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Wer sich dagegen in die wunderbare, freilich betrübende, Erscheinung des Geschlechtsgegensatzes durchaus nicht finden kann, weil dieselbe dem edelen und wahrhaftigen Wesen des Guten und des Geistes widerspricht, der wird auch das übrige Schlechte bekämpfen und als verkehrt verwerfen.

Selbst ein Mann, welcher einem optimistisch heiteren Lebensgenusse das Wort redet, David Friedrich Strauß, erkennt diesen Zusammenhang des Schlechten mit dem Geschlechtlichen an, wenn er (vgl. der alte und der neue Glaube. Leipzig 1872. S. 257) fragt:

„Wissen Sie, meine Damen und Herren, wann Sie es dahin bringen werden, daß die Menschheit ihre Streitigkeiten nur noch durch friedliche Uebereinkünfte schlichten wird? an dem gleichen Tage, wo Sie die Einrichtung treffen, daß dieselbe Menschheit fortan nur noch durch vernünftige Gespräche sich fortpflanzt."

Ich bitte, dazu auch Aristophanes, der Friede, V. 1066 ff., zu vergleichen.

Darüber, ob die Fortpflanzung der Menschen nur an die eine übliche Weise gebunden ist, werde ich mich an anderem Orte aussprechen.

Man studire Häckel's Natürliche Schöpfungsgeschichte, man betrachte aber auch die trot vieler Auswüchse in mancher Hinsicht tiefe Idee der „Dualgeister", wie dieselbe Adelma Freiin von Vay in ihren „Studien über die Geisterwelt" entwickelt hat.

Die tief ethische Bedeutung des Einsiedlerthums, des Eremiten- und Anachoreten - Wesens, des Klosterlebens, des Coelibates und der Virginität erstrahlt in reinstem Lichte als sonnenheller Gegensatz zu dem nächtlichen Dunkel des gesellschaftlichen Lebens, des ekeln Geschleckes der Ehepaare.

In dem strengsten Festhalten an dem Gelübde der ächten, d. h. mit der Sinnlichkeit sich überall gar nicht berührenden Keuschheit wird dem Schlechten die Spize abgebrochen, und damit dem guten und geistigen Wesen eine heilige Stätte bereitet.

Wie nun das Leben das an sich Schlechte, so ist der Tod dieses Lebens, d. h. die Vermeidung des Geschlechtlichen einerseits, die geistige Arbeit andererseits das Gute.

von Hagen, Grundlehren des Christenthums.

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Das Leben ist und bleibt Frrthum und Laster. Der Tod dieses schlechten Lebens ist Tugend. Der Weg zur Tugend ist der Weg zum Tode, d. h. ist Abtödtung, nicht aber, wie die sinnlichen Menschen sie verstehen, sondern wie ich dieselbe oben als die gänzliche Vermeidung aller geschlechtlichen Processe, als Vermeidung jeder Hingabe, als die absolute Keuschheit, als das reine Geistesleben festgestellt habe.

Diese ächte Askese hat auch Christus gelehrt. Dieselbe ist der Geist seiner Religion.

Daß in dem Tode ein ethischer Fortschritt im Verhältnisse zum Leben gemacht wird, erkennen sämmtliche Religionen an, mögen sie ein Jenseits annehmen oder nicht, desgleichen die Sprachen.

Letztere reden von dem Todtenreiche als einer besseren Welt, einem besseren Jenseits, einer Vollendung, einer Verklärung.

Alles bestätigt meine Ansicht: die Geschichte, die Religionen, die Philosophen, die wahrhaften Künstler, die Sprache der Völker, deren Gewissen um der ewigen Weltschuld wegen pocht.

Nur von der Mehrzahl der Menschen, welche sinnlich sind, wird meine Ansicht nicht getheilt werden.

Die Masse lebt trok ihrer vielfachen Noth und Arbeit, in Sinnlichkeit.

Meine Anschauung von einem rein geistigen Leben wird daher niemals von der Menge verstanden werden. Und darüber müssen wir uns trösten, ja wir können stolz darauf sein, daß unsere Anschauungen stets nur den wenigen seltensten Edelen und geistig wahrhaft Bedeutenden zugänglich sein werden.

Wir können eben nur, wie Christus dazu rathen und sagen:

Wer es fassen kann, der fasse es.

(Vgl. Matthäus, Cap. 19, Vers 10-12).

Wer es gefaßt hat, der weiß, welche Himmelsgabe ihm daran zu Theil geworden ist.

Ich verstehe darunter die Seeligkeit der Theorie, als

welche von dɛós kommt, das göttliche Schauen (deãodai, θέατρον 1).

Daß auch von ganz entgegengesetter Seite und aus anderen Gesichtspuncten gegen den von Paulus ausgegangenen Paulinismus energisch Front gemacht wird, wie z. B. in dem Buche des den Spuren Renan's folgenden Hippolyte Rodrigues (Les seconds Chrétiens. Saint Paul. 37 - 66. Paris, 1876.) geschieht, ist für mich ein erfreuliches Zeichen, welches beweist, daß die tiefsinnige Lehre des Christenthums von der Erbsünde zwar im Laufe schuldvoller Zeiten verdunkelt, niemals aber ganz ausgelöscht werden kann.

Das Geknüpftsein des Lebens an das Geschlechtliche, die Ursünde, bleibt leider bestehen, weßhalb die Versuche mancher Religionen, die Weltwunde zu verdecken ebenso vergeblich sind, wie die Kniffe des Mosaischen Schöpfungsberichtes, die Begriffe von Schuld und Unschuld geradezu zu verkehren.

Alles dies wird, wie die Weltwunde und die Schuld der Menschheit selbst, von demjenigen, welcher dem Geiste die Ehre giebt, in seiner Nichtigkeit und unabwälzbaren Lästigkeit durchschaut.

1) Unbegreiflich ist es, wie noch jezt von sonst einsichtsvollen Denkern die Quelle des Bösen in den Geist verlegt werden kann.

So schreibt z. B. Constantin Frank (Schelling's positive Philosophie, 2c. Erster allgemeiner Theil. Cöthen, 1879. S. 39):

„Das Böse ist nicht etwa eine bloße Mangelhaftigkeit, ein bloßes malum metaphysicum, noch entspringt es bloß aus der Sinnlichkeit, es entspringt vielmehr gerade aus dem geistigen Wesen des Menschen, und ist etwas Positives.“

Solcher Irrthum ist die Folge davon, wenn man in der alttestamentarischen Lehre von der Sünde als einer Erkenntniß stecken bleibt, und außerdem Real- und Erkenntnißgrund des Bösen nicht unterscheidet.

Ich sage, wie ich nicht genug wiederholen kann, so: Das Gute ist der Geist, das Böse ist die Sinnlichkeit, das ist die Wahrheit.

Wenn wir vermittelst des Geistes (des Wissens und Gewissens) das Gute vom Bösen unterscheiden, so darf uns das nicht verleiten, den Geist als den Quell des Bösen ausgeben zn wollen.

Daß der Geist die Begriffe des Guten und Bösen bildet, macht denselben nicht zum Quell des Bösen.

Wer darüber anders denkt, thut dem herrlichen Wesen des

Geistes schmähliches Unrecht an.

III.

Ueber die Lehre vom Gewissen.

Der Schuldbegriff führt zu dem Begriffe des bösen Gewissens, d. h. zu dem Wissen um eine Schuld, das Wissen von dem Bösen.

Das Gewissen ist der Inbegriff des Wissens um die Weltwunde, selbst Wunde und Wunder im Menschen zugleich. Es ist das Bewußtsein von Schranken, welches sich als Einsicht in die zwischen Mensch und Thier auch hinsichtlich des Geschlechtslebens mögliche Gränze darstellt.

Die Natur selbst gestattet dem Menschen, alle geschlechtlichen Processe, soweit es an ihm liegt, zu vermeiden, indem die Natur das unumgänglich Nothwendigste des Sexuallebens im Schlaftraume von selbst erfolgen läßt.

Daher ist dieses Schrankenbewußtsein nach Seite des äußeren praktischen Verhaltens angesehen die absolute Keuschheit selbst. Mit anderen Worten: der wahrhaft gewissenhafte Mensch, d. h. religiös gewissenhafte Mensch, ist absolut keusch.

Die tieferen Gründe der Gewissenslosigkeit oder doch der Gewissensschwäche der meisten Menschen liegen, abgesehen von den äußeren Ursachen der Verführung, Verblendung, Corruption 2c., meines Erachtens einerseits in dem Beharren der meisten Menschen in der Welt der Sinnlichkeit und ihrer Erscheinungen, sowie in der Folge dieses Beharrens, in der Gleichgültigkeit und dem Indifferentismus der Wahrheit gegenüber überhaupt, andererseits in dem Mangel am geistigen Leben, an sittlicher Energie, an aufrichtigem Ernste.

Da, wie Schopenhauer richtig bemerkt, das Gewissen nur ein Wissen des Menschen ist in Bezug auf das, was er gethan

hat, so trifft und belastet das Dasein an sich, obgleich es, von der wahren Metaphysik ergründet, als die eigentliche Urschuld sich darstellt, die gewöhnlichen Menschen wenig oder gar nicht, da sie glauben, daß dasselbe durch Geburt und Tod begrenzt ist, und nicht wissen, oder nicht wissen wollen, daß sie es selbst sind, welche es sich gegeben, daß es ihre eigene That ist. 1)

Die meisten Menschen bleiben eben an der Oberfläche haften, und dringen nicht auf den hinter den Erscheinungen liegenden Kern. Und doch ist dieser metaphysische Kern gerade die gewisseste unter allen Gewißheiten, welche eben, wenn sie gewußt wird, der Halt und Gehalt des Gewissens selbst ist.

Wer freilich sein Gemüth von den Außendingen ganz in Besiz nehmen läßt, der hört nicht auf die Stimme des Ge= wissens, der hat für jenes „ewige und heilige Wesen, welches Euch jenseit der Welt liegt", 2) nichts übrig, der hat kein Gefühl für dasselbe und mit ihm.

Wer nicht aus der Sinnenwelt herauskommt, wie soll der wohl die Wahrheit erkennen, welche des Geistes ist, die Wahrheit, daß eines Jeden Dasein seine eigene That ist?

Für ihn haben ja Platon, Kant und Schopenhauer vergebens gelebt. Alle drei, wenn auch der erstere mehr nur ahnend als beweisend, haben die Idealität der Erscheinungsformen gelehrt.

Aus dieser folgt aber consequenter Weise die scheinbare Vielheit und wirkliche Idealität aller Wesen, und somit auch die Verantwortlichkeit eines jeden einzelnen Menschen für sein Dasein überhaupt.

Nur wer diese Einsicht gewonnen hat und festhält, der vermag den Begriff einer Verantwortlichkeit für die einzelnen

1) Gar zu gern halten es die meisten Menschen mit dem französischen Worte: qui s'excuse, s'accuse, und denken etwa, daß nur schlechte Menschen sich schuldig fühlen, d. h. nach ihrem Begriffe solche Menschen, welche im Leben Schlechtes gethan haben.

Sie sagen mit Leibniz: homines mali se ispos damnant, ohne jedoch die weiteren Worte des Denkers hinzuzufügen und zu bedenken: perpetua impoenitentia et a deo aversione.

2) Vgl. Friedrich Schleiermacher's Reden über die Religion. Erste Rede. (Kritische Ausgabe. Von Bernhard Pünjer. Braunschweig, 1879. S. 2.)

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