Maria Schweidler die Bernsteinhere. 27 Kapsel mehr zu finden. Denn Gewilde hatte es zwar genugsam in der Coserowschen und Ueckeriger Heiden, aber der alte Heidereuter Zabel Nehring war im verschienen Jahr an der Pestilenz gestorben, und noch kein neuer daselbsten. Auch war im ganzen Kapsel keine einige Mousquete oder Kraut*) dazu aufzufinden, sintemalen der Feind alles geraubet und zubrochen. Wir mußten dahero alle Tage ansehen, wie Hirsche, Rehe, Haasen, Schweine et cet. uns fürbei sprangen, da wir sie doch lieber in unsern Magen gehabt, aber in unserer Unmacht sie nicht gewinnen kunnten. Und in Gruben wollten sie sich nicht fahen lassen. Doch hatte Claus Peer ein Rehe darin gefangen, und mir auch ein Stück davon verehret, was ihm Gott lohnen wölle. Item an zahmen Vieh war fast gar nichtes mehr im Kapsel fürhanden, auch kein Hund, weder eine Kaze, welche das Volk in der großen Hungersnoth zum Theile gegessen, zum Theile aber vorlängst geschlagen oder versäufet. Doch hatte der alte Bauer Paassch noch zwei Kühe, item soll in Ueferize noch ein alter Mann Ferkelken gehabt haben, das war Alles. Darumb lebete fast alles Volk von Brummel- und andern Waldbeeren, welche aber auch schon begunnten seltsam zu werden, wie man leichtlich gießen mag. Auch *) Pulver. hatte sich dabei allbereits ein Knabe bei 14 Jahren verloffen (den alten Labahn sein Junge), und nie nichtes wieder von sich hören lassen, so daß ich schier befahre, daß ihn die Wülfe gefressen. Hieraus möge nun ein christlich Herze vor sich selbsten abnehmen, in was Gram und Trübsal ich meinen Stecken zur Hand genommen, angesehen mein Töchterlein für den leidigen Hunger wie ein Schatten verginge, obschon ich selbsten als ein alter Körper, durch die Gnade des barmherzigen Gottes noch keinen sonderbaren Abgang meiner Kräfte verspürete. Indeme ich nun so ginge, im fortwähren zu dem Herrn wimmernd, gewahrete ich auf dem Wege gen lekerige so ich eingeschlagen, einen Bettlersmann, der saß mit seinem Ränzel auf einem Stein und verzehrete ein Stücklein seltene Gottesgabe, verstehe ein Stücklein Brod. Ach, da liefen mir armen Mann die Backen so voll Wassers, daß ich mich erst bücken und es zur Erde mußte laufen lassen, ehe ich fragen kunnte: „wer bistu, und wo kommstu her, daß du Brod hast?" Worauf er antwortete: daß er ein armer Mann aus Bannemin sei, deme der Feind Allens genommen, und da er erfahren, daß der Lieper Winkel*) fast lange Frieden gehabt, hätt' er sich aufgemacht daselbsten zu schnurren. *) Ein abgelegener Theil der Insel Usedom. Nun sage ich darauf: „du armer Bettlersmann, so theile einem betrübten Diener Christi, der ärmer ist denn du, nur eine kleine Schnede*) Brodt für sein arm Töchterlein abe, denn du sollt wissen, ich bin ein Pfarrherr hier im Dorf und mein Kind will sterben für Hunger. Ich beschwere dich bei dem lebendigen Gott, daß du mich nit gehen lässest, ohne dich mein zu erbarmen, wie man sich dein erbarmet hat". Aber der Bettlersmann wollte mir nichtes abtheilen, sprechende: daß er selbsten ein Weib und vier Kinder hätte, die auch dem bittern Hungerstode zuwanketen, massen die Noth in Bannemin noch viel größer sei, denn hier, wo wir doch Beere hätten. Ob ich nit erfahren, daß vor wenig Tagen dort ein Weibsbild (die er auch nennete, hab es aber für Schrecken nicht gleich beachtet) ihr eigen Kind geschlachtet, und für Hunger aufgezehret**)? Könne mir dahero nicht helfen und möchte ich selbsten nach dem Lieper Winkel gehen. Für solche Rede entsagte ich mich, wie leicht zu erachten, da in unserer Noth noch nichtes daran vernommen, auch wenig oder gar kein Wanken ist, von einem Dorf in das andere, und an Jerusalem *) Plattdeutsch, für Schnitte. **) Dieses entseßliche Ereigniß führt auch Micraelius in seiner,,pommerschen Geschichte“ an. gedenkend *) und schier verzweifelnde, daß uns der Herr heimsuchete, wie weiland diese gottlose Stadt, wiewohl wir ihn nicht verrathen noch gekreuziget, vergaß ich fast meiner Noth, und seßte meinen Stecken an, umb fürbaß zu gehen. Doch war ich kaum ein paar Ehlen geschritten, als mir der Bettlersmann nachrief, daß ich stehen söllte. Wanndte mich dahero wieder, als er mir mit einer guten Schnede Brod, so er aus seinem Quersack gehohlet entgegentrat und sprach: Da! äwer bedet uck för mi, datt ick to Huuse kame, denn wenn se unnerweges rücken, datt if Brod hebbe, schleht mi min egen Broder dod, köhnt gi glöwen**). Solliches versprach mit Freuden, und kehrete flugs um, meinem Töchterlein den heiligen Christ zu bringen, so ich in meiner Rocktaschen verborgen. Doch siehe, als ich gegen die Straßen komme, so vom Wege nach Loddin führet (vorhero hatt' ich es in meiner Betrübniß übersehen) trauete kaum meinen Augen, als ich alldorten mein Ackerstück bei sieben Scheffeln groß, begatet***), besäet und bestaudet antraff, so daß die liebe Roggensaat, schon bei eines Fingers Länge *) wo, nach Josephus, dasselbe geschah. **) Da! aber betet auch für mich, daß ich nach Hause komme, denn wenn man unterweges riechet, daß ich Brod habe, schlägt mich mein eigener Bruder tødt, könnt Ihr glauben. ***) zur Saat bereitet, d. i. gepflügt und geeggt. lustig aus der Erden geschossen war. Konnte nicht anders gläuben, als daß der leidige Satan mir ein Blendwerk fürgespielet; doch wie ich mir auch die Augen riebe, es war Roggen und bliebe Roggen. Und weilen den alten Paassch sein Stück so daneben stieß imgleichen besäet und die Hälmlein zu gleicher Höhe mit den meinigen geschossen waren, kunnte gar leicht bei mir abnehmen, daß der gute Kerl solliches gethan, anerwogen die andern Stücken allesammt müste lagen. Verziehe ihm dahero gerne, daß er den Morgenseegen nit gewußt und dem Herrn dankend vor so viel Liebe bei meinen Kapselkindern und ihn brünstiglich anflehend: er wölle mir Kraft und Glauben gewähren, bei ihnen nunmehro auch unverdrossen auszuhalten, und alle Kümmerniß und Trübsal, so er nach seinem grundgütigen Willen uns ferner auferlegen föllte, williglich zu tragen, lief ich mehr, denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten Paassch seinen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben seine Kuh zuhauete, so er für grimmigem Hunger nunmehro auch geschlachtet. „Gott hilf dir!" sage ich du frommer Kerl, daß du mir meinen Acker begatet hast, wie soll ich dir's lohnen?" Aber der alte Mann gab zur Antwort: Lat he dat man wesen und bede he man för uns*) *) Laß Er das nur ruhen, und bete Er nur für uns. |