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Führet die schönsten Argumente zu Gunsten der Bruderliebe an! Begründet dieselbe mit den treffendsten Motiven! Schildert sie mit den glänzendsten Farben! Stellet sie dar unter der lieblichsten Gestalt! Alle diese Argumente, Schilderungen und Beschreibungen verbleichen vor der einen Thatsache: „Mein Bruder ist eine Seele, über die das Blut unseres Erlösers geflossen und dadurch geweiht und geheiligt wurde zu einem Tempel des lebendigen Gottes!"

Origenes erzählt von seinem Vater Leonides, dieser sei oft in stiller Nacht hingetreten vor das Lager des schlafenden Sohnes, um ihm ehrfurchtsvoll die Brust zu küssen, die heilige Wohnung Gottes. Der Mensch wird geadelt durch den Glauben. Jesus Christus hat über die blutenden, hässlichen Wunden der sündigen Menschheit den Mantel seiner eigenen, göttlichen Natur geworfen, hat sie in das Gewand seiner geheiligten Menschheit gehüllt und mit himmlischer Herrlichkeit umkleidet.

Das ist die lautere Milch, welche die Bruderliebe erhält und ernährt!

Wie blühend erschien sie einst auf Erden! Wohin immer die ersten Glaubensboten auszogen, da waren sie Boten des Gottes, der die Liebe ist, da ging diese hohe göttliche Liebe an ihrer Seite und sie hat den Einzelnen erlöst, die Familie durchweiht, die Gesellschaft wiedergeboren, das Leben vergöttlicht! Wie blühend sah sie damals aus!

Wie kräftig erschien sie später in der Reformationszeit! Wie grossartig offenbarte sich damals die civilisatorische Wirkung des Christenthums! Die Reformatoren haben den Geist der Freiheit in allen Schichten der Gesellschaft geweckt, die neue Zeit heraufbeschworen, das Gewissen der Einzelnen gegenüber den kirchlichen Satzungen wieder in seine Rechte eingesetzt und auf das häusliche Leben, auf die politischen Umgestaltungen der Staaten, kurz auf alle Lebensgebiete einen mächtigen Einfluss ausgeübt! Kräftig und stark war damals die Bruderliebe!

Wie mächtig erweist sie sich heute noch in den Missionen! Welch eine wunderbare Umwandlung bewirkt sie doch unter wilden, heidnischen Nationen! Als die Negersklaven auf St. Thomas zum erstenmale erfuhren, dass der Heiland auch für die Schwarzen geboren, gestorben und auferstanden ist, da klatschten sie mit kindlicher Freude in die Hände. Sie hatten Recht. Die christliche Bruderliebe, die unter dem Kreuze geboren, hatte ihnen die Missionäre zugeschickt und mit dem Evangelium, das sie verkündet, zog Bildung und Civilisation in ihr Land ein. Wie mächtig erweist sich die Bruderliebe!

Warum wirkt sie denn das Gleiche nicht unter uns? Warum zieht sie denn, einem Schwindsüchtigen, einem Schatten gleich, kränkelnd, fröstelnd dahin? Warum fehlt denn sogar unter Gläubigen einer und derselben Gemeinschaft die rechte Bruderliebe? Warum sind die Einen so gleichgiltig, die Anderen so hartnäckig, diese so schroff und steif, jene so stolz, eckig und spitzig? Warum? Weil es uns heute gar zu sehr an der geistlichen, lauteren Milch des Evangeliums gebricht. Die Einen nähren sich mit ihren Phantasien, die Anderen mit ihren Ueberlieferungen; hier zehrt man an der an der Augustana", dort an der „Helvetica". Ein Jeder ist bestrebt, den Nachweis zu liefern, dass seine Leibspeise" die einzige zuträgliche ist. Die Bibel wird nach dem Sonderbekenntnisse beurtheilt, während man doch das Bekenntniss nach der Bibel prüfen sollte und daher die vielen Sacristeien, die wenigen Kirchen, daher der Hader und Streit, daher die Bosheit, der Betrug, die Heuchelei, der Neid, das Afterreden. Kein Wunder fürwahr, wenn die Bruderliebe am Hungertyphus dahinstirbt!

Wollt ihr, dass wieder bessere Zeiten für die Kirche, für die Menschheit anbrechen, so seid begierig nach der geistlichen, lauteren Milch des Evangeliums. Aber, wird uns erwidert, wir sind ja keine Kinder mehr. Gut. Jene Christen, in der Diaspora, an welche unser Brief

adressirt ist, haben auch das Evangelium seit mehr als einem Jahrzehnte angenommen, und doch ermahnt sie der Apostel „als die jetzt geborenen Kindlein" nach der Milch des Evangeliums zu verlangen. Und ihr? Steht ihr auf einer höheren Stufe als jene Heidenchristen? Möglich, aber was seid ihr denn vor dem allmächtigen Gott, was Anderes als Kinder, als Kindlein? Glaubt ihr, dass ihr jemals die Milch des Evangeliums werdet entbehren können? O nein, es sei denn, dass ihr krank würdet. So lange das Kind nach der Muttermilch verlangt, ist für seine Gesundheit nichts zu fürchten; fängt es aber an, diese Nahrung zu verschmähen, dann thut ihr wohl daran, nach dem Arzte zu schicken. So ist das Verschmähen der Milch des Evangeliums, für die Christen, das Symptom einer gefährlichen Erkrankung. Einige Zeit hindurch mag man sich, trotz aller Gefahr, wohl fühlen; die eigenen Einbildungen und phantastischen Träume bieten einen gewissen Ersatz für die Milch der Offenbarung, aber wehe uns, wenn dieser Zustand andauern sollte! Der Glaube würde erschlaffen, die Liebe erkalten, die Hoffnung erstarren. Was kann uns heilen von diesem Uebel? Die Milch des Evangeliums.

O seid begierig nach derselben, auf dass ihr durch dieselbe zunehmet". Jeder Mensch strebt nach Wachsthum und Vollkommenheit. Auch der Christ muss wachsen und zunehmen. Die Milch des Evangeliums wird dieses Wachsthum fördern. Bist du Kind in Christo, das Evangelium führt dich zum Jünglingsmuth; bist du Jüngling, es gibt dir Manneskraft; bist du Mann, so wirst du die Erfahrung eines Greises erst dann gewinnen, wenn du dich täglich als lernbegieriger Schüler zu den Füssen des Herrn und seiner Zeugen setzest. „Die Bibel," sagt C. Harms, „ist die Mutter, welche alle geistigen Kinder nährt und stillt, bis sie erreichen das Mannsthum einer höheren Welt."

Soll dein verderbtes Herz zur Heiligung genesen,

Christ, so versäume nicht, das Wort des Herrn zu lesen.

Bedenke, dass das Wort, das Heil der ganzen Welt,
Den Rath der Seligkeit, den Geist aus Gott enthält.

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Seid begierig nach dieser geistlichen, lautern Milch! Und ihr werdet gewiss darnach verlangen, wenn ihr anders geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist". An seiner Liebe zum Worte, hat der Christ einen Massstab seiner Liebe zum Herrn; seine persönliche Erfahrung von der Güte des Herrn ist es, die ihn zum Worte hinzieht und was er sucht, ist die immer reichere, tiefere Erfahrung der Freundlichkeit des Herrn, ist er selbst und die Lebensgemeinschaft mit ihm". (Wiesinger.) Habt ihr das noch nicht erfahren? Oder hättet ihr etwa die Freundlichkeit des Herrn noch nicht geschmeckt? Wäret ihr noch so weit zurück in der Entwicklung eures christlichen Glaubens und Lebens?.... Unmöglich!

Wohlan denn, so kommt, schöpfet alle eure Lebenskräfte aus dem Worte Gottes! Lasst euch nähren und stärken durch die geistliche, lautere Milch des Evangeliums! Lasst die Bibel den unbeweglichen Grund bleiben, auf dem ihr stehet, den Pfeiler der Wahrheit, den die Pforten der Hölle nicht überwältigen, den Heilsbrunnen, aus dem das Wasser zum ewigen Leben quillt, dann werden die unnützen Streitfragen verstummen und die Parteien mit ihrem schädlichen Parteigetriebe in sich selbst zerfallen; dann wird die Macht der Liebe wieder wie in den ersten Jahrhunderten mit aller Herrlichkeit hervorbrechen und die Welt, wenn auch wider Willen, die Lebenskraft unseres Glaubens anerkennen und staunend vor der Einheit aller Gläubigen rühmen, wie zuvor: "Sehet, wie sie sich einander lieben."

Halt fest an Gottes Wort,

Es ist dein Glück auf Erden,
Und wird, so wahr Gott ist,
Dein Glück im Himmel werden.

XIV. Christus, der lebendige Stein, wir, die

lebendigen Steine.

I. Petri 2/4-6.

So wissen wir denn, was die Bruderliebe einerseits gefährdet, verzehrt, was sie andererseits erhält und ernährt. Die Pflege dieser zarten Himmelspflanze haben wir kennen gelernt. Nun gilt es, das Unkraut auszurotten, die Schmarotzerpflanzen sammt ihren Wurzeln auszureissen und der Bruderliebe eine würdige Pflanzstätte zu bereiten. Ob es wohl gelingen wird? Ja, wenn wir 1. mit Christus, dem lebendigen Steine, uns verbinden, und 2. durch ihn als lebendige Steine zur Verwendung kommen.

Wir sollen zu ihm kommen, seiner uns nähern, mit ihm uns verbinden. Bei ihm ist Heil und Hilfe. Bei ihm ist Kunst und Kraft. Wer sich ihm anschliesst, der wird zu jedem guten Werke geschickt.

Zwar sind wir bereits zu ihm gekommen. Schon seit Jahren haben wir einen Bund mit ihm geschlossen. Wir tragen das Bundeszeichen an der Stirn, auf der Brust; wir sind getauft auf seinen Namen, wir glauben an die Erlösung durch sein Kreuz. Wir sind seine Jünger geworden. Aber mit dem einmaligen Kommen ist's nicht abgethan. Die Hingabe unseres Herzens muss täglich wiederholt und erneuert werden. Immer auf dem Wege zu ihm, das ist der Christen Beruf und Freude. Je näher sie herantreten, desto näher verlangen sie zu kommen. Niemals werden sie auf Erden rühmen können: jetzt haben wir unser Ziel erreicht, jetzt sind wir fertig. Ein Christ," hat Luther gesagt, „ist

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