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Aussichten, eure Gunst bey Andern aufzuopfern, sobald er es gebietet. Auf Menschen läßt er euch stoffen, die nicht gerettet werden können, wenn ihr euch nicht ähnlichen Gefahren aussehen wol let: sehet da eine Gelegenheit, euren Trieb zur Selbsterhaltung zu bezwingen, und selbst euer Leben aufzuopfern, sobald er es gebietet. Nein, es giebt keine Art des Gehorsams gegen unsre Pflicht, zu der der Anblick menschlicher Noth uns nicht häufige Veranlassung gåbe; und ich fage es euch frey heraus: man kann unmöglich viel von eurer Besserung und Tugend halten, wenn euch die Noth eurer Brüder, die ihr von Jugend auf vor Augen gehabt habt, nicht schon oft bewogen hat, eurer Pflicht auch schwere Opfer zu bringen, wenn ihr dem noch nicht ähnlich geworden seyd, der sich für unsre Noth am Kreuze geopfert hat.- Sehet noch hinzu, daß der Anblick menschlicher Nothe

IV) auch niglich wird für unsre Hoffnung. Er soll nåmlich unfern Glauben an Gott und an eine beßre Zukunft nach dem Tode beleben und nåhren.

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a) Unfern Glauben an Gott. Ohne die feste Ueberzeugung, Gott sen durch Chriftum unser Vater, und, wenn wir ihn lieben, so müsse uns alles zum Besten dienen, ohne dieses kindliche, auf die Verheissungen und Verdienste Jesu gestuzte Vertrauen zu Gott, ist keine gründliche Besserung unsers Herzens möglich. Fürchtet nicht, daß der Anblick menschlicher Noth diesen Glauben scheu und furchtsam machen, oder ihn wohl gar unterdrücken werde, wenn ihr alles nur fo betrachtet, wie es betrachtet werden muß. Als ein Geschöpf, das Gott von Unarten entwöhnen,

und für eine beßre Welt bilden will, sehet jeden Nothleidenden an, der euch vor die Augen kommt; forscher nach der Weisheit, nach der Erfahrung, nach dem edlen Sinn, nach der stillen Ergebung, welche ben so vielen lang geprüften bewirkt wor= den ist; bemerket die Hilfe, die oft wider alles Erwarten, durch Mittel, an die Niemand ge= dacht hatte, und gemeiniglich dann, wenn die Noth am größten ist, so vielen Bedrängten wiederfährt, und sie weit glücklicher macht, als sie ohne das vorhergegangene Elend gewesen seyn würden; beobachtet endlich die Freudigkeit, den unaussprechlichen Trost und die lebendige Hoffnung, mit welcher der Glaube an Gott durch Christum so viele Dulder mitten im Leiden, so viele Sterbende selbst dann noch erfüllt, wenn alle menschliche Hilfe verschwunden ist: und ihr werdet selbst in der Noth, die ihr um euch her wahrnehmet, so viel Proben von Gottes alles lenkender Regierung, so viel Anstalten seiner Weisheit, so viel Wohlthaten seiner Huld antreffen, daß ihr euch in eurer Hoffnung zu Gott immer von neuem befestigt fühlen werdet. Sind wir aufmerksam und weise, so werden wir den Schauplah der menschlichen Noth weit lehrreicher, unterhaltender und ermunfernder für unser Herz finden, als den Schauplag des Wohllebens und der Freude; unser Glaube an Gott wird auf demselben belebt und genåhrt werden. Aber eben so sehr auch

b) der Glaube an eine bessere Zukunft nach dem Tode. Denn bezieht sich die ganze Bildung, die uns Gott durch Leiden giebt, nicht auf eine höhere Welt? Treffen die Widerwärtigkeiten des Lebens mit ihrer ganzen Last nicht oft die besten Menschen; und sind sie

nicht zuweilen die Folgen ihrer Wahrheitsliebe, ihrer Berufstreue, ihrer unbestechlichen Rechtschaffenheit, ihrer uneigennüßigen Menschenliebe, ihrer standhaften Anhänglichkeit an Religion und Christenthum? Muß uns jede Erfahrung dieser Art nicht in der Ueberzeugung befestigen, daß in unserm irdischen Leben sich alles bloß in der Anlage, in der Verwickelung, im Anfange zeigt; die Entwickelung, die Auflösung, der Ausgang aber erst in einer andern Welt erwartet werden muß? Ein mächtiger Erinnerer, daß wir nicht für diese Erde allein bestimmt sind, ist der Anblick menschlicher Noth, und jede Thråne, die der gedrückte Fromme weint, ein Zeugniß unsrer UnSterblichkeit. Betrachtet das auf Erden herrs schende Elend nur in dem rechten sichte: so wer det ihr eure Hoffnung immer fester, und euren Eifer im Guten immer feuriger werden sehen; so wird es euch möglich werden, mit dem Apostel zu sagen: wir werden nicht müde, sondern ob unser äusserlicher Mensch verweset, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert; denn unfre Trübfal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige, über alle Masse wichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; Amen.

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Am

Sonntage Oculi.

Man sagt etwas eben so Wahres als Trauri

ges, wenn man das Lehramt Jefu auf Erden einen immerwährenden Kampf mit der Parthei= lichkeit seiner jüdischen Zeitgenossen nennt. Sie erwarteten einen reichen Messias, und er war arm. Sie hoften auf einen Retter, der mit den Waffen in der Hand sein Vaterland in Freyheit se ken würde; und er war ein zum Frieden und zum Gehorsam gegen die Römer ermahnender Lehrer. Sie verlangten einen König, der durch den Glanz seiner Regierung alle Beherrscher der Erde beschämen sollte; und er wollte keine andre als die Gewalt der Wahrheit brauchen, und sagte es geradehin, daß sein Reich nicht von dieser Welt fey. Emen Helden forderte das jüdische Volk in seinem Messias, der feiner Nation die Herrschaft der Welt erkämpfen könnte; und Jefus erschien als ein Mann, dessen Hauptzweck Belehrung und Verbesserung der Welt war. Schon im Voraus mußte man wider einen Menschen eingenommen seyn, der den Messias vorstel len wollte, und doch dem Bilde so wenig ähnlich war, welches man sich von dieser grossen Person entworfen hatte. Jesus fand also Widerstand, er mochte sich verhalten wie er wollte. Führte er Beweise; man verwarf sie ohne Prüfung. That

er Wunder; man erklärte sie für unzureichend. Berief er sich auf seine Tugend; man gab ihm Schuld, er habe den Teufel. Gedenket an den, sagt daher Paulus in feinem Briefe an die Hebräer, der ein solches Widerspre chen vonden Sündern wider sich erduldet hat; ein recht entschloßnes Widersprechen lasterhafter Menschen war es, was Jesus erfuhr, -fo lang er unter seinem Volke wirkte. Aber wie traurig, wie mühevoll war dieser Kampf für Jea sum selber! O diese Partheylichkeit, die er überall antraf, über die selbst Wunder nichts vermochten, die bey allen seinen Unternehmungen ungerührt blieb, war die nie versiegende Quelle, aus der fich bittre Leiden über sein ganzes Leben ergoffen. Sie war aber auch die wahre Ursache, warum das jüdische Volk Jesum im Ganzen verwarf; warum es in dem sittlichen Verderben blieb, aus welchem es durch ihn gerettet werden sollte; warum es in den Jammer gerieth, in welchem es nach dem Untergange feiner Staatsverfassung seit so vielen Jahrhunderten geseufzt hat, und der es noch immer zu Boden drückt. Wollen wir die Wahrheit gestehen, so ist die Partheylichkeit, die Damals so wirksam und nachtheilig war, ein lle bel, das zu allen Zeiten geherrscht hat; und an welchem wir oft selbst krank liegen, ohne es zu merken. Denn sie gehört unter jene gefährliche Krankheiten, bey denen der, welcher sie an sich hat, sich wohl zu befinden glaubt; die unzählige Unglückliche tödten, ohne daß sie wissen, wie ih nen geschieht. Das heutige Evangelium enthält so viel Belehrung über die Natur und über die schädlichen Wirkungen der Partheylichkeit, daß ich es für Pflicht halte, euch darauf aufmerksam zu

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