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Erste Fixirung der Tradition.

163 Theil derselben bildend. Wie sich hier die mündliche, der Kirche übergebene und in ihr fortgepflanzte Lehre zuerst in schriftlichen Denkmalen verkörpert hatte, so geschah dieß in den nächsten und folgenden Menschenaltern. Zu jeder Zeit brachte die Kirche eine Literatur hervor, welche aus Denkmalen der gleichzeitigen Tradition bestand, und so wurde stets ein Theil dessen, was im Bewußtsein der Gläubigen lebte, in Schrift fixirt, natürlich ohne daß jemals der ganze in der Kirche vorhandene und lebendige Glaubensstoff in den literärischen Productionen und kirchlichen Urkunden zum völligen Ausdruck gekommen wäre; denn es ist eben nicht möglich, die ganze Lebens, Denk- und Sinnesweise einer großen Gesellschaft, wie die Kirche ist, niederzuschreiben. Das Glaubensleben jeder kirchlichen Generation oder Periode nährte sich wieder aus diesen Denkmalen der vorausgegangenen Zeit, vor allem stets aus denen der Apostel. So wirkte in jedem Abschnitte der kirchlichen Geschichte die ganze frühere Zeit der Kirche fort mittels des lebendigen Organismus, der die Kirche der Gegenwart mit ihrer Vergangenheit verknüpfte, durch die nie sich verläugnende Kraft des göttlichen Wortes: „Ich bin bei euch bis an's Ende der Zeiten", durch die vererbten Gebräuche und Einrichtungen, durch die todten, aber in ihren Schriften noch lebenden und sprechenden Lehrer.

25. Was die Apostel schriftlich und mündlich der Kirche übergaben, war nicht eine Summe fertiger Artikel, eine Anzahl formell und materiell abgeschlossener Dogmen, wobei die Aufgabe der Kirche nur gewesen wäre, sie in ihre Gedächtnisse und in beglaubigten Abschriften sorgfältig zu bewahren, das Erbgut der Lehre nur wie ein todtes ein für allemal fertiges Besitzthum zu hüten. Das erste Depositum der Lehre war ein Lebendiges, welches organisch wachsen, sich aus seiner Wurzel heraus nach innerer Nothwendigkeit und zugleich in einer den geistigen Bedürfnissen der Gläubigen in verschiedenen Zeiten entsprechenden Weise entfalten und sich den angemessen= sten Ausdruck schaffen sollte. Es bestand mehr aus Thatsachen, Principien, dogmatischen Keimen und Andeutungen, welche die Anlage und Fähigkeit zu successiver Entwicklung und lehrhafter Ausbildung" in sich trugen, in welchen potentiell eine Fülle dogmatischen Stoffes beschlossen lag. Dem geschichtlichen Charakter der christlichen Religion gemäß mußte demnach eine dem Gesammtleben der Kirche entsprechende, mit diesem in Wechselwirkung tretende successive Entwick lung und Ausbildung der Lehre ohne Aenderung ihres Wesens stattfinden. Sie war das Werk einer gemeinsamen, Jahrhunderte hin

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Successive Ausbildung

durch fortgesetten, immer auf dem Grunde der Vorfahren fortbauenden Geistesarbeit der erleuchtetsten Christen, einer steten Vertiefung in die heiligen Schriften, wodurch allmälig auch die in diesen enthaltenen Andeutungen und Wahrheitskeime erst den erleuchteten Fors schern und Lehrern, dann auch der Masse der Gläubigen aufgeschlossen wurden. Gefördert wurde diese Entfaltung von innen durch die Natur einer göttlichen Mittheilung, welche bei ihrer Bestimmung, nicht blos das ethische Gebiet, sondern auch das ganze Geistesleben des Menschen zu durchdringen und zu beherrschen, einen nie völlig zu erschöpfenden Reichthum an Folgesäten in sich trug; sodann durch das unabweisbare Bedürfniß und Streben des menschlichen Geistes, sich stets tiefer in diese Lehre zu versenken, sie zu einem zusammenhängenden Systeme zu gestalten, oder nach allen ihren Verzweigungen zu vollem, auch dem wissenschaftlichen Verstandes-Interesse genügenden Bewußtsein sich zu bringen. Von außen kam hiezu die Nöthigung, welche in den häretischen, nach und nach alle christlichen Lehren alterirenden oder zersetzenden Bestrebungen lag, die bedrohten Punkte zu befestigen und wie mit Bollwerken von weiter führenden und tiefer eindringenden Bestimmungen zu umgeben, das anvertraute Gut der Lehre gegen jedweden Versuch einer einseitigen oder geradezu verkehrten Ausdeutung und schiefer Fortbildung zu wahren, sie daher in ihre Bestandtheile zu zerlegen, ihren vollen Gehalt aufzuweisen und in kirchlicher Entscheidung zu sichern und festzustellen. In solchen Fällen erhob sich laut und vielstimmig die kirchliche Tradition als das verlegte oder bedrohte und darum zip positiven Satzungen drängende Gemeinbewußtsein der Gläubigen. Dergestalt zieht sich durch die ganze Geschichte der Kirche ein fortschreitender, lehrbildender Proceß, in welchen der menschliche Geist eingehen mußte, aber nicht der sich selbst überlassene, nur von natürlichen Trieben beeinflußte Menschengeist, sondern der vom Paraklet, dem der Kirche gegebenen Lehrer, geleitete. Und so war diese Lehrfortbildung und dogmatische Feststellung in letzter Instanz das Werk desselben Geistes, aus welchem auch der Lehrgehalt der neutestamentlichen Schriften selbst geflossen war, und was sich von irrender Beschränktheit und Leidenschaft der Thätigkeit der bei diesem Processe betheiligten individuellen Organe beimischte, das wurde durch die höhere Energie des in der Kirche waltenden göttlichen Geistes auf die Länge unschädlich gemacht, und wie in einem geistigen Läuterungsfeuer zuletzt aufgezehrt.

26. Die christliche Lehre in ihrer geistigen und ethischen Erhabenheit, ihren dem vulgären Verstande unfaßbaren Mysterien und

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dem unerbittlichen Ernste ihrer sittlichen Forderungen, ist an sich mehr als jedes andere religiöse System den Angriffen, den störenden und alterirenden Einflüssen menschlicher Neigungen, eigensüchti ger Gelüste und geistiger Beschränktheit, also der Gefahr ausgesett, entstellt und herabgezogen zu werden in den Dienst menschlicher Selbstsucht und kurzsichtiger Leidenschaft. Dieser, ihr kostbarstes Gut, ihr Lebensprincip bedrohenden Gefahr entging die Kirche durch den Besitz und Gebrauch der apostolischen Schriften und der übrigen älteren und jüngeren Urkunden ihres Glaubens, durch die Festigkeit ihrer Verfassung als des zur Bewahrung der Ueberlieferung und zur kräftigen Ausscheidung unreiner und verderblicher Elemente nothwendigen Organs und durch die schüßende Leitung und stets wirksame Erleuchtung des göttlichen Geistes. In jedem Zeitraume war die in der Kirche geltende Lehre oder Tradition ein göttlich - menschliches, durch das Zusammenwirken und Jneinandergreifen göttlicher Kräfte und menschlicher Lehr- und Glaubensthätigkeit bedingtes Produkt, das Ergebniß des Glaubens und Lebens aller vorausgegangenen Geschlechter. Ihr inneres Wachsthum, die allmälige Entfaltung der christlichen Grundlehren und dogmatischen Principien in ihre Consequenzen, das fucceffive Heraustreten der in einem doctrinellen Keime beschlossen liegenden Einzelbestimmungen in das kirchliche Bewußtsein, die fortschreitende Vermehrung und Erweiterung der kirchlichen Entscheidungen und Formulare, das Alles vollzog sich durch das Zusammenwirken dreier Kräfte und kirchlicher Thätigkeitsformen, der logischdialektischen, der gelehrten, auf die Urkunden der älteren Ueberlieferung, der Schrift und der altkirchlichen Literatur gerichteten Forschung, und der erleuchteten, in die Schrift und Contemplation der Mysterien sich versenkenden Andacht. In ähnlicher Weise hatte die religiöse Erkenntniß in der vorchristlichen Zeit eines mehr als tausendjährigen Processes bedurft, um von den höchst einfachen Thatsachen und Glaubensartikeln, welche das religiöse Bewußtsein der Patriarchen bildeten, bis zu dem ausgebildeten Glaubenssysteme fortzuschreiten, zu welchem die jüdischen Zeitgenossen Jesu, z. B. ein Pharisäer wie Gamaliel oder Paulus vor seiner Befehrung, sich bekannten. Und dieß war die unter dem Zusammenwirken progressiver göttlicher Offenbarung und menschlicher Geistesthätigkeit erreichte Entwicklung, wie sie innerhalb eines einzigen Volkes sich vollzog, während an der großen Arbeit der christlichen Lehrentwicklung die begabtesten Völker dreier Welttheile seit achtzehn Jahrhunderten sich betheiligen.

27. So konnte in keinem Zeitraume der Kirche, von Christus

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Continuität der Lehre.

und den Aposteln an, heute anders gelehrt und geglaubt werden, als gestern gelehrt und geglaubt worden war. Wohl konnten später theologische Meinungen auftauchen und vergehen, es fonnten manche einem Zeitalter angehörige, aus einer vorübergehenden Lage erwachsene volksmäßige Vorstellungen sich geltend machen, die dann wieder vom Strome der Zeit verschlungen wurden. Aber in der Continuität der traditionellen Strömung konnte weder plöglich noch allmälig die Verdrängung einer Lehre durch eine andere ihr entgegengesezte erfolgen; nie konnte auch eine in der Kirche einmal wirklich erkannte und geglaubte Wahrheit verloren gehen oder von der Dignität eines Glaubenssages zu einer blos in der Kirche geduldeten Meinung herabsinken. Das richtige Verständniß der Lehre und die demselben entsprechende Auslegung der apostolischen Schriften wurde wie an einer Kette von Glied zu Glied fortgeleitet. Die überwachende Kritik übte im Grunde jeder gläubige Christ, übte vor Allem mit dem Gewichte ererbter Autorität das apostolische Lehramt in seiner organischhierarchischen Gliederung. Die Ablehnung jeder fremden Lehre ergab sich einfach aus der Wahrnehmung, daß sie, nach ihrem Wortlaute oder ihren nothwendigen Consequenzen, der von den Vorfahren überkommenen widerspreche. Jeder aber, Laie oder Kleriker, konnte nach der ihm eigenthümlichen Begabung Theil nehmen an der Forschung, und das Seinige beitragen zu dem großen Gestaltungs- und Entwicklungsprocesse christlicher Lehre und Anschauung; fonnte es mit um so größerer Zuversicht, als er sich getragen und bewahrt wußte durch den Körper, dem er als Glied angehörte, durch die Kirche, deren thatsächliches oder ausdrückliches, billigendes oder zurückweisendes Urtheil früher oder später über den Werth oder Unwerth, die Wahrheit oder den Irrthum seiner Deutungen und Aufstellungen entschied wenn nur er selbst und die Anhänger, die er etwa fand, einen hinreichend starken und demüthigen Glauben besaßen, um ihren Geist nicht über den der Kirche seßen zu wollen.

2. Die göttliche Trinität. Engel. Dämonen.

28. Wenn der Heidenapostel sagt: „Es gefiel Gott, seinen Sohn in mir zu offenbaren" 1), so meinte er damit, daß ihm durch himmlische, ihm unmittelbar zu Theil gewordene Unterweisung die innere Wesenheit des erhöhten Jesus enthüllt worden sei. Christus selbst

') Gal. 1, 16.

Gottheit Christi.

167 war ihm wiederholt erschienen, damit er Zeugniß gebe von dem, was er gesehen hatte.') Seiner Anschauung zufolge ist, im Gegensaße gegen unsern irdischen Stammvater Adam, Christus „aus dem Himmel"); denn er hatte im Angesichte Christi die Herrlichkeit Gottes strahlen sehen.") Zwischen ihm, dem Sohne, und dem Vater findet innige, ausschließliche Wesensgemeinschaft statt; so zwar, daß das ganze Wesen des Vaters im Sohne abgedruckt ist, und er den an sich unschaubaren Vater als dessen Ebenbild zur Anschauung bringt, den Vater abspiegelnd, wie sich in den Sonnenstrahlen der Abglanz der Sonne darstellt. 4) Alles ist durch ihn und in ihm (durch einen in seiner Person liegenden Schöpfungsakt) geschaffen; er hat als Vermittler des göttlichen Schaffens die ganze Schöpfung vollzogen, und ist selbst der Erstgeborne der ganzen Schöpfung, der nicht geschaffen, sondern geboren, aus dem Wesen Gottes erzeugt ist. 5) Indem die verklärte Leiblichkeit des erhöhten Christus dem Apostel vorschwebt, gebraucht er den Ausdruck: die ganze Fülle der Gottheit (nicht der göttlichen Gnade, sondern der göttlichen Wesenheit) wohne in ihm leibhaftig. 6) Wenn hier Paulus von dem menschgewordenen Sohne redet, so faßt er dagegen den Sohn in seinem vorzeitlichen Dasein in's Auge, indem er von ihm sagt: Er sei in Gottes Gestalt gewesen (im Besitze göttlicher Herrlichkeit), habe aber dieses gottgleiche Sein nicht für einen Raub gehalten, d. h. er habe seine Gottgleichheit nicht angesehen, wie man ein geraubtes Gut betrachtet und eifersüchtig festhält, jeden Gedanken an dessen Entäußerung zurückweisend, sondern habe vielmehr durch seine Menschwerdung und Annahme der Knechtsgestalt sich selbst entleert.7) Darum muß denn auch die ganze Geisterwelt vor seinem Namen die Kniee beugen. Als den Sohn, den eigenen Sohn Gottes, den Sohn seiner Liebe bezeichnet Paulus sowohl den menschgewordenen Erlöser in seinem irdischen Wandel oder seiner himmlischen Erhöhung, als auch die präexistirende göttliche Person, welche Gott vom Himmel herabgesandt hat.) Er nennt Christum geradezu Gott in zwei Stellen, einmal im Römerbriefe: „Christus, welcher über Alles ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit" "); das anderemal im Briefe an Titus, wo er der „Erscheinung unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi“ gedenkt. 1o)

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