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der ihn betreffenden biblischen Weissagungen nothwendig sei; es stehe uns also frei anzunehmen, daß schon die vorausgegangenen Antichriste zur Erfüllung der heiligen Schrift und des Mysteriums der Bosheit hinreichten, und demnach der Herr gerechtfertigt sei, wenn er auch heute schon das letzte Gericht anbrechen lasse.') Manchen genügte die Vorstellung, daß die Erscheinung des Antichrist überhaupt nahe sei, noch nicht; sie versicherten zu wissen, daß er bereits geboren sei, daß er noch in dieser Generation sich zeigen werde. So Norbert, der Stifter des Prämonstratenser-Ordens, von dem der heilige Bernhard dieß berichtet.2)

Das größte Aufsehen erregte der Bischof Ranieri von Florenz, der schon früher, zwischen 1071 und 1080, dasselbe behauptet hatte. Der Erzbischof Guibert von Ravenna, nachher Gegenpapst, suchte ihn durch ein Schreiben 3) von seinem Jrrthum zu überführen, worin er sagt, seine Behauptung sei der Gegenstand aller Gespräche, und ihm vorstellt, er maße sich an zu wissen, was kein Prophet gewußt habe; noch stehe das Römische Reich in voller Kraft, herrsche in ganz Italien; von der Discessio des Apostels, die doch dem Antichrist vorhergehen müsse, sei noch keine Spur da. Wiederum hatte der Dominikaner Vincenz Ferrer, wie er im J. 1412 dem Avignoner Papste de Luna schrieb, erfahren, daß der Antichrist bereits geboren sei.

Die Schule der Joachimiten ersann die Theorie der Danielischen Tagjahre, die nachher so viele Verwirrung gestiftet hat, wonach die 1260 Tage eben so viele Jahre bedeuten; vom J. 1200 bis 1260 sollte die Bedrückung der Kirche durch das mystische Babylon, d. h. die deutsche Kaisermacht unter den Hohenstaufen, währen, und von 1256 bis 1260 die Tyrannei des Antichrist. Die Joachimiten unterschieden aber den Antichristus mixtus oder mysticus, oder Antichristus reipublicae, die tyrannische weltliche Gewalt mit einem von ihr gemachten falschen Papste, von dem eigentlichen Antichrist.*) Als

1 Gerhoh erzählt auch, daß schon zu seiner Zeit das Mysterium des Antichrist häufig in den Kirchen dramatisch dargestellt werde, was er denn auf's schärfste als etwas wahrhaft Antichristliches mißzbilliget. 1. c. p. 4. Dadurch mußte denn freilich dem Streben, die Sagen vom Antichrist mehr mythisch auszumalen, stets neue Nahrung zugeführt werden.) De Antichristo cum inquirerem quid sentiret, durante ea quae nunc est generatione revelandum illum esse se certissime scire protestatus est. Ep. 56. Opp. ed. Mabill. I, 59. *) Abgedruckt in den Novelle letterarie von Florenz 1768, p. 771. 803. 1) So z. B. Joachim in Hierem. p. 329.

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Auslegung von 2 Thess. 2.

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das Jahr 1260 vorübergegangen war, ohne eine Erfüllung der ge= hegten Erwartungen zu bringen, ergriff man Daniel's 1335 Tage, und bestimmte das Jahr 1335 als das Datum der Vernichtung des Antichrist. So die Beguinen oder Anhänger der Lehre des Pierre Jean d'Olive.') Wyclyffe, wenn er der Verfasser der Schrift: the last age of the church ist, machte das Jahr 1400 zur Aera der Offenbarung des Antichrist. Er hat wohl auch sonst in seinen. Schriften gelegentlich den Papst den Antichrist), oder einen Antichrist genannt; aber bei ihm wie bei andern Häretikern des Mittelalters ist dann das Wort in einem weiteren und uneigentlichen Sinn genommen, sie denken nicht daran, die Paulinische Stelle vom Menschen der Sünde auf den päpstlichen Stuhl zu beziehen; denn die Ansicht, daß Paulus eine einzelne Persönlichkeit, die sich im Orient aus dem Schooße des Judenthums am Ende der Zeiten erheben werde, gemeint habe, stand allzu fest. Man wollte also nur sagen, daß die Päpste Antichriste seien, wie es deren Viele vor ihnen ge= geben habe unter den Häretikern und Verfolgern der Kirche, oder, wie Wyclyffe ausführte, daß zwischen einem Papste und Christus ein durchgreifender Contrast sei. Ein Theil der Waldenser bezeichnete den Papst Sylvester als den Antichrist; sie meinten natürlich nicht, daß der lezte und eigentliche Antichrist schon im vierten Jahrhundert erschienen sei, sondern nur, daß Sylvester, der durch die Annahme der Konstantinischen Schenkung die Kirche vergiftet habe, sich damit als einen Feind der Kirche und häretischen Vorläufer des Antichrist gezeigt habe. So fahen die Beguinen in Papst Johann XXII, der ihr Lieblingsdogma von der vollkommenen Armuth verworfen hatte, den mysticus Antichristus. Das galt aber nur diesem einzelnen Papste, nicht dem Papstthume 3), welches vielmehr alle Beguinen als göttliche Institution betrachteten. Der rechte Antichrist, meinten sie zum Theil, werde gerade aus dem vorzüglichsten aller Orden, dem des heiligen Franziskus, hervorgehen, wie Lucifer aus der höchsten Klasse der Engel gewesen.

Mit der Kirchentrennung des sechzehnten Jahrhunderts trat eine folgenreiche Veränderung auch in der Auslegung der Paulinischen Stelle ein, eine Veränderung, die in der That eines der außerordentlichsten Ereignisse in der ganzen 1800jährigen Geschichte der Bibelauslegung ist. 1500 Jahre lang hatte jedermann den Apostel

') Lib. Sentent. Inquis. Tolos. bei Limborch hist. Inquis. p. 298. 303. — 2) Ed. by I. H. Todd. Dublin 1840. —) Ap. Limborch. 1. c. p. 308.

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von einer bestimmten einzelnen Person verstanden, die er als den Widersacher, den Menschen der Sünde bezeichne. Von allen Vätern hatte auch nicht Einer die Sache anders genommen. Da ward plötzlich die Deutung erfunden, Paulus meine nichts weniger als dieß, sondern vielmehr eine lange, durch viele Jahrhunderte sich fortziehende Reihenfolge von Personen, nämlich die Succession der Bischöfe auf dem Römischen Stuhle; er habe der Kirche voraussagen wollen, daß sie selber das Reich und der Sitz eines mindestens anderthalbtausend Jahre permanenten Antichrist werden würde, so daß eine regelmäßige Dynastie oder Succession von Antichristen stattfinden solle, doch mit kurzen Unterbrechungen; so oft nämlich der Römische Stuhl erledigt werde, fehle es an einem Antichrist, sobald aber die Wiederbesetzung desselben erfolgt sei, sei auch sofort ein Antichrist, ohne welchen die Christenheit nun bis zum Ende der Welt nicht mehr sein könne und dürfe, wieder vorhanden. Der Tempel Gottes, in welchen der Widersacher sich setzen werde, könne nichts anderes sein, als die christliche Kirche.') Die Ansicht, daß der Antichrist erst mit dem Zerfalle des Römischen Reichs habe hervortreten sollen, wurde beibehalten, nur daß man nicht recht anzugeben wußte, wann denn dieser Fall des Reiches eigentlich erfolgt sei, ob man hiebei auf das West= römische, oder das Byzantinische Reich, oder auf beide sehen solle. Die zu Jahren gestempelten 1260 Tage Daniel's wurden nun als Bezeichnung der Dauer des Antichristischen Reiches genommen, und je nachdem man diesen oder jenen Papst zum ersten in der langen Reihe der Antichriste machte, reichte man damit bis in's achtzehnte, neunzehnte oder auch einundzwanzigste Jahrhundert. Unter den sogenannten Göttern, über welche der „Widersacher“ sich seßt, sind

') Ueber den Widerspruch, daß die Kirche, welche den Antichrist als ihr Haupt erkennt, von dem Apostel „der Tempel Gottes“ genannt, zugleich aber auch wieder von ihm als eine abtrünnige bezeichnet werden solle (denn so verstand man jetzt die „Apostasie“), setzte man sich weg. Daß nach dem Ausspruch Pauli alle Anhänger des „Menschen der Sünde“ άnokkýμɛvoi, unrettbar Verlorene find, erregte im Reformationszeitalter kein Bedenken. Man gab vielmehr die ganze Konsequenz bereitwillig zu; später freilich erregte die Sache Bedenken, weßzhalb, wie Koppe bemerkt, plerosque interpretum hanc orationis Paulinae partem (2, 11. 12.) prorsus silentio praeteriisse animadvertimus. De Wette hat schon erinnert, daß der metaphorische Sinn des Tempels als der christlichen Kirche mit der Vorstellung des „sich Sehzens“ nicht stimme, aber für solche feinere Wahrnehmungen fehlte natürlich in jener Zeit Sinn und Stimmung.

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Auslegung von 2 Theff. 2.

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Fürsten und Könige zu verstehen, denn die Päpste haben behauptet, daß auch sie ihrer kirchlichen Autorität untergeben seien. Diese Auslegung, zuerst von Luther ersonnen, ward in die Schmalkaldischen Artikel aufgenommen, erhielt damit dogmatisch - symbolisches Ansehen, und wurde von der ganzen protestantischen Theologie eifrig ergriffen und festgehalten. Calvin erklärte, die Deutung sei so klar und einleuchtend, daß auch ein zehnjähriger Knabe sie als wahr erkennen müsse. Die Stelle anders zu verstehen, war ge fährlich; es war einer der Anklagepunkte, die den Erzbischof Laud auf das Blutgerüste brachten, daß er den „Menschen der Sünde“ in dem Römischen Bischofe nicht habe erkennen wollen.') Da indeß diese Auslegung nunmehr allenthalben, wo es eine wissenschaftliche Theologie und Exegese gibt, verlassen ist, so genügt es, sie hier erwähnt zu haben. Richtig sagt Kern: „daß unser Text von einem individuellen Subjekte rede, und zwar so bestimmt als nur immer möglich, dieß leuchtet dem Unbefangenen so unausweichlich ein, daß man gar nie daran hätte zweifeln können, wenn man nicht aus gewissen anderweitigen, dogmatischen und anderen Gründen der Annahme einer bestimmten einzelnen Person um jeden Preis hätte entgehen wollen." Tübing. Zeitschr. f. Theol. 1839, Heft 2, 158.

Die ersten, welche die Nothwendigkeit einer andern Deutung erkannten, und zugleich wahrnahmen, daß dem Apostel Personen und Verhältnisse seiner Zeit vorgeschwebt seien, waren Niederländer und Engländer. Grotius meinte: der Mensch der Sünde sei der Kaiser Caligula, und die Apostasie die damals am kaiserlichen Hofe herrschende Ruchlosigkeit, vom 8. V. an aber sei vom Magier Simon die Rede. Witsius und Wetstein verstanden unter dem Menschen der Sünde den Titus, und unter der Apostasie die Empörungen Römischer Heere unter und nach Nero. Hammond bezog alles auf die Gnostiker und ihr Haupt, Simon Magus. Diese Deutungen

') Tie Behauptung, daß die katholischen Theologen Luther und sein Werk als den von Paulus gemeinten Antichrist bezeichnet hätten, scheint schon ganz traditionell geworden zu sein. Einer schreibt sie dem Andern unbesehen nach. So Olshausen IV, 521, Lünemann S. 210. In Wahrheit ist es von Niemanden geschehen, und hätte ein Theologe sich im Paroxismus der Polemik zu einer solchen Verkehrtheit fortreißen lassen, so würde es als etwas der allgemeinen kirchlichen Anschauung Widersprechendes überall verworfen worden sein. Lünemann citirt dafür Estius, Fromond, Bern. a Piconio (Picquigny). Keiner von diesen sagt Derartiges.

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konnten leicht widerlegt werden. Eben so unbefriedigend war eine andere Erklärung'), daß unter dem Menschen der Sünde die ungläubigen, die Christen verfolgenden Juden zu verstehen seien. Während Benson und Macknight nur gedankenlos die von Luther ersonnene Deutung wiederholen, findet sich eine Mischung von Richtigem und Schiefem in dem Commentar Whitby's, des scharfsinnigsten unter den älteren Englischen Exegeten.) Er hat bereits erkannt, daß unter dem xaréxov der Kaiser Claudius gemeint sei; unter dem Widersacher aber denkt er sich die Jüdische Nation mit ihrer Tendenz zum Aufruhr und ihrem Hasse gegen die christlichen Gemeinden, die nur Claudius noch am Abfalle hindere. Mit ihm stimmt im Wesentlichen Nösselt. 3)

Die ersten protestant. Theologen in Deutschland, die der älteren Deutung entfagten, Döderlein, Eckermann, Kleucker, suchten sich durch Beziehung der Stelle auf die Meutereien der Juden gegen die Römer und die damaligen falschen Messiasse und Aufwiegler zu helfen. Koppe, Stolz, Kuinöl meinten, Paulus ziele auf eine successive Reihe von Widersachern Gottes und Christi, welche einmal noch in der Kirche aufstehen würden. Berthold glaubte, der Antichrist des Paulus sei ein bloßes Gebilde Jüdischer Phantasie, eine Zeitporstellung, in der auch Paulus befangen gewesen sei.*) Nach Baumgarten-Crusius enthält die Paulinische Weissagung keine dem Apostel eigenthümliche neue Belehrungen, sondern nur den alten Propheten, besonders Daniel, entlehnte Bilder; an bestimmte Persönlichkeiten ist nicht zu denken. Der xatéxwv ist der „junge Geist der christlichen Sache", oder auch „Christus in den Gläubigen.“ Olshausen) folgt in seiner Erklärung denen, die in der Ausmalung des Antichrist-Bildes am weitesten gehen. Verhüllt ist der Antichrist schon lange wirksam; es wird aber eine Zeit kommen, wo er alle Hüllen abwirft und sich leibhaftig, als eine Menschwerdung des Satans selbst, kund gibt. Es widerstrebt sichtbar seinem exegetischen Gefühl, den Tempel Gottes in die christliche Kirche umzudeuten, er findet aber keinen Ausweg.") Der xaréxwv ist ihm das Römische Reich oder der Kaiser als Repräsentant desselben.

') Zuerst in La Roche Mémoires de littér. Septemb. 1726. *) Paraphrase and Commentary on the New Testament. Lond. 1718, II, 470. 3) Opuscula, 1787, II, 292. ) Christolog. Jud. 1, 16. - 5) Bibl. Commentar, IV, 506 ff. 6) Er führt zwei Gründe für diese Umdeutung an: 1) im Tempel zu Jerusalem sei außer der Bundeslade kein Bild oder Thron

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