Thatsachen, und vortrefflich sagt Lactantius abermals, indem er die heidnische Verläumdung, daß Christus wegen Räubereien hingerichtet sei, widerlegt*): „So viel Räuber kamen zu allen Zeiten um und kommen täglich um: wer von ihnen aber ist nach der Kreuzigung (bekanntlich nicht blos die schmerzhafteste, sondern auch die schimpflichste Todesart in der alten Zeit) ich will gar nicht sagen ein Gott, nein, nur ein Mensch genannt worden? —“ Schließlich muß aber hier auch das noch hervorgehoben werden, daß die jüdische Kirche, auf welcher bekanntlich die christliche erbaut ist, keineswegs so wundersüchtig war, als man ihr aufgebürdet, indem das lezte in der heiligen Schrift des A. T. erzählte Wunder 2. Könige 13, 21 steht, also 7 bis 800 Jahre vor Christi Geburt stattgefunden hat, während in allen späteren canonischen Schriften keines einzigen mehr Erwähnung geschieht. Daß sich Volk und Priester jedoch zur Zeit des Herrn nichtsdestoweniger mit allerlei Mythen trugen, soll nicht in Abrede gestellt werden. Doch so weit sind die heiligen Schriftsteller davon entfernt, dies zu billigen, daß sie ausdrückliche Warnungen dagegen erlassen. So ermahnt Paulus den Timotheus 1. Brief 1, 4, sich nicht *) Inst. divin. lib. V, cap. 2. mit Mythen und unnüßen Genealogien (d. i. wahrscheinlich mit den Emanations-Theorien der gnostischen und cabbalistischen Philosophie) abzugeben; nennt diese Mythen Cap. 4, 7 gottlos und Altweiberschnack*), und eben so sagt Petrus ausdrücklich, gleichsam als hätte er schon die Mythenjäger unserer Zeit prophetisch ins Auge gefaßt (2. Brief 1, 16): ich folgte nicht listig ausgesonnenen Mythen**), als ich euch kund that die Macht und Wiederkunft unsers Herrn Jesu Christi, sondern ich war der Augenzeuge seiner Herrlichkeit. Und diese Männer, die solche Warnungen gegen Mythen im Allgemeinen und gegen jüdische insbesondere aussprechen (Titus 1, 14), hätten nichtsdestoweniger auf jüdische Mythen die Geschichte Christi gründen sollen***)! · *) βεβήλους και γραώδεις. **) σεσοφις μένοις μύθοις. ***) Doch bei dem Allen ist in dem bekannten Leben Jesu von Strauß noch unendlich weit mehr Tiefe und Scharfsinn vorhanden, als in dem Geschwäge des vulgären Rationalismus. Strauß hat blos vernünftig, d. i. consequent durchgeführt, was von Anderen vorlängst mehr oder minder angenommen war. Nach Strauß würden die Evangelien wenigstens immer noch den Werth einer großartigen Dichtung behalten, nach Paulus in Heidelberg aber, der jezt überall gegen ihn auf lächerliche C* Doch ich vergesse, daß mein Eifer mich fast zu weit von meinem Ziele geführt. Du wirst mir also nach dem ausführlich Gesagten verzeihen, lieber Leser, wenn ich dir meine Bernsteinhere" in erster Auflage für ein historisches Werk ausgegeben habe! Du hast dabei nicht das Geringste verloren, sondern nur gewonnen, denn ich habe dich jest mit Händen greifen lassen, was von der Kritik unserer Zeit zu halten sei, und wenn du weise bist, wie ich hoffe Weise belfert, sind sie in der That nichts mehr werth, als in den Ofen gesteckt zu werden, und die Apostel nicht blos, sondern alle rechtgläubigen Lehrer der Kirche von der Zeit ihrer Gründung bis auf den heutigen Tag so große Einfaltspinsel, daß man Blut darüber weinen möchte, daß der Apostel Paulus nicht Gelegenheit gehabt hat, bei dem Professor Paulus in Heidelberg Eregese zu hören. Hieraus sieht man zugleich, daß meine Achtung, welche ich vor dem Herrn Strauß hege, aufrichtig und mein Brief an denselben, welchen vor Jahr und Tag die ,,Jahrbücher der Gegenwart" mit Unterlegung der böswilligsten nicht blos, sondern auch der einfältigsten Absicht mittheilten, keineswegs ironisch zu nehmen ist. Wenn Herr Strauß seine Theorie sowohl historisch als psychologisch stügen könnte, so wäre es bei seinem Scharfsinn um das Christenthum geschehen. Das aber ist so unmöglich, als daß ein Gebäude ohne Fundament sich halten, oder mit dem Pfeifenrohr, welches ich hier in Händen habe, gestützt werden kann. Wie es heißt, ist der= selbe auch neuerdings schon von vielen seiner Grundsäge zurückgekommen. Das war bei seinem Scharffinn vorauszusehen; möchte er es bald auch von allen! und wünsche, so kann dieser Scherz für dich die wichtigsten und heilsamsten Folgen haben. Dagegen habe ich durch meine Mystification mir selbst nur geschadet und werde vielleicht durch sie mir auch ferner noch schaden. Denn man hat nicht blos sogleich angefangen, mir von der linken Seite her meinen schwarzen Rock mit der Bratensauce der Journalistik zu begießen, sobald ich auf die Aufforderung eines unbekannten Freundes meine harmlose Täuschung ehrlich eingestand, sondern man wird hiermit wahrscheinlich auch fernerhin von dieser Seite her fortfahren, was ich indessen leicht verschmerze, da Jedermann weiß, daß diese Sauce heut zu Tage keine Fettflecken nachläßt, sondern aus reinem Wasser besteht, das leicht wieder abtrocknet. Allen gewissenhaften Kritikern dagegen habe ich durch den obigen Ausspruch des großen Bayle, „daß nämlich auch die allergeschicktesten Leute irren könnten, wenn sie diesem oder jenem Verfasser dieses oder jenes Buch ab- oder zusprächen“, wie durch die eigene Erklärung, daß wahrscheinlich auch ich durch die „Bernsteinhexe" getäuscht worden wäre, wenn ich sie nicht selbst verfaßt hätte, eine hinlängliche und zufriedenstellende Genugthuung gegeben. Nachdem ich nun so meine Schrift von der theologischkritischen Seite hinlänglich gerechtfertigt zu haben. glaube, bleibt mir nur noch übrig, dies auch von der ästhetischen zu versuchen, wobei ich mich freilich kürzer fassen kann. Es ist mir nämlich von jeher widerlich gewesen, in unserer Romanliteratur so häufig einer ermüdenden Breite der Darstellung und dem langweiligen Auskramen subjectiver Ansichten über Religion, Staat, Kunst u. s. w. zu begegnen. Besser, dünkte mich immer, würde für das Interesse und die Belehrung des Lesers gesorgt werden, wenn der Romandichter alle Ungehörigkeiten der Art vermiede, seine Kraft und Wirkung nicht in breiten Raisonnements, sondern hauptsächlich in der naturgetreuen Darstellung seiner Charaktere suchte, und durch die Gewalt der plastischen Phantasie (dafern er sie anders besigen sollte) wie durch die getreueste Sittenschilderung*) seinen Dichtungen den Typus der historischen Wahrheit aufzudrücken vermöchte. Noch weiter, schien es mir, würde die Illusion gehen, wenn er dabei gleichzeitig die Sprache desjenigen Jahrhunderts redete, in welches er seine Geschichte hineinverlegt. Daß ich mich auch in dieser *) Wie sehr es gerade in diesem Punkte zum Theil auch unseren besten Dichtern gebricht, zeigt z. B. Schiller, dessen Mar im,,Wallenstein“ ein Husarenlieutenant und dessen Thekla cin empfindsames Romansräulein aus dem vorigen Jahrhundert ist. |