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Schöpfung fanatischer Thorheit und Verblendung oder eine finstere Rotte von Verschwörern war, eine lichtscheue Sekte, die von dem ehernen Fuße der Staatsgewalt wie ein an der Erde kriechendes Gewürm zertreten werden mußte, sobald sie nur aus ihren schüßenden Schlupfwinkeln hervor an's Tageslicht sich wagte. Die Glieder dieses Reiches waren wehrlos und entschlossen, auch das Aergste widerstandslos über sich ergehen zu lassen, hielten sich aber dennoch ihres endlichen Sieges, der unzerstörbaren Festigkeit und Dauer ihres Vereins gewiß. In diesem Reiche war ein gekreuzigter Jude Anfang, Mitte und Ende, er ward als dessen unsichtbarer König verehrt, und Jüdische Fischer und Zöllner waren die sichtbaren Gründer. Es mehrte sich, stille aber gewaltig, unter Schmähungen und Mißhandlungen, durch Mittel, die der Heide nicht begreifen, durch Kräfte, die er nicht ermessen, nicht zergliedern konnte. In diesem Reiche aß der Sklave mit dem Herrn an Einem Tische, konnte es sich treffen, daß der Sklave Vorsteher und der Herr dienender Bruder war. Die Armen und Niedrigen waren hier nicht minder geehrt, als die Wohlhabenden und Vornehmen. Juden, Griechen und Römer, die sich sonst unter einander haßten, waren hier alle Brüder; hier galt Unterschied der Nationalität so wenig als Unterschied des Ranges. Der Größte war der, welcher am meisten diente, Umfang und Schwierigkeit des Dienstes bildete den einzigen Unterschied zwischen Niederen und Höheren. Zum erstenmale wurde hier Schwäche, Erfahrung menschlicher Ohnmacht, Ermattung der Naturkraft durch Körperleiden als Bedingung und Mittel sittlicher Kraft und Stärke erkannt und gepriesen.1) Die Güter des Reiches besaßen alle mit gleichen Ansprüchen. Rechte gab es hier nur um der Pflichten willen. Das Weib stand hier so hoch als der Mann, die Jungfrau war nicht minder geachtet als die Gattin und Mutter. Nur Eine Schutwaffe, nur Ein •Abschreckungsmittel konnte und wollte dieses Reich zu seiner Selbst= erhaltung gebrauchen, das der Ausschließung aus seiner Gemeinschaft; aber so gefürchtet war diese Waffe, daß der Getroffene den Wiedereintritt auch um den Preis der tiefsten Demüthigung erflehte. Für den, der sich den Herrn des menschlichen Geschlechtes nennen ließ 2), wurde in diesem Reiche zwar gebetet, aber man war auch bereit, eher zu sterben, als ihn in das Innere desselben eingreifen

') 2 Cor. 12, 10. 2) Tac. hist. 3, 68.

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zu lassen. Und da in dem Glauben der Angehörigen ihr Reich zugleich ein diesseitiges und ein jenseitiges war, da es über die Schranken des irdischen Daseins in eine andere Welt hinüberreichte, so war hier Cicero's schönes Wort von dem Weltstaate, dessen gemeinschaftliche Bürger Götter und Menschen seien, freilich in einem andern, von Cicero nicht geahnten, Sinne erfüllt.')

') De legg. 1, 7.

Beilage I.

Geschichte der Erklärung des Abschnittes vom Menschen der Sünde im zweiten Briefe an die Thessalonicenser.

Es gibt im Neuen Testamente feine Stelle, welche zu so vielen und höchst verschiedenen Auslegungen Anlaß gegeben, keine, welche nach allgemeinem Geständnisse größere Dunkelheiten und Schwierigfeiten darbietet, als die Stelle 2 Thess. 2, 1–12. Zugleich aber ist sie in dogmatischer sowohl als geschichtlicher Beziehung so bedeutend, für das Verständniß der ganzen Anschauungsweise des Apostels so wesentlich, daß eine historische Uebersicht der Erklärungsversuche und der aus der Stelle abgeleiteten Vorstellungen und Erwartungen immerhin auf den Dank der Leser wird rechnen dürfen. Daß diese Uebersicht zugleich dazu dienen solle, die in diesem Buche entwickelte zeitgeschichtliche Deutung zu rechtfertigen, versteht sich von selbst.

Diese Deutung geht von der Voraussetzung aus, daß in dieser Weissagung in ähnlicher Weise, wie in der von Christus verkündeten, Hindeutungen auf Ereignisse der nächsten Zeit und zugleich auf Begebenheiten am Ende des Weltlaufs enthalten seien, oder daß ihr eine doppelte Erfüllung, eine erste in der dem Apostel nächsten Zeit, und eine zweite am Ende der Tage zukomme. Es kommt hiebei nicht darauf an, ob der Apostel selbst sich dieser doppelten Beziehung und Erfüllung seiner Worte klar bewußt gewesen sei, welche Vorstellung er von der Nähe oder Ferne des Endes der irdischen Dinge gehabt habe; denn es liegt in dem Charakter der Weissagung, daß ihr objektiver Inhalt keineswegs immer mit dem subjektiven zusammenfällt, daß zuweilen eine Tragweite in sie gelegt ist, welche über das, was

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dem Organ derselben vor dem Geistesblicke stand, hinausgeht. Es zeigt sich dieß in vielen Gesichten der alttestamentlichen Propheten.') Und gerade bei eschatologischen Weissagungen mußte dieß ganz be= sonders der Fall sein, da nach dem von Christus so bestimmt verkündeten göttlichen Willen die Zeit der Schluß Katastrophe Allen, den Aposteln so gut wie jedem Christen, völlig verborgen bleiben sollte, Niemand also wissen konnte, ob das Ende und die demselben unmittelbar vorangehenden Ereignisse morgen oder erst nach Jahrtausenden hereinbrechen würden. Daß bei Daniel's Weis= sagungen eine doppelte Erfüllung, eine erste durch Antiochus Epiphanes, und eine zweite spätere anzunehmen sei, ist ohnehin allgemein anerkannt. Bossuet hat seine Erklärung der Apokalypse auf die Annahme einer doppelten oder mehrfachen Erfüllung derselben Weissagung gebaut. Er beruft sich dabei auf die gleiche Ansicht aller Theologen.")

Daß gegen das Ende des jezigen Weltlaufes und vor der legten Parusie des Herrn ein leßter und großer Antichrist, eine der Kirche vorzüglich feindliche Macht auftreten und viele Menschen zum Abfalle verleiten werde, das ist die allgemeine constante Ansicht und Ueberlieferung in der ganzen Kirche. Dieser Antichrist wird demnach Aehnlichkeit haben mit dem von Paulus beschriebenen „Menschen der Sünde", man wird in ihm eine Erfüllung der Weissagung von dem Auftreten des großen „Widersachers" erkennen. So lautet die seit Frenäus und Tertullian stets bezeugte kirchliche Anschauung. Aber ist diese letzte Erfüllung die einzige, oder ist eine andere schon vorhergegangen, so daß Paulus zunächst diese erste und unmittelbar bevorstehende Erfüllung vor Augen hatte, und einige seiner Angaben sich nur auf dieses ganz nahe Ereigniß beziehen? Diese Frage ist eine offene, und ich habe Letzteres um so mehr bejahen zu müssen geglaubt, als jeder bisherige Versuch, bei der Annahme einer einzigen erst noch künftigen Erfüllung den zaréxwv zu erklären, handgreiflich mißlungen ist, und als hoffnungslos aufgegeben werden muß.

Wir unterscheiden zur besseren Uebersicht die patristische Erklärung,

') Vergl. darüber unter Andern John's Einleitung in die Bücher des A. B. II, 373 ff. 2) A celà il faut ajouter ce que dit Alcasar avec tous les théologiens, qu' une interprétation même littérale de l'Apocalypse ou des autres prophéties, peut três-bien compatir avec les autres. Er zeigt dann an einigen Beispielen, wie man bei biblischen Weissagungen eine bereits geschehene Erfüllung und eine andere künftig bevorstehende unterscheiden müffe. Oeuvres, ed. de Liège, 1766. II, 268.

Auslegung von 2 Theff. 2.

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die mittelalterliche, die neuere katholische, die ältere protestantische und die der neuesten Zeit. Was zuerst die Kirchenväter betrifft, so läßt sich das, worin sie Alle oder doch die Mehrzahl übereinstimmen, in folgenden Punkten zusammenfassen. 1. Der „Mensch der Sünde" wird gegen Ende der irdischen Geschichte gleichzeitig mit dem Zerfall des Römischen Reiches hervortreten, und sein eigenes Reich an die Stelle des Römischen sezen. 2. Er wird als der von den Juden erwartete Messias auftreten, und den Tempel zu Jerusalem entweder selbst erbauen, oder doch sich des bereits erbauten bemächtigen. 3. Der Hemmende" ist das Römische Reich. 4. Das schon wirfsame Mysterium der Bosheit ist Nero.

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Daß in diesen Erklärungen der Väter Einiges sei, was sich durch den Verlauf der Geschichte als unhaltbar erwiesen hat, und nothwendig aufgegeben werden muß, hat Bossuet bereits gesehen. Er sagt: ils (les pères) ne marchent qu'à tâtons dans l'explication du détail de la prophétie, marque assurée que la tradition n'en avoit rien laissé de certain. ') Wenn man auch, sagt er weiter, mit Grotius annehmen wollte, daß die Vorhersagung Pauli vollständig erfüllt sei, ohne daß noch irgend etwas am Ende der Zeiten zu erwarten wäre, so würde doch das Geheimniß, welches Paulus den Thessalonicensern mündlich mitgetheilte hatte, verborgen geblieben sein, und sich nichts davon in der Tradition erhalten haben. Dieß ist aber eben die Frage. Es scheint mir wahrscheinlicher, daß die in der alten Kirche so gewöhnliche Deutung des bereits wirksamen Mysteriums der Gottlosigkeit auf Nero in ursprünglicher Ueberlieferung ihren Grund hatte, und daß man darum später die heidnische Sage von dem wiederkommenden Nero sich aneignete, weil man meinte, die Beziehung des Menschen der Sünde zum Jerusalemischen Tempel sei durch den historischen Nero nicht so buchstäblich erfüllt als man für nöthig erachtete.

Der erste unter den Vätern, der sich auf eine Erklärung des ,,sich Setens in den Tempel Gottes" einläßt, ist Frenäus. Er behauptet, nach dem Sprachgebrauche des Apostels könne hier nur der wahre Gott, also auch nur der Tempel zu Jerusalem, verstanden werden. Auch er nimmt an, es sei hier dasselbe gemeint, was Christus Matth. 24, 15 mit dem „Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte" angezeigt habe; verbindet nun aber hiemit die Vorstellung, der Antichrist werde sein Reich nach Jerusalem verlegen, und sich im

1) Préf. sur l'Apocal. uvres II, 378,

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