صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

,,begründen“ zu wollen.

Damit soll in keiner Weise geleugnet werden, daß die christliche Weltanschauung für die Fragen des Wirtschaftslebens Bedeutung habe. Wer auf dem Boden des Christentums steht, wird mit Recht auch die christliche Auffassung in wirtschaftlichen Fragen zum Ausdruck bringen. Der Landwirt, der Kaufmann, der Fabrikant sollen nicht nur in den Stunden religiöser Erbauung, sondern auch im täglichen Erwerbsleben ihr Christentum betätigen. Und nicht nur sollen sich die einzelnen innerhalb einer gegebenen Rechtsordnung als Arbeitgeber oder Arbeiter, als Kontrahenten in Verträgen, als Gläubiger und Schuldner usw., stets im christlichen Sinne verhalten, sondern auch die gesetzlichen Institutionen selbst müssen auf ihre Übereinstimmung mit den christlichen Grundwahrheiten geprüft, und bei ihrer Weiterbildung müssen diese Grundsätze gewahrt werden. Aber es handelt sich hier doch nur darum, daß der Geist des Christentums die einzelnen bei ihrer Betätigung im Wirtschaftsleben leiten solle, nicht aber darum,daß bestimmte konkrete Wirtschaftsinstitutionen mit dem Stempel des Christenstums versehen werden sollen. Wo bestimmte Gesetzesvorschläge mit dem Hinweis begründet werden, sie entsprächen den Forderungen des Christentums, handelt es sich um falsche Verweltlichung des letzteren.

[ocr errors]

Zu einer christlichen Gesellschaftsordnung gehört gewiß, daß die Armen nicht hilflos ihrem Schicksal überlassen werden; den einzelnen der Lehre des Manchestertums gemäß auf den Kampf ums Dasein zu verweisen, in dem alle untergehen müßten, die sich nicht selbst halten können, ist unchristlich aber, ob diese Armenpflege durch Privatwohltätigkeit oder durch öffentliche Korporationen erfolgen solle, und in letzterem Falle ob durch die Kirche, den Staat oder die Gemeinde, dafür kann das Christentum nicht die Norm abgeben, das ist eine Frage der Gesetzgebungs- und Verwaltungstechnik, die im einzelnen nach Ort und Zeit und nach historischer Entwicklung sehr verschieden beantwortet werden kann. Daß Wucher zu dulden sei, kann vom christlichen Standpunkt aus nicht gebilligt werden, ob aber legislatorisch gegen den Wucher vorgegangen werden soll, ob durch allgemeine Bestimmungen, wie sie durch die Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches und des Bürgerlichen Gesetzbuches gegeben sind, oder durch ein spezielles Zinsmaximumgesetz auch dafür wieder kann das Christentum nicht maßgebend sein. Die Gesetzgebung soll vom rechten Geiste des Christentums durchdrungen sein; dem Gebot der Nächstenliebe entspricht der allgemeine Grundsatz des Rechts der Schuldverhältnisse im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuche § 242:,,Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern." — In der berühmten kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881, worin auf die gesetzgeberischen Vorlagen der Arbeiterversicherung hingewiesen wird, heißt es:,,Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht." Der hierin enthaltene Gedanke ist, daß es dem Christentum entspricht, dem einzelnen, wo er zu schwach ist, durch den Zusammenschluß vieler Hilfe“ zu gewähren; das christliche Moment liegt also in der,,organisierten Hilfe"; aber

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

keineswegs soll damit gesagt sein, daß gerade die in Deutschland gewählte Form der staatlichen Zwangsversicherung die einzig,,christliche" sei. Oder sollte die englische Einrichtung, wonach ein großer Teil dessen, was bei uns durch staatlichen Zwang erreicht wird, durch genossenschaftlichen Zusammenschluß in den trade unions und friendly societies, also durch Selbsthilfe der Arbeiter erreicht ist, unchristlich sein? Wie bedenklich es ist, die Bezeichnung,,christlich" auf konkrete Gesetzesvorschläge anzuwenden, lehrt das Vorgehen Todts, der seiner Zeit das Haftpflichtgesetz eine,,Forderung des christlichen Geistes" nannte; das Unfallversicherungsgesetz aber, auf welches die kaiserliche Botschaft hinweist, wurde gerade geschaffen, weil sich das Haftpflichtgesetz als absolut unzureichend bewiesen hatte.

Religion und Sozialpolitik können nur gewinnen, wenn sie im öffentlichen Leben getrennt marschieren: die Religion wird immer den überweltlichen Ideen zu dienen bestimmt sein müssen. Mit Recht sagte der Bischof von Peterborough):,,Das Himmelreich zu einem Weltreich zu stempeln, beruht auf einem Irrtum, denn das regnum hominis kann nie eine civitas dei sein und der Staat steht nicht und kann nicht stehen auf den Grundsätzen der Bergpredigt"; und ebenso treffend bemerkte der Pfarrer der schwedischen Gemeinde in Paris, Söderblom, auf dem ersten religions-wissenschaftlichen Kongreß in Stockholm am 31. August 1897):,,Eine Religion, die nichts anderes ist als die ideelle Verklärung menschlicher Kulturarbeit, kann eigentlich nicht mit dem Namen des Evangeliums geschmückt werden und wird sich stets zu einem Dualismus ohne die für die Religion charakteristischen Kennzeichen verflüchtigen."

[ocr errors]

Darum soll die Religion nicht ohne Einfluß auf das soziale Leben sein; es muß nur in der richtigen Weise geschehen. Jedenfalls kann die Religion uns nicht bestimmte Formen der Rechtsordnung angeben, die unbedingt allein die richtigen seien, sondern sie kann nur allgemeine Normen angeben, die bei der Gesetzgebung zu beachten sind. Benjamin Kidd hat in seiner gedankenvollen Schrift über,,Soziale Evolution" die Idee vertreten, daß die Religion das einzige Mittel sei, um die Unterordnung des individuellen Interesses unter das gesellschaftliche zu bewirken. Der Mensch habe fortwährend einen Kampf zu führen, um die Unterordnung seiner eigenen Vernunft zu bewerkstelligen; in diesem Kampfe sei die treibende Kraft die religiöse Glaubensform. Wir teilen die Ansicht Kidds nicht, namentlich nicht seine Auffassung des Gegensatzes zwischen religiöser und intellektueller Kulturentwicklung; aber das sehr Bemerkenswerte dieser Ausführung ist, daß hier ein Darwinist, ein Vertreter der Evolutionstheorie, auch auf sozialem Gebiete in so hohem Maße die Bedeutung des religiösen Faktors betont.

Die Religion kann ihre Kraft bewähren im Kampfe gegen den Egoismus einzelner und ganzer Klassen in den stets widerstreitenden Interessen des wirtschaftlichen Lebens. Sie kann die Gewissen der einzelnen schärfen für ihr wirtschaftliches Handeln und kann die Gesinnung erwecken, daß jeder bei seiner Stellungnahme zu allen Fragen der Gesetzgebung nicht das eigene Interesse, sondern das Gemeinwohl im Auge behalte. Für diese wichtige Maxime des täglichen Handelns soll das Christentum immer mehr Jünger gewinnen.

Was die Sozialphilosophie auch in ihren besten Vertretern als Grundlegung für alles soziale Tun entworfen hat, auch die Formulierung des sozialen Ideals durch Rudolf Stammler52) deckt sich inhaltlich mit dem Grundprinzip christlicher Ethik:,,Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst." Das edle Metall von sozialer Gesinnung, welches in den Grundwahrheiten des Christentums enthalten ist, darf aber nicht zur kleinen Münze positiver Gesetzesvorschläge geprägt werden, die von Sozialpolitikern sofort in Umlauf gesetzt werden könnten.

II. Kapitel.

Die ethische Richtung.

Grundgedanke.

Die Nationalökonomie ist eine ethische Wissenschaft. Es gibt einen ethischen Entwicklungsprozeß der volkswirtschaftlichen Organisationsformen; aus bestimmten Idealen der Sittlichkeit ergibt sich die Objektivität und Notwendigkeit bestimmter Normen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik.

1. Darlegung.

Während die zuletzt genannte Richtung bestimmte Normen für die Wirtschaftspolitik aus Religionssystemen ableitet, ist die ethische Richtung religiös indifferent insofern, als sie bestimmte sittliche Ideale, die den verschiedensten Religionssystemen gemeinsam sein können, als grundlegende Normen für die Ziele der Wirtschaftsund Sozialpolitik betrachtet. Ich habe im zweiten Kapitel die historische Richtung in der Nationalökonomie zur Darstellung gebracht, dort auch schon darauf hingewiesen, daß sie sich mit Vorliebe die historisch - ethische nennt. Diese zweite Seite der historischen Richtung, die,,ethische" will ich jetzt zur Ergänzung der früheren Darstellung an dieser Stelle behandeln. An sich haben die beiden in der Bezeichnung,,historisch-ethische Schule" verschmolzenen wissenschaftlichen Richtungen nichts miteinander zu tun, denn mit der Bezeichnung,,historische Richtung" soll die Methode der Forschung bezeichnet werden, die im Gegensatz zur abstrakten Behandlung eine historisch-induktive Forschungsweise fordert. Davon ganz zu trennen ist die mit der Bezeichnung ethische Richtung angedeutete Betrachtungsweise, daß der Nationalökonom gewisse ethische Normen aufzustellen habe. Es liegt hier eine Personalunion vor, da die wichtigsten Begründer der historischen Schule auch zugleich Anhänger der ethischen Richtung sind. Sachlich ist aber eine getrennte Behandlung der beiden methodologischen Probleme durchaus gerechtfertigt, denn der Anhänger der,,historischen" Forschungsmethode kann durchaus die Zulässigkeit ethischer Normen für unsere Wissenschaft ablehnen, umgekehrt kann der Anhänger der,,ethischen" Richtung die abstrakt-deduktive Forschung bevorzugen.

Der Hauptrepräsentant der,,ethischen" Richtung ist Schmoller, und der 1872 gegründete Verein für Sozialpolitik dient wesentlich zur praktischen Durchführung einer auf ethischen Prinzipien basierenden Wirtschafts- und Sozialpolitik. Als Treitschke in einem Aufsatz in den Preußischen Jahrbüchern im Jahre 1874,,Der Sozialismus und seine Gönner" behauptete, daß die Ideen Schmollers und des Vereins für Sozialpolitik eine Förderung des Sozialismus bedeuteten, antwortete Schmoller mit seiner Schrift:,,Über einige Grundfragen des Rechts und der Volkswirtschaft"). Er legte dar, daß von Sozialismus bei seinen Bestrebungen keine Rede sein könne, daß er vielmehr eine neue Richtung in der Nationalökonomie vertrete, die man die ethische nennen könne und daß mit dieser Bezeichnung eine neue Auffassung gekennzeichnet werden solle, die er von dem Verhältnis der Volkswirtschaft zu Sitte und Recht habe. Schmoller wollte nicht damit sagen, daß die ältere an die klassische Ökonomie anknüpfende Nationalökonomie keine „Ethik“ gehabt hätte, aber ihre Ethik sei eine naturalistische gewesen. Es war die von uns oben eingehend dargelegte naturwissenschaftliche und naturrechtliche Ethik, nach der eine natürliche Harmonie des menschlichen Trieblebens ganz von selbst und ohne jeden staatlichen Eingriff einen geordneten Gang des gesellschaftlichen Lebens garantiere. Das System der wirtschaftlichen Freiheit, die Zurückweisung aller staatlichen Einmischung ins Wirtschaftsleben war die Konsequenz dieser Auffassung. Schmoller bekämpft die Annahme einer solchen dauernden,,Normalform" der volkswirtschaftlichen Organisation; diese müsse vielmehr wechseln je nach den Auffassungen von Sitte und Recht der betreffenden Zeit, und der Staat müsse durch seine Zwangsordnung diesen ethischen Auffassungen durch Eingriffe in das Wirtschaftsleben zum Siege verhelfen. Dieses aller Wirtschaftsund Sozialpolitik notwendig zugrund liegende Ethos entspringe aus einem sittlich-geistigen Gemeinbewußtsein. Durch das gemeinsame Ethos müßten die natürlichen Grundtriebe der Menschen umgeformt, durch Sitte und Recht so modifiziert werden, daß ein immer höheres Kulturdasein und ein immer gerechteres Wirtschaftssystem ermöglicht werde. Die Organisationsfragen der Volkswirtschaft seien also Fragen der ethischen Lebensordnung, und für diese Lebensordnung gäbe es auch bestimmte, einer gewissen Zeit adäquate Normen, die wissenschaftlich festgestellt werden könnten. Die Wissenschaft der Nationalökonomie habe daher nicht nur die natürlich-technischen Ursachen, sondern auch die aus dem psychologisch-sittlichen Leben der Völker stammenden Ursachen der volkswirtschaftlichen Organisationsformen zu erforschen.

An welchem Maßstab soll man messen, was das,,ethisch" Richtige und Angemessene ist? Darauf antwortet Schmoller, daß man die verteilende Gerechtigkeit als leitendes Prinzip der so. zialen Reformen anzusehen habe:,,Es handelt sich darum, die tausendfache Verschiedenheit dessen, was man Verdienst, sittlichen Wert, Leistung usw. heißt, auf einheitliche Maßstäbe zurückzuführen. Überall gleichmäßig anwendbare, in klare Worte gefaßte Regeln, d. h. positive Rechtsregeln zu finden und auf diese Regeln Wirtschaftsinstitute aufzubauen, die von dem Ideal nicht zu weit abweichen und doch praktisch leicht anwendbar bleiben"). Dem Verein für Sozialpolitik weist Schmoller ausdrücklich die Aufgabe zu, im

« السابقةمتابعة »