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12. Kapitel.

Die sozialrechtliche Richtung.

Grundgedanke.

Alle volkswirtschaftlichen Erscheinungen sind geknüpft an bestimmte Formen des gesellschaftlichen Zusammenwirkens. Die Volkswirtschaftslehre hat die Erscheinungen zu erklären, die sich unter der Voraussetzung bestimmter rechtlich geordneter Organisationsformen des Wirtschaftslebens herausbilden.

I. Das Wesen der sozialrechtlichen Richtung.

Die sozialrechtliche Richtung ist die in diesem Werke vertretene. Daher kann ich mich bei der Darlegung dieser Forschungsmethode kurz fassen, denn das Eigentümliche dieser Richtung tritt wohl zur Genüge aus dem ersten darlegenden Teile dieses Werkes hervor; ferner aber auch aus dem zweiten kritischen Teil, wo ich zu den abweichenden Methoden Stellung nehme. Vor allem wird aber die sozialrechtliche Richtung in den folgenden Bänden dieses Werkes die Probe ihrer Anwendbarkeit abzulegen haben, wenn es gilt, die einzelnen Kapitel der theoretischen Ökonomie: Wert, Preis, Rente, Zins usw. auf Grund dieser Methode zu behandeln. -An dieser Stelle will ich mich darauf beschränken, in aller Kürze einige der wichtigsten Grundgedanken dieser Richtung nochmals zu präzisieren.

Die sozialrechtliche Richtung bedeutet negativ: die Ablehnung einer jeden Art von Volkswirtschaftslehre, welche vom Einzelindividuum, von seinen Bedürfnissen, Trieben usw. ausgeht. Da die Volkswirtschaftslehre eine Sozialwissenschaft ist und die aus dem sozialen Zusammenwirken hervorgehenden Erscheinungen betrachtet, ist jeder Ausgangspunkt von der Individualwirtschaft unmöglich.

Sie bedeutet ferner negativ: Abweisung der Ableitung der volkswirtschaftlichen Erkenntnisse aus dem sogenannten ökonomischen Prinzip. Dieses Prinzip ist, soweit es allgemeingültig ist, eine Nützlichkeitsmaxime für menschliches Handeln überhaupt, spielt eine Rolle bei der technisch-privatwirtschaftlichen Betrachtung, kann aber niemals als das grundlegende volkswirtschaftliche Prinzip angesehen werden. Dieses Prinzip kann nur im Zusammen

hang mit der rechtlichen Organisation des Wirtschaftslebens erkannt werden.

Sie bedeutet ferner negativ: Ablehnung jeder Art von Aufstellung sogenannter wirtschaftlicher Gesetze. Diese,,Gesetze“ sind deshalb unmöglich, weil es überhaupt keine dauernden, immer sich gleichbleibenden wirtschaftlichen Erscheinungen gibt; diese wechseln je nach der Gesellschaftsform, die gerade untersucht wird. Was wirklich allen ökonomischen Gesellschaftsformen gemeinsam ist, wie z. B. gewisse natürliche Schranken der wirtschaftlichen Produktion, hat,,natürlichen" Charakter an sich, gehört zu den naturwissenschaftlichen und nicht zu den sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen. Es können immer nur gewisse Regelmäßigkeiten und Entwicklungs-. tendenzen innerhalb einzelner Gesellschaftsformen aufgestellt werden, nie allgemeine Wirtschaftsgesetze. Wenn solche Wirtschaftsgesetze aufgestellt wurden, waren sie irreführender Weise aus gewis en psychologischen oder physischen Eigentümlichkeiten der Menschen abgeleitet.

Die sozialrechtliche Richtung bedeutet positiv, wie der Name schon andeutet: soziale Betrachtungsweise, d. h. zuerst muß die soziale Form angegeben werden, innerhalb deren die zu erklärenden wirtschaftlichen Erscheinungen hervortreten. So unterscheidet man z. B. die feudale, die zünftlerische, die privatkapitalistische Wirtschaftsweise; und sie ist zugleich rechtliche Betrachtungsweise, weil durch rechtliche Normen, besonders durch die Art der Ausbildung des Privateigentums diese bestimmte Art der Gesellschaftsformen konstituiert wird.

Sie bedeutet ferner positiv: eine Wirtschaftstheorie in concreto an Stelle der vielfach früher üblichen Wirtschaftstheorien in abstracto; indem die Wirtschaftstheorie nicht von einem fingierten homo oeconomicus ausgeht, sondern von einer konkreten Gesellschaftsform, die auf ihre tatsächlichen wirtschaftlichen Erscheinungen untersucht wird, erhält die Theorie einen viel realistischeren, lebenswahreren Charakter als dies bei der sogenannten,,reinen" Wirtschaftstheorie der Fall war. Wenn diese Methode auch den historischen Charakter aller Wirtschaftserscheinungen betont, so fordert sie keineswegs ausschließlich historische Forscherarbeit und damit Preisgabe der theoretischen Forschung. Die theoretische Forschung soll nur auf eine andere Basis gestellt werden, sie soll die Aufgabe haben, die Phänomene innerhalb einzelner Epochen des Wirtschaftslebens zu erklären, nicht allgemeine, ewige Gesetze aufzustellen; aber indem die Theorie im Gegensatz zur deskriptiven Erforschung die Zusammenhänge, die Verkettungen und Verknüpfungen der wirtschaftlichen Erscheinungen erforscht, liefert sie durch diese zusammenfassende Arbeit ebenfalls Wirtschaftstheorie. Es ist nur die Verwechslung von theoretischer Forschung mit dem Suchen nach Gesetzen, die aus einer gewissen naturwissenschaftlichen Auffassung der Wirtschaftslehre hervorgeht, welche dieser realistischen Theorie den Charakter theoretischer Forschung überhaupt absprechen will.

2. Zur Genesis der sozialrechtlichen Richtung. Wenn ich im folgenden kurz die Autoren bezeichne, die als Vorläufer der in diesem Werke vertretenen Richtung in Betracht kommen, so ist dies nur in dem Sinne gemeint, daß es sich um Männer

handelt, die bestimmte wichtige Grundgedanken, die zur Ausbildung dieser Richtung geführt haben, ausgesprochen haben. Keineswegs sollen aber die jetzt zu erwähnenden Nationalökonomen und Sozialphilosophen als unbedingte und konsequente Vertreter dieser Richtung bezeichnet werden, vielmehr sind einzelne Autoren darunter, die eine von der Methode des vorliegenden Werkes durchaus abweichende Stellung einnehmen. Ihnen allen ist aber gemeinsam, daß sie auf die Bedeutung entweder des sozialen oder des rechtlichen Momentes gegenüber der individualwirtschaftlichen Auffassung der Volkswirtschaftslehre mit Nachdruck, wenn auch nicht immer mit der völligen Konsequenz, hingewiesen haben.

Das Verdienst, zuerst in systematischer Weise auf das Fehlerhafte des Ausgangspunktes von einer isolierten Wirtschaft hingewiesen und an dessen Stelle die sozialwirtschaftliche Betrachtungsweise eingeführt zu haben, gebührt vor allem Carl Rodbertus. In seinem Werk,,Das Kapital" polemisiert er scharf gegen Bastiat. Bastiat hatte einmal erklärt:,,Die ökonomischen Gesetze wirken ihrem Prinzip nach überall gleich, es mag sich nun um eine Menge von Menschen, um zwei oder einen einzigen handeln, der durch die Umstände gezwungen ist, isoliert zu leben. Der einzelne, wenn er überhaupt eine Zeitlang so leben könnte, würde nur Kapitalist, Unternehmer, Arbeiter, Produzent und Konsument in einer Person sein und die ganze ökonomische Entwicklung müßte sich an ihm allein vollziehen; er wollte nur jedes Element dieser Entwicklung mit Sorgfalt beobachten - das Bedürfnis, die Arbeit, die Befriedigung, die Nutzbarkeit, welche die Natur umsonst liefert, und die, welche Arbeit kostet so würde er dennoch eine richtige Vorstellung von dem ganzen wirtschaftlichen Mechanismus gewinnen können, obgleich dieser auf seinen einfachsten Ausdruck zurückgebracht wäre." Rodbertus erwiderte hierauf mit Recht:,,Das ist grundfalsch. Erstens kann es zwar in der isolierten Wirtschaft ökonomische Begriffe und eine ökonomische Entwicklung, aber keine nationalökonomischen Begriffe und keine nationalökonomische Entwicklung geben, um solche handelt es sich doch nur bei Bastiat. Die Nationalökonomie entsteht erst mit der Teilung der Arbeit, und dies macht gerade der isolierten Wirtschaft ein Ende"). Diese Arbeitsteilung erklärt Rodbertus als den Ausgangspunkt der Staatswirtschaftslehre, da es im Wesen der Arbeitsteilung liege, daß mehrere Personen füreinander und miteinander arbeiten und darin also der Gegensatz zur isolierten Wirtschaft enthalten ist. In seiner Schrift,,Zur Erkenntnis unserer staatswirtschaftlichen Zustände"") nennt er die Smithsche Erklärung der Arbeitsteilung durch das bekannte Beispiel der Stecknadelfabrik eine technologische oder produktionswirtschaftliche. Der staatswirtschaftliche Begriff der Arbeitsteilung müsse viel tiefer gefaßt werden:,,Die Teilung der Arbeit in diesem Sinne, beiläufig gesagt, ist das ausschließliche staatswirtschaftliche Grundverhältnis, das alleinige Prinzip unserer Wissenschaft, aus dem sich jeder staatswirtschaftliche Stoff ableiten läßt und aus dem nur der zur Staatswirtschaft gehörende Stoff abzuleiten ist“3).

In einer Anmerkung fügt er hinzu:,,Der Verfasser beabsichtigt später, die Staatswirtschaft im System und streng aus ihrem Prinzip der Teilung der Arbeit zu behandeln." An anderer Stelle sagt er über die Arbeitsteilung:,,Die Teilung der Arbeit ist, wie

K. Diehl, Nationalökonomie I. 2. Aufl.

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die rechtliche Ordnung, und die Mitteilung der Geister eines dieser drei großen Grundverhältnisse, in welchen sich notwendig Staat und Menschheit verknüpfen, und in denen sich die Geschichte zu ihrem Ziele bewegt"). In seinem zweiten sozialen Brief an von Kirchmann erklärt er:,,Anstatt nämlich, daß die Wissenschaft von der Erkenntnis hätte ausgehen müssen, daß durch die Teilung der Arbeit die Gesellschaft zu einem unauflöslichen wirtschaftlichen Ganzen verschlungen wird, anstatt daß sie vom Standpunkt dieses Ganzen aus an die Erklärung der einzelnen staatswirtschaftlichen Begriffe und Erscheinungen hätte gehen müssen, anstatt also, daß sie den Begriff des Nationalvermögens (des gesellschaftlichen Vermögens), der Nationalproduktion, des Nationalkapitals, des Nationaleinkommens und seiner Teilung in Grundrente, Kapitalgewinn und Arbeitslohn hätte an die Spitze stellen und von diesen gesellschaftlichen Begriffen aus die Lose der einzelnen daran hätte erklären müssen, hat auch die Staatswirtschaft nicht der übertriebenen individualistischen Neigung der Zeit entgehen können, sie hat das, was infolge der Teilung der Arbeit ein unauflösliches Ganzes, ein Soziales ist, das, was erst bei Voraussetzung eines solchen Ganzen Existenz gewinnen kann, in Fetzen zerrissen, und von diesen Fetzen aus, von der idealistischen Beteiligung der einzelnen aus, erst wieder zum Begriff des Ganzen aufsteigen") wollen. Rodbertus hebt auch die Bedeutung des Rechts für die Volkswirtschaftslehre hervor. Nachdem er nochmals betont, daß die Volkswirtschaftslehre vom Begriff des Nationalvermögens und der nationalen Produktivität ausgehen müsse, bemerkt er:,,Nach solcher allgemeinen Darlegung der nationalökonomischen Begriffe und ihres Zusammenhanges wäre nachzuweisen gewesen, wie die Leitung und Bewegung der nationalen Produktion sowie die Verteilung des Nationalproduktes von den Institutionen des positiven Rechts abhängig sind").

Von diesem Standpunkt aus hat sich Rodbertus wiederholt gegen die Behauptung sogenannter natürlicher Gesetze der Ökonomie gewandt:,,In der Natur, dem Werke der Schöpfung, kommen noch keine Grund- und Kapitaleigentümer vor; erst in dem Werke der Geschichte der Gesellschaft, dieser dreieinigen Verbindung unter den Menschen, von Sitte und Recht, von Sprache und Wissenschaft, von Teilung der Arbeit und Wirtschaft, die sich nach und nach zu Einem Willen, Einer Einsicht, Einer Gewalt personifiziert und als selbstschöpferischer Organismus sich fortgesetzt auch seine Entwicklungsgesetze, wie die zu ihrer Erfüllung notwendigen Glieder selbst gibt").

Auch Karl Marx hat den historisch-gesellschaftlichen Charakter der volkswirtschaftlichen Erscheinungen im Gegensatz zu der Annahme von ewigen Naturgesetzen der Ökonomie in aller Schärfe betont, wie ich bereits oben dargelegt habe. Hier sei zur Ergänzung des oben Mitgeteilten noch darauf hingewiesen, daß Marx, wie Max Adler mit Recht sagt, den Begriff des vergesellschafteten Menschen in die Sozialwissenschaft eingeführt hat3). Marx hat bereits die Methode vieler Nationalökonomen bekämpft, volkswirtschaftliche Begriffe, losgelöst von jeder Gesellschaftsform aufstellen zu wollen, besonders klar in seiner Kritik des älteren Kapitalbegriffs, die er an einer oft zitierten Stelle so durchführt: er verwirft die übliche Auffassung, Kapital als produziertes Produktionsmittel zu

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bezeichnen und sagt: Was ist ein Negersklave? Ein Mensch von der schwarzen Rasse. Die eine Erklärung ist die andere wert. Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst zum Sklaven. Eine Baumwollspinnmaschine ist eine Maschine zum Baumwollspinnen. Nur in bestimmten Verhältnissen wird sie zu Kapital. Aus diesen Verhältnissen herausgerissen, ist sie so wenig Kapital, wie Gold an und für sich Geld oder der Zucker der Zuckerpreis ist. Das Kapital ist ein bürgerliches Produktionsverhältnis . . . Es ist eine Summe von Waren, von Tauschwerten, von gesellschaftlichen Größen." Marx selbst hat einmal eine Charakteristik seiner Methode seitens eines russischen Kritikers als,,treffend" bezeichnet. In dieser Kritik wird gesagt:,,Aber, wird man sagen, die allgemeinen Gesetze des ökonomischen Lebens sind ein und dieselben, ganz gleichgültig, ob man sie auf die Gegenwart oder Vergangenheit anwendet. Gerade das leugnet Marx. Nach ihm existieren solche abstrakten Gesetze nicht... Nach seiner Meinung besitzt jede historische Periode ihre eigenen Gesetze... Sobald das Leben eine gegebene Entwicklungsperiode überlebt hat, aus einem gegebenen Stadium in ein anderes übertritt, beginnt es auch durch andere Gesetze gelenkt zu werden." Die oben bereits erwähnte,,Einleitung in die politische Ökonomie", die sich in den nachgelassenen Papieren von Marx fand, und welche die Einleitung zu dem Hauptwerke seines Lebens bilden sollte, beginnt mit den Worten:,,Der vorliegende Gegenstand ist zunächst die materielle Produktion. In Gesellschaft produzierende Individuen - daher gesellschaftlich bestimmte Produktion der Individuen ist natürlich der Ausgangspunkt. Der einzelne und vereinzelte Jäger und Fischer, womit Smith und Ricardo beginnen, gehört zu den phantasielosen Einbildungen des achtzehnten Jahrhunderts Die Produktion der vereinzelten Einzelnen außerhalb der Gesellschaft eine Rarität, die einem durch Zufall in die Wildnis verschlagenen Zivilisierten wohl vorkommen kann, der in sich dynamisch schon die Gesellschaftskräfte besaß ist ein ebensolches Unding, als Sprachentwicklung ohne zusammenlebende und zusammensprechende Individuen ... Wenn also von Produktion die Rede ist, ist immer die Rede von Produktion auf einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe von der Produktion gesellschaftlicher Individuen"). Diese Hervorhebung des gesellschaftlichen Charakters der wirtschaftlichen Erscheinungen bringt Marx in enge Beziehung zu der sozialrechtlichen Richtung, so sehr er auch sonst in seiner Methode von der in diesem Werke vertretenen abweicht.

Unter den Autoren, welche die große Bedeutung der Rechtsordnung für die volkswirtschaftlichen Erscheinungen hervorgehoben haben, ist Adolph Wagner zu erwähnen, und insoweit ist Wagner ebenfalls zu den Vorläufern der sozialrechtlichen Richtung zu zählen. Allerdings weicht er durch seine oben von mir dargelegte ökonomische Psychologie grundsätzlich von dem in diesem Werke vertretenen Standpunkte ab. Namentlich in seiner,,Grundlegung" hat Wagner immer wieder erklärt, wie unentbehrlich die Kenntnis der Rechtsinstitutionen für das Verständnis der ökonomischen Erscheinungen sei und es als Mangel der älteren Nationalökonomie bezeichnet, daß sie diese rechtliche Seite der wirtschaftlichen Erscheinungen vernachlässigt habe. Aus diesem Grunde widmet Wagner ganze Teile seiner,,Grundlegung“ solchen recht

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