صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

auf uns verlassen. Über desto weniger empfinden wirs, daß wir uns selbst am meisten betrügen; desto feltner denken wir an die Pflicht, ehrlich gegen uns selbst zu seyn. Ihr will ich also diese Stunde widmen; ihre Wichtigkeit und dringende Nothwendigkeit will ich euch heute vorhalten.

Evangelium: fuc, XIV. 6. 1-11.

Nach dem vorgelesenen Evangelio befand sich Jesus in einer Gesellschaft von Menschen, die zwar sehr unredlich gegen ihn, aber doch noch weit unredlicher gegen sich selbst waren. Denn wér verkannte sich mehr, als ein Pharifaer! Wer wußte sich bey allen seinen Lastern glücklicher in bem Wahne zu befestigen, er fey fromm, als diese Heuchler! Wer war geübter, die größte Gefahr, in der man schweben kann, vor sich selbst zu verbergen, als diese Unglücklichen! Ja, daß die Pharisaer nicht ehrlich gegen sich selbst waren, tieß war die Quelle jenes unverbesserlichen Ver derbens, aus welchem Jesus, durch alle seine Be mühungen, nur Wenige retten konnte. Möchten wir eine Pflicht, die sie so sehr vernachlässigten, defto eifriger erfüllen! Ich habe die Stunde dazu bestimmt, fie euch einzuschärfen; ich werde dieß

mal

"

von der Pflicht reden, ehrlich gegen sich selbst zu seyn.

Laffet mich 1) zuerst zeigen, worin sie be ftehe: sodann II) ihre Wichtigkelt ins Licht fetzen; und zulezt III) eine Anwei fung geben, wie man sich zu ihrer Aus übung gewohnen soll.

[ocr errors]

a

I) Es ist nöthig, vor allen Dingen zu un tersuchen, worin die Pflicht, ehrlich ge gen sich selbst zu seyn, beste he. Zu wissen, wie es mit uns aussieht, würde uns nicht schwer werden, wenn wir der Einrichtung folgen wollten, welche Gott unfrer Natur gegeben hat. Er hat unserm Herzen ein starkes, immer reges und unbestechliches Gefühl eingepflanzt, das über alles wacht, was in uns vorgeht'; das keinen Mangel, feinen Fehler ungerugt läßt; das durch jede Ün ordnung und Thorheit beleidigt wird; ein Gefühl, das uns die Wahrheit sagt, wenn kein Mensch auf Erden fie uns fagen kann oder darf. Unredlich gegen fich ist jeder, der die Aussprüche dieses Gefühls nicht gelten läßt, wie sie lauten; der sich entschuldigt, wenn es ihn tadelt; der sich frei spricht, wenn es ihn verurtheilt; der sich tröstet, wenn es ihn warnet; der sich beruhigt, wenn es ihn schreckt. Denn heißt es nicht, sich recht geflifsfentlich hintergehen, wenn man die richtigsten Anzeigen von der Beschaffenheit seines Zustandes so lange verdreht, bis sie enthalten, was man wünscht, bis gerade das Gegentheil von dem heraus kommt, was der Wahrheit gemäß ist? Ehrlich gegen sich selbst wird nur der seyn, der nicht bloß aufmerksam ist auf jede Erinne rung seines Gewissens, sondern sich auch gewöhnt hat, fie gelten zu lassen, wenn sie auch noch so bemüthigend und unangenehm ist, und sich ohne alles Zurückweichen darnach zu richten. Und nun fällt es von selbst in die Augen, daß die Pflicht, ehrlich gegen fich selbst zu seyn, die Obliegenheit ift, fich weber bie Mangel seines Wif fens, noch die Fehler seiner Denkungsart, noch die Unvollkommenheit seiner

Werke, noch endlich die Gefahren seines Zustandes zu verhehlen, sobald man durch sein inneres Gefühl daran erinnert wird.

a) Schon die Mångel seines Wisfens muß man sich nicht verhehlen, wenn man ehrlich gegen sich selbst seyn will. Wie viel Erinnerungen dieser Urt empfiengen die Pharifaer von Jefus, wenn sie sich in seiner Ge fellschaft befanden! Mußten sie es nicht stark : empfinden, mit wie viel Vorurtheilen ihre Religionskenntniß verknüpft seyn müsse, wenn er ihnen im Evangelio zu Gemüthe führte, es sey wi bersinnig, die Rettung eines verunglückten Thieres am Sabbath für erlaubt, und die Heilung eines leidenden Menschen für unerlaubt zu halten? Wåren sie ehrlich gegen sich felbst gewesen, fo würden sie sich dieß eingestanden, und sich entfchloffen haben, von Jesu zu lernen, und den Mångeln ihrer Erkenntniß abzuhelfen. Wird es uns nicht auch oft merklich, daß unsre Urtheile über Menschen und Gegenstände weit treffender feyn würden, wenn wir uns nach allen sorgfältiger erfundigt håtten; daß uns gewisse Kenntnisse zur glücklichen Verwaltung unfrer Aemter, und zur treuen Ausrichtung unsers Berufs ganz fehlen; daß wir mit gewissen für unsre Befferung und Ruhe nichts weniger als gleichgültigen Untersu chungen noch lange nicht aufs Reine gekommen find? Sagt es uns unser Gewissen nicht oft laut, daß wir insonderheit der Erkenntniß Gottes und Jesu viel zu wenig Zeit und Eifer widmen; daß es uns in der Religion nicht bloß an Reichthum des Wissens, sondern oft sogar an Deutlichkeit und an Festigkeit des Glaubens fehlt? Wir sind

redlich gegen uns selbst, wenn wir dergleichen innerungen nicht achten. Bollen wir die Aicht erfüllen, ehrlich gegen uns selbst zu seyn: müssen wir die gerugte Unvollkommenheit eingehen; so müssen wir uns weder davon wegwenn, noch sie künstlich bemånteln; so müssen wir n Entschluß faffen, sie zu verbessern. Aber en so wenig darf man sich

[ocr errors]

b) die Fehler feiner Denkungsart erhehlen. In diesem Stücke war Niemanb redlicher gegen sich selbst, als die Pharisåer. Bie boshaft und falsch sie waren, fehet ihr aus ferm Evangelio; selbst bey der Freude einer stlichen Mahlzeit stellten sie Jesu hinterlistig ach. Wie übermüthig und stolz sie waren, beiefen sie gleichfalls; denn mit der sichtbarsten Eitelkeit strebten fie darnach, oben an zu fißen. Ind wer weiß es nicht aus der Geschichte, daß es eine Leidenschaft, kein verabscheuungswürdiges after gab, welches nicht in dem Herzen dieser Seuchler herrschte? Und doch war Niemand mitich selbst zufriedner als fie. Der gute Schein, den ie sich aufserlich gaben, die Pünktlichkeit, mit der ie die Gebräuche des Gottesdienstes beobachteten, ind die Hike, mit welcher sie für Religion und Gesek eiferten, setzte sie in den Stand, sich zu ents chuldigen, wenn ihr Gewissen ihnen Vorwürfe machte; sie hintergiengen sich mit dem Gedanken, wer in der Religion so fireng und untadelhaft sey, der dürfe sich auf Kosten dieser Heiligkeit schon etwas erlauben. Ach dieses Bestreben, über den wahren Zustand seines Herzens und seiner Gesin nungen fich felbst zu belügen, ist das größte Ver Derben unsrer Natur, das sich bey uns allen finder. Zu viel liegt unfern Neigungen und Lüsten daran,

[ocr errors]

sich ungehindert aussern zu können, als daß sier alles ergreifen sollten, was dazu dienen kann, laftigen Erinnerungen des Gewissens entweder widerlegen, oder doch zu verfälschen und als u beutend darzustellen. Da muß uns bald menschliche Schwachheit, bald der Drang der •stånde, bald ein Schein von Billigkeit und rechtigkeit entschuldigen; da wiffen wir auf so manche gute Eigenschaft und auf manche gute Handlung zu berufen; da sind wohl gar unverschämt genug, den Bestrafum unsers Gewissens das Verdienst Jesu entgege fehen, der alles abgebüßt und für alles genug than habe. Welcher Selbstbetrug, welcher und liche Kunstgriff! Sind unsre wilden Lüfte dan weniger schändlich, weil wir sie bemånteln? & unsre Leidenschaften darum weniger-strafbar, fie mit manchem Vorzug eines guten Naturells Verbindung stehen? Ist unsre Partheilichk unser Haß gegen Andre, unser Hang zum Wohl ben, unser Geiß, unsre viehische Wolluft dar weniger Sünde, weil wir das Aeusserliche in Religion mitmachen und zuweilen etwas Nig ches verrichten? Ist unser ganzer fleischlid Sinn darum weniger ein Grauel vor Gott, w wir frech genug sind, uns Jesu und seines Tod zu troften, und ihn, den Heiligen und Gerechte zum Sündendiener zu machen? Ach sind wir e lich gegen uns selbst, so hören wir die Stimm des, Gewissens mit Beschåmung; so entschuldig wir nichts, was es verurtheilt; so lassen wir un das Verderben ganz aufbecken, in welchem wir un befinden; so glauben wir uns der Gnade Gott nicht eher frösten zu können, als bis wir unser ties Elend nicht nur fühlen, sondern es auch vera

« السابقةمتابعة »