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Erster Teil.

Das Wesen und die Aufgaben

der nationalökonomischen

Wissenschaft.

CALIFORNIA

1. Kapitel.

Der Gegenstand der nationalökonomischen
Wissenschaft.

Die erste Frage, die sich demjenigen aufdrängt, der an das Studium einer Wissenschaft herantritt, ist die: mit welchen Gegenständen hat diese Wissenschaft sich zu beschäftigen, was ist ihr Objekt, ihr Forschungsgebiet? Wir müssen daher an den Beginn unserer Einleitung die Frage stellen: womit beschäftigt sich die Wissenschaft der Nationalökonomie oder die Volkswirtschaftslehre ? - Volkswirtschaftliche Fragen interessieren nicht nur den engeren Kreis der Vertreter der Wissenschaft, sondern werden auch in der breiteren Öffentlichkeit weithin besprochen. Was volkswirtschaftliche Probleme und Fragen sind, weiß jeder Zeitungsleser und jeder Politiker. Ich greife eine Anzahl solcher volkswirtschaftlicher Fragen in buntem Durcheinander heraus: Aus welchen Ursachen läßt sich die sogenannte Teuerung oder der außergewöhnlich hohe Preisstand vieler Waren in den letzten Jahrzehnten erklären? Welche Entwicklung hat die Höhe des Zinsfußes in neuerer Zeit genommen? In welchem Umfang läßt sich eine Tendenz zur Konzentration zu Großbetrieben im wirtschaftlichen Leben behaupten? Ich könnte diese Liste beliebig verlängern, wenn ich nur die aus der täglichen Zeitungslektüre bekanntesten Gegenstände dieser Art aufzählen wollte. Was ist es aber, was allen diesen Einzelfragen gemeinsam ist? Wie ist das gesamte Gebiet aller dieser Probleme so abzugrenzen, daß die einzelnen Gegenstände des Forschens zu einem großen einheitlichen Wissenschaftsgebiet sich inhaltlich zusammenfügen lassen? Wir beantworten diese Frage nach einem doppelten Gesichtspunkte: einmal nach einem sachlichen und dann nach einem formalen Gesichtspunkte.

1. Der Gegenstand der Nationalökonomie vom Gesichtspunkt des sachlichen Inhalts.

Von welchem Gebiete des menschlichen Lebens sprechen wir, wenn wir wirtschaftliche Probleme behandeln? Was ist das Zentralphänomen, um das sich alle einzelnen Fragen, wie die nach Geld und Geldeswert, nach Arbeitslöhnen und Kartellen, nach den Ursachen der Teuerung und der Erklärung von Handelskrisen gruppieren, die im einzelnen verschiedenartig sind und dennoch zu einem

K. Diehl, Nationalökonomie I. 2. Aufl.

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großen Gebiete menschlicher Erkenntnis gehören? Was ist das Kriterium der wirtschaftlichen Erscheinungen im Gegensatz zu anderen Erscheinungen des menschlichen Lebens? Wir antworten: Es ist die Sorge um die Güter, die die Menschen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gebrauchen. Auf einen kurzen Ausdruck gebracht, würde als Gegenstand der nationalökonomischen Forschung zu bezeichnen sein: die auf Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichtete Tätigkeit der Menschen. Der Existenzgrund der nationalökonomischen Wissenschaft ist, daß die Menschen Bedürfnisse aller Art haben, die sie befriedigen müssen oder befriedigen wollen, von den einfachsten Existenzbedürfnissen bis zu den feinsten Luxusbedürfnissen hinauf und daß sie zum Zweck dieser Bedürfnisbefriedigung arbeiten müssen. Es ist Aufgabe der nationalökonomischen Wissenschaft, diese Seite der menschlichen Tätigkeit zu erklären. Dabei müssen wir auf das Wort Tätigkeit in unserer Definition Nachdruck legen. Brauchten die Menschen nicht zu arbeiten, sich nicht anzustrengen, um die Güter zu erlangen, die der Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, dann gäbe es auch keine nationalökonomische Forschung. Denken wir uns das Märchen vom Schlaraffenland verwirklicht, so daß alles, was wir Schönes und Gutes verlangen und haben möchten, uns mühelos in den Schoß fällt. In einem solchen Märchenlande wäre Raum für alle möglichen Wissenschaften und Künste, für Astronomie, für Kunst, Literaturgeschichte u. a., kein Platz aber für die nationalökonomische Wissenschaft. Denn was brauchten sich die Menschen um die Probleme zu kümmern, auf welchem Wege sie mit Gütern aller Art versorgt werden können, wenn sie mühelos und ohne Zutun ihrerseits ihnen zufallen?

Wir können dies auch anders ausdrücken, indem wir einen nationalökonomischen Begriff, den wir später noch erläutern werden, vorwegnehmen.

Wären alle Güter freie Güter, d. h. in beliebiger Menge jedem frei zugänglich, so fiele jede Existenzmöglichkeit einer nationalökonomischen Wissenschaft fort. Darum haben wir in unserer Begriffsbestimmung hinzugefügt: die auf Bedürfnisbefriedigung gerichtete Tätigkeit der Menschen. Käme diese ganze menschliche Betätigung in Fortfall, so würden auch die daraus sich ergebenden Probleme wegfallen; der Mensch wäre in wirtschaftlicher Hinsicht ein rein passives Wesen und man könnte sich darauf beschränken, zu zeigen, was alles die gütige Mutter Natur in dieser denkbar vollendetsten Weise den Menschen bereit gestellt hat.

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In vielen Lehrbüchern der Nationalökonomie wird die Begriffsbestimmung dahin verengert, daß man sich beschränkt auf die sogenannten materiellen Bedürfnisse. So heißt es z. B. im Conradschen,,Grundriß": .,,. . . . Die Wissenschaft, welche Ursache und Wirkung in den Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens eines Volkes festzustellen, sie als Ganzes aufzufassen und im organischen Zusammenhange zu begreifen sucht, soweit es sich um die Sorge für die materiellen Bedürfnisse handelt, ist die Volkswirtschaftslehre oder Nationalökonomie"). Es wird dann erklärt, unsere Wissenschaft habe es nur mit der menschlichen Tätigkeit zu tun, soweit sie sich auf Befriedigung materieller Bedürfnisse richtet2). Wir können dieser Auffassung nicht zustimmen. Ganz abgesehen davon, daß es schwer fallen dürfte, das Gebiet der sogenannten

materiellen Bedürfnisse von den sogenannten höheren, geistigen oder immateriellen Bedürfnissen abzugrenzen, wäre die Einschränkung auch sachlich nicht gerechtfertigt. Auch die Befriedigung der höheren oder immateriellen Bedürfnisse ist mit der Inanspruchnahme materieller Güter eng verbunden. Nehmen wir z. B. das religiöse Bedürfnis. Gewiß, der Andächtige, der das Bedürfnis hat, zu Gott zu beten, braucht hierzu keinen Aufwand materieller Güter. Insoweit würde die Befriedigung des religiösen Bedürfnisses außerhalb der wirtschaftlichen Betrachtung stehen; aber sobald Tempel und Kirchen gebaut werden müssen, ist ein Aufwand materieller Güter notwendig und insoweit wird auch dieses immaterielle Bedürfnis wirtschaftlichen Charakter bekommen. Das Bedürfnis nach Kunstgenuß der Menschen kann kaum befriedigt werden, wenn nicht auch ein Aufwand an materiellen Gütern man denke an die Hilfsmittel der Maler und Bildhauer - stattfindet. Kurz, das gesamte Bedürfnisleben der Menschen kommt in Frage, soweit es sich nicht um eine rein innerliche Befriedigung handelt. Auch die höchsten geistigen und immateriellen Bedürfnisse erfordern einen gewissen Aufwand an Gütern der Außenwelt, machen Arbeit und Kosten nötig, erhalten hierdurch wirtschaftlichen Charakter.

2. Der Gegenstand der Nationalökonomie unter dem Gesichtspunkt seiner formalen Abgrenzung.

Das sachliche Kriterium, das auf Bedürfnisbefriedigung gerichtete Leben der Menschen, ist allein nicht genügend, wenn wir das Gebiet unserer Wissenschaft richtig abgrenzen wollen. Es kommt noch ein wichtiges formales Kriterium hinzu. Wenn, wie wir gesehen haben, die Volkswirtschaftslehre die auf die Bedürfnisbefriedigung gerichteten menschlichen Betätigungen zu erforschen hat, so wäre es durchaus falsch, dies als eine menschliche Angelegenheit in dem Sinne aufzufassen, als ob wir von den Bedürfnissen des einzelnen Menschen auszugehen hätten, also von seinem Nahrungsbedürfnis, Kleidungsbedürfnis usw.,,Der Mensch hat Bedürfnisse aller Art", so lautet der Anfang manches nationalökonomischen Lehrbuches und doch würde damit der Ausgangspunkt unserer Disziplin in keiner Weise richtig bezeichnet sein. Der einzelne Mensch mit seinen rein physischen Bedürfnissen und Trieben interessiert den Nationalökonomen nicht; das Einzelindividuum mit seinen körperlichen Bedürfnissen ist ein Objekt für die naturwissenschaftliche und medizinische Forschung, aber niemals für die Volkswirtschaftslehre. Für unsere Wissenschaft sind nur die in Gemeinschaft lebenden Individuen von Bedeutung; erst wenn die Menschen sich zu einer Gemeinschaft zusammenschließen, wenn eine größere Anzahl von Menschen in Horden, Sippen und Stämmen usf. bis herauf zu den höchsten Organisationen unserer modernen Staaten organisiert ist, bilden sie den Gegenstand volkswirtschaftlicher Forschung. Wir können dies auch so ausdrücken: nur als soziale Erscheinung, nie als Individuum hat der Mensch für uns Bedeutung. Der Name Sozialwirtschaftslehre statt Nationalökonomie bringt dies zum Ausdruck und wird auch bereits häufig als Bezeichnung für unsere Wissenschaft gebraucht. In der Tat weist diese Benennung in prägnanter Weise darauf hin, daß wir nur die soziale Wirtschaft,

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