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Genug,

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die Sprache derjenigen, welchen die Pflege der Kinder obliegt, also hauptsächlich der Mütter und Ammen, giebt uns Veranlassung, zu dem dritten Hauptpunkt unserer Aufgabe überzugehen, zu den Deminutiv formen.

Hier stellen wir zunächst die auf das Unbedeutende des Kindes körpers im Gegensatz zu Erwachsenen bezüglichen Bezeichnungen zusammen. Wer hat nicht schon einen lieben Kleinen einen „Stumpf" genannt oder nennen hören? Andere Sprachen, werden wir sehen, haben dieselbe Eigenthümlichkeit. Diez II. 153, muchacho, kleines Kind, Knabe, für mochacho von mocho (also auch hier wieder zugleich Redupl.), eigentlich also ein kleiner Stümmel; vgl. chicote Endchen Tau und junger Mensch, in deutschen Mundarten „Bützel“. Unser,,Knoten", „Knirps“, „Knurz“, „Knopf" gehören sicher auch hierher. Zu „Knopf" gleich „Kopf" erwähnen wir Diez II. 235: cadet von capitettum.. Häuptchen, junges Haupt. Ferner I. 284 mozzo.. Stümmel. Mit ganz entschiedener Bestimmtheit aber spricht Diez I. 417: toso... der Knabe wird Strunk oder Butzen genannt, wie dies auch in anderen Ausdrücken und in anderen Sprachen geschah . . .

Diese Worte legen den Schluss nahe, dass wir auch dieser charakteristischen Art und Weise der Bezeichnung ein hohes Alter zuschreiben müssen. Sie gehört der Ammensprache an, und „Ammenwörter können", wie bereits oben aus Diez angeführt, in hohes Alterthum hinaufsteigen." Sie stammt also aus der Kindheit der Sprache, wie sie heute noch der Sprache der Kindheit angehört. Die vorerwähnten Bezeichnungen sind Deminutiva, dem Inhalt, nicht der Form nach. Tritt die Deminution der Form nach auf, was durch Suffixe und Superlativ form (Diez II. 152) geschieht, so haben wir die Kosewörter. Und wo könnten diese mehr vertreten sein als in der Kinderwelt? Und wieder ist es die Thierwelt, die hier eine ganz bedeutende Rolle spielt. Namentlich sind es die Vögel, denen wir unter den Hausthieren am liebsten menschliche Namen beilegen: Diez I. 307 parrochetto.. perico Peterchen (Papagei).

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II. 186, urraca marica Mariechen (Elster).

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II. 408, sansonnet . . Simsonchen (Staar).

(Verwandschaftsbezeichnungen auf Thiere übertragen, siehe Diez I. 281, II. 24, 115, 212, 322.)

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Es ist die Uebereinstimmung des naiv-drolligen Wesens bei Thieren und Kindern, welche Deminuirte Menschennamen auf Thiere überträgt und umgekehrt. Letzteres finden wir bei Diez II. 54, pulcinella . . Hühnchen. Es ist allbekannt, dass man kleine Kinder mit „Viehchen, Schäfchen, Hämmelchen" u. v. a. liebkosend anzureden pflegt. Das drollige Wesen aber bezeichnet uns Diez ganz treffend II. 35: „grille wunderlicher Einfall, ist kein anderes Wort als der Name des Insectes, dessen Sprünge den Anlass zu dem bildlichen Ausdrucke gaben. . . Diese Sprünge" bezeichnen, auf den Menschen angewandt, zunächst die Unbeholfenheit in körperlichen Bewegungen bei schon der Wiege entwachsenen Kindern, die zugleich etwas Scherzhaftes ist, ebenso wie die wirklichen Sprünge des Bockes (capriecis) z. B., dann im übertragenen Sinne auf Erwachsene angewandt, „Launen". So scheinen sich denn eine bestimmte Anzahl sprichwörtlicher Redensarten, die ihre Vergleiche der Thierwelt entnommen, in ähnlicher Weise erklären zu lassen: Mucken* Mücken haben; cine „Laus“ ist ihm über die Leber gelaufen; einem einen „Floh" ins Ohr setzen; „,bockig" hartnäckig sein u. a. m. Um den Eigensinn eines Kindes zu bezeichnen, sagt man es hat ein Würmchen“ im Kopf. Weil dem Kinde das abstractum „Eigensinn" nicht durch Erörterungen deutlich zu machen ist, wählt man das umgekehrte Verfahren der Metapher. Auch die Pflanzenwelt, wie aus Diez I. 430 truffa deutlich zu ersehen ist, liefert Wortvorrath für derartige Bezeichnungen.

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Nach dieser kleinen Abschweifung kommen wir zurück auf die Deminutivform. Uebereinstimmend mit der übertragenen Bedeutung „kindisch" in den Ablautformeln und den Reduplicationen führen wir für die Deminution an Diez II. 196, aïeul. . Auf das wiederum verkleinernde und kindisch machende oder auch auf das ehrwürdige hohe Alter wird

* Der Ausdruck einen auf der Muck haben" gehört nicht hierher; zwar ist auch hier Muck Mücke, aber es bezeichnet das Visirkorn auf dem Stutzen des Tyrolers; also = einen auf dem „Korn" haben.

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die deminutive oder kosende Form passend übertragen... Somit scheint auch der Ursprung der deminutiven Form der Sprache der Kindheit, also auch der Kindheit der Sprache anzugehören.

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Haben wir bisher blos mit einzelnen Wörtern Untersuchungen angestellt, so liegt uns noch ob, auch auf Construction oder Satzbau der Kindersprache Rücksicht zu nehmen.

Erwachsene im Affecte, Taubstumme, Stotternde und namentlich Kinder bedienen sich mannigfacher Abkürzungen der Sprache, indem sie das der Bedeutung nach wichtigste Wort stark hervorheben und durch dasselbe den ganzen Satz vertreten lassen. „Wenn ein Kind", sagt Max Müller II. 79, „auf“ sagt, so gilt dieses auf seinem Geiste als subst., verb. und adject., alle in ungetrennter Einheit beisammen. Es bedeutet: Ich möchte hinauf auf meiner Mutter Schoss. . . Selbst wenn ein Kind grammatisch sprechen lernt, denkt es doch noch nicht grammatisch; es scheint, indem es spricht, die Kleider seiner Eltern zu tragen, obgleich es noch nicht in dieselben hineinge

wachsen ist.

Auch diese Art und Weise des Ausdrucks hat in der Sprache der Erwachsenen eine grosse Anzahl characteristischer Variationen erfahren; der Infinitiv und das Adverbium mögen wohl die geläufigsten Formen dazu liefern. Aus Diez führen wir an II. 185, upa Ermunterungsruf, besonders für die Kinder. Aufgestanden! Munter!

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Solche Kindersprachellipsen, wie man sich wohl ausdrücken könnte, sind ganz natürlich von prägnanter Kürze. Wir wissen aber auch, dass der Ursprung aller Sprachen in kurzen, einsilbigen Wörtern zu suchen ist. Und wie diese sich anfangs unbehindert in idyllischem Behagen entfalteten und erst allmählich ein unbewusst waltender Sprachgeist auf die Nebenbegriffe Gewicht fallen lässt" (J. Grimm: Ursprung der Sprache, pag. 40), ebenso ist es in der Kindersprache. Das Kind beginnt zu reden, wie es anhebt zu denken, und die Rede wächst ihm, wie ihm der Gedanke wächst. ." (Grimm eod. pag. 32). Somit wären wir hier an demjenigen Berührungspunkt zwischen Sprache der Kindheit und Kindheit der Sprache angelangt, wodurch die Einwirkung des „unbewusst waltenden Sprachgeistes" in beiden, den Menschen als solchen charakterisirendes selbstständiges Schaffen deutlich und in höherem Grade zu erkennen ist.

„Die Sprache erscheint als eine fortschreitende Arbeit, sie war anfangs unvollkommen," sagt Grimm p. 32. Dass demnach Völker, in deren Sprache man die im Vorhergehenden

312 Die Kindheit der Sprache mit Rücksicht auf die Sprache der Kindheit, beschriebenen charakteristischen Merkmale der Kindersprache im selben Masse vertreten fände, nicht den Anspruch auf die höchste Stufe der Civilisation machen könnten, scheint klar zu sein. Und dass es solche Völker gibt, unterliegt keinem Zweifel. Wenn auch eine Nation von Stotternden dem Reiche der Fabel angehört, so lesen wir doch bei Max Müller II. 158, dass die Sandwich - Insulaner in ihrer Sprache Zahnlaute für Kehllaute substituiren, also wie die Kinder „, Tatze" für „Katze", „Tuss" für „Kuss" (wenn sie diese deutsche Wörter sprechen sollten) sagen würden. „Diese Verwechselung zweier Consonanten", sagt er p. 162, in demselben Dialect ist, wie ich glaube, ein charakteristisches Merkmal der tieferen Stufe der menschlichen Sprache und erinnert uns an das Mangeln der Articulation in den tieferen Stufen der Thierwelt."

Zugleich erkennen wir aber auch in den dargestellten Merkmalen der Kindersprache ein durch natürliche Verhältnisse hervorgerufenes Streben nach Gleichartigkeit oder Regelmässigkeit der Formen, und zwar in Folge des Mangels an Mannigfaltigkeit der Formen des Ausdrucks. Das wird der Grund jenes grammatischen Gerechtigkeitsgefühles" sein (Max Müller I. 61), vermöge dessen die Kinder Formen wie badder" statt worse", „comed" statt „came" u. a. bilden und so wahrscheinlich an dem Verschwinden unregelmässiger Declinationen und Conjugationen aus der Sprache Schuld sind.

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So wären wir am Schlusse unserer Aufgabe angelangt. Wir können jedoch nicht abbrechen ohne des besonderen Einflusses zu erwähnen, den diejenigen auf die Sprache überhaupt ausüben, welche die Kindersprache schaffen helfen. „Der Einfluss der Weiber," sagt M. Müller II. 81, „auf die Sprache jeder einzelnen Generation ist viel grösser als der der Männer. Wir nennen sehr passend in Deutschland das Deutsche unsere Muttersprache; denn von unsern Müttern lernen wir sie sammt ihren Eigenthümlichkeiten in Mundart und Betonung und selbst in ihren Fehlern...“

Ist es uns hienach gelungen, zu zeigen oder auch nur annähernd anzudeuten, dass die Kindersprache aller Nationen mit ihren charakteristischen Merkmalen in ein sehr hohes Alter zu setzen ist, mithin der allgemeinen Muttersprache, der Wurzel- oder Ursprache, als wirkliche Tochter zuzuweisen ist, so dürfen wir in der That die Lehre daraus ziehen, dass auch in dieser Sprache mehr steckt, als sich unsere Philosophen träumen lassen."

Düsseldorf.

Dr. Mieck.

Neues über Daniel Defoe.

Unsere kritische Zeit hat schon manchen zu Ehren gebracht, an dessen Rufe ein Makel hing, dagegen auch manchem sein Ehrenkleid abgestreift, mochte es ihm noch so fest umgelegt zu sein scheinen. So geht es auch Daniel Defoe, über dessen Leben, Charakter und schriftstellerisches Verdienst bislang nur eine Stimme war. Sein Leben, so sagte man, war ein mühe- und wechsel volles, sein Charakter ein fester und ehrenhafter, sein schriftstellerisches Verdienst ein unantastbares. Was nun das erstere und das letztere angeht, so mag die bisher geltende Ansicht auch ferner gelten; Defoe's Charakter aber wird in einem andern Lichte erscheinen, nachdem William Lee, einer seiner wärmsten Verehrer in England, eine neue Lebensbeschreibung des berühmten Schriftstellers veröffentlicht hat.* Lee's Zeugniss ist um so gewichtiger, als er kaum zu ahnen scheint, welchen schlimmen Dienst er dem von ihm so bewunderten Verfasser von Robinson Crusoe leistet. Er glaubt durch seine Darstellung von Defoe's Leben jeden Fleck von dem Bilde seines Helden getilgt zu haben, während dieses in der That allen Glanz verliert, mit dem die Nachwelt es umgeben hatte.

Die gewöhnliche Meinung war, Defoe habe die letzten siebzehn Jahre seines Lebens sich fern gehalten von allem

* Daniel Defoe, his Life and Recently Discovered Writings, extending from 1716 to 1729. 3 vols. Lond. 1869.

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