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Burcard Waldis.

Vom Knaben und einem Stieglik.

2. Buch 72. Fabel.

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Es hätt ein Knab ein Stiegliß g'fangen,
Im Kevit an ein Fenster g'hangen,
Zuleht der Stieglit fand ein Loch,

Da kroch er naus, er rief ihm noch

Und sprach: was Unglücks hat dich troffen,
Drum daß du bist hinausgeschloffen,
Hab dir doch alles gnug gegeben,
Davon die Stiegliß mögen leben?
Ich bitt dich, komm doch wieder rein !
Der Stieglig antwort ihm, sprach: nein,
Hie leb ich frei und unverzagt,

If wenn mirs, nicht wenn dirs behagt.

Die Freiheit ist ein edel Kleinat,
Dasselb weiß niemand der sie hat.
Wer sie aber einst thut verliesen,
Den Tod sollt lieber dafür kiesen.
Dem Gfangnen ist kein Armer gleich;
Wer frei ist, hat ein Königreich.

2. Revit, Käfich, cavea; im 15. Jahrh. ¡tefet, f. Schmeller 2,285. 4. noch, nach. 16. tiesen, wählen.

Burcard Waldis.

Von einer römischen Reise.

4. Buch 24. Fabel.

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Einsmals gedacht zu werden fromm
Und zog aus Deutschland hin nach Rom,
Doch ward ich auf der Reis nit bieder,
Trug Zwiebeln hin, bracht Knobloch wieder;
Denn das ist je ein alte Weis,

Wie jeder solches selb wol weiß,

Wer da gewest darf mans nit sagen:
Zu Rom holt man ein bösen Magen,
Ein leeren Säckel, bös Gewissen,
Und wird gar oft ums Geld beschiffen.
Da ging ich in das deutsche Haus
Und fodert den Patron heraus.
Ein jung Gesell kam ausher gahn
Und sah mich an der Thüren stahn,
Grüßt mich und bald fragen begunnt,
Wie es in deutschen Landen stund.
Ich thät ihm Bricht von allen Sachen,
Und gunnten weiter Kundschaft machen,
Zulegt gab sich zu'rkennen mir,
Wie daß er einr von Haustein wär,

1. gedacht, năml. ich. 18. gunnten, begannen.

10. befchiffen, betrogen.

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Waren beid alte Schulgesellen,
Da thät er sich zwar freundlich stellen.
Wie ich mein Sach hätt ausgericht,
Sprach er: heut wölln wir scheiden nicht,
Führt mich und mein Geselln nit fern
Am Campoflor in ein Tabern,

Um Zeigers acht am Morgen fruh
Ohngefähr kam noch ein Gsell dazu
Ein Preuß, so ich mich recht bedenk,
Der hieß Achaci von der Trenck.

Er ließ bald Speis und Brot auftragen
Und nach dem besten Cursa fragen.
Wir segten uns, ich schmeckt den Wein.
Bald kamen auch zween Mönch herein
Und sprachen: Bon profag Missier!
Möchtn wir ein Juli oder vier
Verzehrn in euer Companei ?
Achaci sprach: segt euch herbei.
Zwei Weiber folgten auch den beiden,
Welche die Mönch hätten bescheiden,
Die sehens bei sich an die Seiten,
Wie sichs gebührt ehlichen Leuten.
Das Gmach war offen, breit und weit,
Saßen umher mancherlei Leut.

Zulegt gunnt fie der Wein zu b’wegen,
Der alte Adam wollt sich regen,

Und sah soviel der groben Possen,
Daß ich zuleht ward gar verdrossen,
Gedacht: es ist allhie zu Rom,
зи

Da sollten je die Leut sein fromm;
Dazu sein dies geistlich Person,

Die sollten je dasselb nit thon,

22. zwar, fürwahr.

Corfika.

euch.

32. Cursa vermuthlich corso Wein aus 35. Bon profaß buon prò vi faccia, wohl bekomm es 36. Juli.? 47. sah, näml. ich. 52. thon, thun

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Han vor den Leuten keine Scheu,

Und sprach: nun will ich auf mein Treu
Hingehn und lassens so geschehen,

Ich mag die Schand nit läng ansehen,
An ihrer Sünd kein Theil nit han.
Da antwort mir ein Edelmann,

Der mich daselben hätt geladen,
Sprach: sigt, es ist euch ohne Schaden.
Wo ihr wollt bleiben lang zu Rom,
Müßt euch nit stellen allzu fromm,
Und euer Ehr so sehr nit schonen,
Ihr müßt des Landes Weis gewohnen!
Habt ihr eur Tag von Rom nie ghort,
Wie man sagt im gmeinen Sprichwort,
Daß eim zu Rom kein Sünd nit schad
Allein so er kein Geld nit hat,
Das ist die allergrößte Sünd,
Welch nit der Papst vergeben künnt.
¶ Sie magstu merken wie gar fein,
Wie schön, wie züchtig, keusch und rein
Ist zu Rom der Papisten Leben,
Schlangen möcht man damit vergeben,
Noch dörsen sie sich Gottes rühmen

Und mit der Schrift ihr Sach verblümen. ic.

53. han, haben. 56. lång, länger, f. zu Horae belg. 3, 142.

Burcard Waldis.

Vom Fuchs und dem Habich.

4. Buch 44. Fabel.

Der Fuchs zu einem Habich sprach:
Ich bitt dich, sag, was ist die Sach,
Daß du die arm einfältig Tauben

So feindlich thust allzeit hinrauben? 25 ml
5 Er sprach: ich bin zum Richter g'setzt, er
Mein krummen Schnabel drauf gewegt,
Daß ich die Bösen soll durchächten,
Und die Gerechtigkeit verfechten,

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Auf daß mit Frieden sein die Fromen; ·
Sie freffen auf dem Land den Samen,
Als Weizen, Erbeis, Wicken, Lein,

Drum muß man sie so treiben ein.

Er sprach: warum strafft nit die Rappen,
Den Weihen, Adlar, Geir und Trappen,
Die han viel größern Schaden than

Und läßts unschuldig frei hingahn?

Nein, sprach der Habich, sie sein mir z'hoch:
Wenn ich denselben stellet noch,

Solltens gar bald zusammen rücken

7. durchächten, verfolgen.

1, 101.

13. Rappen, Raben.

11. Erbeis, Erbsen Schmeller

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