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Nahen des jüngsten Tages.

K. Simrock's Ueberseßung.

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Nun wachet AW! Es naht der Tag,
Vor dem die Welt erzittern mag,

Die Christenheit, die Juden und die Heiden.
Viel Zeichen wurden ausgesandt,

Daran wir seine Näh' erkannt,

Wie uns die Schrift untrüglich kann bescheiden.

Die Sonne hat den Schein verkehret,

Untreu' den Samen ausgeleeret

Allwärts über Feld und Nain.

Der Vater bei dem Kind Untreue findet,

Der Bruder seinem Bruder lüget,

Die Geistlichkeit in Kutten trüget,

Statt Gott der Menschen Herz zu weihn.

Gewalt siegt ob, des Rechtes Ansehn schwindet:

15 Wolauf! hier frommt nicht müffig sein.

II. Freidank.

Zu den nachfolgenden Sprüchen Freidank's glaube ich keine bessere Einleitung geben zu können als den Anfang von Wilh. Grimm's Selbstanzeige *) seiner vortrefflichen Ausgabe: Vrîdankes bescheidenheit. Gött. 1834. 8.

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‚Als Kaiser Friedrich II. nach langem Zaudern, endlich gegen den Willen des Papstes, im Jahre 1228. den kurzen aber merkwürdigen Kreuzzug unternahm, befand sich unter seinem Gefolge ein höfischer Dichter, den die Sehnsucht das heilige Grab zu sehen, vielleicht auch Vasallenpflicht, bewogen hatte sich anzuschließen. Nachdem der Kaiser, bei an sich geringen Mitteln und durch den Bannstrahl des erzürnten Papstes ge= lähmt, einen in jedem Falle günstigen, nur durch die seltsam verwickelten Umstände erklärbaren Frieden schnell und unerwartet abgeschlossen hatte, eilte er nach Jerusalem, wo er die neu erworbene Krone sich selbst auf's Haupt sezte. Während dieser Abwesenheit des Kaisers verfaßte der zu Ackers oder Ptolemais zurückgebliebene Dichter, der sich selbst VRIDANC_ nennt, ein Gedicht, dem er den Titel BESCHEIDENHEIT gab. Dieses Wort bezeichnete damals so viel als richtige Einsicht und Beur

*) Gött. gel. Anzeigen 1835. S. 402 ff.

theilung der Dinge, also etwas ganz anderes als was wir heutzutage darunter verstehen, so daß unsere modestia dabei nicht. ins Spiel kam, obgleich man einsicht, wie sie aus jenem Begriffe sich entwickelte, indem sie billigerweise immer die Folge davon sein sollte. Freidank gedenkt der historischen Ereignisse, von denen er Zeuge war, und sein Gedicht ist auch in dieser Beziehung dem Geschichtforscher von Werth: er schildert Syrien, und spricht über Rom auf eine Weise, daß man glauben muß, er habe auf der Hinfahrt dort verweilt, denn seine Aeußerungen verrathen eigene Anschauung. Indessen macht den eigentlichen Haupttheil seines Gedichtes, das von mäßigem Umfange ist (es beträgt in gegenwärtiger Gestalt noch nicht 5000 Verse), eine Betrachtung von dem geistigen Zustande seiner Zeit aus, ein Weltspiegel, in welchem die verschiedenen Stände von dem Papste und Kaiser bis herab zu den Knechten, die öffentlichen und häuslichen Verhältnisse, der religiöse Glaube, Tugenden und Laster, in mannigfaltiger Abwechselung berührt und dargestellt werden. Allein es sind nicht Aussprüche individueller und. einseitiger Betrachtung (die wir von diesem Dichter auch mit Dank hinnehmen würden), sondern die Ausfüllung des Werkes besteht großentheils aus den dem ganzen Volke zugehörigen Sprichwörtern, die frisch und lebendig, frei und geistreich, häufig mit Anmuth und Zierlichkeit ausgedrückt werden. Wir besigen also zugleich eine Blumenlese von Sprichwörtern, wie sie im Anfange des 13. Jahrh. vorzüglich im südlichen Deutschland gäng und gäbe waren, oder, wenn man will, eine Popularphilosophie, die freilich ohne System und wissenschaftliche Consequenz ist, aber doch von der Einheit zusammengehalten wird, die in der eigenthümlichen und lebensvollen Bildung jenes Zeitalters lag. In der Einleitung habe ich untersucht, ob und in wie weit Freidank etwas von dem Seinigen hinzugethan habe. Meiner Ansicht nach ist er auch in dieser Hinsicht auf die beste und natürlichste Weise, gerade so wie ein Dichter muß, zu Werke gegangen, ich meine, wir besißen zwar alte und älteste Ueberlie

ferung, allein der Dichter hat sie als freies Eigenthum betrachtet, und dem empfangenen Gedanken das Siegel des eigenen Geistes aufgedrückt.“

,,Ein Gedicht dieser Art mußte bei der verschiedensten Ge= sinnung Anklang finden, und die Zeugnisse, die ich zusammengestellt habe, bewähren, in welchem Ansehen es durch das ganze 13. Jahrhundert stand. Es wurde nicht bloß gepriesen, auch einzelne Sprüche wurden dorther geholt. Hugo von Trimberg am Schlusse des Jahrhunderts rühmt es dankbar; Boner im 14. Jahrh. verschweigt die Quelle. Fortdauer durch die folgende Zeit beweisen die vorhandenen Papierhandschriften. In dem 16. Jahrh. ward es durch eine trocken moralische Ueberarbeitung von Sebastian Frank der herrschenden Gesinnung näher gebracht, und in dieser Gestalt in einem Zeitraum von 75 Jahren nicht weniger als siebenmal aufgelegt. In dem nächstvergangenen Jahrhundert erkannten Leffing und Herder seinen Werth, und der Abdruck in der Müllerschen Sammlung half zwar dem nächsten Bedürfniß ab, erschwerte aber durch den schlechten, häufig verderbten Text die Einsicht in die wahre Gestalt und den wahren Werth des Werkes. Daß die gegenwärtige Ausgabe dazu beitrage, es wieder in seine alte Würde einzusehen, darf ich wünschen, ohne dieses Erfolges gewiß zu sein. Zwar bei den Kennern der altdeutschen Literatur wird es an Theilnahme nicht fehlen, und die genügt einstweilen, ob aber auch andere, welche das Mittelalter zum Gegenstande ihrer Studien gemacht haben, und wohl zu thun glauben, wenn sie an seinen Denkmälern vorübergehen, sich mit einiger Geneigtheit zu dieser Quelle herablassen wollen, mag dahin gestellt bleiben, und läßt sich ruhig erwarten. Zu academischen Vorlesungen scheint mir Freidank, eben weil er so unmittelbar zur Anschauung seiner Zeit hinleitet, besonders geeignet.“

Ob der Dichter der Bescheidenheit den Namen Freidank wirklich führte oder nur angenommen hatte, ist bis jetzt nicht

ermittelt worden. W. Grimm hält Freidank und Walther für Eine Person. Darüber ist zwischen ihm und Gervinus ein Streit entstanden, s. Gervinus, Vorrede zum 1. Th. der ersten Ausgabe seiner Geschichte der poet. National-Litt. und Heidelb: Jahrbücher 1835. S. 902 ff., und W. Grimm, Gött. gel. Anzeigen 1835. St. 41–43. und in Haupt's Zeitschrift 1, 30-33.

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