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XXXII. Die Berufstreue.

I. Petr. 5/2.

Weidet die Heerde Christi, so euch befohlen ist mit diesen Worten hat der Apostel den Aeltesten die Pflichten und Aufgaben ihres herrlichen Berufes kurz und treffend gekennzeichnet. Der Weg, den sie einzuschlagen haben, liegt nun klar vor ihren Augen. Sie könnten ihn sofort, ohne weitere Anweisungen betreten. Sie würden gewiss vorwärts kommen. Allein das Vorwärtskommen ist nicht immer die Hauptsache. Es gibt eben nur einen Fortschritt, das ist der Fortschritt, bei welchem Wahrheit und Gottseligkeit innig mit einander verbunden bleiben. Das ist der einzige Fortschritt, welcher keinen Rückschritt, keine Reaction zu fürchten hat. Und darauf kommt es dem Apostel an. Darum begnügt er sich nicht mit dem Wegweisen; er zeigt ihnen noch ferner, wie sie sich auf der vorgezeichneten Bahn bewegen, wie sie darauf wandeln, welche Gedanken sie hegen, welche Gesinnungen sie pflegen sollen. Zu dem göttlichen Berufe gehört auch die göttliche Berufstreue. Diese verleiht jenem erst die rechte Weihe, den inneren Werth. Er muss sie auch darüber belehren, unterweisen.

Die heutige und die nächste Predigt werden sich demnach wieder in Pfarrpredigten umgestalten. Wollt ja nichts Besonderes dahinter suchen. Ich muss eben dem Apostel Petrus folgen. Man könnte zwar diese Verse überspringen oder die Betrachtungen hierüber abkürzen, aber das hiesse gegen Gottes Wort sündigen, dem heiligen Geist wider

streben. Auch wir müssen dem göttlichen Prediger stille halten und wäre es noch so demüthigend, sich in Gegenwart der Gemeinde warnen und strafen zu lassen, so hätten wir doch kein Recht, dem heiligen Geiste, kraft unseres Amtes, das Wort zu entziehen. Uebrigens schadet es gar nicht, dass auch uns, die wir immer Andern predigen, einmal gepredigt werde. Andererseits ist diese Ermahnung für euch keineswegs überflüssig. Ihr werdet ja von Zeit zu Zeit berufen, Aelteste oder Pfarrer zu wählen. Ihr müsst daher wissen, was ihr billig von den Gewählten zu fordern, zu erwarten oder auch was ihr ihnen, in gerechter Würdigung ihres Berufes, zu bieten habt.

So lasst uns denn beiderseits, mit andächtiger Aufmerksamkeit, die Ermahnung der Apostel vernehmen und möge Gott dieselbe mit seinem reichen Segen begleiten!

Also wie sollen wir die Heerde Christi weiden? Vor Allem, antwortet der Apostel, nicht gezwungen! Das ist die erste und wahrlich auch die unentbehrlichste Forderung. Es gibt eben nichts Peinlicheres als Sklavendienst. Fragt jedweden Menschen, wo er auch stehe und arbeite. Fühlt er Lust und Liebe zu seinem Berufe, dann geht Alles leicht vom Fleck. Er ist heiter und guter Dinge, auch wenn ihm der Schweiss vom Angesichte rinnt. Wie mürrisch hingegen, wie gedrückt, wie missmuthig, wer seine Arbeit nur aus Zwang verrichtet. Die Unzufriedenheit schaut ihm aus den Augen heraus; der Groll schwillt ihm die Adern; der Zorn treibt ihm Lästerworte auf die Zunge, und brechen irgendwo Unruhen aus, so wird er gewiss in den ersten Reihen der Rebellen stehen! Eine Hand, die ohne Freude das Werkzeug führt, ergreift mit Wollust die Fahne der Revolution. Nichts Gefährlicheres als die Unlust zum Berufe, zur Berufsthätigkeit!

Aber, fragt ihr, gibt es denn auch unter den Pfarrern und Aeltesten solche zur Empörung geneigte, leicht aufzuregende Gemüther? Wahrscheinlich gab es welche zur Zeit des Apostels, sonst hätte er nicht zu ermahnen ge

braucht: Führet die Aufsicht nicht aus Zwang! Gibt es deren auch heute noch? Unmöglich wäre es nicht. Wie dem auch sei, die apostolische Ermahnung muss mit allem Ernste berücksichtigt werden. Denn das Seelsorgeramt kann nur dort gedeihen, nur dort segensreich sich entfalten, wo es freiwillig, ungezwungen ergriffen und ausgeübt wird. Die innere Berufung ist nothwendig für uns, so wir anders mit Freude und Frucht im Weinberge des göttlichen Reiches arbeiten wollen; nothwendig für die Gemeinde, damit sie nicht unter dem schweren Drucke eines Miethlinges elend zu Grunde gehe, an der Auszehrung dahinsterbe; nothwendig auch um der Welt willen, weil wir verpflichtet sind, auf ihre Frage: „du, warum da?” eine klare, bündige, entschieden christliche, evangelische Antwort zu geben. Das Merkmal eines wahren Berufes ist somit ein unwiderstehlicher, Alles mit sich fortreissender Drang, Andern zu verkündigen, was Gott in Christo für uns gethan hat. Das Wort Gottes muss wie ein Feuer in unsern Gebeinen sein und dem Apostel Paulus müssen wir nachsprechen können: Wehe uns, wenn wir das Evangelium nicht predigen!" Ohne diesen Drang ist unser Amt nichts Anderes als ein Frohndienst!

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Darum warne ich euch, Studenten und Candidaten der Theologie, prüfet euch wohl, bevor ihr dieses Amt antretet. Ein frommer Schuster in seinem schlichten Arbeitergewand ist Gott tausendmal lieber als ein Sklave im Chorrock. Und ihr Eltern, nöthigt niemals eure Söhne zum Studium der Theologie. Für den Menschen ohne inneren Beruf ist die Kanzel nur eine Station auf dem Wege zur Hölle.

Und wie verderblich ist doch der Einfluss eines solchen Predigers! Treffend ist bemerkt worden, dass keine Erscheinungsform des Bösen eine so erstaunliche Kraft habe, Seelen zu verderben, als der unbekehrte Prediger eines Kirchspiels, mit einer schönen Orgel, einem weltlich gesinnten Chor und einer Zuhörerschaft von lauter vornehmen Leuten! Es gebe keine wirksamere Anstalt der Verdamm

niss als diese. Die Leute gehen zur Kirche, trösten sich dessen, danken sogar Gott dafür, dass sie so andächtige Anbeter sind, bilden sich ein zu leben. . . . und siehe, sie sind todt.

Darum prüfe sich Jeder, bevor er dieses Amt ergreift! Nur nicht gezwungen!

Und hat er es ergriffen, hat ihn die Liebe zu Christus in den Dienst der Kirche, des Evangeliums getrieben, dann treu gewacht, dass die innere Freiheit gewahrt und erhalten bleibe! Gar Mancher hat als freier Mann begonnen und als bedauernswerther Sklave geendet. Nehmen wir uns wohl in Acht!

Vor Allem hüten wir uns vor dem Handwerksmässigen! Eine der schlimmsten Versuchungen unseres Amtes besteht darin, dass wir den Beruf geschäftsmässig betreiben, dass wir die Bibel sozusagen amtsmässig lesen, alle unsere Functionen nur amtsmässig verrichten und so das ganze religiöse Leben aus dem Amte und nicht aus dem innersten Herzen hervorquillen lassen. Da gilt es recht auf seiner Hut zu sein. Sonst werden wir Handwerker, Maschinen, im besten Falle Drehorgeln. Das heilige Feuer erlischt, das göttliche Leben erstirbt, die Freudigkeit fährt dahin. Man erfüllt zwar seine Pflichten, man erledigt seine Acten, man hält seine Reden, aber wie ist doch alles so schlaff, so matt, so starr! Ueberall vernimmt man das Röcheln eines Sterbenden! Möge Gott uns vor einem solchen Ausgange behüten! Darum immer freudig aus der lebendigen Quelle des göttlichen Wortes geschöpft, immer tiefer hinein in die Heilsoffenbarung! Dort ist das rechte Lebenselixir, das ewige Verjüngungsmittel zu finden.

Nicht gezwungen! Darum Achtung ferner vor jeder Menschendienerei! Hüten wir uns vor dem Wahne, als sei die Gemeinde unser Ein und Alles, unser Erstes und Letztes! Niemals. Wohl wird das Gedeihen der Gemeinde unsere innigste, liebste Herzensangelegenheit werden, denn Gott hat uns ja diese Heerde zum Weiden anvertraut;

zu

wohl werden wir Alles was wir für das Reich Gottes zu wirken suchen, mit Vorliebe seinen Anfang in der Gemeinde nehmen lassen; wohl wird es, was selbstverständlich ist, unser Bestreben sein, die Wünsche, Anleitungen, Erfahrungen oder Anordnungen der bestehenden Gemeindeorgane zu berücksichtigen oder zu befolgen, aber wo die Gemeinde unser Gewissen vergewaltigen, beherrschen möchte, da setzen wir uns zur Wehre; bis hieher und nicht weiter. Ueber der Gemeinde steht eben die Kirche, steht das Wort Gottes, und die Heerde kann ich nur insolange nach Christi Wohlgefallen weiden, als ich in aller Freiheit der Kirche, dem Worte Gottes zu gehorchen vermag. Damit wir der Kirche in aller Freiheit dienen, dem Worte Gottes frei gehorchen können, müssen wir auch nach unten frei bleiben, ungebunden, ungezwungen. Darum vermeiden wir es Parteien zu bilden, Parteien zu führen oder Parteien zu dienen. Wir denken zu hoch von unserem Berufe, um denselben in das Joch persönlicher Verbindlichkeiten zwängen. Wir sind dem Herrn, der uns zu seinem Eigenthum erkauft hat, zu sehr verpflichtet, um uns zu Leibeigenen von Erdenkindern degradiren zu lassen. Ein Pfarrer, an dessen Hals und Händen die Abzeichen der Ketten sichtbar geworden sind, hat sich selbst aus der Zahl der Hirten ausgeschlossen. Mag sein, dass solche Banden süss, solche Ketten goldig seien, aber die Freiheit ist dahin und mit dem Wirken zur Ehre Gottes ist es aus! Man fängt an zu klügeln, zu berechnen, zu überlegen, Rücksichten zu nehmen, auf die Stimmen in der Gemeinde zu lauschen, nach dem Urtheile der einflussreichen Persönlichkeiten zu fragen und man verirrt sich schliesslich so weit, dass man das Gute unterlässt, weil es den Einen nicht zusagt, das Schlechte aber duldet, weil es den Andern gefällt. Ja, das Gute selbst, das man unternimmt und durchführt, verliert zuletzt seinen inneren Werth, erhält einen bittern Nachgeschmack. Es ist ein Frohndienst geworden, es ist aus Zwang geschehen. Jedermann kennt die schäd

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