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dem naturrechtlichen Ausgangspunkt der Physiokraten unter Hinzufügung von Ideengängen englischer und schottischer Philosophen dem sogenannten System der natürlichen Freiheit gemäß für möglichst freiheitliche Wirtschaftspolitik eintrat, so schwer ist es, die Stellung zu kennzeichnen, die Smith als Wirtschaftstheoretiker einnimmt. Bei den Physiokraten waren Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, wie wir gesehen haben, aus einem Guß. Ihre Wirtschaftstheorie ging von dem natürlichen Überschuß aus, den die landwirtschaftliche Produktion ergeben soll; hieraus wurde das ganze System der Produktion und Verteilung der Güter abgeleitet. Eine derartige einheitliche Wirtschaftstheorie finden wir bei Smith nicht. Wohl hat er, wie wir gesehen haben, vereinzelte Ansätze zu einer,,natürlichen" Preislehre, aber indem er die Arbeit im allgemeinen im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Arbeit als die Quelle des Volkswohlstandes bezeichnete und die Arbeitsteilung als das natürliche Förderungsmittel dieses Reichtums ansah, hat er keineswegs aus diesem Arbeitsprinzip in systematischer Weise eine einheitliche Wirtschaftstheorie deduziert. Dies blieb erst späteren Nationalökonomen vorbehalten. Im Gegenteil wird man sagen müssen, daß seine theoretischen Ausführungen über Wert und Preis, über Lohn, Zins, Rente usw. voll von Widersprüchen sind, und jeder Schärfe und Klarheit entbehren. In dieser Hinsicht ist Smith hinter den Physiokraten zurückgeblieben. Die alte Streitfrage, ob Smith ein induktiver oder ein deduktiver Forscher gewesen sei, ist dahin zu entscheiden, daß er überhaupt keine konsequente Durchführung weder der einen noch der anderen Methode vorgenommen hat. Neben abstrakten Gedankengängen, die in der Ableitung aus allgemeinen Prämissen bestehen, findet sich bei Smith eine ganze Fülle von induktiv gewonnenen Ausführungen. Gerade der,,Wealth of Nations" zeichnet sich durch eine Menge interessanter Ausführungen auf Grund von Beobachtungen, die er auf Reisen gemacht hat, aus; er bringt geschichtliche Exkurse aller Art, eingehende Einzelbetrachtungen über Handels-, Münz- und Verkehrswesen, Getreidepreise und viele ähnliche Gegenstände. Zweifellos bietet das nationalökonomische Hauptwerk von Smith dem Wirtschaftshistoriker bedeutend mehr als dem Wirtschaftstheoretiker. Aber auch der Wirtschaftshistoriker kann nie seine volle Befriedigung darin finden und es wäre durchaus irrig, das Smithsche Werk als das Muster einer Darstellung historischer Methode zu bezeichnen. Im Gegenteil war Smith ein ganz unhistorischer Kopf, indem er, und zwar infolge der naturrechtlichen Grundanschauung, von der er ausging, alle geschichtlichen Einzeldaten aus dem Gesichtspunkt betrachtet: inwieweit stimmen sie mit dem Grunddogma der natürlichen Freiheit überein? Alle seine wirtschaftshistorischen Darlegungen sind nur sind nur von seinem rationalistischen Standpunkt aus zu verstehen: sie sollen als Beweise dafür dienen, daß jede nichtliberale Politik dem Gemeinwesen schädlich sein müsse.

3. David Ricardo 44).

Ricardo ist unzweifelhaft der einflußreichste Nationalökonom des neunzehnten Jahrhunderts. Er wird zwar oft als ein Schüler

und Epigone des A. Smith bezeichnet, wobei aber die originale Bedeutung Ricardos verkannt wird. Wenn auch Ricardo in seiner wirtschaftlichen Grundanschauung sehr viel verwandte Züge mit Smith aufweist und mit diesem in der grundsätzlichen Forderung persönlicher wirtschaftlicher Freiheit und in der Abweisung der Staatseinmischung auf wirtschaftlichem Gebiete übereinstimmt, so ist doch Ricardo als theoretischer Nationalökonom eigene, von Smith grundverschiedene Wege gegangen.

Doch bevor wir zu dieser Hauptbedeutung Ricardos kommen, wollen wir einiges über seine sozialphilosophische und wirtschaftspolitische Richtung sagen.

a) Ricardo als Sozialphilosoph und Wirtschaftspolitiker.

Ricardo hatte nur sehr geringe philosophische Interessen; seine Studien lagen fast ausschließlich auf ökonomischem und politischem Gebiete. Dennoch mußte er gerade bei den Fragen, die ihn am meisten interessierten, namentlich dem volkswirtschaftlichen Verteilungsproblem, auf philosophische Grundfragen kommen. seiner Empfehlung freiheitlicher Grundsätze für die Wirtschaftspolitik mußte immer wieder die Frage erhoben werden, in den Dienst welcher letzten Ziele und Interessen diese praktische Politik

zu stellen sei.

Bei

In allen diesen Fragen der Weltanschauung war Ricardo von Bentham abhängig, dessen Lehren er rückhaltlos folgte. In dieser Hinsicht besteht ein großer Unterschied zwischen Adam Smith und Ricardo. Smith war zugleich Nationalökonom und Philosoph, und wenn er auch, wie wir gezeigt haben, von der englischen Moralphilosophie und der französischen Naturrechtsphilosophie vielfache Anregung erhalten hat, so weist doch seine Sozialphilosophie viele originelle Züge auf. Ganz anders Ricardo, der eigene philosophische Studien kaum betrieben hat und kritiklos der Autorität Benthams folgte. Freilich schloß er sich damit nur dem Beispiel seiner meisten Fachgenossen auf politischem und ökonomischem Gebiet an. Für das staatsmännische und politische Denken in England zur Zeit des Beginns des neunzehnten Jahrhunderts waren die Bentham schen Lehren die unbedingt ausschlaggebenden. Vor allem war James Mill, durch den Ricardo mit Bentham auch persönlich bekannt wurde45), ein unbedingter Bewunderer und Anhänger Benthams.,,My friend and master" pflegte James Mill in seinen Briefen Bentham anzureden46); und James Mill, dessen bester Freund Ricardo war, machte diesen mit den Grundsätzen der utilitarischen Philosophie bekannt. Mit Recht durfte daher Bentham sagen:,,I was the spiritual father of Mill, and Mill was the spiritual father of Ricardo; so that Ricardo was my spiritual grandson"47).

Wie James Mill völlig im Gedankenkreise Benthams aufging und seinen Sohn John Stuart auch hierin zu erziehen suchte, ist in den beiden biographischen Werken über James und John Stuart Mill übereinstimmend geschildert47). Ricardo nahm an dem regen Verkehre Benthams mit dem älteren Mill lebhaft teil, wenn sich auch gerade kein intimes Verhältnis zwischen diesen beiden ihrer Natur nach sehr verschiedenen Männern herausgebildet hat.

Um die engeren Beziehungen zu würdigen, die zwischen der Benthamschen_Sozialphilosophie und den Grundgedanken der Ricardoschen Rechts- und Staatsauffassung bestehen"), müssen wenigstens einige Hauptsätze der Benthamschen Philosophie hier angeführt werden.

Das wahre und richtige Ziel der Regierung jeder politischen Gemeinschaft ist nach Bentham das größte Glück aller der Individuen, aus denen sie zusammengesetzt ist, oder kurz: das größte Glück der größten Zahl").

Ausgehend von der psychologischen Tatsache, daß jeder einzelne am meisten seinen eigenen Vorteil suche, möglichst viel Lust sich zu verschaffen und möglichst viel Schmerz zu vermeiden bestrebt sei, müsse, meint Bentham, darin auch das Ziel der Gesetzgebung gesucht werden, dieses Streben nach eigener Lust möglichst zu fördern. Die Frage ist aber: wird nicht, wenn jeder seinen eigenen Vorteil sucht, das Wohl anderer Mitmenschen geschädigt?

Darauf gibt Bentham folgende Antwort 50): Man müsse zwischen momentaner Lust und dauernder Lust unterscheiden: man könne auch seine eigene Lust finden, wenn man momentan Unannehmlichkeiten ertrüge, wofern dafür größere Freude in der Zukunft in Aussicht stünde.

Jeder Mensch fühle es, daß die beste Sicherheit dafür, daß er möglichst viel Glück erreicht, darin besteht, daß er Rücksicht nehme auf seine Nachbarn; es müsse Aufgabe der Politiker und Moralisten sein, immer mehr das Verständnis für richtige Moral, d. h. für eine Abmessung des eigenen Vorteils zu verbreiten, die durch weise Beschränkung immer gleichzeitig mit dem eigenen Wohle auch das Wohl der Allgemeinheit fördere.

Dabei soll der Gesetzgeber die einzelnen möglichst frei und ungehindert lassen - denn jeder wisse selbst am besten, was ihm nütze. Auf den naheliegenden Einwand, daß die Einsicht in die Nützlichkeit der Handlung durchaus nicht jedermann gegeben sei, antwortet Bentham:,,Mag sein, aber es ist sicher, daß der Gesetzgeber darüber besser Bescheid weiß ?").

Man wird die hier dargelegten Grundsätze sicherlich vom Standpunkte heutiger ethischer Betrachtung als oberflächlich und überwunden bezeichnen können. Man wird mit Recht sagen, daß es niemals Ziel der Gesetzgebung sei, das Glück, sei es einzelner, sei es der Gesamtheit fördern zu wollen, man wird es als jeder Erfahrung widersprechend bezeichnen können, daß jeder seines,,Glückes Schmied" am besten selbst sei. Darum ist man aber keineswegs berechtigt, diesen Standpunkt als ,,zynischen Materialismus" zu bezeichnen. Man mag die Mittel, die Benthams Schule zur Erreichung ihres Zieles vorschlägt, die schrankenlose Freiheit, für falsch halten, ihn aber darum als Vertreter einseitiger Klasseninteressen zu erklären, ist verfehlt. Denn auch den Benthamisten schwebte als Ziel die Förderung des Gemeinwohls vor und keineswegs die Förderung des Wohles der Kapitalistenklasse.

Der Verfasser des Hauptwerkes über die utilitarische Philosophie, Leslie Stephen, weist mit Recht in aller Schärfe den immer wieder der englischen individualistischen Philosophie gemachten Vorwurf, daß sie der ,,Humanität" entbehrt habe, zurück").,,Aber es würde ein vollständiges Mißverständnis der Zeit

sein, wenn wir annähmen, daß er (d. h. der Individualismus) eine Ablehnung humaner Empfindung bedeute. Unzweifelhaft waren große Übelstände entstanden und einige fahren fort, zu bestehen, welche durch die Gleichgültigkeit oder selbst durch egoistische Absichten der herrschenden Klassen geduldet werden. Aber in erster Linie handelten viele der tätigsten Propheten des individualistischen Geistes und zwar aufrichtig im Namen der Humanität. Sie griffen ein System an, welches sie, in weitem Umfange, wie ich glaube, mit Recht für ein besonders den arbeitenden Klassen schädliches ansahen. Vielleicht erwarteten sie zuviel von der einfachen Beseitigung der Beschränkung; aber sicher bekämpften sie die Beschränkung als ungerecht für alle, nicht nur als Hindernisse für den Wohlstand der Reichen."

Daß Bentham jede,,Ethik" gefehlt habe, ist eine falsche Beurteilung, wenn man auch von der Mangelhaftigkeit seiner Ethik noch so sehr durchdrungen sein mag. Ganz dasselbe gilt auch gegenüber Ricardo, der, wie wir jetzt zeigen wollen, in seiner sozialphilosophischen Grundanschauung getreulich Bentham folgt.

,,Bei einer Untersuchung der Mittel, zu einer guten Regierung zu gelangen", schreibt er an Trower),,,dürfen wir uns nicht auf die Frage beschränken, ob die parlamentarische Reform dem König, den Lords oder den Commons Gefahr bringen könnte oder nicht. Wir müssen unverwandt auf das Ziel aller Regierung blicken, welches das Glück des Volkes ist." Die Bezeichnung als,,ökonomischer Materialist" ist daher für Ricardo nicht zutreffend wenn er auch nicht fortwährend seine,,Ethik" in den Vordergrund stellte und doch finden sich immer wieder derartige Urteile z. B. bei Woltmann"): ,,War nicht A. Smith ebenfalls ein sozialer und zum Teil auch historischer Materialist? Ist hier nicht auch David Ricardo zu nennen, in dessen,,Untersuchungen über die Grundgesetze der Volkswirtschaft und Besteuerung" fast alle ethischen und humanistischen Reflexionen fehlen und mit den Menschen als bloßen ökonomischen Kategorien gerechnet wird?" —

Der Vorwurf, der der klassischen Nationalökonomie oft gemacht wird, daß sie nur an reichliche Güterproduktion denke, nicht aber an zweckmäßige Güterverteilung, trifft auf ihn jedenfalls nicht zu.

,,Die Menschheit", schreibt er einmal an Malthus"),,,ist nur an einem möglichst ergiebigen Resultat der Arbeit und an einer guten Verteilung des durch Kapital und Fleiß erzeugten Produktes interessiert.",,Es ist eine unbedingt sichere Regel, nur für das Gemeinwohl Gesetze zu machen und nicht für die Interessen einer besonderen Klasse"56).

Wie er bei seinen gesetzgeberischen Vorschlägen durchaus nicht an das Interesse der Kapitalbesitzer denkt, zeigt seine Beurteilung der Geldentwertung, die ihm besonders für die Arbeiter nachteilig erschien. In diesem Sinne schreibt er an Malthus57):,,Geldentwertung mag wohltätig sein, weil sie im allgemeinen diejenige Klasse begünstigt, welche in der Lage ist, Vermögen anzuhäufen, aber ich glaube, daß sie die Reichtümer vermehrt durch Verminderung des Glückes, weil sie nur dadurch vorteilhaft wirkt, daß sie einen großen Druck auf die arbeitenden Klassen und die, welche von ihren festen Einkünften leben, bewirkt."

So sehr Benthams sozialphilosophische und politische Anschauungen von Einfluß auf Ricardo waren, so wenig war dies mit

Benthams volkswirtschaftlichen Ideen der Fall. Alles, was Bentham in seinen Werken über wirtschaftspolitische Fragen sagte, fußte auf Adam Smith; das ganze wirtschaftspolitische Handbuch von Bentham (Manual of political Economy) enthält nur eine Wiedergabe einiger Smithscher wirtschaftspolitischer Gedanken, die vom Standpunkte des greatest happiness Prinzips aus erörtert werden. Denn Smith hatte nach Bentham,,nicht viel zu tun übrig gelassen, außer in der Methode und dem Ausdruck"58).

Seine wirtschaftspolitischen Postulate allgemeiner wirtschaftlicher Freiheit hat Ricardo nicht Bentham entnommen, sondern Ricardo und Bentham haben sie gemeinsam Adam Smith entnommen. Das wichtigste Naturgesetz ist aber für diese Schule, daß die freie Betätigung der einzelnen auf wirtschaftlichem Gebiete die größten Erfolge erzielt. Diesen Faden hat Bentham und übereinstimmend damit Ricardo weiter gesponnen.

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,,Wo freie Konkurrenz besteht", sagt Ricardo59) im Sinne dieser volkswirtschaftlichen Naturlehre,,,sind die Interessen des einzelnen und der Gesamtheit nie im Widerspruch". Ganz im Sinne, der physiokratisch-Smith schen Wirtschaftslehre ergibt sich auch für ihn dieses Postulat wirtschaftlicher Freiheit mit Notwendigkeit aus einem wirtschaftlichen Naturgesetze. Was auch für Meinungsverschiedenheiten unter den Vertretern der politischen Ökonomie vorhanden sein mögen", heißt es in einem Briefe an Malthus60), ,,sie stimmen alle über viele wichtige Grundsätze überein, die als unumstößlich wahr erwiesen werden können. Durch Befolgung dieser Grundsätze könnte die Regierung nicht verfehlen, die Wohlfahrt des Volkes, das sie beherrschen, zu befördern. Was gibt es klareres als die Vorteile, welche aus der Freiheit des Handels fließen, oder die Übel, welche aus einer besonderen Unterstützung der Bevölkerungsvermehrung kommen?"

Für Bentham ist es eine gar nicht besonders zu beweisende Tatsache, daß die Freiheit zu größerem Produktionsresultat führt - ein frei in seinem Interesse tätiger Mensch soll stets erfolgreicher und besser arbeiten, als ein Staatsbeamter: aber nicht nur soll die freie Arbeit ertragreicher sein, sie soll auch — und damit kommt Bentham auf sein Endziel allen sozialen Lebens - größeres Glücksgefühl auslösen:,,By imposing restraints upon the actions of individuals, it produces a feeling of uneasines: so much liberty lost so much happiness destroyed."

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Wenn Ricardo sagt, daß die Verfolgung des eigenen Vorteils in wunderbarer Harmonie mit dem Vorteile der ganzen Gesellschaft stehe, was ist es anders, als eine neue Formulierung des kurzen Benthamschen Satzes: so much liberty lost, so much happiness destroyed?

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Wenn auch für Ricardo wie für Bentham der Grundsatz freier Wirtschaftspolitik den Kernpunkt ihres Systems. darstellt, so daß Ricardo einmal an seinen Freund Trower schreiben konnte61): Wir kommen sehr bald zu der Einsicht, daß Ackerbau, Handel und Industrie am besten blühen, wenn von seiten der Regierung keine Einmischung stattfindet", so ist er doch weit entfernt, diesen Grundsatz in der praktischen Wirtschaftspolitik ausnahmslos durchführen zu wollen. Hier war er nicht der starre Doktrinär, nicht der Dogmenfanatiker, als welcher er so häufig dargestellt wird. Das geht aus gelegentlichen Äußerungen in seinen Schriften, mehr noch aus seiner

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