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die Uferstelle, an der sie landen, in einen Park mit einem Schlosse, er selbst aber in einen wohlgebildeten, liebenswürdigen Jüngling verwandelt wird. Ein Zufall führt schliesslich den auf der Jagd verirrten König zu den glücklichen Gatten, und die Aussöhnung kommt leicht zu Stande.

Toller ist noch das Märchen von der bezauberten Hirschkuh (1. 9). Ein Einsiedler räth dem König Jannone,* seiner Gattin, über deren Unfruchtbarkeit er unglücklich ist, gekochtes Seedrachenherz einzugeben. Alsbald wird ein solcher Fisch gefangen, das Herz ausgeschnitten und von einem Edelfräulein in einem Zimmer des Schlosses übers Feuer gesetzt. Pechschwarzer Rauch steigt auf, in dessen Qualm sofort das Fräulein schwanger wird. Aber nicht genug: auch die Möbel des Zimmers schwellen an, und nach einigen Wochen gebiert das Himmelbett eine Wiege, der Schrank ein Schränkchen, die Sessel Kinderstühle, der Tisch ein Katzentischchen und der Nachtstuhl ein Nachtstühlchen ,,so niedlich, dass man es hätte küssen mögen." Natürlich hat, nachdem sich schon der blosse Rauch so kräftig erwiesen, der Genuss des Seedrachenherzens bei der Königin die gleiche Wirkung. An die Schicksale der beiden Kinder, die dann von der Königin und dem Edelfräulein geboren werden, knüpft sich der weitere Verlauf der Geschichte.

Von ausserordentlich komischer Wirkung ist das Märchen von der Gans (V. 1), das nur in Umrissen wiedergegeben werden kann, da die derbe Natürlichkeit desselben genauere Mittheilung verbietet. Lilla und Lolla, zwei arme, fleissige Mädchen, kaufen auf dem Markte eine Gans, die durch die Fügung einer gütigen Fee als ein anderes Dukatenmännlein Goldthaler für die zwei Schwestern producirt. Neidische Nachbarinnen erspähen die Goldmünze, die sich plötzlich für die Mädchen aufgethan, und bereden sie, ihnen die Gans auf eine Stunde zu leihen. Aber der wunderbare Vogel liefert diesen nur gewöhnliche Excremente, und sie drehen im Zorn dem Thier den Hals um und werfen es in eine Sackgasse. Nun fügt es der Zufall, dass der Sohn des Königs in dieser Sackgasse, von einem natürlichen

* Zu deutsch etwa Dickhans.

Bedürfnisse getrieben, sich auf gut neapolitanisch niedersetzt. Plötzlich schnappt die Gans, die noch nicht todt ist, nach dem niederkauernden Prinzen und beisst sich dabei so fest in sein Fleisch ein, dass es nicht gelingt, sie loszubringen. Er ruft sein Gefolge zu Hülfe, er citirt, nach seinem Palaste zurückgekehrt, die Männer der Wissenschaft umsonst! umsonst! Weder Medicin, noch Chirurgie, noch Scheidekunst vermögen die Schmarotzerpflanze zu lösen. In seiner Verzweiflung bietet er Jedem, der ihn von dem Appendix zu befreien im Stande wäre, wenn ein Mann, sein halbes Königreich; wenn ein Frauenzimmer, seine Hand zur Ehe. Da erscheint, nachdem Hunderte sich vergeblich um ihn bemüht haben, die schöne, gute Lolla, die jüngere jener beiden Schwestern. Sie hat früher die Gans auf das Sorgsamste gepflegt und soll nun den Dank dafür ernten ; denn kaum ist sie vor das Lager des Prinzen getreten, kaum hat sie dem Vogel mit schmeichelndem Ton ihr wohlbekanntes ,,Wulle, wulle, wulle!" gerufen, so lässt das bisher so hartnäckige Thier den Königssohn los und eilt der Freundin entgegen. Der Prinz aber hält Wort: Lolla wird seine Gattin und Königin.

Der Pentamerone führt den zweiten Titel: Das Märchen der Märchen, Unterhaltung für die Kleinen.* Es scheint also, dass dieses Buch seiner Zeit auch zur Ergötzlichkeit der Kinder diente, was uns billig verwundern muss, wenn auch die italienische Jugend viel früher als die unsre mit den geschlechtlichen Verhältnissen bekannt wird. Die Mehrzahl der Erzählungen sind nämlich Liebesgeschichten, und zwar frei und derb, doch ohne Lüsternheit. Dem Naturell des Südländers entsprechend, steigt die Leidenschaft rasch auf den Siedepunkt, und der sinnliche Liebesgenuss wird auf das Heftigste erstrebt. Doch bleibt auch der Ehe ihr Recht, und es fehlt nicht an Erzählungen, wo Treue in der Liebe, wie auch in der Freundschaft, eine Hauptrolle spielen.

Einen ungemein komischen Eindruck macht es, wenn in dem Märchen Rosella (III. 9) eine Prinzessin aufgeführt wird, die sich dem Palaste eines Prinzen, der ihr untreu

* Lo cunto de li cunte, tratteniemento de li peccerille.

geworden, gegenüber

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eingemiethet hat, um durch ihre Erscheinung am Fenster eine Sinnesänderung bei ihm herbeizuführen. Das reizende fremde Mädchen erregt alsbald die Aufmerksamkeit der Hofleute. „Sie umschwärmten sie wie Mücken," sagt Basile, und es verging kein Tag, wo sie nicht Rosella auf der Strasse umringten und ihr Fensterparade machten. Die Sonette kamen schockweise und die Liebesbriefe in ganzen Haufen; die Serenaden waren so zahlreich, dass sie den Nachbarn die Ohren betäubten; es regneten so viele Kusshände, dass ihnen die Lippen davon aufsprangen, und da der Eine vom Andern nichts wusste, schossen sie alle nach demselben Ziel und waren in gleicher Weise bemüht, als Trunkenbolde der Liebe dies schöne Fass anzuzapfen."

Da diese Menschen ihr nützlich sein konnten, that sie mit allen freundlich; als aber weitgehende Forderungen kamen, sann sie auf ein Mittel, die unsaubern Herrn loszuwerden. Zu diesem Ende versprach sie Einem um den Anderen ihre Gunst, und Einer um den Andern stellte sich zum nächtlichen Besuche ein. Aber der Erste konnte die Thür nicht schliessen, da sie durch einen Zauber immer wieder aufflog, bis ihn endlich der Morgen zwang, unverrichteter Sache und auf den Tod abgemüdet, das Weite zu suchen. In ähnlicher Weise bemüht sich der Zweite die ganze Nacht vergeblich das Licht auszublasen; zuletzt nimmt er fluchend und schweisstriefend seinen Rückzug. Der Dritte soll der Schelmin zuvor das Haar auskämmen; aber je eifriger er mit dem elfenbeinern Kamm arbeitet, desto wirrer und verfilzter wird das Haar, so dass auch er zuletzt mit langer Nase abzieht, nachdem er, wie auch die beiden Andern, wegen seiner tölpelhaften Ungeschicklichkeit nachdrücklich ausgescholten wor

den ist.

Mag der Ton, den Basile in seinen Märchen anschlägt, uns häufig an den Decamerone erinnern, wie denn Boccaccio überhaupt seinen Schatten Jahrhunderte lang durch die italienische Literatur wirft: ein grosser Unterschied zwischen dem Toscaner und dem Neapolitaner ist schon durch die Tendenz gegeben. Boccaccio geht recht geflissentlich dem Pfaffenthum zu Leibe; auch das deutsche Volksmärchen, so wenig es eigentlich polemisch ist, fasst gelegentlich einen üppigen Mönch recht

derb bei den Ohren und trägt überhaupt christliche Farbe, indem es Himmel, Hölle und Fegfeuer, den Papst, die Heiligen und den Teufel sammt seiner Grossmutter mit aufgenommen hat. Basile dagegen weicht diesen Dingen wie Fussangeln sorgfältig aus, und rührt nicht einmal mit der Fingerspitze an die Kirche und ihre Diener. Ich erinnere mich nicht, in dem ganzen Buche das Wort „Mönch" oder „Bruder" gelesen zu haben. Die Wunderwelt, in der wir uns bei ihm bewegen, schwebt in den Wolken, so derbe Griffe überall auch in die Realität gethan werden. Bisweilen wird Gott, ein- oder zweimal auch die Götter angerufen; im Allgemeinen aber behilft er sich ohne Himmel und Hölle. So ist wenigstens der Censur kein Anstoss gegeben, und es steht dem unvermeidlichen „Reimprimatur" des Generalvicars, das meiner Ausgabe von 1674 vorgedruckt ist, nichts im Wege. Gewiss haben auch diese Märchen überall Eingang gefunden, bei Laien und Klerikern, im Palaste des Fürsten und in der Heimlichkeit des Klosters. Sie nehmen dies Recht um so mehr in Anspruch, als ihnen ein moralisches Mäntelchen umgehängt ist, indem sie, nach Art der Novellen Boccaccios, durch Sitten- und Klugheitsregeln eingeleitet sind und mit einem Spruch oder Vers ähnlicher Art enden. Diese seltsame Zuthat berührt die Erzählungen nicht weiter; überall hat man vielmehr bei ihnen das Gefühl, dass nichts als „,tratteniemento," als Unterhaltung und Ergötzlichkeit erstrebt wird. Die Märchen machen überhaupt den Eindruck des Unmittelbaren ; man sieht ihnen an, dass sie aus mündlicher, frischer Ueberlieferung geschöpft sind. Insbesondere haben sie mit den 1550 und 1554 in Venedig erschienen 74 Märchen Straparolas, „tredici piacevoli notti" genannt, keine Berührung.

Basiles Erzählungen sind wesentlich Feenmärchen. Die Fata* spielt überall eine grosse Rolle, sei es, dass sie der Armuth, der verfolgten Unschuld oder auch der Dummheit ganz wie in unserem deutschen Märchen unter die Arme greift; sei es, dass sie ihr Leben mit dem Leben der Menschen enger verflicht. In dem Märchen das Myrtenreis (I. 2) ist dies besonders der Fall. Eine Bäuerin, welche ,,fatata"** ist,

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gebiert ein Myrtenreis statt eines Kindes und pflanzt es in einen Blumentopf. Ein Prinz, der auf der Jagd an dem Fenster der Bäuerin vorüberkommt, findet Gefallen an der niedlichen Myrte und nimmt den Topf mit nach Hause, wo er das Bäumchen sorgfältig pflegt. Sein Lohn lässt nicht lange auf sich warten. In der Nacht verwandelt sich die Myrte in ein Feenmädchen von wunderbarer Schönheit und sucht das Lager des Prinzen auf, um ihn ungesehen und unerkannt in aller Heimlichkeit zu beglücken. Aber der Prinz will wissen, wen er in seinen Armen gehalten, und zündet in einer der folgenden Nächte das Licht an, während er das Haar der Fee um seinen Arm geschlungen hat, um ihr Entrinnen zu verhindern. Sein Liebesrausch wächst nur noch bei dem Anblick der Schönen. Wie nun aber in der Mythe von Amor und Psyche das Schicksal der Letzteren dadurch eine unglückliche Wendung nimmt, dass sie, das Geheimniss nicht achtend, Amor beleuchtet, so auch hier. Die Liebenden werden getrennt und finden sich erst nach mancherlei Schicksalen wieder. Das Märchen schliesst mit der feierlichen Vermählung der Fata mit dem Prinzen. So verkehren die Feen hier mit den Menschen, wie in der antiken Mythe die Götter.

Der Gegensatz zu der schönen, jugendlichen und meist wohlwollenden Fata ist der wilde Mann: huorco (uorco), ein Ungethüm, das, fernab von den Menschen, in Wald und Wildniss wohnt und nach dem Fleische der Jugend lüstern ist der Menschenfresser unseres deutschen Märchens. So wie es Feenfamilien gibt, so hat auch der huorco mitunter eine huorca als Frau zur Seite. In dem Märchen die sieben Tauben (IV. 8) tritt ein huorco auf, der, weil ihm seine Frau im Schlafe. die Augen ausgestochen hat, aus Rache Weiber frisst, so viel er deren habhaft werden kann.

Aber auch andere zauberkräftige Wesen erscheinen bei Basile, insbesondere alte hexenartige Weiber, welche Kränkungen durch einen Unheil bringenden Fluch erwidern. Eine solche Alte tritt uns schon gleich im Eingang zu den Märchen

* Ital. orco, franz. ogre, offenbar mit dem lat. Orcus zusammenhängend. Archiv f. n. Sprachen. XLV.

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