صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

VII. Leben und Lehre Jesu.

1. Quellen zur Geschichte Jesu.

An der Geschichtlichkeit der Person Jesu kann nur ein Narr zweifeln. Der Tatbestand des neutestamentlichen Schrifttums ebenso wie die erste Genesis des Christentums bleiben völlig unerklärlich, wenn man nicht als Urheber der ganzen Bewegung einen historischen Jesus, von welcher Art er auch immer gewesen sein mag, voraussetzt. Wer aufserdem noch greifbare Beweise für die geschichtliche Existenz der Person Jesu verlangt, der wäre zu verweisen auf die bekannten Zeugnisse des Sueton und des Tacitus.

C. Suetonius Tranquillus berichtet im „Leben des Kaisers Claudius" von diesem cap. 25: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit:,,Er verbannte die Juden aus Rom, weil sie auf Anstiften eines gewissen Chrestus fortwährend Unruhen erregten."

Der Verfasser, von welchem Sueton diese Notiz übernommen hat, war offenbar sehr wenig orientiert. Die Streitigkeiten zwischen den in Rom lebenden Juden mit der ebendaselbst neuentstandenen Christengemeinde hält er für eine Zänkerei der Juden unter einander, als deren Anstifter er einen gewissen Chrestus bezeichnet, den sich der Verfasser allem Anscheine nach als zur Zeit des Claudius in Rom lebend dachte. Der Verfasser war also über das, was er erzählt, sehr mangelhaft unterrichtet. Aber gerade diese Unkenntnis der nähern Verhältnisse bürgt uns dafür, dafs hier keine Fälschung vorliegt, dafs zwischen den Juden und der aus ihnen hervorgegangenen Partei der Christen Streitigkeiten bestanden, und dafs dabei ein gewisser Christus, dessen Namen der Verfasser in das ihm geläufigere Chrestus verwandelte, die Hauptrolle spielte, dessen Autorität die eine Partei anerkannte, während die andere sie verwarf. Wir haben also hier das Zeugnis eines unparteiischen, der Sache sehr gleichgültig gegenüberstehenden Römers dafür, dafs schon unter Claudius (41-54 p. C.) in Rom eine von den übrigen Juden

sich absondernde Gemeinde bestand, welche Christus als ihr Haupt betrachtete.

Cornelius Tacitus erzählt Annalen 15,44, wie Nero nach dem Brande Roms, um den Verdacht von sich abzuwälzen, diejenigen beschuldigt und mit den ausgesuchtesten Strafen belegt habe, welche beim Volke wegen ihrer Schandtaten verhafst (per flagitia invisos) waren und den Namen Christen (Christiani) führten. Er fährt fort: Auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio affectus erat; repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erumpebat, non modo per Iudæam, originem eius mali, sed per urbem etiam, quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque,,, der Urheber dieses Namens, Christus, wurde während der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus mit dem Tode bestraft; aber der für den Augenblick unterdrückte, verderbliche Aberglaube brach wieder aus, nicht nur in Judäa, wo dieses Übel entsprungen war, sondern auch in Rom, wo von überallher alles Scheufsliche und Schamlose zusammenströmt und verherrlicht wird". Für die Echtheit dieser Stelle bürgt nicht nur ihr in jedem Worte unverkennbares und fast unnachahmliches taciteisches Gepräge, sondern auch die einfache Überlegung, dafs sie nicht, wie die bekannte Stelle des Josephus Antiq. 18,3,3, von Christen eingefälscht sein kann, da sie ja in hohem Grade christenfeindlich ist; wollte aber jemand sich zu der Behauptung versteigen, sie sei von den Gegnern des Christentums interpoliert worden, so würde die Stelle bei dieser übrigens sehr unwahrscheinlichen Annahme dieselbe Beweiskraft für die historische Existenz Jesu behalten.

Im übrigen sind wir für die Geschichte Jesu als Quelle fast ausschliefslich auf die vier Evangelien des Matthäus, Marcus, Lucas und Johannes beschränkt, deren Bezeichnung als κατὰ Ματθαῖον, Μάρκον, Λουκᾶν, Ἰωάννην, da diese Männer nicht Urheber der ,,frohen Botschaft" sind, sondern über dieselbe nur berichten wollen, durchaus nicht gegen die Autorschaft der vier Schriften durch die Apostel Matthäus und Johannes und die Apostelschüler Marcus und Lucas zeugen

würde, stünden nicht dieser Autorschaft aus andern Gründen die schwersten Bedenken entgegen.

Was zunächst das vierte Evangelium betrifft, so werden wir ihm weiter unten eine besondere Betrachtung widmen. Wir werden in ihm eine in ihrer Art wundervolle Exemplifikation der durch Jesus und Paulus geschaffenen Christusgestalt der Kirche an einem mit freier, genialer Konzeption entworfenen Leben Jesu erkennen, und begnügen uns hier mit der Bemerkung, dafs jeder, welcher den Erzählungen und Reden dieses Evangeliums irgendwelchen historischen Wert einräumt, sich dadurch die Möglichkeit verschliefst, über die vielleicht einzig in der ganzen Weltgeschichte dastehende Persönlichkeit Jesu ein authentisches Bild zu gewinnen, wozu uns die drei ersten Evangelien weit mehr urkundliches Material darbieten, als es vielen scheinen mag.

Allerdings ist nicht daran zu denken, Matthäus, Marcus und Lucas, wie sie uns vorliegen, ohne weiteres als glaubwürdige Zeugen zu betrachten, aber die beiden erstgenannten sind doch Fortbildungen zweier Urschriften, über welche uns nur das unsichere Zeugnis des Papias erhalten ist.

Papias, Bischof von Hierapolis in Phrygien, gestorben 163 p. C. und angeblich noch ein Schüler des Apostels Johannes, berichtet in dem bei Eusebius (Hist. eccl. III, 40) erhaltenen Fragment einer verloren gegangenen Schrift folgendes:

Ματθαῖος μὲν οὖν ἑβραΐδι διαλέκτῳ τὰ λόγια συνεγράψατο ἡρμήνευσε δε αὐτὰ ὡς ἦν δυνατὸς ἕκαστος. „Matthäus also hat in hebräischer (d. h. aramäischer) Sprache die Reden (des Herrn) verfasst; es erklärte sie aber ein jeder, so gut er konnte."

Μάρκος ἑρμηνευτής Πέτρου γενόμενος, ὅσα ἐμνημόνευσεν, ἀκριβῶς ἔγραψεν, οὐ μέντοι τάξει τὰ ὑπὸ τοῦ Χριστοῦ ἢ λεχθέντα ἢ πραχθέντα· οὔτε γὰρ ἤκουσε τοῦ κυρίου, οὔτε παρηκολούθησεν αὐτῷ, ὕστερον δὲ Πέτρῳ, ὃς πρὸς τὰς χρείας ἐποιεῖτο τὰς διδασκαλίας, οὐχ ὥσπερ σύνταξιν τῶν κυριακῶν ποιούμενος λογίων· ὥστε οὐδὲν ἥμαρτε Μάρκος, οὕτως ἔνια γράψας, ὡς ἀπεμνημόνευσεν. Ἑνὸς γὰρ ἐποιήσατο πρόνοιαν, τοῦ μηδὲν ὧν ἤκουσε παραλιπεῖν, ἢ ψεύσασθαί τι ἐν αὐτοῖς. Marcus war ein Dolmetscher des Petrus und hat genau aufgezeichnet alles, woran er sich erinnerte, jedoch nicht in der Reihenfolge, wie es von Christus

[ocr errors]

sei es gesagt oder getan worden war; denn er hatte ja den. Herrn weder gehört, noch war er ihm nachgefolgt, sondern nur späterhin dem Petrus, welcher die Lehrvorträge je nach dem Bedürfnis einrichtete, nicht aber in der Absicht, eine chronologische Darstellung der Denkwürdigkeiten des Herrn zu veranstalten, so dafs den Marcus kein Vorwurf trifft, wenn er einiges in der Reihe aufschrieb, wie er sich daran erinnerte. Denn nur auf Eines war er bedacht, dafs er nichts wegliefs, was er gehört hatte, und nichts hinzuerfand."

Zunächst ist klar, dafs die beiden von Papias erwähnten Urschriften, welche wir Urmatthäus und Urmarcus nennen wollen, nicht identisch mit unserm Matthäus und Marcus sein können, da unser Matthäus nicht aus dem Aramäischen übersetzt, sondern ursprünglich schon griechisch geschrieben worden ist, wie er ja auch weit mehr enthält als die Reden des Herrn, vielleicht begleitet von ihrem Anlafs, von dem Papias berichtet; ebensowenig deckt sich der Urmarcus, bei dem nach dem Zeugnisse des Papias die chronologische Anordnung mangelte, mit unserm Marcus, welcher von der Taufe durch Johannes anfangend den Aufenthalt in Galiläa, die Flucht vor Herodes in die Tetrarchie des Philippus und die Reise nach Jerusalem nebst Leiden, Sterben und Auferstehung geschichtlich zusammenhängend und im wesentlichen übereinstimmend mit Matthäus und Lucas erzählt. Bei dieser Lage der Sache läfst sich dem sehr unbequemen Dilemma nicht entgehen, dafs Papias entweder unsern Matthäus und Marcus noch gar nicht gekannt hat, oder, falls er sie kannte, in ihnen nicht den echten Matthäus und Marcus, von denen er berichtet, anerkennen konnte. Wie dem auch sei, jedenfalls haben wir in Urmatthäus und Urmarcus die ersten Keime zu unserm Matthäus und Marcus zu sehen, nur dafs zwischen den Evangelien des Papias und den unserigen vieles liegen mufs, was uns leider verloren ist, nicht nur an mündlichen Traditionen, sondern auch an Schriftwerken. Die Berichte bei Matthäus, Marcus und Lucas stimmen vielfach bis aufs Wort dermassen überein, dafs wir eine allen dreien gemeinsame, direkt oder indirekt von ihnen benutzte, in griechischer Sprache geschriebene Quelle, wir wollen sie das Synoptikon nennen, annehmen

müssen, welche verloren gegangen ist, aber sich einigermassen aus Matthäus, Marcus und Lucas herausschälen läfst und nur das allen dreien Gemeinsame enthielt, nicht aber das, was bei einem von den dreien fehlt; denn es ist nicht anzunehmen, dafs spätere Bearbeiter irgend etwas von dem, was dieses von ihnen als Autorität anerkannte und benutzte Synoptikon enthielt, fallen liefsen, es sei denn aus dogmatischen Gründen, wie denn der so anstöfsige Ausruf Jesu am Kreuze: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen", in welchem man eine Verzweiflung an seiner ganzen Lebensaufgabe finden konnte, sicher echt und bei Matthäus und Marcus aufbewahrt ist, während Lucas ihn wegliefs, weil er zu den von ihm aus andern Quellen berichteten Worten am Kreuze nicht pafste. Unser Synoptikon ist weder mit dem Urmarcus, von dem es sich schon in der Anordnung unterschieden haben muss, noch mit unserm Marcus identisch, welcher viele, meist ausschmückende Zusätze enthält, die bei Matthäus und Lucas fehlen. Neben diesem Synoptikon mufs es noch eine reiche mündliche Tradition, wahrscheinlich auch noch andere schriftliche Aufzeichnungen gegeben haben, aus deren Zusammenfassung und Verschmelzung mit ihm nach und nach unsere drei synoptischen Evangelien entstanden sind. Der Prozess im einzelnen wird sich schwerlich in einer allgemein befriedigenden Weise hypothetisch rekonstruieren lassen, und nur soviel läfst sich von unsern drei Evangelien mit einiger Sicherheit behaupten, dafs Matthäus aus einer Verschmelzung des Synoptikon mit der von Papias erwähnten Redenquelle hervorgegangen ist und dabei im allgemeinen nach unserm Gefühl das Synoptikon treuer wiedergibt als Marcus, da die diesem eigenen anschaulichen Züge weit eher aus späterer Ausschmückung als aus Ursprünglichkeit sich erklären, treuer auch als Lucas, welcher gleichfalls Redenquelle und Synoptikon benutzt haben mufs, aber die bei Matthäus noch in grofsen Komplexen erhaltene Redenquelle zerstückelte und sie den Begebenheiten, nicht immer mit Geschick, einflocht. Eigentümlich sind dem Matthäus die geflissentlichen Nachweisungen der Erfüllung der alttestamentlichen Weissagungen, wie schon daraus ersichtlich, dafs sie die Schriftstellen aus dem hebräischen DEUSSEN, Geschichte der Philosophie. II, II.

13

« السابقةمتابعة »