und wir waren recht lustig.

Den 9ten des Morgens frühe gingen zwey Wagen mit Bagage von Jhro Hoheit, und einer von dem Herrn geheimen Rath Bassewiß, voraus nach St. Petersburg, weil so wenig Pferde auf der Postirung waren, daß Ihro Hoheit selbige für ihr Geld miethen mußten, weil sie die Sachen nicht mit zu Waffer schicken wollten. Un demfelbigen Mittag waren Jhro Majestät der Zar bey den schwarzen Häuptern, allwo fie tractiret wurden. (Es bestehet dieses Collegium aus vielen jungen unverehlichten Kaufleuten und Gesellen, welche ein eigenes Haus mit vielen Raritäten, auch darben viele Privilegia haben sollen, weil sie in alten Zeiten dem Zaren Jwan Wasilowik burch häufige Ausfälle mit ihren Compagnien grossen Schaden gethan haben, und gemeiniglich alle fremde Herrschaften zu sich invitiren, die durchpaßiren). Ihro fonigl. Hoheit wurden gleichfalls vor einigen Tagen zu dem Fest, welches sie hielten, durch zwey Deputirte invitiret; da sie sich aber selbigen Tag sehr von Kopf

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schmerzen incommodiret funden, so liessen sie sich durch den Herrn Obrift Lorch excufiren, und gingen den ganzen Tag nicht aus ihrem Zimmer. So bald die Zarin folches vernahm, schickte sie gleich einen Cavalier zu Ihro Hoheit, und ließ verneh men, wie sie sich befanden? Un demselbigen Tag war ich vor dem Thor spazieren gegan= gen, und ward mir durch einen, der aus der Stadt mit mir ging, das Gutchen gezeiget, wo mein seliger Vater sich eine Zeitlang aufgehalten hatte, und war sol= ches ganz nahe ben der Stadt gelegen; auch sahe ich von weitem den neu angelegten Garten vom Kaiser, der Cathrinenthal heisset, und woselbst die zarischen Herr schaften wohnen, wie auch den nicht weit davon entlegenen Hafen der Flotte.

Den roten des Morgens frühe, als ich eben ben Hofe war, ward Jhro königl. Hoheit Wache abgelöset, nachdem selbige 8 Tage auf der Wache gestanden; sie bestund aus einen Lieutenant mit 40 Mann, einige Unterofficiers und einem Tambour, in Riga aber hatten Ihro Hoheit ben meiner Zeit nur 2 Grenadiers.vor Des Nachmittags, ba ihrem Zimmer, und 2 Musquetiers vor der Hausthür. alles zu meiner Reise präpariret hatte, nachdem ich lieber mit den Pferden zu Lande, als zu Waffer mit der Bagage gehen wollte, da ich mich seit meiner lega ten Wasserreise aus Schweden sehr vor dem Wasser scheuete, und also die be= schwerliche Landreise mit den Pferden der andern vorjeg: so ging hinauf nach Ihro fönigl. Hoheit, um zu vernehmen, ob sie noch etwas nach St. Pe= tersburg oder Narva zu befehlen håtten? welche mir aber sagten, sie würden vermuthlich bald selbst aufbrechen, und hofften also noch vor mir zu St. Pe tersburg zu seyn; und da Ihro Hoheit an denselben Tag das Tostcollegium bey sich hatten, welches der Envoyé Stamke hätte haben sollen, wenn er nicht den voris gen Tag mit dem Cammerjunker Hecklau (als welcher mitgegeben war, um die Quartiere in St. Petersburg zu bestellen,) wåre voraus weggegangen: so befah.. len mir Ihro Hoheit, noch einige Stunden zu bleiben, um der Annehmung oder vielmehr Einführung des Herrn Obristen Tiesenhausen in unser löbliches Tostcollegium mit benzuwohnen; welche ohngefähr auf folgende Art geschahe. Ich, als jüngster Extraordinarius mußte ihn empfangen, und bis ins Zimmer begleis ten, allwo er das sämmtliche Collegium zur Rechten und Linfen rangiret fand, und sogleich von dem Sereniffimo Domino Praefide ben der Hand nach dem ans bern Zimmer geführet ward, wo so viele Stühle als Perfonen im Collegio waren, rangiret stunden, nebst einem Tisch mit Papier und Federn, wie auch mie einer Bouteille Wein, und mit einem Deckelglase: vorher aber gingen wir allerseits zwey und zwen vor ihm her, und stelleten uns auf unsere ordinaire Plå= ße. Oben an stund allein der Lehnstuhl, in welchen sich Ihro königl. Hoheit sehten, und uas andern gleichfalls winkten, uns niederzulassen, der neue Ordinarius aber mußte ben des Herrn Stuhl stehen bleiben; der Affeffor Surland, als Vice- Archivarius, mußte auch auf seiner Stelle so lange stehen bleiben,

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