den der alte Tobias seinem Sohn auf den Weg gegeben Tob. 4, 6. Wohl dem, der darnach thut! — Hieronymus hatte den gottseligen Spruch: Deum meditare et coelum fiet cor tuum, d. i.: Gedenke fleißig an Gott, so wird dein Herz ein Himmel werden." - Treffend jagt der gottselige Scriver (Seelenschat 1, 3, 32): „Ich halte, ein einiger Anblick des gekreuzigten Heilandes, der im Glauben und rechtschaffener Andacht geschieht, sei genug, alle Sündenlust zu dämpfen. Bewahre du, christliche Seele, in deinem Herzen durch stetiges Andenken die Geißeln und Ruthen, die mit dem Blute Jesu gefärbet sind, und halte sie deinem sündlichen Fleische für und zwinge es damit, so oft es Lust zur Sünde gewinnet." Das ganze Lied aber und besonders V. 4-6 sind als Trost in Todesnoth erschienen am Todtenbette von Philipp David Burk, Specialsuperintendent in Kirchheim u. T. (22. März 1770). Nachdem er daselbst mehrmals mißlich scheinende Krankheiten auszustehen gehabt, überfiel ihn seine lehte Krankheit mit heftigem Fieberfrost, als er gerade über Ebr. 6, 7 und 8 mit Zuziehung von Vers 4 des Liedes: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ eine Beichtrede hielt. Es brachen einige Geschwüre in der Brust auf und seine Lunge wurde unbrauchbar. Er aber sah diese seine lezte Krankheit als einen Tiegel an, den der Herr gebrauchte, ihn von allem loszumachen, was sich nicht auf den lautern, einfältigen Glauben an Jesum, den Heiland, und den Zugang zum Vater durch Christum gründete. Nichts als dieses, das bekannte er oft, bleibe ihm übrig, nemlich der lautere Halt an die Gnade Gottes in Christo Jesu; was er andern gepredigt und gezeuget, das beweise sich nun als Wahrheit an seinem Herzen. , wenn einer auf das Todtenbett kommt", rief er einmal aus, da wird einem alles abgestreift, das eigene Wissen, Wirken, Haben, nichts bleibt einem übrig, als das bloße Erbarmen in Christo. O wie wird mir's sein, sezte er dann mit Thränen hinzu, wenn ich meinen lieben Herrn Jefum, von dem ich so viel gepredigt habe, das erstemal sehen werde!" Darum ließ er sich von seinen Freunden das Lied: „Jesu, deine tiefen Wunden" singen und fühlte sich dadurch herzlich gestärkt zum glücklichen Überwinden. Aus dem neuesten Krieg 1870 erzählt Divisionsprediger Kadelbach von einem schwer verwundeten Schlesier, dem durch einen Schuß in die Brust zwei Rippen verlegt und die Lunge durchbohrt war. Mit Freuden ergriff er die Hand des Geistlichen, als dieser ihn zum erstenmale besuchte, und dankte Gott, daß er nicht ohne geistliche Stärkung sterben werde. Als nach 6—7wöchentlichem Ringen sein Todestag eintrat, antwortete er seinem Seelsorger auf die Frage, ob er noch etwas an die Seinen zu bestellen hätte, mit mühsam keuchender Stimme: „Meinen lezten Gruß meiner Frau und meinen Kindern. Gottes Segen über sie! Schreiben Sie an den Pastor, er soll zum Gedächtniß in der Kirche singen lassen: Jesu deine tiefen Wunden, deine dein bittrer Tod!" Da versagte ihm die Stimme; Qual, - nach diesen lezten Worten war er bald erlöst. (Meine Gedenkblätter, Heilbronn 1873, III, 151.) Melodie: Freu dich sehr, o meine Seele. 18. Wenn meine Sünd' mich kränken. Von Oberhofprediger und Generalsuperintendent Justus Gesenius (1601-1673) zu Hannover gedichtet, als er mit Denike 1640 f. die ersten Anfänge des Hannöverschen Gesangbuchs von 1659 herausgab (III, 230 ff.). Nach Raumer wäre es eine Umdichtung des alten Passionslieds: „Hilf Gott, daß mir gelinge." Dieses ist von Heinrich Müller, einem gebornen Nürnberger, im Gefängniß gedichtet, in welchem er als Zeuge der Wahrheit von Herzog Georg von Sachsen zwölf Jahre lang gehalten wurde, worauf er dann über vierzig Jahre zu St. Annaberg Schreib- und Rechenschule hielt. Es erschien im Jahr 1545 im V. Babstschen Gesangbuch und ist vielleicht schon in den zwanziger Jahren gedichtet. Allein bei näherer Einficht stellt sich heraus, daß zwischen dem Inhalt beider Lieder nicht die geringste Ähnlichkeit sich findet. Es ist absichtlich über denselben Gegenstand und mit dem nemlichen Silbenmaß gedichtet, um es dem minder brauchbaren Lied an die Seite zu stellen. Es ist auch wohl gelungen; und nur eine kleine Ironie des Schicksals mags genannt werden, daß dem ehrwürdigen Mann, der die verhängnißvolle Bahn der Liederveränderungen betreten hat, der Anfang seines eigenen Lieds umgebogen wurde in: „Wenn mich die Sünden kränken.“ Das ganze Lied, besonders V. 3, hat in folgender Erzählung seine Segenskraft erwiesen. Am 16. März 1785 starb in Berlin ein siebzehnjähriger Jüngling. Lange war er als ein verlorner Sohn der Gegenstand der Seufzer und Gebete seiner Eltern, als endlich die Hand der rettenden Gnade ihn aufs Krankenbett legte, auf welchem unter den heißen Thränen der um ihn weinenden Mutter das Eis seines Herzens zu schmelzen begann. Sein Gewissen erwachte; er erkannte, wie schwer er wider Gott und Menschen gesündigt hatte. Das Verderben, in das er sich gestürzt, lag vor ihm in einer Tiefe, aus welcher er keine Rettung mehr zu hoffen wagte, und seine Sünden erschienen ihm größer, als daß sie ihm könnten vergeben werden. In diesem Zustande trostloser Reue, Angst und Verzweiflung brachte er eine geraume Zeit zu. Da begann jenes Lied, das er einst in der Schule auswendig gelernt, inwendig zu ihm zu reden. Das Wort vom Kreuze wurde auch an ihm ein Wort der Gnade und des Lebens, und er fieng an zu fühlen, daß der Zuruf des Heilandes: „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!" auch ihm gelte. Der Friede Gottes machte wieder Wohnung in seinem Herzen, und, unter allen Schmerzen der Krankheit über nichts mehr klagend, als daß er so Lange den Weg der Sünde gewandelt, sah er mit Freude seinem Ende entgegen und bat, daß man bei seinem Tode doch jenes Lied singen möchte, vor allem den Vers: „Was kann mir denn nun schaden der Sünden große Zahl ?" Bald darauf empfieng er von Consistorialrath Silberschlag das h. Abendmahl, und auch dabei war vor allem jener Vers sein Beicht, Trost- und Dankgebet. Einem seiner Kameraden, der ihn wenige Tage vor seinem Ende besuchte, rief er zu: „Du, mein Lieber, weißt es, wie oft wir den Herrn Jesum entehrt haben. Aber nun nimm dir an mir ein Beispiel und werde durch meinen Schaden klug. Ich widerrufe alle Wege der Sünde, die wir mit einander gegangen. Thue auch du es und bekehre dich zu deinem Heilande, dieweil du noch lebest und gesund bist. Du wirst nicht anders selig, als durch das Blut unsers Herrn Jesu Christi. Gib mir die Hand darauf!" Dieser that es und versprach unter Thränen, daß er auch umkehren wolle. Beide umarmten sich dann und nahmen Abschied von einander auf ein fröhliches Wiedersehen vor dem Throne des Herrn Jesu. V. 5 darf eigentlich als Höhepunkt des Liedes gelten, und es ist gewiß in der Kirche schon hundertmale dem alten Lehrer von vielen Seelen nachgebetet worden: „Daß mir nie komme aus dem Sinn, wie viel es dich gekostet, daß ich erlöset bin!" In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die schon ums Jahr 1527 bekannte Melodie des weltlichen Lieds: „Mögt' ich von Herzen singen mit Luft ein Tageweis" auf das Lied: „Hilf Gott, daß" übertragen. Vielleicht ist es die M.: ga gf de fis g, welche in Württ. Choralbb. noch 1721 den Namen: „Hilf Gott, daß", dann aber 1744, 1777 und 1798 und im kurhessischen Choralbuch den Namen: „Wenn meine Sünd'" trägt. Eine andere Melodie dfga eba ist von Peter Sohren, preußischem Kantor in Elbing, in seiner Ausgabe der Crügerschen praxis pietatis melica vom Jahr 1668 mitgetheilt. Eine dritte gibt Tucher aus dem Hamburger Gesangbuch von 1604 zum Lied: „Hilf Gott, daß": fa abbcc; diese findet sich noch im Hamb. Choralbuch mit der Überschrift unsers Lieds. Eine vierte ist aus dem Brandenburgischen, wo sie lange üblich war, von Knecht 1798 in's Württ. Choralbuch eingeführt worden: dg abg fes d. — Das Allgem. deutsche evang. Kirchengesangbuch 1854 gibt dazu die Melodie: Herr Christ, der einig Gottssohn („Herr Jesu, Gnadensonne"). 19. Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld. Eines der ältesten Lieder von Paulus Gerhardt, das zum erstenmale in der dritten Ausgabe der Praxis pietatis melica von Joh. Crüger, Berlin 1648, erscheint. Den Grundgedanken zu diesem Musterlied aller Passionslieder hat der Sänger aus Johannis 1, 29 und Jesajah 53, 4-7 entnommen. Der Gedankengang ist folgender: B. 1 schaut der Sänger seinen Heiland an auf der Marterstraße. „Er trug sein Kreuz"; Deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne“; „Sehet, " welch ein Mensch!" diese drei Passionsgedanken fließen ihm zusammen in dem Einen: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!" - Wer ist denn nun dies Lamm? V. 2-4. Es ist der von Ewigkeit erwählte Sündentilger V. 2, den der Vater sendet in die Welt, und der V. 3 willig und mit Freuden sein Ja, Vater! erklingen läßt. Dieses Zwiegespräch, in welchem jenes Lutherwort: Fahr hin, meins Herzens werthe Kron!" wie ein Doppelecho nachklingt, gehört mit seinem volltönenden Schlusse V. 3 und 4 zu dem Ergreifendsten, was Gerhardt gesungen. Die Klarheit des Vaterworts, die Innigkeit der Sohneszusage (vgl. Matth. 11, 26. Joh. 4, 34) und die Herzenslust dankbarer Anbetung im Munde des Chors gläubiger Seelen, welche in V. 4 die Liebe aller Liebe bewundern, greift unvergleichlich schön in einander. „O süßes Lamm, was soll ich dir erweisen dafür, daß du mir erzeiget so viel Gutes?" V. 5-10 ist die Antwort: und zwar V. 5-7 wie will ich dich ehren?, V. 8-10 was will ich an dir haben? V. 5. Du sollst in meinem Herzen, du sollst mein Herz selber sein. Hier reicht Gerhardt dem alten Sänger Afsaph die Hand Psalm 73, 26., und des ehrwürdigen Martin Schallings Wort: Und wenn mir gleich mein Herz zerbricht" in seinem Liede: Herzlich lieb hab ich dich" tönt bei ihm nach. V. 6. Wie das Herz, so das Leben. Ist nicht Gerhardts Leben selbst, wie das so mancher anderer Jünger Christi, eine anschauliche Erfüllung des Wortes: „Mein Bach des Lebens soll sich dir — in Dankbarkeit ergießen ?" In Summa V. 7, was Herberger zuvor gesungen: In meines Herzens Grund dein Nam und Kreuz allein fünfelt all Zeit und Stunde“, das breitet Gerhardt hier aus: Jesu Blut mein Schatz aller Schäße, mein Herz deine Schazkammer! vgl. 1. Petr. 1, 18. Wenn ich so meinen Herrn ins Herz schließe, so wird es mein Nußen zu allen Zeiten sein. Schon jezt V. 8 in allen Lagen des irdischen Lebens: Christi Blut ist zu allem gut. Noch mehr später V. 9, wenn Noth und Tod herzustößt: Und wann des Kreuzes Ungestümm mein Schifflein treibet um und um, so bist du dann mein Anker." Am allermeisten am Ende, wenn die Zeit in die Ewigkeit einströmt V. 10: „So soll dies Blut mein Purpur sein!" am himmlischen Hochzeitstage der Seelen. Offenb. 1, 5. 6. 21, 2. Es wallt und flutet das ganze Lied in hohen Wogen: das Herz ist voll an allen Enden, es gilt der Liebe ohne alle Grenzen, es gilt dem Blute ohne Gleichen. " - Einzelne Spuren des Segens dieses hohen Liedes sind folgende. V. 3. Professor Gottlob Christian Kern, der Dichter des edlen Liedes: Wie könnt ich sein vergessen" betete, als er zu Anfang des Augusts 1835 auf dem Sterbebette lag, in einer seiner lezten und schwersten Leidensnächte die Worte: „Ja, Vater, ja von Herzensgrund; leg auf, ich wills gern tragen!" und bat dabei den Herrn: Ach, laß mich kämpfen den guten Kampf des Glaubens, zu dem du mich berufen hast; hilf mir Glauben halten und den Lauf vollenden, damit mir beigelegt werde die Krone der Gerechtigkeit. Ja, schenke mir ein stilles, tiefes Verlangen nach der Ewigkeit in mein Herz." V. 4. Ernst Bengel, des ehrwürdigen Prälaten Bengel_würdiger Sohn, Professor der Theologie zu Lübingen, faßte am Palmtage 1793 seine Gedanken in die Worte: „O süßes Lamm, was soll ich dir c." Es war seine lehte Predigt, er entschlief 17. Apr. 1793. V. 5 ist ein Lieblingsgebet vieler glaubigen Seelen in unsrer Kirche geworden. Es ist der innigste Ausdruck jener Liebe zu Gott, welche siebzig Jahre hernach das sogenannte Württembergische Confirmationsbüchlein mit den Worten beschrieb: „Gott lieben heißt: ihm mit dem Herzen anhangen, immer in Gedanken mit ihm umgehen, das größte Verlangen nach ihm tragen, das höchste Wohlgefallen an ihm haben, ihm ganz und gar sich ergeben und um seine Ehre eifern." V. 10. Justine Friedricke Juliane Schuhmacher wurde ihrem Gatten, Johann Anton Schuhmacher, Prediger in Straußfurt in Thüringen, 1747 angetraut unter den Klängen des Lieds: Wann endlich ich soll treten ein in deines Reiches Freuden, So soll dies Blut mein Purpur sein, ich will mich darein fleiden! Als sie im Jahr darauf ins elterliche Haus nach Rothensitte gieng, um ihre Niederkunft dort zu halten, sang man zum Beschluß des heiligen Abendmahls denselben Vers, wie damals. Es war ihr letter Gang in das Haus des Herrn. Nach wenigen Tagen war es ihr bestimmt, dem Herrn, dem sie sich angetraut, als eine wohlgeschmückte Braut an seiner Seit' zu stehen. (Burk, Pfarrfrauen. S. 248 f.) " Die gewöhnliche Melodie dieses Lieds: c d e a c b b a, auf welche Gerhardt es auch gedichtet hat, ist: „An Wasserflüssen Ba= bylon", ein von dem Organisten zu Straßburg Wolfgang Dachstein schon im Straßburger Kirchenampt" 1525 herausgegebener Sat, welcher sich 1545 im Babst'schen Gesangbuch Luthers findet und überall durch seinen lieblichen Fluß Anklang gefunden hat. Von Ebeling findet sich eine Melodie aus C moll in seiner Ausgabe von „. Gerhardi geistlichen Andachten, 1666", welche aber wegen ihres modernen, arienmäßigen Gepräges nie Gemeindegut geworden ist. Eine schöne Melodie: g g g c d es d ch ist von dem Stuttgarter Kapellmeister und Stiftsorganisten J. G. Störl 1717 gefertigt und in Württemberg gebräuchlich. 20. D Welt, sich hier dein Leben. Von P. Gerhardt auf die alte Melodie des Liedes: „ Welt, ich muß dich lassen" und im Anklang an den Anfang desselben ge= dichtet und schon in das Berliner Gesangbuch 1648 aufgenommen. Der Gedankengang des Lieds ist kurz dieser: V. 1 und 2. Aufruf an alle Welt, das Leiden Jesu zu beschauen; vgl. Klage= lieder 1, 12: Schauet doch und sehet, ob ein Schmerz ist, wie mein Schmerz! V. 3-8. Betrachtung dieses Leidens im Gespräch mit Jesu. V. 3. Wer hat dich so geschlagen? V. 4. 5. Ich |