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die unterscheidende Lehre, die nur das Christenthum verkündet, daß jedes menschliche Wesen, weil es den Stempel der göttlichen Schöpfung an sich trägt, Anspruch darauf habe, von seinen Mitmenschen geehrt zu werden. Alle sind zur Seligkeit berufen 1), und darum soll auch für Alle gebetet werden. So ist gerade durch die christliche Lehre, obgleich sie den tiefen Fall und die allgemeine Sündhaftigkeit des ganzen Geschlechts so stark und entschieden hervorhob, doch das Urtheil über die Menschen im Ganzen ein günstigeres geworden; finstere, mißmuthige Herabseßung und Verachtung der Menschen war eine dem christlichen Geiste fremde Gesinnung; der Christ war vielmehr angewiesen, das Gute an jedem Menschen, selbst hinter der abstoßenden Larve des Bösen, aufzusuchen.

129. Die Apostel gingen noch weiter. Sie verlangten, daß jeder demüthig den Blick auf die eignen Mängel und auf die Vorzüge des Andern richte. „Einer achte den andern höher als sich selbst."") Hier trat der Gegensatz der Religion Christi gegen alle heidnische Weisheit und Moral scharf hervor. Wenn Bias schon zu sagen pflegte: die Masse der Menschen sei schlecht), so rechnet es Aristoteles, indem er sein Ideal von dem Charakter des Großmüthigen entwirft, zu dessen Eigenschaften, daß er offen in seinem Hasse wie in seiner Liebe sei und Andere verachte.) In der späteren philosophischen Denkweise, der Stoischen namentlich, hatte sich diese Ansicht noch vertieft, und je ernster die Gesinnung war, desto greller sprach sich, wie bei Tacitus, bei Seneca, die Verachtung der Menschen, in zornigem Unmuth oder in Trauer aus. Lucian bekennt von sich, die weit überwiegende Mehrzahl der Menschen zu hassen, da sie ja doch aus Betrügern oder Betrogenen bestehe.") Und wie verächtlich äußerten sich die Pharisäer über ihre eigene Nation: „dieser Pöbel, der das Gesetz nicht kennt, ist verflucht!") Bei dem heidnischen Moralisten war diese misanthropische Gesinnung das natürliche Ergebniß seines Tugendstrebens; denn sein Blick entdeckte immer das Böse viel schärfer und rascher als das Gute, und Feindschaft gegen das Böse und die Bösen gehörte zu seiner Tugend. Das einzig mögliche Gegengewicht, die spezifisch christlichen Tugenden der Demuth und der Liebe, fehlte.

130. Für die Christen aber bedurfte es der Hinweisung auf die

1) 1 Tim. 2, 4.

2) Phil. 2, 3. 3) Diog. Laert. 1, 5, 88. * Ethic. Nicom. 4, 4, 28. Gr ift καταφρονητικὸς καὶ ἀληθευτικός. 5) Piscator 20, III, 151. Lehmann.

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6) Jo. 7, 49.

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Pflicht der Demuth und die allen Menschen zu erzeigende Ehre um so mehr, als die Apostel ihnen sonst ihre hohen Vorzüge der übrigen Welt gegenüber in so starken Farben zu schildern pflegten. Den Gläubigen jener Zeit wurde gesagt: „Ihr seid das auserforene Geschlecht, die königlichen Priester, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums Gottes.") Paulus äußert, daß sie einer besondern Erleuchtung bedürften, nur um die hohe und glorreiche Bedeutung ihrer Stellung gehörig zu fassen2); er betrachtet sie als pneumatische Menschen, die Alles beurtheilen, während sie selber von Niemand beurtheilt werden können. 3) Diesen hohen Vorstellungen von der bereits erlangten Würde geht dann aber auch das Bewußtsein und die Mahnung zur Seite, daß alles dieses unverdiente Gnade sei, und die werthvollste, eigenste Tugend des Christen, die Demuth), ihn bestimme, nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen sich zu beugen und, gleich dem Herrn selber lieber Andern zu dienen, als sich dienen zu lassen.")

131. Ju dieser Anschauung lag schon eine innere Unverträglichkeit des Christenthums mit der Sklavere i. In dem Maße, als das Christenthum zur Herrschaft gelangte und die gesellschaftlichen Verhältnisse durchdrang und neu gestaltete, mußte die leibeigene Knechtschaft in ihren verschiedenen Formen allmälig verdrängt werden. Gleichwohl hat keiner der Apostel die Aufhebung der Sklaverei gefordert oder nur empfohlen, auch nicht in dem engen Kreise der christlichen Gemeinden; obgleich sie gewiß ihre Augen den verderblichen Wirkungen, die dieses Verhältniß im Ganzen und Großen erzeugte, nicht verschloßen. Paulus rieth sogar den bekehrten

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3) 1 Cor. 2, 15.

1 Petr. 2, 9. 2) Eph. 1, 18. 1) 1 Petr. 5, 5. 5) 1 Cor. 7, 21. Es ist dieß bekanntlich eine der zweifelhaftesten Stellen des N. T., und jeder wird wohl, wenn er sie auch noch so oft im Conterte gelesen hat, noch immer einige Mühe haben, sich für die eine oder andere der zwei entgegengesetzten Auslegungen zu entscheiden, nämlich zu μäkkov zgjóni entweder tỷ élevớɛgią oder tỷ dovleig zu suppliren. Drei Gründe scheinen mir aber doch die oben angegebene Erklärung gebieterisch zu forderu: 1) die Schwierigkeit, das áliti nai in v. 21 anders zu verstehen, als: „Sondern, wenn du auch im Stande bist, frei zu werden, benüße es vielmehr“ u. s. w. 2) die Autorität der Griechischen Kirchenväter; 3) die v. 21 wiederholte Regel, daß jeder in dem Stande, in welchem er berufen worden, bleiben solle, was keinen Sinn hätte, wenn Paulus unmittelbar vorher den Sklaven das Gegentheil gerathen hätte. Die Worte v. 23, auf welche die Vertheidiger der entgegengesetzten Deutung, z. B. Olshausen, sich stüßen: „Ihr seið um einen hohen Preis erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte," beziehen sich nur auf das unmittel

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Sklaverei. Freilassung.

Sklaven, nicht nach der Freilassung zu trachten. Der Rath galt selbstredend nur mit der Beschränkung: wenn der Sklave durch seine Lage nicht in der Erfüllung heiliger Pflichten gehindert, nicht zu fündhaften Dingen gezwungen werde. Man muß aber noch hinzunehmen, daß die Lage der Freigelassenen häufig eine schlimmere war, als die der Sklaven; bisher ohne Nahrungssorgen, sahen sie sich durch die Freilassung plötzlich ganz auf den unsichern Ertrag ihrer Handarbeit angewiesen, und im Erkrankungsfalle dem äußersten Elend preisgegeben. ') Paulus mochte es gesehen haben, wie in den großen Städten die Freigelassenen, nunmehr Clienten geworden, kriechend an den Thüren des reichen Patrons um die Sportula des Morgens bettelten. Und er mußte fürchten, daß diese Freigelassenen als Proletarier häufig den ohnehin der Mehrzahl nach aus Armen bestehenden Gemeinden zur Last fallen würden. Er begnügte sich daher, die Sklaven auf jene Freiheit zu verweisen, die sie innerlich besäßen als „Freigelassene Christi“, und äußerlich in der Kirche, in welcher der Unterschied zwischen Knechten und Freien so gut aufgehoben sei, als der zwischen Juden und Heiden. Er zeigt, wie das „Dienen“ jezt durch Christus geadelt worden sei, durch den, welcher selber auf Erden in Gestalt eines Knechtes erschienen war"), welcher jeden Vorrang und jede Gewalt unter Christen für einen Dienst erklärt hatte, und in seiner Kirche keine Machthaber, sondern nur Diener der Andern wollte3), welcher endlich den Sklavendienst des Fußwaschens an den Seinigen verrichtet hatte, um ihnen damit ein Beispiel zu geben.

14. Christenthum und Freiheit. Pflichten gegen die Staatsgewalt. Die Stellung der Christen im Römischen Reiche.

132. Daß die christliche Kirche die Schule und Bildungsanstalt für wahre bürgerliche Freiheit zu werden bestimmt sei, das konnte der Tieferblickende auch schon im apostolischen Zeitalter wahrnehmen. Der wahre Begriff der Freiheit und der Sinn dafür war in der vorchristlichen Welt noch nicht vorhanden, jener Freiheit nämlich,

bar Vorhergehende: der als Freier Berufene, hatte nämlich Paulus gesagt, sei ein Knecht Christi, und solle sich wohl hüten, seinen Stand aufzugeben und in ein Abhängigkeits- oder Knechtschaftsverhältniß einzutreten, was damals von hülflosen Armen nicht selten geschah. Der eine wie der andere Rath war also der aufgestellten Regel gemäß. ') Juvenal. 1, 95; 3, 249. Martial. 3, 7. 14; - 3) Matth. 20, 26.

14, 125.

2) Phil. 2, 7.

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welche auf der Anerkennung fremder Gleichberechtigung und der Würde und Unantastbarkeit der menschlichen Individualität beruht. Was die heidnische Welt Freiheit nannte, das stützte sich auf massenhafte Unterdrückung und Entwürdigung einer Mehrzahl von Menschen zum Vortheil gewiffer Stände und Bürgerschaften, die dann in der demokratisch- oder aristokratisch - republikanischen Verfassung und in der Abwehr jeder monarchischen Gewalt die begehrte Freiheit suchten und fanden. Unter den Culturvölkern der vorchristlichen Zeit hatte im Grunde nur das Jüdische Volk Sinn und Verstand für Freiheit, wiewohl auch nur in sehr unvollkommener Weise, einerseits weil auch dieß sich nicht ohne Sklaven zu behelfen vermochte oder behelfen wollte, andrerseits weil sein Königthum ohngeachtet des in dem festorganisirten Priesterthume gegebenen Gegengewichts zu sehr in Despotismus entartete, was auch bei den auf fremde Söldnerschaaren sich stützenden Hasmonäern der Fall war. Co wurde denn die ächte Freiheit erst mit und in dem Christenthume in die Welt eingeführt: jenes Recht der freien Selbstbestimmung nämlich, kraft dessen der Mensch, die gleiche Freiheit aller Andern anerkennend und achtend, also entfernt von dem egoistischen Streben, andere Menschen blos als unfreie Werkzeuge zu Zwecken des eigenen Nußens und Genusses zu gebrauchen, in dem ganzen, unter der Leitung des Gewissens stehenden, Gebiete menschlichen Thuns nicht fremdem Willen, sondern nur eigener Einsicht und eigenem Willen folgt.

133. Hiemit ist aber die Freiheit eine sehr bedingte, und ist ihr damit eine Schranke gesezt, welche der natürliche, nicht religiös bestimmte Mensch sich durchaus nicht gefallen lassen will. Unter der Herrschaft seiner Gelüste und Leidenschaften stehend, geräth er mit den Rechten und Interessen Anderer, mit Recht und Sitte überhaupt, mit den diese schützenden Mächten in stets sich erneuernden Conflikt. Unfehlbar will er das ihm gebührende oder zu Gebote stehende Maß von Gewalt und Einfluß erweitern, will er über Andere herrschen, und sie nöthigen, seinen Zwecken und Gelüsten dienstbar zu werden. Es ist überhaupt nicht Freiheit, die er will, denn diese müßte er ebenso für alle Andern als für sich begehren, sondern Willkühr, für sich allein, oder für sich im Bunde mit Gleichgesinnten oder durch gleiche Interessen Verknüpften. Der wirkliche Freitheitssinn konnte also nur durch eine Religion geschaffen werden, welche die Menschen dazu anleitete und befähigte, daß Gottes Wille ihr Wille, Gottes Gesetz ihr Gesetz wurde, welche als obersten Grundsaß ihres ganzen

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Erziehung zur Freiheit

Thuns und Lassens ihnen das Gebot in Verstand und Herz schrieb, daß Gott über Alles, der Nebenmensch aber mit der gleichen Liebe, wie die, mit der wir uns selber lieben, geliebt werden müsse; durch eine Religion endlich, welche hiemit alles selbstische Widerstreben gegen die göttlichen Ordnungen auf Erden und gegen die Würde und Gleichberechtigung Anderer überwand. So lange der Mensch sich nicht zum Knechte Gottes gemacht hat, kann es für ihn keine Freiheit geben.

134. Die Menschen mußten also erst durch die christliche Kirche für die Freiheit erzogen werden, die Individuen und später die Völker. Die christlichen Lehren und Anschauungen von der brüderlichen Gleichheit der Menschen, von der Würde des Weibes, von der Heiligkeit der Familie, von der Pflicht der Selbstverläugnung, von dem rechten Gebrauche irdischer Güter mußten erst in Saft und Fleisch der Menschen übergegangen sein, es mußte sich erst eine, diesen Lehren entsprechende, herrschende öffentliche Meinung und Sitte gebildet haben, ehe ächte staatliche Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetze zu voller lebendiger Wahrheit werden konnten. Dazu gehörten selbstredend Jahrhunderte, die Anfänge dieses großen Erziehungs- und Bildungs-Prozesses sehen wir aber im Neuen Testament.

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135. Den freiheitsbegierigen und freiheitsstolzen Juden sagte Christus einmal: Wenn ihr bei meiner Lehre bleibt, so wird die Wahrheit euch frei machen.") Sie sahen darin eine Kränkung, denn das lautete, als ob sie Unfreie seien, die erst einer Entlassung aus der Knechtschaft bedürfen. „Wir sind Abrahams Söhne, und sind nie Knechte eines Andern gewesen," antworten sie. Selbst die Thatsache, daß doch wirklich das Joch Römischer Herrschaft auf ihnen laste, wollten sie nicht eingestehen. Jesus zeigte ihnen durch seine Antwort, daß es sich für sie vor Allem erst um Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde handle, daß sie als Knechte nicht Söhne und Erben seien, also auch nicht im väterlichen Hause (der göttlichen Heilsanstalt) bleiben, sondern ausgestoßen werden würden; nur wenn sie durch den Sohn sich frei machen ließen, würden sie wahrhaft frei werden, daß heißt: nur durch die sittliche würden sie auch zur staatlichen und nationalen Freiheit gelangen. Auch die Apostel sind stets bemüht, in den Gläubigen das Bewußtsein ihrer Christenwürde und der hierin liegenden Freiheit zu wecken. Ihr seid, sagen sie ihnen, das auserwählte Geschlecht2), aus Fremdlingen seid ihr Bürger und

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