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gen waren, und konnten diese veralteten Fehler nar mit Mühe bey sich ausrotten. Wie leicht ist alles euch gemacht, die ihr von eurer zartesten Kindheit an im Schoose des Christenthums die Vortheile genoffen habt, die mit dieser glücklichen Lage verknüpft waren! Nicht selten traf sie beym Bekenntniß des Christenthums der Verlust ihres Vermögens, ihrer Ehre, ihres Lebens. Was habe ihr zu besorgen, wenn ihr es mit Jesu haltet; sind eure Umstände nicht so günstig, daß euer Glaube an ihn sogar aufserliche Vortheile und bürgerliche Rechte nach sich zieht? Werden wirs verantwor= ten können, wenn wir, bey einer so glücklichen Lage, die Mitglieder der ersten Gemeine Jesu nicht weit übertreffen an reifer Weisheit, an månnli cher Standhaftigkeit,' an redlicher Treue, und an christlicher Rechtschaffenheit? Glaubet ihr, daß wir über den Gebrauch so vieler Mittel der Era leuchtung, Besserung und Vollkommenheit, die unser Zeitalter enthält, nicht verantwortlich sind? Wird uns das Gericht des Elenden im Evangelio, der kein hochzeitlich Kleid anhatte, nicht doppelt treffen, wenn wir ihm ähnlich werden? Laffet uns daran arbeiten, daß die Anzahl der bloß Berufnen mit jedem Tage kleiner werde, und die Zahl der Auserwählten sich vermehre; laffet es euch angelegen seyn, euern Beruf und eure Erwåhlung immer fester zu machen; Amen.

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Am

XXII. Sonntage nach Trinitatis.

Obgleich alle die Pflichten, welche wir als

Christen zu erfüllen haben, den Neigungen unfers Herzens unangenehm sind: so zeichnen sich doch manche unter denselben durch eine so empórende Strenge aus, daß ihre Beobachtung ohne eine bis zur Aufopferung gehende Selbstverläug. nung gar nicht möglich ist. Zwar weiß ich es wohl, daß der eine oft eben das Gebot der Pflicht leicht findet, das dem Undern schwer scheint; daß der eine da ohne sonderliche Mühe gehorcht, wo ber Andre das größte Widerstreben empfindet. Unfre Fähigkeiten, Gewohnheiten, Neigungen find so mannichfaltig, unsre Umstände sind von einem so entscheidenden Einfluß auf die Erfüllung unsrer Obliegenheit, daß es kein Wunder ist, wenn der eine mit einer Art von Ver gnügen übt, was den Andern erschöpft. Aber dessen ungeachtet giebt es Pflichten, die stets und allen ohne Ausnahme schwer fallen, die so viel Aufmerksamkeit, einen so grossen Aufwand von Kraft, eine so gewaltsame Einschränkung unsrer wirksamsten Triebe voraussetzen, daß jeber zittert, der sie übernehmen soll. Merkwürdig ist es indessen, daß Gott bey so schweren Pflichten unsrer Schwachheit auf eine ganz be

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fondere Art zu Hilfe kommt. Je gröffer eine Obliegenheit wird, je mehr unserm Herzen der Entschluß kostet, sie anzuerkennen und wirklich zu erfüllen, desto lauter und vernehmlicher ist die Etimme, mit der sie spricht, desto unwider stehlicher zwingt sie unsre Vernunft, ihre Recht måssigkeit und Nothwendigkeit einzuräumen. Und dabey hat uns Gott noch überdieß mit so viel sanften Einladungen, mit so viel rührenden Ermunterungen, mit so viel angenehmen Aussichten auf wichtige Vortheile und auf künftige Vergel tungen umgeben, daß wir sie nur unparthenisch überlegen dürfen, um die Strenge der Pflicht, die uns beym ersten Anblick so unerträglich schien, zu einer wohlthätigen Gewalt werden zu sehen, der ein vernünftiges Geschöpf und ein wahrer Christ ohne Murren folgen muß. Das Evange tium, über welches ich jezt reden soll, dringt auf eine Pflicht, die unstreitig den schwersten beyzuzåhlen ist; auf eine Pflicht, gegen die sich unser ganzes Herz emport, die ohne die entschloffenste Selbstverläugnung niemals von uns beobachtet werden Fann. Denn ist es leicht, nachsichtsvoll gegen Beleidiger zu seyn; ist es leicht, denen sogar Gu tes zu thun, die uns angegriffen, verlegt, gemiß handelt haben; ist es leicht, jenem gewaltigen Triebe der Natur zu widerstehen, der uns gleichsam nöthigt, unsern Feind fühlen zu lassen, er habe uns nicht ungestraft gereizt? Höret mich heute ein strenges, beschwerliches Gebot der Pflicht habe ich euch vorzuhalten; ein Gebot, das dem ohnehin schon verwundeten Herzen freilich wehe thun muß; aber auch rührende Ers munterungen, besänftigende Vorstellungen, Beyspiele der Geduld, der verzeihenden Liebe und

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einer unendlichen Langmuth habe ich euch zu zei gen; an den habe ich euch zu erinnern, der noch Sterbend für seine Feinde bat, der mit himmlifcher Sanftmuth rief: Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun.

Evangelium: Math. XVII. v. 23-35.

Nachsicht gegen Beleidiger ist die Pflicht, welche Jesus in dem vorgelesenen Evangelio ein schårft; also wird euch mein himmlischer Water auch thun, so beschließt er die rührende Erzählung desselben, so ihr nicht vergebet von eurem Herzen ein jeglicher feinem Bruder seine Fehle. Ich habe schon gestanden, daß diese Pflicht eine Obliegenheit ist, die unserm nach Genugthuung und Rache schmachtenden Herzen recht eigentlich verhaßt zu feyn pflegt. Aber wahrlich, ihre Heiligkeit, ihre unerläßliche Nothwendigkeit, ihre wohlthatige Natur, und den sanften, unwiderstehlichen Reiß, den sie für jeden hat, der sie im rechten Licht erblickt, kann man unmöglich besser darstel len, als es von Jesu in diesem Evangelio geschehen ist. Nein, ich weiß euch heute nichts heilsameres, und für euer ganzes Leben wichtigers zu sagen, als wenn ich euch zeige:

wie stark uns Gott zur Nachsicht ge

gen unsre Beleidiger verpflichtet. Jesus verweiset uns im Evangelio theils I) auf das Beyspiel Gottes selbst: er trägt uns alle mit der größten Geduld; theils II) auf unser eignes Bedürfniß: wir können die Nachsicht Undrer selbst nicht entbehren; theils III) auf unser Verhältniß gegen sie:

wir sind insgesammt Mitknechte; theils IV) auf die Geringfügigkeit der Fehler, wo mit sie uns beleidigen: sie sind immer nur Fleine Schuldner: theils V) auf den gerech ten Abscheu, ben wir durch unversöhn liche Härte erwecken: es werden sich dar. über alle unsre Mitknechte betrüben; theils endlich VI) auf die Strafen, die diesen Mangel an Nachsicht treffen werden: unser himmlischer Vater wird uns eben so thun." Doch ehe ich diese Gründe einzeln durchgehe, muß ich einige Anmerkungen über die Nachsicht selber machen, die wir unsern Beleidigern schuldig sind, und dadurch allerley Mißverständnissen vorbeugen, die den wahren Gesichtspunkt zu verrücken pflegen. #Wenn das Christenthum Versöhnlichkeit und Nachsicht bey den Beleidigungen unsrer Mitmen fchen von uns fordert, so verbindet es uns nicht

1) zu einer Fühllosigkeit, die von Den Angriffen Andrer gar nicht gerührt wird. Es wird dem Knecht im Evan gelio nicht das von dem Könige verdacht, daß er feinen Mitknecht für seinen Schuldner ansieht; bloß die Hårte, mit der er ihn behandelt, ist das Verbrechen, das so nachdrücklich an ihm geahndet wird. Und in der That, etwas Unmögliches würde das Christenthum von uns fordern, wenn es uns zu einer gänzlichen Unempfindlichkeit gegen die Krankungen verbinden wollte, die uns von Andern angethan werden. Es ist der Einrichtung unsers Wesens gemäß, daß wir es übel nehmen, wenn man uns verachtet, wenn man uns Unrecht thut und uns schändlich hintergeht; daß wir Aufwat lungen des Zorns fühlen, wenn man unverschämte Eingriffe in unfre Rechte wagt; daß sich alles in

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