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99. Die Sitte, sich durch ein Gelübde Gott gegenüber eine Verpflichtung zu einer besonderen religiösen Uebung aufzuerlegen, ging aus dem Judenthume in die christlichen Genossenschaften über. Gleichwie der Ehe in der christlichen Kirche der Charakter der Unlösbarkeit dadurch gegeben ist, daß sie nicht blos eine Verpflichtung gegen einen andern Menschen ist, sondern eine Bindung vor Gott und gegen Gott, so liegt die Kraft und Bedeutung des Gelübdes darin, daß der Mensch seinen Entschluß, um ihn gegen die eigene Unbeständigkeit und Veränderlichkeit sicher zu stellen, durch ein an Gott gethanes Versprechen heiliget und festiget. Mit einem Gelübde traten, bei der Taufe, die Gläubigen in die Kirche ein; es war das umfassendste, allgemeinste, welches abgelegt werden konnte, denn es enthielt nichts Geringeres als die völlige Selbstübergabe an Gott, das Versprechen, den erkannten Willen Gottes zur Richtschnur des Lebens zu machen. Dabei blieb noch Raum für besondere, auf einzelne Handlungen und bestimmte Zeiten gerichtete, oder zu einer besondern religiösen Thätigkeit verpflichtende Gelübde. So band sich Paulus durch ein Gelübde, zu dessen Lösung er eigens nach Jerusalem reiste.') Ein Gelübde, sich ganz dem Herrn zu weihen im Dienste der Kirche und unvermählt zu bleiben, wurde, wie später, so auch schon in der apostolischen Zeit, den Diakonissen abgenommen. Deutlich zeigt sich dieß in den warnenden und strafenden Worten

weil der Ehelose einzig dafür sorgt, wie er dem Herrn, und nicht gleich dem Ehemanne, wie er seinem Weibe gefallen möge. Also war es eine dienende „Schwester“, die Paulus hätte herumführen können, und welche die Gemeinden dann zu verpflegen verpflichtet gewesen wären. So haben es auch Chrysostomus, Theodoret, Tertullian, Hieronymus verstanden. Nur Clemens v. Alexandrien hat sich durch den ovvyos, Phil. 4, 3., welchen er irrig für eine Gattin nahm, auch hier täuschen lassen. 1) Act. 18, 18. Die Deutung, daß Aquila hier als derjenige, der das Gelübde gehabt, bezeichnet sei, ist schon alt, aber sicher unrichtig. Die Vulgata hat sie, unter den Neuern außer Hammond und Grotius: Wieseler, Schneckenburger, Meyer. Schon unter den Alten haben Didymus und Augustinus erkannt, daß Paulus gemeint sei; es wäre auch nicht zu begreifen, warum der sonst so pragmatische Lukas hier diesen Umstand von einer so untergeordneten Persönlichkeit, wie Aquila, anführte. Er will vielmehr diese Reise des Paulus nach Syrien und Jerusalem motiviren. Paulus sagt selber zu den Ephefiern, die ihn bei sich behalten wollten: er müsse durchaus das nächste Fest in Jerusalem begehen offenbar weil dieß zur Lösung seines Gelübdes gehörte. Von der ganzen Reise wird sonst gar kein Zweck angegeben, während alle anderen Reisen des Paulus bei Lukas genau motivirt erscheinen.

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Das Christenthum und das Weib.

des Paulus, der dem Timotheus räth, jüngere Wittwen nicht zum Kirchendienste zuzulassen; denn es geschehe leicht, daß sie aus Ueppigkeit und Unenthaltsamkeit wieder zu heirathen begehrten, und hiemit schon ihr erstes Gelübde brächen, wodurch sie sich eine schwere Schuld und Strafe zuzögen.')

12. Das weibliche Geschlecht in der Kirche. Keuschheit. Ehe und Ehescheidung.

100. Man darf wohl sagen: die christliche Religion sei vor Allem die Religion der Gerechtigkeit; in dem Sinne, daß sie, und sie allein unter allen, jeder menschlichen Eigenthümlichkeit, jeder Anlage, jedem Bedürfniß ihr Recht widerfahren läßt, daß sie nie eines auf Kosten des andern bevorzugt und erhebt, sie vielmehr alle heiligt, und sie im Dienste Gottes zu verwenden versteht. Dem flachen Verstande, dem Fremden, der draußen stehend die Kraft und Wahrheit dieser Religion nicht an sich erlebt hat, erscheinen da überall Widersprüche und Einseitigkeiten, wo der Sohn des Hauses vollendete Harmonie, wahre, das gesammte Leben umfassende Universalität wahrnimmt. So weiß sie den Stand der Virginität zu erheben, ohne die Ehe zu beeinträchtigen, sie weiß Freiheit und Gehorsam nicht nur zu versöhnen, sondern jene durch diesen zu schaffen, sie predigt ohne Widerspruch rechtliche Gleichstellung des Weibes mit dem Manne und Unterordnung der Frau unter die Botmäßigfeit des Gatten.

101. Wenn sich die Lehre Christi als eine frohe Botschaft für die Menschheit überhaupt ankündigte, so war sie dieß in doppeltem Maße für die weibliche Hälfte des Menschengeschlechtes. Mit der Stiftung der Kirche war auch jene Anstalt gegründet, durch welche das Weib wieder in seine Rechte und seine Würde eingesetzt, wieder zu der ihm gebührenden socialen Stellung erhoben werden sollte. Das Weib ist, wie Petrus sagt, das schwächere Werkzeug", steht physisch unter dem Manne, aber in der Kirche ist es ihm ebenbürtig und gleich; es ist so gut Mitbürgerin des Reiches der Gnade, als er Bürgerrecht in demselben hat; er soll also sein Weib als ein vor Gott gleichberechtigtes Wesen liebend, schonend, achtungsvoll behandeln, seine physische Ueberlegenheit nicht launenhaft oder tyrannisch

') 1 Tim. 5, 11. 12.

Paulus über die Ehe.

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mißbrauchen, „damit sein Gebet nicht verhindert", d. H. unfruchtbar werde durch seine Unwürdigkeit. ')

102. Höher erhebt sich Paulus, wenn er das Verhältniß Christi zur Kirche, die Liebe des himmlischen Hauptes zu diesem seinem Leibe, als Vorbild der irdischen Ehe und der reinen Liebe, mit welcher Mann und Weib einander ergeben sein sollen, darstellt. Er bezieht selbst die einzelnen Züge dieser Liebe Christi auf die Ehe; es ist eine hingebende, heiligende und reinigende Liebe, die der Apostel diesem hohen Vorbilde gemäß von dem Manne für sein Weib fordert 2), etwas von dem sinnlichen Wohlgefallen weit Verschiedenes. Die Frau ist der Leib, den das männliche Haupt zugleich zu beherrschen, zu lieben und geistig zu beleben hat, und beide bilden nur Ein Ganzes, eben wie Kopf und Leib; weßhalb in der Liebe des Mannes (wie auch des Weibes) das Moment der Selbstliebe mit enthalten ist, denn „Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch ge= hasset." So ist die Ehe selbst wieder eine Kirche im Kleinen, sie bildet den Kern, um welchen herum zuerst die Hauskirche sich gestaltet, und aus den einzelnen Hauskirchen erbaut sich die Gemeinde, aus den Gemeinden der große Bau der christlichen Gesammtkirche, der Braut, des Leibes Christi. Und so erhöht die christliche Ehe das Gefühl, das der Mensch von seinem Werth und seiner Würde hat; sie bringt ihm zum Bewußtsein, daß er noch etwas Besseres ist, als ein Individuum, daß er Theil eines höheren und heiligeren Ganzen ist, eines Bundes, von welchem die Vereinigung der Kirche mit ihrem Herrn das Vorbild ist.

103. Im engsten Zusammenhange mit dieser Wiederherstellung der Würde des Weibes stand die Erhebung der Keuschheit zu ihrer vollen sittlichen Bedeutung durch die Idee des allgemeinen Priesterthums. Der Leib des Christen ist ein Tempel Gottes, in welchem der heilige Geist wohnt), ist geweiht für den Dienst Gottes; Keuschheit ist die reine priesterliche Gesinnung, welche den Leib bewahrt vor der Herabwürdigung zu einem Werkzeuge der bloßen Genußgier; sie heiligt den Leib zu einem Organ des göttlichen Willens in der Fortpflanzung des Geschlechtes, und sie nimmt, stets eingedenk der Geschlechtsgemeinschaft mit dem Erlöser 4), der künftigen Auferstehung und körperlichen Verklärung), auch den Leib in das Eine, Gott fortwährend darzubringende Opfer mit auf. Denn darin zeigt sich die Kraft und Aechtheit einer Religion, daß sie sich jenes Triebes be') 1 Petr. 3, 7. 2) Eph. 5. 28 sq. 3) 1 Cor. 6, 19. *) Hebr. 2, 16. — 5) Phil. 3, 21.

Döllinger, K. G. 2te Aufl. I. (II.)

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mächtigt, welcher von allen der gewaltigste, der zügelloseste, der furchtbarsten Verirrung unterworfene ist, welcher in seiner Ausartung, statt Leben zu geben, mörderisch wird, und die Quellen des Daseins befleckt und vergiftet. Hier vor Allem mußte das Christenthum seine schwersten, seine wohlthätigsten Siege erringen. Entwürdigung des Weibes, Mißachtung der Ehe, Ehelosigkeit und Kinderlosigkeit aus Selbstsucht und Corruption und durch an einander gereihte Frevel, Leichtigkeit der Scheidungen und Wiederverheirathungen, Päderastie, Schamlosigkeit des öffentlichen Lebens, Erniedrigung zahlreicher Menschenklassen zu verachteten Werkzeugen der Wollust — alle diese sittlichen Gräuel hingen zusammen, herrschten weit und breit, verödeten ganze Provinzen. Die Kirche trat ihnen entgegen durch ihren Begriff der Keuschheit, ihre Heiligung der Ehe, ihr Verbot jeder Scheidung, ihr Lob der Enthaltung und der Virginität. Sie lehrte und zeigte, daß das Weib für den Mann nicht eine Sache, nicht ein Werkzeug der Wollust oder der Erben - Erzeugung, sondern ein ebenbürtiges Wesen in einer geheiligten, jeder menschlichen Willkühr entzogenen Verbindung ist. Die Apostel reden denn auch von den Sünden der Unkeuschheit als von Dingen, welche ächten Christen ganz fremd, eigentlich heidnisch, und nur der früheren heidnischen Lebensperiode der damaligen Christen angehörig seien, welche unter Gläubigen nicht einmal genannt werden sollten.') Solche Werke der Finsterniß stammen vom Satan, machen den Thäter zum Knechte des satanischen Reiches, ziehen Fluch und Verderben nach sich.2) ,,Kreuzige dein Fleisch mit seinen Leidenschaften und Begierden" „tödte durch den Geist die Verrichtungen des Fleisches“ „jeder bewahre sein Gefäß, den Leib, in Heiligung und Ehren" ,,wolltet ihr aus euren Leibern, die Glieder Christi sind, Glieder einer Buhlerin machen, an eurem eigenen Körper fündigen ?" 3) So lauten die apostolischen Warnungen. In der Keuschheit wurde die Tugend erkannt, welche vorzugsweise der Seele sittliche Kraft und energische Selbstbeherrschung verleiht, sie vor Verweichlichung, vor der Unterdrückung durch die Körperwucht bewahrt. Was aber das eheliche Verhältniß betrifft, so kennt die christliche Lehre keine Liebe, die ein unwillkührliches, der menschlichen Freiheit und Selbstbestimmung entzogenes Gefühl wäre: die Apostel würden eine solche Empfindung mit einem ganz andern Namen belegt haben.

1) Col. 3, 7; 1 Thess. 4, 5; Eph. 5, 3. 1 Petr. 2, 11.

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2) Eph.

5, 5; 1 Cor. 6, 9; Hebr. 13, 4. 3) Gal. 5, 24; Rom. 8, 13; 1 Thess. 4, 3. 1 Cor. 6, 15 sq.

Christlicher Charakter der Ehe.

387 Die Liebe, welche sie den Gatten zur Pflicht machen, ist eine freie und bewußte Richtung, die der Christ aus höheren und religiösen Motiven seinem Willen gibt; er liebt seine Gattin nicht mit unfreier Leidenschaft, sondern weil und wie er sie lieben will; es steht bei ihm, diese Neigung zugleich rein und dauerhaft zu machen, so gut wie Freundschaft, Kindesliebe, Vaterlandsliebe. Das meint Paulus, wenn er die Männer ermahnt, ihre Frauen zu lieben.')

104. Die christliche Ehe ist also eine so innige Verschmelzung von zwei Menschen, daß beide die Ergänzung ihres Daseins in einander finden, beide in voller gegenseitiger Hingebung eine wahrhafte Lebenseinheit bilden, in welcher nur Ein Wille herrscht. Zwei Gatten, welche sich als lebendige Glieder des Leibes Christi wissen, arbeiten mit der fast unwiderstehlichen Macht, welche die eheliche Liebe und Anziehungskraft dem Manne über das Weib und diesem über jenen gewährt, jedes an der Besserung und Heiligung des Andern; denn sie empfinden die Fehler des andern Theiles als ob es die eigenen wären, sie sehen in dem andern die Hälfte ihres Selbst. Der Mann, dem schon das Begehren einer andern Frau als Ehebruch im Herzen gilt 2), reiniget die Zuneigung zu seiner Gattin von unlauterer Sinnlichkeit3) und Selbstsucht, und heiliget sie durch die höhere Liebe zu Christus. Dem Weibe ist der Mann das, was Christus der Kirche ist; sie ordnet sich ihm als dem Haupte unter, überläßt sich willig und vertrauensvoll seiner Leitung, und beide theilen und tragen, sich gegenseitig helfend, Leiden wie Freuden miteinander.

105. Indem Paulus den Frauen das öffentliche Lehren in den Gemeindeversammlungen verbietet, sezt er bei: das Weib werde selig durch Kindergebären.) Er wollte sagen: Gott habe dem weiblichen. Geschlechte statt des den Männern vorbehaltenen kirchlichen Lehramtes einen andern Kirchendienst angewiesen, durch dessen treue Erfüllung sie ihr Heil wirken sollen, nämlich die Bevölkerung der Kirche, die Gebärung der Kinder und ihre Erziehung zu Bürgern des göttlichen Reiches auf Erden. Diese Pflege des Familienlebens, diese Weihe des Zeugungsaktes und des Kindergebärens, diese Erhebung und Läuterung der sinnlichen Triebe und der natürlichen elterlichen Zärtlichkeit zu der Würde einer priesterlichen Thätigkeit in der Hervorbringung und Bildung von neuen Gliedern der Kirche und Erben des Reiches dieß ist die Seite der Ehe, in welcher ihre höchste

') Eph. 5, 25.) Matth. 5, 28. 3) 1 Cor. 7, 29.

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2, 15.

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