Aus: Vesuvius, 1633. Das bürgerliche Schwert Hat Deutschland durch und durch nunmehr fast aufgezehrt ; Man hat den schönen Rhein gelehrt gefangen fließen, Die strenge Donau selbst in neues Joch gerissen, Die Elbe roth gefärbt (wer ist, der nicht bereut Die arme Stadt darbei!); dem Deean gedräut, Der alten Freiheit Band und Ketten angeleget, Der Freiheit, welche sich ein wenig kaum noch reget, Und doch um Hülfe ruft. Ost, West und Mitternacht Hat für und wider uns die Waffen aufgebracht Und uns und ihm gekriegt. Ach! Brüder, sollen wir das Schwert je ferner wezen, An Deutschland. Der poet. Wälder 4. Buch Nr. 22. (wahrscheinlich vom J. 1636., ward 1637. für die Oeffentlichkeit bestimmt, erschien aber erst nach des Dichters Tode 1644.) Auf, auf, wer deutsche Freiheit liebet, Der Schein, den Mancher von sich giebet, Wann Fug und Ursach ist, zu brechen, Laß die von ihren Kräften sagen, Der muß nicht eben allzeit siegen, Und der mit redlichem Gewissen So vieler Städte schwache Sinnen, Was kann der stolze Feind dir rauben? XII. Georg Rudolf Weckherlin. Er war zu Stuttgart 1584. geboren. Als im Jahre 1620. zu London eine deutsche Kanzlei errichtet wurde, um mit Kaiser und Reich zu correspondieren, ward Weckherlin bei derselben angestellt. Seit dieser Zeit lebte er in England. Von dort aus besorgte er zwei Ausgaben seiner Gedichte 1641. und 1648. Er starb wahrscheinlich 1651. Weckherlin bewahrte sich auch im fremden Lande die innigste Liebe für sein Vaterland, und unter den Reizen und Lockungen des Hoflebens eine edlere Gesinnung, als sie bei den meisten seiner Zeitgenossen vorausgesetzt werden darf. Er nahm in weiter Ferne an dem unglückseligen Kampfe der Parteien in Deutschland lebendigen Antheil, und sprach sich so unverholen aus, daß niemand zweifeln durfte, für welche Partei der Dichter in seinen Liedern auftrat und stritt. Man würde jedoch zu weit gehen, wenn man ihn nach diesen wenigen freiheitsathmenden Ergüssen für einen durchaus vorurtheilsfreien, freisinnigen Mann halten wollte. Er stand in den Erbärmlichkeiten seiner Zeit so mitten drin, daß auch er nicht davon unberührt blieb. In der Vorrede zum 2. Theile seiner Gedichte entschuldigt er sich wegen seiner Liebeslieder, die er geile Stücke, nennt, aber er bittet nicht um Verzeihung, daß er in so vielen Gelegenheitsgedichten gro Ben Herren seine poetische Aufwartung machte*), ja er verlangt sogar,,,daß ein Poet so schön und zierlich schreiben foll, als die Götter dieser Erden, große, weise und gelehrte Fürsten und Personen zu reden pflegen." Er stand aber als gelegenheitlicher Lobhudler nie so tief als die meisten seiner dichtenden Zeitgenossen; er hatte doch wenig= stens noch eine Ahndung von dem höheren Berufe der Poesie, wovon sich bei jenen nie eine Spur vorfindet; er spricht es doch selbst einmal aus, was andere vielleicht nie zu denken wagten: ! Es findet sich in meiner Brust Doch gar kein Lust, mit frechen Händen Ich will nicht, ja ich kann auch nicht Ein liegend schweres Lob hersingen. Diese ehrenwerthere Gesinnung, die Weckherlin nur mit wenigen Dichtern der damaligen Zeit gemein hat, ist die schönste Seite an ihm, die auch forthin anerkannt bleiben wird. In jeder anderen Beziehung ist er immer überschäßt worden **). Sein Streben, deutsche Dichtung emporzubringen, war *) Bouterwek bemerkt sehr hübsch:,,Aber gerade solche Enkomien in Versen empfahlen sich damals dem deutschen Publikum, das seine gro= Ben Herren nicht genug ehren zu können glaubte." ***) So auch noch von Wilh. Müller in seiner Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrh. 4. Bdch. S. XX-XXII. · |